Orientierungssatz

Anwendung des Art 2 § 42 ArVNG:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die - höhere - Rente nach Art 2 § 42 ArVNG nur gewährt werden, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit erfüllt ist und mit denjenigen Beiträgen, die vor dem 1. Januar 1957 entrichtet sind und aus denen die Anwartschaft zum 1. Januar 1957 erhalten war, zuzüglich der nach dem 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträge (vgl BSG 1961-11-23 12/4 RJ 102/61 = BSGE 15, 271).

 

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 42

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 12.12.1962)

SG Koblenz (Entscheidung vom 26.10.1960)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Dezember 1962 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Januar 1960 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Dezember 1959 an. Sie berechnete dabei die Rente nach den seit dem 1. Januar 1957 geltenden neuen Vorschriften.

Für den Kläger sind 64 Wochenbeiträge für die Zeit von 1914 bis 1918, 91 Wochenbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum 31. Dezember 1933 und je 26 Wochenbeiträge für die Jahre 1949 bis 1955 entrichtet worden. Für das Jahr 1956 wurden im Jahre 1956 25 Wochenbeiträge und im Jahre 1958 noch ein weiterer Beitrag entrichtet. Für die Jahre 1957, 1958 und 1959 wurden je 9 Monatsbeiträge entrichtet. Im Jahre 1956 hat der Kläger deshalb nur 25 Beitragsmarken für dieses Jahr verwertet, weil das Postamt an dem Tage, an dem er die Marken kaufte, nur noch 25 Wochenmerken vorrätig hatte. Die fehlende Marke hat der Kläger im Jahre 1958 verwertet.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1960 hat der Kläger mit dem Antrag Klage erhoben, die Rente gemäß Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) nach altem Recht zu berechnen.

Das Sozialgericht (SG) in Koblenz hat mit Urteil vom 26. Oktober 1960 die Klage abgewiesen.

Durch Urteil vom 12. Dezember 1962 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger habe aus den vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträgen die Anwartschaft zu diesem Zeitpunkt nach den bis dahin geltenden Vorschriften nicht erhalten, so daß er die Rentenberechnung gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nach altem Recht nicht fordern könne. Denn er habe vor dem 1. Januar 1957 für das Jahr 1956 nur 25 Wochenbeiträge entrichtet. Der Entrichtung von Beiträgen stehe zwar nach § 1444 Abs. 1 RVO aF die Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung gegenüber einer zuständigen Stelle gleich, wenn demnächst die Beiträge in einer angemessenen Frist entrichtet würden. Der Kläger habe sich jedoch im Jahre 1956 nicht gegenüber einer "zuständigen Stelle" bereit erklärt, den fehlenden einen Wochenbeitrag nachzuentrichten. Ob man diesen einen Beitrag etwa deshalb noch anerkennen könne, weil der Kläger ihn unverschuldet im Dezember 1956 nicht entrichten konnte, könne dahinstehen. Denn er habe die 26. Wochenbeitragsmarke für das Jahr 1956 erst im Jahre 1958 gekauft und entrichtet, obwohl das Postamt schon Anfang 1957 wieder Beitragsmarken zu verkaufen gehabt hätte.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision beantragt der Kläger,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG in Koblenz vom 26. Oktober 1960 sowie in Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 28. Januar 1960 diese zu verurteilen, die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 42 ArVNG durchzuführen und ihm die errechnete höhere Rente ab 1. Dezember 1959 zu gewähren,

die Beklagte ferner zu verurteilen, ihm die außergerichtlichen Kosten des Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Er ist der Auffassung, es genüge für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG, daß zum 1. Januar 1957 auch nur aus einem vorher entrichteten Beitrag die Anwartschaft erhalten sei; einer besonderen Wartezeiterfüllung aus diesen Beiträgen bedürfe es für die Anwendung dieser Vorschrift nicht. Aus den 25 im Jahre 1956 für das Jahr 1956 entrichteten Beiträgen sei aber die Anwartschaft zum 1. Januar 1957 erhalten gewesen. - Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, seien die Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG erfüllt. Denn der für das Jahr 1956 im Jahre 1958 nachentrichtete Beitrag müsse als noch rechtzeitig entrichtet im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, weil er ihn ohne Verschulden erst nach dem 31. Dezember 1956 entrichtet habe. Er habe ihn deshalb nicht rechtzeitig entrichten können, weil das Postamt in Rh. im Dezember 1956 keine weiteren Beitragsmarken vorrätig gehabt habe. Es sei im übrigen auch unschädlich, daß er diesen Beitrag erst im Jahre 1958 entrichtet habe. Denn es sei damals in öffentlichen Bekanntmachungen darauf hingewiesen worden, daß diese Beiträge noch in der gesetzlichen Nachentrichtungsfrist nachentrichtet werden könnten. Darauf habe er sich verlassen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die zulässige Revision hatte keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Beklagte und haben die Vorinstanzen das Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf die sich aus Art. 2 § 42 ArVNG ergebende höhere Rente verneint. Denn im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls - im Dezember 1959 - war die Wartezeit nicht erfüllt aus denjenigen Beiträgen, aus denen zum 1. Januar 1957 die Anwartschaft erhalten war, zuzüglich der danach bis zum Eintritt des Versicherungsfalls entrichteten Beiträge, wie es nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG erforderlich ist (BSG 15, 217). Zum 1. Januar 1957 war nämlich nach § 1264 RVO aF nur die Anwartschaft aus den im Jahre 1956 für das Jahr 1956 entrichteten 25 Wochenbeiträgen erhalten; es fehlte an dem 26. Wochenbeitrag, der nach dieser Vorschrift erforderlich gewesen wäre, um die Anwartschaft aus den für die Zeit vor dem 1. Januar 1956 entrichteten Beiträgen zu erhalten. Wenn auch der im Jahre 1958 für das Jahr 1956 nachentrichtete Wochenbeitrag nach § 1442 Abs. 1 RVO aF, § 1418 Abs. 1 RVO wirksam entrichtet ist, so kann er doch für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG nicht berücksichtigt werden, weil dies nach seiner Vorschrift nur für solche Beiträge der Fall ist, die tatsächlich vor dem 1. Januar 1957 entrichtet worden sind (BSG 10, 139). Die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1956 entrichteten Beiträgen war auch nicht etwa zum 1. Januar 1957 nach § 1265 RVO aF erhalten, weil die sogenannte Halbdeckung nicht erreicht ist. Mit den insoweit also nur zu berücksichtigenden 25 Wochenbeiträgen zuzüglich den im Jahre 1958 entrichteten einen weiteren Wochenbeitrag sowie den für die Jahre 1957 bis 1959 entrichteten 27 Monatsbeiträgen war bei Eintritt des Versicherungsfalles - Ende des Jahres 1959 - die Wartezeit aber nicht erfüllt.

Nun beruft sich der Kläger allerdings darauf, daß er diesen einen Wochenbeitrag nicht schon im Dezember 1956 habe entrichten können, weil das Postamt in Rh. keine weiteren Beitragsmarken mehr vorrätig gehabt habe. Wie der erkennende Senat jedoch bereits entschieden hat, kann dieser Umstand nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden (BSG 15, 267, 270). Denn er hätte sich, sobald ihm dies bekannt geworden war, der Beklagten gegenüber bereit erklären können, diesen Beitrag nachzuentrichten. Nach § 1444 Abs. 1 Nr. 2 RVO aF hätte, falls er demnächst in einer angemessenen Frist diesen Beitrag entrichtet hätte, die Bereiterklärung zur Nachentrichtung der tatsächlichen Beitragsentrichtung gleichgestanden. Eine Bereiterklärung im Sinne dieser Vorschrift hat der Kläger aber nicht abgegeben. Ob in dem vergeblichen Versuch, bei dem Postamt in Rh. im Dezember 1956 eine weitere Beitragsmarke zu kaufen, eine Bereiterklärung zur Entrichtung dieses Beitrags gesehen werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist das Postamt keine zur Entgegennahme einer solchen Bereiterklärung zuständige Stelle im Sinne des § 1444 Abs. 1 Nr. 2 RVO, wie der erkennende Senat in dem oben genannten Urteil bereits ausgeführt hat.

Eine weitere gesetzliche Möglichkeit - etwa über eine entsprechende Anwendung der §§ 1442 RVO aF, 1418 Abs. 2 RVO - diesen Beitrag als im Sinne des Art. 2 § 42 ArVNG rechtzeitig entrichtet anzusehen, besteht schon deshalb nicht, weil der Kläger ihn erst im Jahre 1958 nachentrichtet hat, obwohl er schon Anfang des Jahres 1957 beim Postamt in Rh. diese Beitragsmarke hätte kaufen und den Beitrag entrichten können. Er beruft sich zwar darauf, daß er der Erklärung des Postamts in Rh. und den damaligen Veröffentlichungen in der Tagespresse hätte entnehmen dürfen, daß er diese Beitragsmarken noch innerhalb der allgemeinen Nachentrichtungsfrist des § 1442 RVO aF entrichten könne. Das Postamt in Rh. hat aber nicht erklärt, der Kläger könne diesen Beitrag noch nachentrichten, wie sich aus der von ihm ausgestellten Bescheinigung eindeutig ergibt. In der Presse wurde zwar, wie zu Ende jedes Jahres, auf die Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen hingewiesen, diese Erklärungen befaßten sich aber nicht mit der Bedeutung dieser Marken für die Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG, da das ArVNG erst später - im Februar 1957 - verkündet worden ist, sondern mit der allgemein gegebenen Möglichkeit, die Nachentrichtung von Beiträgen innerhalb der Frist des § 1442 Abs. 1 RVO aF vorzunehmen. Der Kläger verkennt im übrigen, daß der von ihm nachentrichtete Beitrag von der Beklagten berücksichtigt worden ist, allerdings - zu Recht - nicht bei der Anwendung des Art. 2 § 42 ArVNG, sondern nur bei der Gewährung der Rente neuen Rechts.

Da die Revision somit nicht begründet ist, mußte sie zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380627

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