1. Zulässigkeit von Potestativbedingungen

 

Rz. 13

Der Erblasser kann seine Verfügung von Todes wegen auch von Umständen abhängig machen, deren Eintritt bzw. Nichteintritt vom Willen des Bedachten abhängig sind. Bei derartigen Bedingungen handelt es sich um Potestativbedingungen (Gegenwartsbedingung).[28] Solche Bedingungen sind grundsätzlich zulässig, was auch durch die Regelung des § 2075 BGB deutlich wird. Die Grenze der Zulässigkeit derartiger Potestativbedingungen ist jedoch in § 2065 Abs. 1 u. 2 BGB geregelt. Diese Vorschriften dürfen nicht durch Bedingungen ausgehebelt werden. Daraus folgt, dass vom Erblasser aufgestellte Bedingungen, welche bspw. von der Willensäußerung eines Dritten abhängig gemacht werden, unwirksam sind.[29] In den seltensten Fällen wird man allerdings zur Nichtigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit kommen, und zwar aufgrund des in § 2084 BGB verankerten Grundsatzes der wohlwollenden Auslegung.[30]

 

Rz. 14

Macht der Erblasser die Zuwendung an eine Person von der Erklärung abhängig, die Zuwendung innerhalb einer bestimmten Frist oder in einer bestimmten Form anzunehmen oder abzulehnen, liegt darin nach überwiegender Ansicht eine wirksame Bedingung. Nach a.A. handelt es sich dagegen um eine unwirksame Bedingung. Dies wird damit begründet, dass die Vorschriften über die Ausschlagung und Annahme der Erbschaft zwingenden Charakter haben.[31] Anders ist dies jedoch bei einem Vermächtnis. Hier liegt eine zulässige Bedingung vor, wenn der Erblasser die Annahme von einer bestimmten Frist abhängig macht.[32] Für das Vermächtnis ist im Gesetz keine Ausschlagungsfrist vorgesehen. Daher ist eine derartige Bedingung zulässig.

 

Rz. 15

Weiterhin gibt es sog. kaptatorische Verfügungen. Danach ordnet der Erblasser an, dass die Zuwendung unter der Bedingung erfolgt, dass die bedachte Person bestimmte Verfügungen von Todes wegen trifft.[33] Der Bedachte ist nicht verpflichtet, die Bedingung zu erfüllen, so dass insoweit keine Unwirksamkeit vorliegt. Es handelt sich daher nicht um einen Verstoß gegen § 2302 BGB. Ggf. kann jedoch Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB und damit Unwirksamkeit gegeben sein.

[28] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 14.
[29] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 15.
[30] BGH BeckRS 2016, 17767 Rn 14 ff.; Birk, DNotZ 1972, 284; Binz, Die erbrechtliche Verwirkungsklausel, 1968, S. 59.
[31] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 16.
[32] BGH NJW 1979, 917; MüKo/Leipold, § 2074 Rn 16.
[33] Soergel/Loritz, § 2074 Rn 19; Haegele, JurBüro 1969, 1, 6; Staudinger/Otte (2013), § 2065 Rn 46; a.A. RGRK/Johannsen, § 2074 Rn 12.

2. Sittenwidrigkeit

 

Rz. 16

Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wird leicht überschritten. Daher ist im Wege der Auslegung zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Bedingung vorliegt oder ob es sich lediglich um einen Wunsch des Erblassers handelt. Die Grenze der Zulässigkeit ist in § 138 BGB zu sehen. Durch seine Anordnungen will der Erblasser auf das Verhalten des Zuwendungsempfängers nach dem Erbfall einwirken. Dies ist dem Erblasser zwar gestattet, aber die Grenze der Sittenwidrigkeit darf hierbei nicht überschritten werden. Er darf die Zuwendung bspw. nicht von einer strafbaren oder unehrenhaften Handlung abhängig machen.[34] In diesem Fall ist die Verwirkungsklausel schon aus diesem Grund unwirksam, da das Verhalten selbst, das angestrebt wird, sitten- oder gesetzeswidrig ist.

Es kann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn der Erblasser durch den Einfluss seines Vermögens versucht, die Entscheidungen des Bedachten zu beeinflussen. Wird durch eine angeordnete Bedingung massiver Druck auf die Freiheitsrechte des Bedachten ausgeübt, kann dies mit der Testierfreiheit des Erblassers kollidieren. Hier ist es Sache der Rechtsordnung, entsprechende Grenzen zu ziehen.[35] Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass die richterliche Kontrolle zur Fremdbestimmung des Erblassers entartet. Nur bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte des Bedachten ist daher eine Korrektur zulässig.[36]

 

Rz. 17

Eine allg. gültige Formel, wann Sittenwidrigkeit gegeben ist und wann nicht, d.h. wann die Einflussnahme des Erblassers noch gebilligt werden kann, ist nicht vorhanden.[37] Die h.M. geht richtigerweise davon aus, dass es unzulässig sei, "wenn der Erblasser das Verhalten der bedachten Person dadurch zu lenken versuche, dass er dieser Vermögensvorteile zukommen bzw. Vermögensnachteile verschaffe, das Verhalten des Bedachten jedoch auf dessen freier innerer Überzeugung beruhen sollte".[38] Nach Ansicht des BGH sei Sittenwidrigkeit nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen anzunehmen.[39] Weiter prägte der BGH die Formel, das Verdikt der Sittenwidrigkeit (als Schranke der Testierfreiheit) müsse sich auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen können.[40] Nach a.A. liege eine unzulässige Einflussnahme dann vor, wenn das Verhalten des Bedachten, das Bedingung der Zuwendung ist, in dessen Privatsphäre liege. Der Erblasser könne nämlich nur in seinem Vermögensbereich zulässige Bedingungen setzen.[41] Nach weiterer Ansicht sei entscheiden...

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