Rz. 3

Eine als für Rechnung des Nachlasses erfolgt geltende Tilgung von Schulden des Erblassers setzt lediglich voraus, dass der Erbe davon ausgehen durfte, dass genügend Nachlassmasse zur Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten vorhanden ist.[6] Der Erbe braucht sich demgegenüber nicht zu fragen, ob die Tilgung im Einzelfall den Interessen des Gläubigers entsprach. Das Wissen des Testamentsvollstreckers um die Unzulänglichkeit des Nachlasses braucht sich der Erbe nicht zurechnen zu lassen.[7]

 

Rz. 4

Stets müssen es die Umstände des Einzelfalls gewesen sein, die den Erben zu der Annahme berechtigt haben, der Nachlass reiche aus. Der Erbe hat insoweit eine eigene Prüfungspflicht.[8] Ihn trifft daher die Pflicht, vor einer Zahlung an Nachlassgläubiger sorgfältig zu prüfen, einerseits welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und in Zukunft noch entstehen können, sowie andererseits welche Nachlassaktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus der Verwertung der Aktiva erlangen wird.[9] Hierzu wird es in aller Regel einer möglichst vollständigen Sichtung des Nachlasses, eingehender Durcharbeitung der Unterlagen des Erblassers, Rückfragen z.B. bei Angehörigen und möglichen Vertragspartnern und auch sonstiger Ermittlungen bedürfen. Auf derartige mühevolle und oft auch kostspielige Vorarbeiten, die im allg. sogar kaum Aufschub dulden, wird selbst dann nicht völlig verzichtet werden können, wenn der Erbe zu dem Erblasser in engen Beziehungen stand und deshalb von vornherein mit den Verhältnissen vertraut ist. Auch wenn es sich sonst um (scheinbar) klare und übersichtliche Verhältnisse handelt, ist es im allg. geboten, dass der Erbe die Nachlassaktiva und -passiva vollständig erfasst und bewertet und mindestens in groben Zügen aufzeichnet. Hat der Erbe Grund zu der Annahme, dass Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, die ihm trotz aller gebotenen Klärungsversuche noch nicht bekannt geworden sind (§ 1980 Abs. 2 S. 2 BGB), dann muss er grundsätzlich auch das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen.[10] Ohne ein solches Vorgehen, dessen Einzelheiten je nach den Umständen durch die Gebote des Einzelfalls bestimmt werden, darf der Erbe nicht von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen; ohne sie darf er demgemäß keine Nachlassverbindlichkeiten berichtigen (§ 1979 BGB). Leistet er gleichwohl, dann handelt er pflichtwidrig und haftet den dadurch benachteiligten Gläubigern nach § 1978 BGB.[11]

 

Rz. 5

Auch rechtskräftiges Urteil gegen den Nachlass zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten entbindet den Erben nicht von seiner Prüfungspflicht.[12] Ist zweifelhaft, ob alle Schulden beglichen werden können, muss der Erbe vielmehr die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen, um so die Einzelzwangsvollstreckung zu verhindern (vgl. §§ 89, 88, 321 InsO).[13] Vermächtnisse, Auflagen und die Ansprüche ausgeschlossener und diesen gleichgestellter Gläubiger (§§ 1973, 1974 BGB) bleiben bei der Prüfung der Zulänglichkeit des Nachlasses außer Betracht.[14]

[6] Staudinger/Dobler, § 1979 Rn 4; vgl. auch BGHZ 66, 217 = NJW 1976, 1398 zu § 419 BGB a.F.
[7] Staudinger/Dobler, § 1979 Rn 4.
[8] MüKo/Küpper, § 1979 Rn 3; Erman/Horn, § 1979 Rn 3.
[9] BGH NJW 1985, 140 = FamRZ 1984, 1004.
[10] BGH NJW 1985, 140 = FamRZ 1948, 1004.
[11] Staudinger/Dobler, § 1979 Rn 6.
[12] Erman/Horn, § 1979 Rn 3.
[13] MüKo/Küpper, § 1979 Rn 3; BeckOK BGB/Lohmann, § 1979 Rn 3.
[14] MüKo/Küpper, § 1979 Rn 3; Erman/Horn, § 1979 Rn 3; a.A. Staudinger/Dobler, § 1979 Rn 6 m.w.N.

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