Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsförderung für im Inland anerkannte ausländische Flüchtlinge. nicht nur vorübergehende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet

 

Leitsatz (amtlich)

Ausländer, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, durch unanfechtbare Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG innerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtlinge anerkannt und hier nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sind, haben Anspruch auf Ausbildungsförderung nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes.

Wird einem Ausländer, bei dem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt hat, trotz Ablehnung seines Asylantrags eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, so reicht deren Befristung nicht für die Annahme aus, der Ausländer sei nur vorübergehend zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Diese Annahme setzt vielmehr voraus, daß ein Ende seines berechtigten Aufenthalts abzusehen ist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 16 Abs. 2 S. 2 a.F.; BAföG § 8 Abs. 1 Nrn. 3, 5; GFK Art. 1; AuslG § 51; AsylVfG §§ 3, 34, 70 Abs. 1; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 25.08.1994; Aktenzeichen 7 S 2481/93)

VG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 10.09.1993; Aktenzeichen 7 K 182/93)

 

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. August 1994 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 10. September 1993 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

I.

Der 1970 in Afghanistan geborene Kläger ist ebenso wie seine Eltern afghanischer Staatsangehöriger. Er verließ im Oktober 1986 seinen Heimatstaat und lebte zunächst in der damaligen Tschechoslowakei, wo er die Hochschulreife erwarb und ein Studium der Medizin aufnahm. Im September 1989 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, absolvierte hier einen Sprachkurs und besuchte dann ein Studienkolleg. Mit Bescheid vom 20. Februar 1992 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seinem Falle vorlagen. Daraufhin stellte die Stadt Bochum am 16. Juli 1992 dem Kläger einen für zwei Jahre gültigen Reiseausweis nach Art. 28 Ziffer 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II S. 559) – GFK – aus und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbefugnis.

Am 30. Juni 1992 beantragte der Kläger Ausbildungsförderung für sein im Sommersemester 1992 begonnenes Studium der Zahnmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. August 1992 für den Zeitraum von Juni 1992 bis März 1993 ab, da der Kläger nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung habe und deshalb nur vorübergehend zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei. Den dagegen gerichteten Widerspruch, mit dem der Kläger die Ablichtung einer ihm erteilten unbefristeten Arbeitserlaubnis vorlegte, wies das Regierungspräsidium Stuttgart durch Bescheid vom 12. Januar 1993 zurück.

Daraufhin hat der Kläger, dessen Aufenthaltsbefugnis im Januar 1993 um ein weiteres Jahr verlängert worden war, die vorliegende Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. August 1992 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12. Januar 1993 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für sein Studium der Zahnmedizin mit dem Studienziel Staatsexamen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Bewilligungszeitraum Juli 1992 bis März 1993 Ausbildungsförderung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu gewähren.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10. September 1993 stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dieses Urteil durch Urteil vom 25. August 1994 geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Der Kläger erfülle keine der in § 8 Abs. 1 BAföG genannten Anspruchsvoraussetzungen, weil er weder im Sinne von Nr. 3 als Asylberechtigter nach dem Asylverfahrensgesetz anerkannt worden sei noch unter die in Nr. 5 genannte Gruppe von Ausländern falle, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtlinge anerkannt sind. Den Rechtsstatus als Flüchtling habe der Kläger nämlich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erlangt. Ob darin, daß die Gruppe der im Inland anerkannten Flüchtlinge ausbildungsförderungsrechtlich schlechtergestellt werde als die Gruppe derjenigen Ausländer, die diesen Rechtsstatus im Ausland erhalten hätten, ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Denn einerseits sei es dem Gericht verwehrt, einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz durch verfassungskonforme Auslegung einen entgegengesetzten Sinn zu geben. Andererseits käme eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht, weil es bei Verfassungswidrigkeit der ganzen Bestimmung ebenfalls an einer gesetzlichen Grundlage für den Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung fehlen würde. Auch das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ermögliche kein anderes Ergebnis, weil Art. 23 GFK die Vertragsstaaten nur zur Gewährung von Fürsorgemaßnahmen verpflichte, während die Ausbildungsförderung eine sozial- und bildungspolitische Leistungsmaßnahme sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers. Dieser meint, es gebe keinen sachlichen Grund dafür, Ausländer, bei denen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt seien, anders zu behandeln als im Bundesgebiet oder Ausland anerkannte Asylberechtigte. Denn auch der erstgenannte Personenkreis gehöre zu den Flüchtlingen im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Diese hätten schon Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gehabt, als sich ihre Anerkennung noch nach der Asylverordnung oder nach § 28 AuslG a.F. gerichtet habe. Mit der Einfügung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG durch das 15. BAföG-Änderungsgesetz vom 19. Juli 1992 (BGBl I S. 1062) habe der Gesetzgeber nur das deklaratorisch nachvollziehen wollen, was das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge völkerrechtlich gebiete. Dabei sei offensichtlich übersehen worden, daß auch die seit Anfang 1991 von § 51 AuslG erfaßten Ausländer Flüchtlinge im Sinne dieses Abkommens seien. Das rechtfertige im Wege ergänzender verfassungskonformer Auslegung eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, § 8 Abs. 1 BAföG enthalte keine unbeabsichtigte Lücke. Die Vorschrift habe von Anfang an nur auf das Vorliegen bestimmter formeller „Aufenthaltstitel”, nicht auf dahinterstehende materielle Aufenthaltsansprüche abgestellt. Die Rechtsstellung eines nach § 51 AuslG gegen Abschiebung geschützten Ausländers unterscheide sich auch grundlegend von der eines nach § 31 AsylVfG als asylberechtigt anerkannten Ausländers. Während der anerkannte Asylberechtigte nach § 68 Abs. 1 AsylVfG einen Rechtsanspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe, gewähre § 51 AuslG lediglich das „kleine Asyl”, das nicht einmal allgemeine Abschiebungsverschonung beinhalte. Die Abschiebung eines lediglich nach § 51 AuslG geschützten Asylbewerbers komme insbesondere in Betracht, wenn sich die politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat so änderten, daß mit physischer Verfolgung des Bewerbers nicht mehr zu rechnen sei. Daneben bestehe die Möglichkeit der Abschiebung in einen Transitstaat, der sich zur Rücknahme von Transitflüchtlingen verpflichtet habe. Es sei naheliegend, daß der Gesetzgeber solche Zukunftsinvestitionen wie die Ausbildungsförderung auf Ausländer beschränke, deren dauernder Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich gesichert sei. Weder das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge noch das Grundgesetz führten zu einem anderen Ergebnis.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er meint, § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG beziehe sich nur auf Flüchtlinge, denen ein Reiseausweis nach Art. 28 Ziffer 1 GFK in Verbindung mit einer unbefristeten Aufenthaltsgestattung erteilt worden sei. Dies ergebe sich daraus, daß durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG klarstellend nur eine förderungsrechtliche Gleichbehandlung mit den in § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BAföG genannten Personengruppen habe erfolgen sollen. Insofern seien an die Aufenthaltsberechtigung die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei jenen Personengruppen. Der Gesetzgeber sei auch nicht verpflichtet gewesen, eine Förderung für Ausländer zu schaffen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings dadurch erworben haben, daß bei ihnen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt hat. Denn diese Flüchtlinge hätten insbesondere hinsichtlich ihres aufenthaltsrechtlichen Status nicht die gleiche Rechtsstellung wie die als Asylberechtigte anerkannten. Einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge hätten sie erst, wenn die zunächst erteilte Aufenthaltsbefugnis gemäß § 35 AuslG von einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis abgelöst worden sei. An diese Differenzierung habe der Gesetzgeber – ebenso wie im Kindergeldrecht – zulässigerweise in der Absicht angeknüpft, einen Anspruch auf Sozialleistungen nur den Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben würden. Der geltendgemachte Förderungsanspruch ergebe sich auch weder aus Art. 22 Ziffer 2 oder Art. 3 GFK noch aus Art. 3 GG.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig. Insbesondere entspricht sie den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an den Inhalt einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung. Zwar enthält die Revisionsbegründungsschrift keinen ausdrücklichen Antrag. Im Zusammenhang mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag des Klägers läßt sich ihr jedoch mit hinreichender, jeden Zweifel ausschließender Klarheit das Ziel der Revision entnehmen, unter Änderung des angefochtenen Urteils die Berufung zurückzuweisen.

Die Revision ist auch begründet. Die Abweisung der Klage durch das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hätte die Berufung zurückweisen müssen. Denn das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Die Klage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für sein Studium der Zahnmedizin an der Universität Freiburg in der Zeit von Juli 1992 bis März 1993. Zwar fällt der Kläger nach dem Wortlaut der in Betracht kommenden Vorschriften unter keinen der in § 8 Abs. 1 BAföG genannten Kreise von Personen, denen Ausbildungsförderung zu leisten ist. Zu den in § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG genannten Ausländern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und als Asylberechtigte nach dem Asylverfahrensgesetz anerkannt sind, gehört er deshalb nicht, weil das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt hat. Zu den in § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG genannten Ausländern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und aufgrund des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge oder nach dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl 1969 II S. 1293) außerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtlinge anerkannt und im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sind, gehört er deshalb nicht, weil er nicht außerhalb, sondern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtling im vorbezeichneten Sinne anerkannt wurde, und zwar dadurch, daß das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei ihm die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt hat (§ 51 Abs. 3 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 ≪BGBl I S. 1354≫, § 3 AsylVfG). Jedoch ist eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 BAföG auf solche Ausländer geboten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, durch unanfechtbare Feststellung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG innerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtlinge anerkannt und im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sind.

§ 8 Abs. 1 BAföG enthält für diesen Personenkreis eine vom Gesetzgeber nicht geplante Regelungslücke. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der geltenden Fassung der Vorschrift, ihrem Regelungszusammenhang mit der Entwicklung des Ausländerrechts und ihrem sich aus beidem ergebenden Zweck. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG in der bis zum Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes vom 16. Juli 1982 (BGBl I S. 946) geltenden Fassung bestimmte, daß Ausbildungsförderung auch Ausländern geleistet wurde, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatten und als Asylberechtigte nach § 28 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (BGBl I S. 353) anerkannt waren. Gemäß § 28 AuslG 1965 wurden als Asylberechtigte auf Antrag anerkannt:

  1. Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 GFK,
  2. sonstige Ausländer, die politisch Verfolgte nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG waren,

sofern sie nicht bereits in einem anderen Land Anerkennung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hatten. An die Stelle dieser Vorschrift traten mit Wirkung vom 1. August 1982 § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 AsylVfG 1982. Danach konnten Ausländer, die Schutz als politisch Verfolgte nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beantragten, als Asylberechtigte anerkannt werden, wenn sie nicht bereits in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung gefunden hatten. Die Änderung gegenüber dem Wortlaut des § 28 AuslG wurde vom Gesetzgeber lediglich aus redaktionellen Gründen vorgenommen, da er davon ausging, daß der Begriff des „politisch Verfolgten nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG” den „Flüchtling im Sinne von Art. 1 GFK” einschloß und der Begriff „Schutz vor Verfolgung gefunden” auch die Fälle beinhaltete, in denen ein Ausländer „Anerkennung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gefunden” hat (BTDrucks 9/875 S. 14). Auf diesem Hintergrund kam auch der Ersetzung der Verweisung auf § 28 AuslG 1965 durch die Verweisung auf das Asylverfahrensgesetz in § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG in der Fassung vom 6. Juni 1983 (BGBl I S. 645) nicht die Bedeutung einer Einengung des begünstigten Personenkreises zu. Dies entsprach der damaligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das den von der Verfassung nicht weiter abgegrenzten Begriff des politisch Verfolgten in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge inhaltlich bestimmte und damit bei sachgerechtem Verständnis alle denkbaren Fälle politischer Verfolgung erfaßt sah (BVerwGE 49, 202 ≪204 f.≫; 55, 82 ≪84≫; 67, 184 ≪185 f.≫; 68, 171 ≪172 f.≫). Auch das Bundesverfassungsgericht ging damals davon aus, daß es seit dem Wegfall der ursprünglichen Stichtagsbegrenzung in dem genannten Abkommen durch das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge keinen wesentlichen Unterschied zwischen politisch Verfolgten nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und Flüchtlingen im Sinne von Art. 1 GFK mehr gab (BVerfGE 54, 341 ≪356≫).

In der Folgezeit ersetzte die Rechtsprechung diese einheitliche Betrachtungsweise durch eine engere Sicht des Schutzbereichs des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und schloß damit einen Teil der Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 GFK von vornherein von der Anerkennung nach dem Asylverfahrensgesetz aus (vgl. BVerfGE 74, 51 ≪66 f.≫; BVerwGE 77, 58 ≪261 f.≫; 88, 254 ≪257 f.≫; BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – BVerwG 9 C 50.87 – ≪Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 95 S. 135≫). Dadurch entstand insoweit eine Gesetzeslücke, als es nach dieser Rechtsprechung für Flüchtlinge, die die strengeren Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht erfüllten, an einem Statusverfahren fehlte. Diese Lücke wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (a.a.O.) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in der Weise geschlossen, daß durch § 51 Abs. 2 AuslG 1990 dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Kompetenz zugewiesen wurde, in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes verbindlich festzustellen, ob einem Ausländer, der nicht asylberechtigt im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG war und nicht schon anderweitig die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge erlangt hatte, Abschiebungsschutz als politisch Verfolgter nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (= Art. 33 GFK) und damit gemäß § 51 Abs. 3 AuslG 1990 (jetzt § 3 AsylVfG) die Rechtsstellung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 GFK zustand („kleines Asyl”, „Flüchtlingsanerkennung”; vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, 5. Aufl. 1992, § 51 AuslG Rn. 2, 19, § 1 AsylVfG Rn. 4 ff.). Mit dieser Neuregelung wurde einer etwaigen Differenz zwischen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 1 GFK und der Asylberechtigung nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG für das Asylverfahren im Sinne einer (Wieder-)Einbeziehung Rechnung getragen (vgl. BVerwGE 89, 296 ≪301≫; BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1994 – BVerwG 9 C 48.92 – ≪NVwZ 1994, S. 497, 500≫). Das am 1. Juli 1992 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) hat daran in der Sache nichts geändert.

Diese ausländerrechtliche Entwicklung hat den Ausbildungsförderungsgesetzgeber nicht veranlaßt, die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises in § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG neu zu fassen. Art. 1 Nr. 3 des 15. BAföG-Änderungsgesetzes stellte durch Einfügung einer neuen Nr. 5 in § 8 Abs. 1 BAföG jedoch klar, daß außerhalb der Bundesrepublik Deutschland als Flüchtlinge anerkannte, in die deutsche Obhut genommene Ausländer mit diesem Personenkreis förderungsrechtlich gleichbehandelt werden müssen. Damit folgte der Gesetzgeber einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 1989 (FamRZ 1990, S. 1043 f.), das diese Rechtsfolge bereits in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG angenommen hatte.

Nach alledem gibt es keinen erkennbaren Grund, vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als politisch Verfolgte im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG und damit als Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 GFK anerkannte Ausländer, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, von vornherein vom Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 8 Abs. 1 BAföG auszuschließen. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei Schaffung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG davon ausgegangen, daß dadurch allen Flüchtlingen im Sinne von Art. 1 GFK, die in der Bundesrepublik Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt und nicht bereits in einem anderen Land Schutz vor Verfolgung gefunden haben, der Zugang zur Ausbildungsförderung eröffnet war. Die Ersetzung des dafür ursprünglich in Bezug genommenen § 28 AuslG 1965 durch § 1 Abs. 1 AsylVfG 1982 brauchte den Gesetzgeber nicht zu einer Änderung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG zu veranlassen, wenn er diesen personellen Geltungsbereich beibehalten wollte; denn auch damals herrschte noch die Meinung vor, der Begriff des politisch Verfolgten im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG schließe den in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Flüchtling im Sinne von Art. 1 GFK ein. Die nachträgliche Entwicklung der ausländerrechtlichen Rechtsprechung, die vorübergehend dazu führte, daß innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kein Verwaltungsverfahren zur Anerkennung von Flüchtlingen nach Art. 1 GFK mehr bereitstand, ließ insoweit eine ausbildungsförderungsrechtlich erhebliche Gesetzeslücke im Ausländerrecht entstehen, die der Gesetzgeber dort durch (Wieder-)Einbeziehung der Konventionsflüchtlinge in das Asyl verfahrensrecht geschlossen hat. Zwar unterscheidet er seitdem zwischen der Anerkennung Asylberechtigter und der bloßen Feststellung der Voraussetzungen des Verbots der Abschiebung politisch Verfolgter. Beide Entscheidungen werden jedoch in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes aufgrund eines Asylantrags von derselben Anerkennungsbehörde getroffen; ihre Voraussetzungen sind deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut, den politischen Charakter der Verfolgung und die Frage betrifft, ob die Gefahr politischer Verfolgung droht (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1992 – BVerwG 9 C 59.91 – ≪Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 S. 3≫, vom 26. Oktober 1993 – BVerwG 9 C 50.92 – ≪NVwZ 1994, S. 500, 503≫, vom 18. Januar 1994 ≪a.a.O.≫ und vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – ≪NVwZ 1994, S. 1150 f.≫).

Spricht all dies dafür, § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG analog auch auf Ausländer anzuwenden, bei denen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt hat, so bleibt jedoch zu berücksichtigen, daß Flüchtlinge, die bereits in einem anderen Land Schutz vor Verfolgung gefunden hatten, jedenfalls seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 von der Anerkennung als Asylberechtigte und damit auch vom Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 3 BAföG ausgeschlossen waren. Ob und – wenn ja – in welchen Fällen dieses Ergebnis trotz der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung durch richterliche Rechtsfortbildung korrigiert werden durfte (dafür: BayVGH, a.a.O.; dagegen: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl. ≪Stand 1. Oktober 1994≫, § 8 Rn. 15), kann indes auf sich beruhen, nachdem der Gesetzgeber selbst durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG in der Fassung des 15. BAföG-Änderungsgesetzes sogar Flüchtlingen, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland als solche anerkannt worden sind, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung eingeräumt hat, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sind. Damit hat der Gesetzgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß unter diesen Voraussetzungen ein früherer anderweitiger Schutz vor Verfolgung sogar dann, wenn er bereits die Intensität einer förmlichen Anerkennung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gefunden hat, einer förderungsrechtlichen Gleichbehandlung von Konventionsflüchtlingen mit anerkannten Asylberechtigten nicht entgegenstehen soll. Erst recht darf wegen des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebots der Gleichbehandlung gleichliegender Fälle Flüchtlingen, die die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG erfüllen, nicht deshalb Ausbildungsförderung versagt werden, weil sie erst innerhalb der Bundesrepublik Deutschland förmlich als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Die Einbeziehung dieses Personenkreises in den Kreis der Leistungsberechtigten nach § 8 Abs. 1 BAföG rechtfertigt sich deshalb durch eine verfassungskonforme Analogie zu § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 BAföG.

Der Kläger, bei dem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt hat und der dadurch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland förmlich als Flüchtling anerkannt worden ist, erfüllte im maßgeblichen Bewilligungszeitraum die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG. Denn er hatte nicht nur tatsächlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I), sondern war auch nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Dies folgt daraus, daß ihm trotz der Ablehnung seines Asylantrags nicht die Abschiebung angedroht, sondern eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Im Hinblick auf die Regelung des § 51 Abs. 4 AuslG und der §§ 34, 70 Abs. 1 AsylVfG durfte so nämlich nur verfahren werden, wenn die an sich vorgesehene Abschiebung des Klägers in einen Drittstaat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich war. Daß die Aufenthaltsbefugnis ihrer Natur nach stets nur befristet erteilt werden kann, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn aus § 70 Abs. 1 AsylVfG folgt ein Anspruch des Ausländers auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bei gleichbleibenden Verhältnissen. Anhaltspunkte dafür, daß sich insoweit im Falle des Klägers während des streitigen Bewilligungszeitraums die Sachlage verändert haben könnte, sind nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen reicht die Befristung der Aufenthaltsgenehmigung nicht für die Annahme aus, der Kläger sei nur vorübergehend zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt gewesen. Diese Annahme setzt vielmehr voraus, daß ein Ende seines berechtigten Aufenthalts abzusehen war. Davon konnte jedoch im Falle des Klägers keine Rede sein. Die demgegenüber vom Oberbundesanwalt vertretene Auffassung, nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sei ein Ausländer erst, wenn ihm eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden sei, findet in Wortlaut und Regelungszusammenhang des § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG keine hinreichende Grundlage. Dies gilt zumal dann, wenn – wie im vorliegenden Falle – die Ausländerbehörde durch Ausstellung eines längerfristig gültigen Reiseausweises nach Art. 28 Ziffer 1 GFK die endgültige Aufnahme des Ausländers präjudiziert hat (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, 3. Aufl. ≪Stand: Juli 1994≫, Art. 28 GFK, Rn. 8). § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes i.d.F. vom 31. Januar 1994 (BGBl I S. 168, ber. S. 701) weicht im Wortlaut so erheblich von § 8 Abs. 1 Nr. 5 BAföG ab, daß daraus für die Auslegung dieser Vorschrift nichts hergeleitet werden kann.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO der Beklagte zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Diefenbach, Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bonk ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Dr. Diefenbach, Storost, Kipp, Vallendar

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 27.09.1995 durch Görlitz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BVerwGE, 254

DVBl. 1996, 311

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