I. Voraussetzungen der Bestimmung einer neuen Frist

 

Rz. 2

Die unverschuldete Verhinderung muss die Errichtung des Inventars innerhalb der Frist und die Stellung des Verlängerungsantrages nach § 1995 Abs. 3 BGB unmöglich gemacht haben, auch ein Antrag nach § 2003 BGB auf amtliche Aufnahme des Inventars darf nicht möglich gewesen sein. Schuldlose Unkenntnis von der Anordnung der Frist kommt in der Praxis insbesondere bei Ersatzzustellung oder der öffentlichen Zustellung in Betracht. Ein Verschulden der gesetzlichen Vertreter oder eines Zustellungsbevollmächtigten muss sich der Erbe zurechnen lassen (vgl. die §§ 170172 ZPO). Vorab ist allerdings stets zu prüfen, ob die abgelaufene "Erstfrist" wirksam bestimmt worden war, weil nur in diesem Fall überhaupt eine zweite Frist in Betracht kommt.[4]

 

Rz. 3

Für den Erben ist es wichtig, es gar nicht zu einer Versäumung der Frist kommen zu lassen. Dabei hilft ihm die gesetzliche Regelung. Er kann nämlich die Versäumung der Frist zur Errichtung des Inventars stets durch einen Antrag beim Nachlassgericht auf amtliche Aufnahme des Inventars vermeiden (§ 2003 Abs. 1 S. 1 BGB). Dass ein Dritter den Nachlass in Besitz hat, stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, weil der Erbe entweder gegen den Dritten gerichtlich vorgehen und zugleich Verlängerungsantrag (§ 1995 Abs. 3 BGB) stellen oder die amtliche Aufnahme des Inventars (§ 2003 Abs. 1 S. 1 BGB) beantragen kann.

 

Rz. 4

Schließlich muss der Antrag auf Bestimmung einer neuen Frist innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses, spätestens vor Ablauf eines Jahres nach Ende der zuerst bestimmten Frist gestellt werden (Abs. 2; vgl. § 234 ZPO, § 18 Abs. 1 FamFG). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um die Versäumung einer nach den §§ 1994, 1995 oder nach § 1996 BGB selbst bestimmten Frist handelt. Die Bestimmung lässt damit eine neuerliche Wiedereinsetzung durch wiederholte Bestimmung einer Frist zu.[5] In jedem Fall ist die Wiedereinsetzung nach Ablauf der Jahresfrist des Abs. 2 ausgeschlossen.[6]

[4] BayObLGZ 1993, 88.
[5] BeckOK BGB/Lohmann, § 1996 Rn 3.
[6] Staudinger/Dobler, § 1996 Rn 13.

II. Verfahren

 

Rz. 5

Das Verfahren vor dem zuständigen Nachlassgericht (§§ 342 Abs. 1 Nr. 9, 343 FamFG) richtet sich nach den Bestimmungen des FamFG. Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem Nachlassgläubiger, auf dessen Antrag die erste Frist bestimmt worden war, rechtliches Gehör zu gewähren (Abs. 3). Nach einhelliger Auffassung steht diese Anhörung nicht im Ermessen des Nachlassgerichts, sondern hat nach Art. 103 Abs. 1 GG in jedem Fall zu erfolgen.[7] Beteiligter ist nach § 7 Abs. 1 FamFG zunächst der Antragsteller. Nach § 345 Abs. 4 Nr. 4 FamFG ist im Verfahren betreffend die Bestimmung oder Verlängerung einer Inventarfrist der Erbe, dem die Frist bestimmt wird, auf seinen Antrag als Muss-Beteiligter nach §§ 345 Abs. 4 S. 37 Abs. 2 Nr. 2 FamFG hinzuzuziehen.[8]

Die Entscheidung des Nachlassgerichts betreffend die Fristverlängerung ist mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar. Ein Beschwerderecht hat der Erbe, für den die Frist verlängert wurde, mit dem Ziel der weiteren Verlängerung und jeder Nachlassgläubiger (soweit es nicht der ursprüngliche Antragsteller ist, muss § 1994 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllt sein).[9] Die Zurückweisung des Antrags durch das Nachlassgericht ist durch den Antragsteller ebenfalls nach § 58 FamFG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Das Beschwerderecht folgt insoweit bereits aus § 59 Abs. 2 FamFG. Für die Nachlassgläubiger beginnt die Beschwerdefrist beginnt für diejenigen, denen die Entscheidung des Nachlassgerichts bekanntgegeben wurde mit der Bekanntgabe nach § 63 Abs. 3 FamFG. Für die übrigen Nachlassgläubiger, die nicht Beteiligte des Verlängerungsverfahrens waren, beginnt die Frist für die Entscheidung, durch die die Inventarfrist verlängert wurde, mit der Bekanntmachung an denjenigen Nachlassgläubiger, der den Antrag auf die Bestimmung der Inventarfrist gestellt hat (§ 360 Abs. 2 FamFG). Das Prozessgericht ist an rechtskräftige Entscheidungen des Nachlassgerichts über die Bestimmung oder die Ablehnung der Bestimmung einer neuen Frist gebunden.[10] Eine weitergehende Bindung tritt nicht ein.[11] Die Bestimmung einer neuen Frist löst die Festgebühr in Höhe von 25 EUR nach Nr. 12411 KV-GNotKG aus.

[7] "Muss" statt "soll"; MüKo/Küpper, § 1996 Rn 4; Staudinger/Dobler, § 1996 Rn 10.
[8] OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 1355.
[9] Bassenge/Roth/Bassenge, FamFG/RPflG, § 360 FamFG Rn 9.
[10] MüKo/Küpper, § 1996 Rn 4.
[11] BeckOK BGB/Lohmann, § 1996 Rn 3.

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