Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezug einer Rente nach jugoslawischem Recht vom 1953-12-01 bis 1956-11-30
Leitsatz (redaktionell)
Die Zeit des Bezugs dieser Rente kann nicht als Beitragszeit gutgebracht werden. Entscheidend dafür, ob eine fremde Altersrente dem Altersruhegeld deutschen Rechts entspricht, ist allein ihr Kerngehalt.
Normenkette
FRG § 19 Abs. 3 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1969 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Altersruhegeldes, das die Beklagte der Klägerin seit dem 1. September 1964 gewährt.
Die ... 1900 in A/Jugoslawien geborene volksdeutsche Klägerin, die am 7. September 1946 mit einem Serben die Ehe geschlossen hatte und von diesem durch Urteil des Kreisgerichts Beograd vom 26. Juni 1963 geschieden worden war, lebt seit September 1964 in der Bundesrepublik Deutschland; sie hat den Ausweis A für Vertriebene und Flüchtlinge erhalten. In ihrem Herkunftsland hat sie seit 1915 in abhängiger Beschäftigung gestanden, zuletzt von November 1926 an als Prokuristin. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges war sie bis August 1946 interniert. Von 1947 bis November 1956 war sie mit Unterbrechungen als Buchhalterin bzw. "Chef der Rechnungsführung" bei mehreren Firmen beschäftigt. Von Dezember 1953 an bezog sie eine an die Vollendung des 50. Lebensjahres und Zurücklegung einer Wartezeit von 30 Jahren geknüpfte Rente nach den Vorschriften des jugoslawischen Rechts, wobei eine Beschäftigungszeit von 31 Jahren, 2 Monaten und einem Tag zugrunde gelegt worden war.
Die Beklagte gewährte der Klägerin vom 1. September 1964 an das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) (Bescheid vom 22. April 1965).
Im Revisionsverfahren ist noch streitig, ob bei der Berechnung des Altersruhegeldes
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die von der Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 1953 bis 30. November 1956 entrichteten Beiträge anzurechnen sind; während dieser Zeit hatte die Klägerin die genannte Rente nach jugoslawischem Recht bezogen; |
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die Zeit vom 1. Januar 1947 bis 30. August 1960 - soweit sie nicht schon als Beitragszeit berücksichtigt ist - als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG anzurechnen ist; in dieser Zeit will die Klägerin - wie ihr in einer Heimkehrerbescheinigung des Regierungspräsidenten bescheinigt worden ist - unverschuldet an der Rückkehr aus dem Ausland verhindert gewesen sein; ihr Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland sei erst nach der Scheidung ihrer Ehe möglich gewesen, weil der frühere Ehemann der Übersiedlung widersprochen habe. |
Das Landessozialgericht (LSG) hat beiden Begehren nicht entsprochen. Es hat u.a. ausgeführt, die von der Klägerin in Jugoslawien bezogene Rente sei eine Altersrente im Sinne von § 19 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25. Februar 1960 gewesen; die während des Rentenbezugs geleisteten Beiträge könnten deshalb erst für die Hinterbliebenenrente zusätzlich berücksichtigt werden; auch eine Beschäftigungszeit nach § 16 FRG könne nicht angerechnet werden; eine Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG liege nicht vor, weil die Klägerin nicht durch "feindliche-Maßnahmen" an der Rückkehr aus dem Ausland verhindert gewesen sei. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 11. November 1969).
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung der §§ 16 und 19 Abs. 3 FRG sowie der §§ 25 Abs. 3 und 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1969 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Beitragszeiten vom 1. Dezember 1953 bis 30. November 1956 sowie einer Ersatzzeit vom 1. Januar 1947 bis 30. August 1960 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Klägerin kann entgegen der Auffassung der Revision die Zeit vom 1. Dezember 1953 bis 30. November 1956, in der sie eine Rente nach den Vorschriften des jugoslawischen Rechts bezogen hat, nicht als Beitragszeit gutgebracht werden. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend unter Hinweis auf § 19 Abs. 3 FRG entschieden. Nach dieser Vorschrift werden Beitragszeiten, die während des Bezugs einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistung zurückgelegt sind, für die Hinterbliebenenrenten - jedoch nur für diese - zusätzlich angerechnet.
Die Revision meint demgegenüber, die der Klägerin in Jugoslawien gewährte Rente entspreche nicht dem Altersruhegeld nach deutschem Recht. Die Revision geht damit indes fehl. Wie schon die Worte "während des Bezuges einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistung" in § 19 Abs. 3 FRG erkennen lassen, ist weder das Altersruhegeld deutschen Rechts noch eine diesem voll entsprechende Leistung gemeint. Letzteres kann auch bei den vielfach unterschiedlichen fremden Altersrenten nicht erwartet werden. Entscheidend dafür, ob eine fremde Altersrente dem Altersruhegeld deutschen Rechts entspricht, ist allein ihr Kerngehalt. Dafür ist in erster Reihe wesentlich, daß der zur Leistung führende Versicherungsfall auf das Lebensalter und nicht auf eine gesundheitliche Minderung der Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit (MdE) abgestellt ist, und zum anderen, daß die Leistungen anläßlich des Alters an strengere Voraussetzungen hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses geknüpft sind als die Leistungen bei einer gesundheitlich bedingten MdE (z.B. Dauer des Versicherungsverhältnisses, Höhe der Beiträge u.a.). Auf diese Grundsätze zur Auslegung des § 19 Abs. 3 FRG, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. November 1967 - 12 RJ 80/63 - (SozR Nr. 3 zu § 19 FRG) ausgesprochen hat und die in das Schrifttum Eingang gefunden haben (vgl. Verb.Komm., FRG § 19 Anm. 14), hat das LSG zutreffend zurückgegriffen und auf den Fall der Klägerin angewandt. Demgegenüber ist es unerheblich, worauf es die Revision abstellen möchte, daß in jenem Falle die Versicherte bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte, während die Klägerin mit 53 Jahren Rentnerin geworden war.
Für eine entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 3 FRG dahingehend, daß Beitragszeiten, die während des Bezugs einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistung zurückgelegt sind, auch für das Altersruhegeld zusätzlich angerechnet werden, ist schon angesichts des klaren Wortlauts des § 19 Abs. 3 FRG kein Raum.
Die Revision kann sich auch nicht erfolgreich auf das von ihr angeführte Urteil des 11. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Juni 1969 - 11 RA 18/67 - (BSG 29, 268 = SozR Nr. 9 zu § 1233 RVO) berufen. Der dortige Fall betraf, worauf die Beklagte mit Recht aufmerksam gemacht hat, die Frage der Weiterversicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AVG, auf den die Sondervorschrift des § 19 Abs. 3 FRG gerade nicht für anwendbar gehalten wurde (aaO, 269).
Soweit das LSG es ferner abgelehnt hat, die Zeit ab 1. Dezember 1953 als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG zu berücksichtigen, weil die während des Bezugs einer Altersrente von der Klägerin verrichtete Beschäftigung nach dem am 1. März 1957 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AVG versicherungsfrei gewesen wäre, ist auch dies entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden.
Die Vorschriften des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl. 1956 II S. 168) sind auf das Rentenbegehren der Klägerin nicht anzuwenden, weil die Klägerin am 1. Januar 1956 ihren ständigen Wohnsitz nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) hatte (Art. 1 Abs. 1a des "Vertrages").
Die Revision vermag ferner mit ihrem Begehren, die Zeit vom 1. Januar 1947 bis zum 30. August 1960 als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG anzurechnen, nicht durchzudringen. Die Klägerin will 1946 einen Serben in der Hoffnung geheiratet haben, dadurch die Entlassung ihrer Mutter und Schwester aus der Internierung erreichen zu können; da ihr früherer Ehemann sich einer Übersiedlung widersetzt habe, habe sie erst nach ihrer Ehescheidung im September 1964 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen können. Das LSG hat dazu festgestellt, diese Zeit sei keine Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG. Wenn der Ehemann der Ausreise der Klägerin nicht zugestimmt habe und diese ihr daher verweigert worden sei, sei dies keine gegen die Klägerin als Volksdeutsche oder gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete und damit keine "feindliche Maßnahme" nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG gewesen, die Festhaltung in Jugoslawien vielmehr nur darauf zurückzuführen, daß es einer Ehefrau nicht gestattet worden sei, ihren Wohnsitz ohne die Zustimmung des Ehemannes in das Ausland zu verlegen; dabei sei es unerheblich, ob die Klägerin durch eine feindliche Maßnahme, die Internierung ihrer Angehörigen, zu der Eheschließung mit einem Serben veranlaßt worden sei. Ein derartiger mittelbarer Zusammenhang genüge nach § 28 Abs. 1 Nr.3 AVG nicht. Nur dann sei ein Versicherter während oder nach Beendigung eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen an der Rückkehr aus dem Ausland oder aus den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten verhindert gewesen oder dort festgehalten worden, wenn die Hinderungsmaßnahmen durch einen befreundeten Staat nicht getroffen worden wären.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts sind frei von Rechtsirrtum. Die Revision glaubt indes daraus einen Widerspruch ableiten zu können, daß der zuständige Regierungspräsident der Klägerin in der Heimkehrerbescheinigung eine "unverschuldete" Verzögerung der Rückkehr nach § 1 Abs. 6 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer (Heimkehrergesetz) vom 19. Juni 1950 (BGBl. III 84-1) als von ihr nicht zu vertreten bescheinigt und damit die "Notheirat" mit einem Serben als unschädlich für die Heimkehrereigenschaft angesehen habe, während ihr das LSG schädliche Wirkung beimesse. Der von der Revision angestellte Vergleich ist aber nicht denkrichtig. Nicht Vergleichbares wird unzulässigerweise miteinander verglichen. Ob ein Geschehnis eine Ersatzzeit ist, ist nur nach der Vorschrift des § 28 Abs. 1 AVG, nicht aber nach sonstigen Vorschriften zu beurteilen. Eine Bindung der Beklagten an den Inhalt der Heimkehrerbescheinigung besteht für die Anerkennung und Anrechnung einer Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen