Verfahrensgang

VG Berlin (Aktenzeichen 3 A 892.95)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.02.2003; Aktenzeichen 2 BvR 1867/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. März 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf den von der Beschwerde allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Beschwerde will rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, „ob durch die Regelung von Art. 7 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der DDR zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen vom 21. August 1987 … die individuellen Ansprüche oder Rechtspositionen österreichischer Staatsbürger bezüglich ihres Eigentums in der DDR untergegangen sind”. Sie bezieht sich zur Begründung wesentlich auf Aussagen des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs in dessen Entscheidung vom 25. Juni 1992 (VIZ 1993, 360). Insbesondere weist die Beschwerde darauf hin, dass hiernach die Republik Österreich durch den vorgenannten Vertrag nicht namens ihrer Staatsbürger auf irgendwelche Rechte Verzicht geleistet habe, weswegen diesen nach wie vor freistehe, ihre Ansprüche auf volle Entschädigung oder auf Naturalrestitution geltend zu machen, wenn deutsches Recht solches vorsehe. Mit diesen Darlegungen kann jedoch schon deswegen eine grundsätzliche Bedeutung nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden, weil in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist, dass es auf die aufgeworfene Frage nicht ankommt:

Wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist es Zweck der Vorschrift in § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG (vgl. auch § 11 c Satz 1 VermG) und damit auch in dem hier maßgeblichen § 1 b Abs. 1 Satz 1 VZOG, einen nochmaligen Ausgleich für Vermögensschädigungen, die der Deutschen Demokratischen Republik zuzurechnen und bereits durch Gewährung einer Global-Entschädigung ausgeglichen sind, zu vermeiden (vgl. grundlegend Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 50.94 – BVerwGE 99, 276 ≪281≫). Damit setzt die Rechtmäßigkeit eines Vorgehens gemäß § 1 b Abs. 1 Satz 1 VZOG (ebenso wie bei § 11 c Sätze 2 und 3 VermG) nur voraus, dass der betroffene Vermögenswert in ein zwischenstaatliches Entschädigungsabkommen im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG wirksam einbezogen worden ist; unter dieser Voraussetzung ist der Vermögenswert „Gegenstand” eines Abkommens im Sinne des § 1 b Abs. 1 Satz 1 VZOG geworden, und der vermögensrechtliche Anspruch (hier: der Klägerin) ist bereits seitens der Deutschen Demokratischen Republik „geregelt” worden im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG.

Sind mithin die individuell Geschädigten auf den Einwand beschränkt, dass ihr Vermögenswert tatsächlich nicht Gegenstand der jeweiligen zwischenstaatlichen Vereinbarung geworden sei, so sind der Klägerin mit ihrem Eingeständnis, dass ihre vermögensrechtlichen Ansprüche – mit ihrem Willen – in das Abkommen einbezogen worden sind, sämtliche weiteren Einwände abgeschnitten. Ob – und ggf. wann – individuelle Ansprüche, die Gegenstand des Abkommens waren, durch dieses bzw. durch individuelle Entschädigungszahlungen erloschen sind oder als erloschen zu gelten haben, kann offen bleiben, denn die vorgenannten Vorschriften knüpfen nur an die Vereinbarung einer Global-Entschädigung an (vgl. zum gesamten Vorstehenden für das Abkommen zwischen Österreich und der DDR: Urteil vom 31. Juli 1997 – BVerwG 7 C 43.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 115).

Nach den vorgenannten Urteilen lässt eine solche zwischenstaatliche Vereinbarung einer Global-Entschädigung zum Ausgleich individueller Rechtsverluste den Primäranspruch des Rechtsinhabers untergehen. Damit wird aber das Erlöschen individueller Ansprüche nicht etwa – wie die Beschwerde anzunehmen scheint – zur Voraussetzung für die Anwendung der vorgenannten Vorschriften erhoben. Vielmehr dienen diese und vergleichbare Aussagen erkennbar der Begründung der revisionsgerichtlichen Überzeugung, der Gesetzgeber habe den Ausschluss individueller Ansprüche in völker- und verfassungsrechtlich einwandfreier Weise an die Voraussetzung knüpfen dürfen, dass die betreffenden Vermögensgegenstände in ein derartiges Abkommen einbezogen worden sind. Die völkerrechtliche Unbedenklichkeit folgt insoweit aus der vertretbaren Annahme des Gesetzgebers, die ausgehandelten Entschädigungsbeträge böten eine aus den wechselseitigen Interessenlagen ableitbare Gewähr für eine völkerrechtskonforme Entschädigung. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des gesetzgeberischen Vorgehens liegt darin begründet, dass die Deutsche Demokratische Republik bereits vor dem Abschluss der in Rede stehenden Abkommen die Verfügungsbefugnis der ausländischen Vermögensinhaber faktisch derart ausgehöhlt hatte, dass vom Fortbestand eines materiellen Eigentumsrechts keine Rede mehr sein konnte. In Ermangelung eines substantiellen Vermögenssubstrats stellte die allein noch vorhandene Buchposition der Klägerin kein Eigentum im Sinne des Art. 14 GG dar.

Nicht anders hat es im Übrigen ausweislich einer Regierungsvorlage vom 3. November 1987 zum in Rede stehenden Vertrag (Nr. 311 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates XVII.GP) die österreichische Seite zur Zeit des Vertragsschlusses gesehen: Den Erläuterungen zum Vertrag lässt sich die damalige Auffassung Österreichs entnehmen, dass mit den staatlich verwalteten ausländischen Vermögenswerten in der DDR unter Entzug des Verfügungsrechts der ausländischen Eigentümer „materiell eine de facto-Enteignung (rückwirkend mit 8. Mai 1945) vorgenommen” worden sei. Weil die DDR es abgelehnt habe, die von ihr getroffenen Maßnahmen formell als Enteignung sowie die Abgeltung als Entschädigung zu bezeichnen, werde der durch die de facto-Enteignungen hervorgerufene Vermögensverlust durch die Formulierung „in deren (DDR) ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt” umschrieben. Folgerichtig sehen die Erläuterungen in Art. 7 eine „Entfertigung” und einen gegenseitigen Interventionsverzicht Österreichs und der DDR betreffend alle Ansprüche, soweit sie im Vertrag geregelt sind.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht klärungsbedürftig, ob ein – wie dargelegt unbeachtlicher – Eigentumsverlust der Klägerin womöglich erst mit der vollständigen Bezahlung der Entschädigungssumme im Juni 1993 eingetreten ist; an der dargelegten verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Anknüpfung an die Regelung durch die Vereinbarung vermöchte dies nichts zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.

 

Unterschriften

van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Dr. Brunn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565998

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