1. Enterbung und Erbeinsetzung, Ausschlagung

 

Rz. 9

Der überlebende Ehegatte hat keinen Anspruch auf den Voraus, wenn er enterbt oder aus einem sonstigen Grund als Erbe weggefallen ist und i.d.R. auch dann nicht, wenn er testamentarischer Erbe auf Ableben des Erstversterbenden wurde.[13] Im Falle der letztwilligen Verfügung von Todes wegen hat der Erblasser den Nachlassteil des überlebenden Ehegatten abschließend bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn der gesetzliche Erbteil zugewandt wurde. Auf der anderen Seite sind keine Argumente dagegen erkennbar, dass der Erblasser dem Ehegatten neben einem Erbteil auch den Voraus in der gesetzlichen Höhe zuwenden kann. Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht kann in der Zuwendung des gesetzlichen Erbteils im Wege einer letztwilligen Verfügung unter Umständen auch eine Zuwendung des Voraus liegen, und zwar für den Fall, dass es der Wille des Erblassers ist, seinem überlebenden Ehegatten dieselbe Stellung zukommen zu lassen, als wenn dieser gesetzlicher Erbe wäre.[14] Wird dieser Gedanke konsequent umgesetzt, steht dem Ehegatten auch im Falle des § 2066 BGB, d.h. dann, wenn der Erblasser in seinem Testament seine gesetzlichen Erben ohne nähere Bestimmung eingesetzt hat, der Voraus zu.[15] Es ist zweifelhaft, ob der Ehegatte den testamentarischen oder erbvertraglichen Erbteil nach § 1948 BGB ausschlagen kann, um so die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen mit der Konsequenz, den Voraus zu erlangen. Wenn jedoch in der Verfügung von Todes wegen zugleich die Entziehung des Voraus liegt, dann kann der Ehegatte daran durch Ausschlagung nichts ändern. Ist dagegen in der Verfügung von Todes wegen nicht eine Entziehung des Voraus zu sehen, ist die Vorgehensweise über § 1948 BGB nicht erforderlich. Hat der Erblasser seinen Ehegatten zum Alleinerben eingesetzt, benötigt er den Voraus ohnehin nicht. Nach Ansicht des BGH ist in einem derartigen Fall der Voraus bei der Pflichtteilsberechnung der gesetzlichen Erben nicht gemäß der Vorschrift des § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB in Abzug bringen.[16] Daraus wird gefolgert, dass dem Ehegatten das Recht zusteht, die testamentarische Zuwendung auszuschlagen und den gesetzlichen Erbteil nebst Voraus anzunehmen, was wirtschaftlich vorteilhaft sein kann, und zwar für den Fall, dass der Voraus den wesentlichen Teil des Nachlasses umfasst.

[13] BGHZ 73, 29, 33.
[14] MüKo/Leipold, § 1932 Rn 5.
[15] MüKo/Leipold, § 1932 Rn 5; Soergel/Stein, § 1932 Rn 3; Tappmeier, S. 146 ff., 194; Schlüter/Röthel, § 11 Rn 6; a.A. Staudinger/Werner (2017), § 1932 Rn 11; Palandt/Weidlich, § 1932 Rn 2 (vorbehaltlich stillschweigender Zuwendung); Eigel, MittRhNotK 1983, 1, 4.
[16] BGHZ 73, 29.

2. Entziehung des Voraus

 

Rz. 10

Konsequenz aus der Tatsache, dass der Erblasser durch Berufung des Ehegatten zum testamentarischen Erben bzw. durch Enterbung den Anfall des Voraus verhindern kann, ist, dass er im Rahmen seiner Testierfreiheit auch das Recht hat, nur den Voraus durch Verfügung von Todes wegen zu entziehen.[17] Eine Entziehung ist deshalb möglich, weil der Voraus nicht den Charakter eines Pflichtteilsrechts hat. Weiter ist es dem Erblasser gestattet, über einzelne Gegenstände zu verfügen. Hierdurch kann er den Voraus schmälern. Die Entziehung des Voraus kann daher durch ausdrückliche Bestimmung bzw. durch anderweitige Verfügung über die zum Voraus gehörenden Gegenstände erfolgen. Bei einem Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge ist auch der Voraus entzogen.

[17] MüKo/Leipold, § 1932 Rn 7.

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