Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 B 97.35564)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Januar 2000 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf sämtliche Alternativen des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die angeführten Zulassungsgründe genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

1. Soweit sich das Vorbringen der Beschwerde auf die behauptete Vorverfolgung der Klägerin in Äthiopien bezieht, sind weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch die gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ordnungsgemäß dargelegt.

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „ob eine entscheidend auf Auskünften der Behörden des Verfolgerstaates gegründete Aussage eine geeignete Tatsachengrundlage ist zur Überzeugungsbildung, dass ein vorgelegtes Dokument, das eine Verfolgung belegen soll, echt ist oder nicht”. Die Beschwerde bezieht sich damit auf die Ausführungen im Berufungsbeschluss (BA S. 6 f.) zu dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 23. September 1991, das das Berufungsgericht unter Hinweis auf eine von ihm eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 30. April 1998 als Fälschung angesehen hat. Mit dem Vorbringen der Klägerin wird indes keine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, die in einem Revisionsverfahren grundsätzlich geklärt werden könnte. Nach § 438 Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde – um eine solche soll es sich bei dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben handeln – nach den Umständen des Falles zu ermessen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 98 VwGO auch im Verwaltungsstreitverfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1986 – BVerwG 9 C 8.86 – NJW 1987, 1159 = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 45). Die von der Beschwerde gestellte Frage entzieht sich somit einer generellen Klärung. Dies gilt auch für Auskünfte von Behörden des (behaupteten) Verfolgerstaates zur Echtheit einer Urkunde (vgl. dazu auch § 437 Abs. 2 ZPO zur Echtheit inländischer öffentlicher Urkunden). Maßgebend sind vielmehr die Umstände des jeweiligen Falles und deren tatrichterliche Würdigung, die in der hier zu entscheidenden Streitsache das Berufungsgericht zu der Annahme geführt haben, bei dem Schreiben vom 23. September 1991 handle es sich nicht um ein „Originaldokument”. Eine Aussage dazu, ob die im vorliegenden Fall eingeholte amtliche Auskunft des Auswärtigen Amts, die sich jedenfalls ihrem Wortlaut nach maßgeblich auch auf Angaben der ausstellenden Behörde des Heimatstaates stützt, eine zur Klärung von Asyl und Abschiebungsschutz „geeignete Tatsachengrundlage” darstellt, ist danach in erster Linie der Beweiswürdigung im vorliegenden Einzelfall und damit dem Tatrichter vorbehalten. Soweit die Beschwerde zugleich sinngemäß beweisrechtliche Maßstäbe über den Einzelfall hinaus anspricht, zeigt sie nicht auf, gegen welche Vorschriften oder Grundsätze des Verfahrensrechts oder des materiellen Rechts eine Verwertung amtlicher Auskünfte des Auswärtigen Amts, die sich auch auf Angaben von Behörden des angeblichen Verfolgerstaates stützen, verstoßen soll; auch insoweit fehlt es an der Formulierung und Darlegung einer verallgemeinerungsfähigen konkreten Rechtsfrage, die in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden könnte.

Auf eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung führt auch nicht der Hinweis der Beschwerde auf verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. im Einzelnen S. 4 des Schriftsatzes vom 30. März 2000). Diese befassen sich nicht mit der Frage, nach welchen Grundsätzen das Tatsachengericht die Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden zu überprüfen hat, sondern mit der anders gelagerten Frage, inwieweit die Einholung einer Auskunft bei Behörden des (behaupteten) Verfolgerstaates ein taugliches Beweismittel zum Nachweis einer politischen Verfolgung sein kann. Aus diesem Grund ist auch die darauf bezogene hilfsweise Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht schlüssig erhoben.

Die im Zusammenhang mit der Echtheitsüberprüfung gerügten Verfahrensmängel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und der unzulänglichen Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) sind gleichfalls nicht hinreichend dargelegt. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte über die Auskunft des Auswärtigen Amts hinaus weitere Auskünfte durch das Institut für Afrika-Kunde und durch amnesty international einholen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 12.87 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31) wird das dem Tatsachengericht zur Bestimmung von Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 98 VwGO in Verbindung mit §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn bereits vorhandene Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist. Eine Verpflichtung des Tatsachengerichts, zusätzlich zu den vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen weitere Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht hingegen nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisherigen Erkenntnisquellen im Ergebnis für unzutreffend hält. Gemessen an diesen Grundsätzen trägt die Beschwerde nicht vor, dass und aus welchen Gründen die im Einzelnen vom Berufungsgericht gewürdigte Stellungnahme des Auswärtigen Amts an solchen Mängeln litte, dass die Einholung weiterer gutachterlicher Äußerungen geboten gewesen wäre. Weder wird der Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 27. Mai 1998 im Einzelnen dargestellt noch setzt sich die Beschwerde mit den Argumenten des Berufungsgerichts zur Ablehnung der Einholung weiterer Gutachten (BA S. 6, 7) auseinander (vgl. Beschwerdebegründung S. 5 unter 2.). Selbst bei Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen zur Grundsatzbedeutung sind die Darlegungsanforderungen insoweit nicht erfüllt. Im Übrigen richten sich die dabei vorgetragenen Angriffe gegen den Inhalt der amtlichen Auskunft, soweit sie sich auf die Unüblichkeit der Stellung von Unterschrift und Funktionstitel als weiteres Fälschungsanzeichen bezieht (Beschwerdebegründung S. 4), lediglich gegen die tatrichterliche Würdigung, ohne prozessrechtliche Mängel aufzuzeigen. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass das Institut für Afrika-Kunde und amnesty international eine größere Fachkunde zur Beurteilung der Echtheit von in Äthiopien ausgestellten Urkunden hätten als das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Äthiopien.

Nicht schlüssig dargelegt ist die Gehörs- und Aufklärungsrüge auch bezüglich der Annahme des Berufungsgerichts (BA S. 6), in dem Schreiben vom 23. September 1991 werde nicht die Klägerin, sondern eine andere Person als gesucht ausgewiesen. Abgesehen davon, dass diese Erwägung nicht entscheidungstragend war („Im Übrigen…”), hat das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt nicht erst in dem Beschluss vom 24. Januar 2000, sondern bereits während des gerichtlichen Verfahrens angeführt. In dem auch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten Schreiben an das Auswärtige Amt vom 26. Februar 1998, mit dem eine Auskunft zur Echtheit der Urkunde erbeten wurde, heißt es nämlich, „zwischen der Klägerin und der Person, auf die sich das zu Beweiszwecken vorgelegte Schreiben bezieht, (besteht) keine Namensgleichheit”. Es wäre deshalb Sache der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewesen, rechtzeitig dieser erkennbaren Auffassung des Berufungsgerichts entgegenzutreten und darauf hinzuweisen, dass es sich um dieselbe Person handele. Ein derartiges prozessuales Versäumnis kann nicht nachträglich durch die Erhebung einer Gehörs- und Aufklärungsrüge wettgemacht werden. Entsprechendes gilt für die auf Seite 6 (unten) der Beschwerdebegründung erhobene Gehörs- und Aufklärungsrüge.

2. Auch die Grundsatz- und Verfahrensrügen, die die Beschwerde mit Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchttatbestand erhebt, genügen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Beschwerde meint, durch die Nachfrage der Deutschen Botschaft bei äthiopischen Behörden, ob das Schreiben vom 23. September 1991 echt sei, sei die Klägerin in den Augen der äthiopischen Verfolger eine bedeutende Persönlichkeit geworden mit der Folge, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland politische Verfolgung zu befürchten habe. Es sei eine grundsätzlich bedeutsame Frage, ob in derartigen Fällen mit einer politischen Verfolgung zu rechnen sei. Mit diesem Vorbringen ist indes keine konkrete, in einem Revisionsverfahren klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan. Vielmehr handelt es sich in erster Linie um die den Tatsachengerichten vorbehaltene, nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmende Feststellung und Würdigung des Sachverhalts. Es ist nicht erkennbar, welche grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen in diesem Zusammenhang beantwortet werden könnten. Aus denselben Gründen führt auch die diesen Vortrag nur abwandelnde weitere Frage, „ob nicht – bei Aufdeckung der Identität – die Klägerin nicht nur strafrechtlich verfolgt würde, sondern, wie diesseits behauptet, wegen der Nachfrage durch die Deutsche Auslandsvertretung und des damit hervorgerufenen Anscheins Übergriffe auf die körperliche Integrität drohen”, nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung.

Die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) im Zusammenhang mit der Frage, ob Ermittlungen bei äthiopischen Behörden für exilpolitisch aktive (einfache) Mitglieder oppositioneller Parteien zur politischen Verfolgung führen können (Beschwerdebegründung S. 7), erfüllt schließlich gleichfalls nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Richter, Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI567036

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