Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligungsrecht anerkannter Naturschutzverbände. Planfeststellungsverfahren. Plangenehmigung. Träger öffentlicher Belange. Umgehung des Beteiligungsrechts. Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Anerkannte Naturschutzverbände sind keine Träger öffentlicher Belange. Der Erlaß einer Plangenehmigung setzt nicht voraus, daß mit ihnen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEG ein Benehmen hergestellt worden ist.
  • § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG ist keine die anerkannten Naturschutzverbände schützende Norm. Sie können eine Plangenehmigung nicht erfolgreich mit der Begründung anfechten, Rechte Dritter seien beeinträchtigt.
  • Das Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG wird verletzt, wenn die Zulassungsbehörde ein an sich gebotenes Planfeststellungsverfahren umgeht.
  • Die UVP-Richtlinie regelt die Umweltverträglichkeitsprüfung projektbezogen. Eine die Vermeidung von Doppelprüfungen einschränkende Vorgabe ist ihr nicht zu entnehmen.
 

Normenkette

GG Art. 20a; BNatSchG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2; AEG § 18 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-2; BauGB § 4 Abs. 1 S. 1; Richtlinie 85/337/EWG; Richtlinie 97/11/EG; PlVereinfG Art. 1 Nr. 2; LNatSchG - Schl.-H. § 51c Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, ein nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) i.V.m. § 51 des schleswig-holsteinischen Landesnaturschutzgesetzes (LNatSchG) anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen die Plangenehmigung des EisenbahnBundesamtes – Außenstelle Hamburg – vom 24. Juni 1996, die für den Streckenabschnitt km 259,00 bis km 264,950 der Ausbaustrecke Berlin-Hamburg-Altona der Beigeladenen die Durchführung von Maßnahmen zur Elektrifizierung, von “Linienkorrekturen” durch Gleislageverschiebungen und den Abriß von Stellwerksgebäuden gestattet.

Für den genannten Streckenabschnitt, der auf dem Gebiet der Stadt Reinbek sowie der Gemeinden Wohltorf und Aumühle liegt, beantragte die Beigeladene im August 1994 eine Planfeststellung (Planfeststellungsabschnitt Vb), die u.a. einen viergleisigen Ausbau der Strecke zum Gegenstand hat. Dieser soll es ermöglichen, den S-Bahn-Verkehr zwischen Hamburg und Aumühle (Hamburger Gleichstrom-S-Bahn), der vorher gemeinsam mit dem Fernbahnverkehr über die vorhandenen zwei Gleise geführt wurde, auf eigenen Gleisen abzuwickeln. Antragsgegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist ferner die Elektrifizierung des Streckenabschnitts.

Die Beigeladene beantragte im März 1996 die Erteilung der streitbefangenen Plangenehmigung. Seinerzeit dauerten die von der Anhörungsbehörde, dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, im Planfeststellungsverfahren anberaumten Erörterungstermine noch an. Aus der Sicht der Beigeladenen war nicht mehr damit zu rechnen, daß ihr durch einen Planfeststellungsbeschluß rechtzeitig – nämlich nach ihren internen Zielvorgaben mit entsprechender Vorlaufzeit auf den Fahrplanwechsel am 29. September 1996 – gestattet werden würde, mit der Elektrifizierung des Streckenabschnitts zu beginnen. Durch die Plangenehmigung sollte deswegen über die Elektrifizierung vorab eine getrennte Zulassungsentscheidung getroffen werden, die es ermöglichte, die in diesem Streckenabschnitt bestehende Fahrdrahtlücke zu schließen.

Die Plangenehmigungsunterlagen wurden im April 1996 an die Träger öffentlicher Belange zur Stellungnahme versandt. Der Kläger wurde nicht beteiligt. Unter dem 24. Juni 1996 wurde die streitbefangene Plangenehmigung erlassen.

Der Kläger hat am 26. Juli 1996 gegen die Plangenehmigung Klage erhoben. Er macht im wesentlichen geltend, er werde in seinen Rechten verletzt, weil eine nach der UVP-Richtlinie zu fordernde Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben sei. Das Fehlen einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung indiziere Abwägungsmängel im Bereich des Umweltschutzes. Die gegenteilige Rechtsprechung beschwöre einen Mißstand herauf. Sie verleite in der Praxis die Behörden, dem Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht die Bedeutung beizumessen, die es nach dem Gemeinschaftsrecht haben solle. Im übrigen führe schon allein die Unterlassung einer Beteiligung zur Rechtswidrigkeit der Plangenehmigung. Ihm sei als einem anerkannten Naturschutzverband durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung im Verfahren eingeräumt. Damit gehöre er zu den Betroffenen, ohne deren Einverständnis nach § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) eine Plangenehmigung nicht ergehen dürfe. Zumindest sei er als Träger öffentlicher Belange im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG auch im Plangenehmigungsverfahren anzuhören. Die Voraussetzungen für den Erlaß einer Plangenehmigung lägen außerdem deswegen nicht vor, weil den Anliegern des Streckenabschnitts darin der ihnen nach der Verkehrslärmschutzverordnung zustehende Lärmschutz vorenthalten worden sei. Auf diesen Rechtsverstoß könne er sich als anerkannter Naturschutzverband ebenso berufen wie darauf, daß die Plangenehmigung das objektive Naturschutzrecht durch die nicht sachgerechte Abwägung der Belange von Natur und Landschaft verletze. Denn durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG werde ihm ein subjektiv-öffentliches Recht auf Verfahrensbeteiligung eingeräumt, das umgangen werde, wenn anstelle des an sich erforderlichen Planfeststellungsverfahrens ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werde. Schließlich folge seine Klagebefugnis aus § 51c Abs. 1 LNatSchG, weil die dort zugelassene Verbandsklage auch gegen Verwaltungsakte von Bundesbehörden zulässig sei.

Der Kläger beantragt,

die Plangenehmigung vom 24. Juni 1996 aufzuheben,

hilfsweise,

1. die Beklagte zu verpflichten, im Wege einer Planergänzung festzusetzen, daß den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes angemessen Rechnung getragen wird, insbesondere die Eingriffs- und Ausgleichsberechnung nach den Gesetzen vorgenommen wird, insbesondere der Freischnitt der Trasse, das Errichten der Masten und der Fahrleitung, der neugeschaffenen Böschungsflächen angemessen ausgeglichen wird;

2. dafür Sorge zu tragen, daß die Tiere des Waldes durch die von der elektrifizierten Bahnanlage ausgehenden Gefahren nicht geschädigt werden;

3. dafür Sorge zu tragen, daß die Böden und Pflanzen durch die von dem Bau und Betrieb der Bahnanlage ausgehenden Beeinträchtigungen nicht geschädigt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger nicht behaupten könne, in seinen Rechten verletzt zu sein. Ein Anspruch auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach § 18 Abs. 1 AEG bestehe nicht. Eine Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände sei in dem Verfahren nach § 18 Abs. 2 AEG nicht vorgesehen. Der Kläger sei im übrigen im Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt Vb angehört worden. Dort sei auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, die sich insbesondere auf die Elektrifizierung des Streckenabschnitts bezogen habe.

Die Beigeladene hat keine Stellungnahme abgegeben.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er folgert aus dem Senatsurteil vom 22. März 1995 – BVerwG 11 A 1.95 – (BVerwGE 98, 100 = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 6), daß einem anerkannten Naturschutzverband ein “wehrfähiges” Recht allenfalls insoweit zustehen könne, als er an einem tatsächlich durchgeführten Planfeststellungsverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Korrespondierend hiermit könne er erst recht keinen Anspruch auf Durchführung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens haben. Unabhängig davon könne die Klage schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die Beklagte rechtsfehlerfrei im Wege einer Plangenehmigung entschieden habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der Plangenehmigung nicht zu.

a) Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf ein Verbandsklagerecht aus § 51c Abs. 1 LNatSchG. Die durch Landesrecht zugelassene Verbandsklage eröffnet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht das Recht, gegen Verwaltungsakte von Bundesbehörden zu klagen (vgl. BVerwGE 92, 263 ≪265 f.≫; 101, 73 ≪76 ff.≫; Beschluß vom 28. November 1995 – BVerwG 11 VR 38.95 – Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 5; Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 14.96 – UA S. 8). Auch aus Art. 20a GG läßt sich entgegen der Ansicht des Klägers keine andere Rechtsfolge herleiten.

b) Als Anspruchsgrundlage kommt entgegen der Ansicht des Klägers auch § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn “Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben”. Wie der erkennende Senat zu der wortgleichen Vorschrift des § 14 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) entschieden hat, zählt das Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG nicht zu den Rechten, die Schutz vor einer Beeinträchtigung oder einer Inanspruchnahme durch das zugelassene Vorhaben gewähren (vgl. BVerwGE 98, 100 ≪104 ff.≫). Ausschließlich an diese Rechte knüpft auch § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG an, dessen Vorläufer (§ 36b Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbahngesetzes) ebenso wie § 14 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 WaStrG durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1993 – BGBl I S. 2123 – (PlVereinfG) in Kraft gesetzt worden ist (vgl. Art. 1 Nr. 2 a.a.O.). Dementsprechend bedarf die Entscheidung, anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung zu erteilen, auch bei Schienenverkehrsprojekten nicht eines Einverständnisses der anerkannten Naturschutzverbände.

c) Der Kläger konnte auch nicht verlangen, daß mit ihm nach § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG über die Erteilung einer Plangenehmigung “das Benehmen hergestellt” wurde. Der Kläger ist entgegen seiner Auffassung kein Träger öffentlicher Belange im Sinne der genannten Vorschrift.

Der Begriff der “Träger öffentlichen Belange” entstammt dem Bauplanungsrecht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB), dessen Vorläufer § 2 Abs. 5 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 – BGBl I S. 341 – (BBauG) war, sollen bei der Aufstellung von Bauleitplänen “die Behörden und Stellen, die Träger öffentlicher Belange sind”, möglichst frühzeitig beteiligt werden, wenn sie von der Planung berührt werden können. Die Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände erfolgt nicht nach dieser Vorschrift, sondern im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. März 1985 – 10 C 39/84 – BauR 1985, 426 f.; Bezirksgericht Dresden, Urteil vom 19. Februar 1992 – 2 BDK 41/91 – VBlBW 1992, 273 ff.; zustimmend im Schrifttum z.B. Gaentzsch in: Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl. 1995, § 4 Rn. 3; Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch; Stand: 1. Juni 1996, § 4 Rn. 6; Schrödter, Baugesetzbuch, 5. Aufl. 1992, § 4 Rn. 3; Battis in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 5. Aufl. 1996, § 4 Rn. 3).

Maßgeblich ist hierfür die Erwägung, daß den Verbänden mit ihrer Anerkennung nach § 29 Abs. 2 BNatSchG die Förderung von Naturschutz und Landschaftspflege nicht als öffentliche Aufgabe übertragen wird. Die Naturschutzverbände mögen bei einer Beteiligung nach § 29 Abs. 1 BNatSchG “mit ihrem Sachverstand in ähnlicher Weise wie Naturschutzbehörden die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in das Verfahren einbringen” und deswegen als “Verwaltungshelfer” zu bezeichnen sein (so BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – UA S. 9). Dies ändert aber nichts daran, daß es sich um eine – spezifisch naturschutzrechtliche – Form der Öffentlichkeitsbeteiligung handelt (so BVerwGE 98, 100 ≪104≫). Denn es bleibt dabei, daß die Naturschutzverbände sich im Rahmen ihrer satzungsmäßigen – und damit ausschließlich privaten – Zwecke (vgl. §§ 21, 25 BGB) einer öffentlichen Aufgabe widmen. Durch eine erweiterte “staatsfreie Bürgerbeteiligung” sollen Vollzugsdefizite der öffentlichen Verwaltung im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege ausgeglichen werden (so zutreffend Bezirksgericht Dresden, Urteil vom 19. Februar 1992, a.a.O. S. 274). Anders als die Naturschutzbehörden sind die Verbände aber “außenstehender Anwalt der Natur” (so BVerwGE 92, 258 ≪262≫) und damit nicht Träger öffentlicher Belange. Dementsprechend wäre es auch unpassend, im Zusammenhang mit einer Verfahrensbeteiligung von Naturschutzverbänden von der Herstellung eines “Benehmens” (vgl. dazu BVerwGE 92, 258 ≪262≫; auch Beschluß vom 29. Dezember 1994 – BVerwG 7 VR 12.94 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 3) zu sprechen.

d) Der geltend gemachte Anspruch auf Planaufhebung ist auch nicht unmittelbar aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG herzuleiten. Diese Vorschrift gewährt anerkannten Naturschutzverbänden ein Mitwirkungsrecht (vgl. § 29 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG) “in Planfeststellungsverfahren” über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne von § 8 BNatSchG verbunden sind. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, kennt das Bundesnaturschutzgesetz keinen eigenen, vom Verwaltungsverfahrens- und Fachplanungsrecht losgelösten Begriff der Planfeststellung (vgl. BVerwGE 98, 100 ≪102 f.≫). Deswegen entfällt die Notwendigkeit einer Beteiligung der Naturschutzverbände, wenn die Zulassungsentscheidung nicht in einem Planfeststellungs-, sondern in einem Plangenehmigungsverfahren getroffen wird.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Verletzung des Beteiligungsrechts anzunehmen ist, wenn die Zulassungsbehörde sich rechtswidrig dafür entschieden hat, zugunsten einer Plangenehmigung von einer Planfeststellung abzusehen. Dies macht der Kläger im vorliegenden Fall geltend, indem er sich in seinem Vortrag auch auf die beim erkennenden Senat anhängigen Klagen (z.B. BVerwG 11 A 32.96) bezieht, mit denen mehrere Anlieger des Streckenabschnitts die Plangenehmigung angefochten haben. Diese Kläger wenden nämlich u.a. ein, die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG für den Erlaß der Plangenehmigung seien nicht erfüllt, weil das Fehlen einer Lärmschutzregelung sie in ihren Rechten beeinträchtige. Der Auffassung des Klägers, er könne in dieser Weise das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Vorschrift umfassend zur gerichtlichen Überprüfung stellen, ist jedoch nicht zu folgen.

§ 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG ist keine die anerkannten Naturschutzverbände schützende Norm. Damit ist aber auch ein insoweit auftretender Rechtsverstoß im Grundsatz ungeeignet, eine Rechtsverletzung zu deren Nachteil auszulösen.

Der Gesetzgeber hat es bewußt in Kauf genommen, daß mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Plangenehmigung, die das Planungsvereinfachungsgesetz bewirkt hat, die bislang bestehenden Beteiligungsrechte der Naturschutzverbände zurückgedrängt werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war nämlich in den Ausschußberatungen ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt worden, Planungsbeschleunigung und Verfahrensstraffung seien nur auf den Wegen zu verfolgen, die “eine Einbeziehung von Umweltverbänden nicht gegenüber dem bisherigen Maß verminderten” (so die SPD-Fraktion in der 54. Sitzung des BT-Umweltausschusses vom 12. Mai 1993, Kurzprotokoll S. 35). Wenn der Gesetzentwurf seinerzeit dennoch in diesem Punkt unverändert vom Bundestag verabschiedet worden ist, liegt darin die Entscheidung für eine Einschränkung der Beteiligungsrechte. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht dadurch korrigiert werden, daß die Voraussetzungen für den Erlaß einer Plangenehmigung als Schutznorm zugunsten der Naturschutzverbände interpretiert werden. Zu vermerken bleibt, daß auch der Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG für diese Auslegung nichts hergibt. Wie zuvor bereits dargelegt wurde (unter 1. b u. c), sind die Naturschutzverbände in dieser Vorschrift nicht angesprochen. Schließlich müßte es vom Ergebnis her befremden, wenn Naturschutzverbände die inzidente Überprüfung einer etwaigen Rechtsbeeinträchtigung Dritter erzwingen könnten. Denn damit würden sich die Verbände letztlich zum Sachwalter fremder Interessen machen, was nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG nicht ihre Aufgabe ist.

Unbeschadet dessen bejaht der Senat allerdings die Möglichkeit, daß ein Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände verletzt wird, wenn die Zulassungsbehörde ein an sich gebotenes Planfeststellungsverfahren umgeht (so in der Tendenz bereits BVerwG, Beschluß vom 14. August 1995 – BVerwG 4 NB 43.94 – Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 8, S. 13). Wollte man demgegenüber lediglich darauf abstellen, daß das Beteiligungsrecht nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG erst mit der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens entsteht, so daß es durch die Wahl einer anderen Verfahrensart nicht berührt werden kann, wäre dies eine zu formale Betrachtungsweise. Wenn das Gesetz den Naturschutzverbänden ein eigenes Recht auf Verfahrensbeteiligung einräumt, kann eine Umgehung dieses Rechts nicht sanktionslos bleiben. Vielmehr muß insoweit durch Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes zur Effektivität des Verfahrensrechts beigetragen werden (ähnlich bereits BVerwGE 87, 62 ≪71 f.≫). Dabei kann dahinstehen, ob § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG, der auch für Plangenehmigungen gilt, eine Aufhebung der behördlichen Zulassungsentscheidung ausschließen würde, weil das Beteiligungsrecht auch in einem ergänzenden Verfahren ausgeübt werden könnte (vgl. zu § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – UA S. 13 f.). Denn im vorliegenden Fall kann eine Umgehung eines Beteiligungsrechts des Klägers nicht festgestellt werden.

Eine Umgehung könnte die Erteilung einer Plangenehmigung insbesondere darstellen, wenn eine Rechtsbeeinträchigung im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG von der Zulassungsbehörde ignoriert worden ist, um das Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. Dieser Fall ist hier – aus den im Senatsbeschluß vom 27. August 1996 – BVerwG 11 VR 10.96 – (UPR 1997, 39) dargelegten Gründen – nicht gegeben. Die Frage, ob die Anlieger aus Anlaß des plangenehmigten Vorhabens eine Lärmsanierung beanspruchen können, ist zumindest zweifelhaft und von der Behörde mit einer vertretbaren, nicht erkennbar vorgeschobenen Begründung verneint worden. Es kann deswegen nicht einmal davon ausgegangen werden, daß eine Beeinträchtigung der Rechte Dritter, die eine Erteilung der Plangenehmigung gehindert hätte, grob fahrlässig übersehen worden wäre. Erst recht ist auszuschließen, daß eine Rechtsbeeinträchtigung bewußt in Kauf genommen worden ist.

Eine Umgehung könnte ferner dann bejaht werden, wenn das nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AEG von der Behörde auszuübende Ermessen von Erwägungen beeinflußt wäre, die dem Zweck dieser Regelung widersprechen. Auch das trifft hier nicht zu. Die diesbezüglich gegen die Plangenehmigung erhobenen Einwände hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 27. August 1996 – BVerwG 11 VR 10.96 – (a.a.O.) bereits gewürdigt. Die Plangenehmigung enthält eine mit dem Abwägungsgebot (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) in Einklang stehende “Zwischenlösung”, die auch dann nicht zu einem planerischen “Torso” werden kann, wenn das Planfeststellungsverfahren für den Streckenabschnitt wider Erwarten nicht fortgeführt werden sollte. Die seitens des Klägers an der Senatsentscheidung in diesem Punkt geübte Kritik zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf und überzeugt deswegen nicht.

Schließlich stellt die Beteiligung des Klägers an dem Planfeststellungsverfahren für den Streckenabschnitt Vb ein gewisses Indiz dafür dar, daß die Behörde das Plangenehmigungsverfahren hier nicht gewählt hat, um die Verbandsbeteiligung zu unterlaufen. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 24. November 1994 zu dem geplanten Streckenausbau, der auch die Elektrifizierung umfaßte, geäußert. Daß sich im Plangenehmigungsverfahren neue naturschutzrechtliche Fragen gestellt hätten, die eine erneute Beteiligung sinnvoll machen würden, hat er nicht substantiiert geltend gemacht. Die Plangenehmigung ist vielmehr durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß sie nur die Zulassung eines Teils des Vorhabens vorwegnimmt, das Gegenstand des laufenden Planfeststellungsverfahrens ist. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG ist dabei im Planfeststellungsverfahren unstreitig beachtet worden. Damit fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, daß die Zulassungsbehörde die Anwendung dieser Vorschrift rechtswidrig vereiteln wollte.

e) Was die Rüge einer fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung angeht, muß sich der Kläger entgegenhalten lassen, daß im Planfeststellungsverfahren für den Streckenabschnitt Vb eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung erstellt worden ist. In ihr sind insbesondere die Umweltauswirkungen der Elektrifizierung eingehend untersucht und bewertet worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in der angefochtenen Plangenehmigung zusammenfassend dargestellt. Es ist nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn eine Wiederholung dieser Umweltverträglichkeitsprüfung im Plangenehmigungsverfahren hätte vermitteln können.

Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Regelung, die das Institut der Plangenehmigung im deutschen Recht gefunden hat, hinter den Vorgaben der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) – ABl Nr. L 175 S. 40 –, inzwischen geändert durch die Richtlinie des Rates vom 3. März 1997 (97/11/EG) – ABl Nr. L 73, S. 5 – (UVP-Richtlinie) zurückbleibt, stellt sich damit nicht. Denn die UVP-Richtlinie definiert das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung projektbezogen. Ein Projekt, das bereits Gegenstand einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung war, muß dieser nicht deswegen teilweise erneut unterzogen werden, weil in einer vorweggenommenen Zulassungsentscheidung – hier der angefochtenen Plangenehmigung – bestimmte Teilaspekte des Projekts einer abschließenden Regelung zugeführt worden sind. Eine die Vermeidung von Doppelprüfungen einschränkende Vorgabe ist der UVP-Richtlinie nicht zu entnehmen.

2. Der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger eine Planergänzung nicht beanspruchen kann. Ihm sind Rügen versagt, die auf eine inhaltliche Überprüfung der Planungsentscheidung hinauslaufen würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 16.95 – Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 S. 18 f.; Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 14.96 – UA S. 10).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Diefenbach, Dr. Kugele, Vallendar, Prof. Dr. Rubel

Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bonk ist erkrankt und deshalb verhindert, seine Unterschrift beizufügen.

Dr. Diefenbach

 

Fundstellen

BVerwGE, 367

DVBl. 1997, 1123

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge