Rz. 66

Die einkommensteuerlichen Probleme, die bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auftreten können, sind vielfältig und es können sich teilweise regelrecht dramatische Auswirkungen ergeben, wenn bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die steuerliche Seite nicht ständig "im Auge behalten" wird. Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH sind Erbfall und Erbauseinandersetzung als selbstständiger Rechtsvorgang zu beurteilen.[117] Die Finanzverwaltung hat aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des BFH mit dem BMF-Schreiben "Ertragsteuerliche Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung" vom 14.3.2006[118] (nachfolgend "BMF-Schreiben ’Erbengemeinschaft’") sowie der Ergänzung durch die OFD Karlsruhe vom 13.11.2006[119] Stellung genommen. Zu den einzelnen Einkunftsarten ist daher das BMF-Schreiben heranzuziehen. In Anlehnung an Landsittel[120] werden nachfolgend zwei "Schlagworte" exemplarisch herausgegriffen, die aber nicht einmal eine "Übersicht" der möglichen Probleme sind oder sein sollen.[121]

[119] OFD Karlsruhe: Verfügung betr. Einkommensteuerrechtliche Behandlung der Erbengemeinschaft und Erbauseinandersetzung, Verwaltungsanweisung vom 13.11.2006 – S 2242/4 – St11, BeckVerw 086732.
[120] Landsittel, Gestaltungsmöglichkeiten, Rn 588.
[121] Zu den steuerlichen Problemkreisen vgl. ausführlich Rißmann/Unger, Die Erbengemeinschaft, § 18 Rn 11 ff.

1. Ausgleichzahlungen

 

Rz. 67

Bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft werden regelmäßig Ausgleichszahlungen zwischen den Erben fließen, soweit nicht der gesamte Nachlass "versilbert", sondern unter den Erben aufgeteilt worden ist. Derartige Ausgleichszahlungen fließen vor allen Dingen auch dann, wenn der Erblasser im Rahmen einer Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB den Erben Gegenstände mit verschiedenen Werten zugewandt hat (im Einzelnen siehe § 2048 Rdn 18 ff.). Es ist daher von entscheidender Bedeutung, ob der Erblasser die Gegenstände tatsächlich im Rahmen einer Teilungsanordnung zugewandt oder vielmehr das Vorausvermächtnis gewählt hat: Wer durch Teilungsanordnung "mehr" erhält und Ausgleichszahlungen leisten muss, hat in Höhe der Zahlung Anschaffungskosten, da die Auseinandersetzung nun einen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang darstellt.[122]

 

Rz. 68

Die Erfüllung eines Vermächtnisses stellt hingegen kein Entgelt für den Erwerb des Erbteils dar. Wurde bspw. ein Nachlassgegenstand im Rahmen eines Vorausvermächtnisses einem Miterben übertragen, so ist dies einkommensteuerlich selbst dann kein relevanter Vorgang, wenn in einem weiteren Vorausvermächtnis dem anderen Miterben eine Ausgleichungszahlung zugewandt wird.[123]

[122] BMF-Schreiben "Erbengemeinschaft", Rn 28; ausführlich Rißmann/Unger, Die Erbengemeinschaft, § 18 Rn 45 ff.
[123] Vgl. hierzu eingehend Landsittel, Gestaltungsmöglichkeiten, Rn 652 ff.

2. Betriebsvermögen

 

Rz. 69

Befindet sich Betriebsvermögen (vgl. hierzu § 95 Abs. 1 S. 1 BewG i.V.m. § 15 Abs. 1 u. 2 EStG) im Nachlass, so ist höchste Aufmerksamkeit bei der Auseinandersetzung geboten. Zwar sollten im Idealfall bereits zu Lebzeiten die notwendigen Vorkehrungen getroffen worden sein, um das unerwünschte Verwirklichen von Steuertatbeständen zu verhindern. Aber auch bei der Auseinandersetzung lassen sich unerwünschte, steuerliche Folgen noch vermeiden, wenn keine bzw. keine sinnvollen Vorkehrungen durch den Erblasser getroffen worden waren.

 

Beispiel[124]

Erblasser Max Meier war Eigentümer eines Innenstadtgrundstücks mit einem Buchwert von 200.000 EUR und einem Verkehrswert von 2 Mio. EUR. Er war zugleich Gesellschafter der M-GmbH (Anschaffungskosten 100.000 EUR, Verkehrswert 2 Mio. EUR). Das Grundstück war an die GmbH verpachtet und wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH. Max Meier hinterlässt ein Testament, wonach seine Söhne Matthias und Michael Erben je zur Hälfte sind. Im Wege von Teilungsanordnungen, also jeweils unter Anrechnung auf ihre Erbteile, soll Matthias das Innenstadtgrundstück und Michael die Anteile von Max an der M-GmbH erhalten.

Die Söhne setzen die Erbengemeinschaft entsprechend auseinander. Die bisherige Betriebsaufspaltung endet aufgrund der Erbauseinandersetzung, da durch die nunmehr unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse an der Immobilie und dem GmbH-Anteil keine personelle Verflechtung mehr besteht. Mit der Beendigung der Betriebsaufspaltung werden die stillen Reserven in der GmbH i.H.v. 1,9 Mio. EUR und die stillen Reserven der Immobilie i.H.v. 1,8 Mio. EUR aufgedeckt und müssen von Matthias und Michael versteuert werden.

 

Rz. 70

Dieses Ergebnis können die Erben verhindern, wenn sie sich bei der Teilung des Nachlasses einvernehmlich über die Regelungen des Testaments hinwegsetzen und eine andere Auseinandersetzung vornehmen.

[124] Nach Landsittel, Gestaltungsmöglichkeiten, Rn 666.

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