Leitsatz (amtlich)

Hat der Empfänger von Kindergeld daneben für denselben Zeitraum eine der in BKGG § 13 Nr 4 iVm § 23 Abs 1 bezeichneten Leistungen erhalten, so ist er - sofern nicht die Voraussetzungen des BKGG § 13 Nr 1 - 3 gegeben sind - jedenfalls dann nicht zur Zurückzahlung des Kindergeldes verpflichtet, wenn die rückwirkende Entziehung (BKGG § 22) nicht in einer Änderung der für die Gewährung maßgebenden Verhältnisse begründet ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Anwendung des BKGG § 13 Nr 4 - Alternative "erhalten hat" - unterliegt einer der Besonderheit dieses Rückforderungstatbestandes entsprechenden Einschränkung.

 

Normenkette

BKGG § 13 Nr. 4 Fassung: 1964-04-14, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14, Nr. 2 Fassung: 1964-04-14, Nr. 4 Fassung: 1964-04-14, § 22 Fassung: 1964-04-14

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Juli 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Revisionsinstanz zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist Angestellter der I der M in Schleswig-Holstein e. V. (LV). Im Juli 1966 beantragte er die Gewährung von Kindergeld (KG) für sein im April 1966 geborenes drittes Kind. Zu der Frage im Antragsformular, ob er im öffentlichen Dienst tätig oder bei einem dem öffentlichen Dienst nahestehenden Arbeitgeber beschäftigt sei, der auf seine Arbeitnehmer die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge entsprechend anwende, gab er an, diese Frage nicht beurteilen zu können; er wies auf die Bestimmungen des Milch- und Fettgesetzes hin, worin die Institution der Landesvereinigung gesetzlich verankert sei. Nach Einholung einer telefonischen Auskunft von der Arbeitgeberin lehnte das Arbeitsamt K - Kindergeldkasse - den Antrag unter Bezugnahme auf § 7 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) ab, weil der Kläger Kinderzuschläge nach besoldungsrechtlichen Vorschriften erhalte. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Tätigkeit bei der LV gehöre nicht zum öffentlichen Dienst. Auch sei die LV kein Regiebetrieb der öffentlichen Hand; sie wende den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vielmehr von sich aus an. Der Empfang sowohl von Kinderzuschlägen wie von KG bedeute bei ihm daher keine doppelte Inanspruchnahme des Staates. Nach Einholung einer schriftlichen Auskunft von der Arbeitgeberin wurde dem Widerspruch stattgegeben und KG vom 1. April 1966 an gezahlt.

Anläßlich einer Überprüfung entzog die Kindergeldkasse mit Bescheid vom 3. Oktober 1967 rückwirkend das Kindergeld ab Monat April 1966, weil es sich nach den erneut getroffenen Feststellungen bei der LV um einen Arbeitgeber handele, der auf das Arbeitsverhältnis des Klägers vertragliche Regelungen anwende, die für die Arbeitnehmer des Bundes gelten (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG). Zugleich forderte sie den hiernach ohne Rechtsanspruch gezahlten Betrag von 1.275,- DM unter Einräumung von Ratenzahlungen zurück, weil der Kläger für den Überzahlungszeitraum Kinderzuschläge nach vergleichbaren tariflichen Vorschriften erhalten habe (§ 13 Nr. 4 BKGG). Der sowohl gegen die Entziehung wie auch gegen die Rückforderung gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 13. Dezember 1967 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Urteil vom 24. Mai 1968 hat das Sozialgericht Kiel (SG) - insoweit dem Antrag des Klägers inhaltlich entsprechend - die angefochtenen Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, daß der Kläger KG für die Zeit von April 1966 bis August 1967 in Höhe von 1.275,- DM nicht zurückzuzahlen hat. Im übrigen hat es die darüber hinaus auf Aufhebung der Bescheide und Weiterzahlung des KG gerichtete Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die gegen dieses Urteil von beiden Beteiligten eingelegten Berufungen unter Änderung und Neufassung des Urteils dahin zurückgewiesen, daß die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden, soweit sie die Rückforderung von KG betreffen, und daß die Klage im übrigen abgewiesen wird. Es hat dazu ausgeführt: Der Entziehungsbescheid der Beklagten sei rechtmäßig, weil der KG-Anspruch nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG ausgeschlossen sei. Die Arbeitgeberin des Klägers sei eine Vereinigung, die nach der Herkunft ihrer Mitarbeiter und ihrem Aufgabenbereich nach dem Milch- und Fettgesetz vom 28. Februar 1951 (BGBl I, 135) dem öffentlichen Dienst nahestehe. Es genüge, daß die Bestimmungen des BAT auf den Kläger kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung fänden. Die Anspruchsvoraussetzungen für das KG hätten daher beim Kläger von Anfang an nicht vorgelegen, so daß die Entziehung - auch rückwirkend - nach § 22 BKGG geboten gewesen sei. Dagegen habe das SG die Rückzahlungspflicht des Klägers, für die nur § 13 Nr. 4 BKGG in Betracht komme, zutreffend verneint. Diese Vorschrift begründe eine allgemeine Rückzahlungspflicht, sofern der KG-Empfänger für den Bezugszeitraum eine dem KG entsprechende Leistung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 BKGG erhalten habe oder noch beanspruchen könne. Eine solche Leistung stellten die dem Kläger von der LV in Anwendung des BAT gezahlten Kinderzuschläge dar. Gleichwohl treffe ihn nach dem vorliegenden Sachverhalt keine Rückzahlungspflicht. Wenn auch § 13 Nr. 4 BKGG die Rückzahlungspflicht ohne Rücksicht darauf begründe, wer die Überzahlung zu vertreten habe, so ergebe sich doch aus § 23 Abs. 5 BKGG i. V. m. Nr. 12 der Vorschriften über die Behandlung von Überzahlungen (§§ 185 bis 187 AVAVG) vom 15. Januar 1960, daß auf die Rückforderung u. a. dann verzichtet werden solle, wenn den Leistungsempfänger nicht der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit treffe. Da den Kläger im vorliegenden Fall überhaupt kein Verschulden treffe, sei die Beklagte zum Verzicht auf die Rückforderung verpflichtet. Die Erhebung der Rückforderung verstoße auch gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte allein die Überzahlung zu vertreten habe. Der Kläger habe bereits im Kindergeldantrag auf den besonderen Status seiner Arbeitgeberin hingewiesen; auch habe kein Streit darüber bestanden, daß der BAT auf sein Arbeitsverhältnis angewandt werde. Wenn die Beklagte dann nach erneuter Prüfung im ersten Widerspruchsverfahren den Kindergeldanspruch anerkannt habe, so habe sie diese Rechtsanwendung zu vertreten. Da der Kläger daraufhin die empfangene Leistung gutgläubig verbraucht habe, verstoße die Rückforderung gegen Treu und Glauben.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 13 Nr. 4 und 23 Abs. 1 und 4 BKGG. Zu Unrecht habe das LSG die Rückzahlungspflicht des Klägers verneint, obgleich die Voraussetzungen des § 13 Nr. 4 BKGG vorlägen. Billigkeitsgrundsätze könnten nicht zu einer Umgehung der hiernach bestehenden Rückzahlungsverpflichtung führen, da diese ohne Einschränkung vorgesehen sei. Auch aus der Entstehung der Vorschrift des § 13 Nr. 4 BKGG lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten. Nach der Begründung für ihre Einfügung in den Gesetzesentwurf solle sie Doppelleistungen verhindern und die Rückforderung gerade in Fällen ermöglichen, in denen den Empfänger kein Verschulden i. S. der Nrn. 1 und 2 treffe. Dabei sei ihre Anwendung aber nicht auf die im Ausschußbericht ausdrücklich angesprochenen Fälle beschränkt. Eine einschränkende Auslegung könne auch nicht aus der historischen Entwicklung hergeleitet werden, da der Gesetzgeber eben eine sich nicht an das alte Recht anlehnende, sondern hiervon abweichende Regelung getroffen habe. Das LSG habe auch die Verneinung der Rückzahlungspflicht zu Unrecht nach § 23 Abs. 5 BKGG aF (Abs. 4 BKGG nF) auf die entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Niederschlagung von Rückforderungen nach § 185 AVAVG gestützt. Das seien nicht die vom LSG herangezogenen "Vorschriften über die Behandlung von Überzahlungen (§§ 185 bis 187 AVAVG)" vom 15. Januar 1960, sondern die "Niederschlagungsvorschriften". Eine Niederschlagung setze aber eine "einziehbare", also vollwirksame Forderung voraus.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Mai 1968 abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach dem - auch den Entscheidungsgründen insoweit entsprechenden - Wortlaut des Urteilsausspruchs hat das LSG den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides nur hinsichtlich der Rückzahlungspflicht aufgehoben, hinsichtlich der Entziehung aber in vollem Umfange, also auch für den rückwirkenden Teil, durch Klageabweisung bestätigt. Da nur die Beklagte Revision eingelegt hat, ist Gegenstand der Revision allein noch der Rückforderungsanspruch.

Die Rückforderung gezahlten und rückwirkend wieder entzogenen KG ist nur zulässig, wenn eine der vier Alternativen des § 13 BKGG vorliegt. Da im vorliegenden Fall dem Kläger weder ein Verschulden bei Herbeiführung der Gewährung (Nr. 1), noch Bösgläubigkeit beim Empfang (Nr. 2) des KG vorzuwerfen, die Leistung auch nicht unter Vorbehalt (Nr. 3) gewährt worden ist, kommt hier nur Nr. 4 der Vorschrift in der bis zum 1. Januar 1971 geltenden Fassung als Rechtsgrundlage für die Rückforderung in Betracht. Hiernach ist das für einen Monat geleistete KG zurückzuzahlen, wenn der Empfänger für denselben Monat eine der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 BKGG (in der bis zum 1. Januar 1971 geltenden Fassung) genannten Leistungen erhalten hat oder beanspruchen kann. Zu diesen Leistungen gehören - auch noch nach der neuen Fassung - Kinderzuschläge nach besoldungsrechtlichen Vorschriften oder vergleichbare Leistungen für Kinder auf Grund eines der in den Fällen des § 7 Abs. 1 bestehenden Rechtsverhältnisses sowie Leistungen nach § 7 Abs. 6 (Ersatzkindergeld). Die Regelung des § 13 Nr. 4 BKGG unterscheidet sich von denen der voraufgehenden Nrn. 1-3 dadurch, daß sie keine speziellen Rückforderungsvoraussetzungen aufstellt, sondern allgemein die Rückzahlungspflicht für Fälle anordnet, in denen die Gewährung von KG deshalb zu Unrecht erfolgte, weil sie nach § 7 und § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG ausgeschlossen war. Diese erst auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit in den Gesetzesentwurf eingefügte Vorschrift wird in dessen schriftlichen Bericht damit begründet, daß das KG jeweils für zwei Monate gezahlt werde (§ 20 Abs. 1 BKGG); dabei könne bei den Berechtigten, die es schon im ersten Monat erhielten, bis zum Beginn des zweiten Monats - unvorhergesehen - ein Ausschlußtatbestand der §§ 7 und 8 eintreten. Eine Rückforderung des für den zweiten Monat erhaltenen KG nach Nr. 2 der Vorschrift sei dann nicht möglich. Es erscheine aber nicht gerechtfertigt, den Empfängern das KG neben der anderen Leistung für das Kind zu belassen. Die vom Ausschuß beschlossene Nr. 4 solle daher die Rückforderung ermöglichen und damit Doppelleistungen verhindern (BT-Drucks. IV/1961 S. 5). Nach dieser Begründung müßte man annehmen, der Gesetzgeber habe bei der Einfügung der Nr. 4 in § 13 BKGG nur die dort angesprochenen, auf der zweimonatlichen Zahlungsweise beruhenden Fälle im Auge gehabt und allein diese erfassen wollen. Jedoch läßt der allgemein gehaltene Wortlaut des Gesetzes selbst keine Hinweise auf eine derart eingeschränkte Anwendung erkennen. Diese Diskrepanz zwischen Gesetz und Begründung erklärt sich offenbar daraus, daß der Ausschuß für Arbeit mit der Einfügung der Nr. 4 zwei inhaltlich voneinander verschiedene und unabhängige Regelungen hat treffen wollen. Der Regierungsentwurf enthielt - wie vorher schon § 28 des Kindergeldkassengesetzes (KGKG) - insofern eine Lücke, als § 23 Abs. 1 zwar die Möglichkeit für die Kindergeldkasse (Arbeitsamt) vorsah, Ansprüche auf Leistungen, neben denen Kindergeld nicht gewährt wird, auf sich überzuleiten, wobei hierfür aber die Rückzahlungspflicht vorausgesetzt wurde, jedoch bei den Rückzahlungsvorschriften eine diese Fälle allgemein erfassende Vorschrift fehlte. Damit wäre auch der zur Verhinderung unerwünschter Doppelleistungen gebotene Zugriff auf die noch ausstehende "andere" Leistung nur dann möglich gewesen, wenn eine der Rückforderungsvoraussetzungen der Nrn. 1-3 des § 13 BKGG vorgelegen hätte. Es bestand aber kein Anlaß dazu, demjenigen, welcher KG unberechtigt - wenn auch gut gläubig und ohne Verschulden - empfangen hatte, daneben auch noch den Anspruch auf diese "andere" Leistung zu belassen. Der Ausschuß füllte daher nur eine erkennbare Lücke im Entwurf aus, wenn er die für entsprechende Fälle im Recht der Arbeitslosenversicherung getroffene Regelung (§ 185 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 186 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -) übernahm, wonach zu Unrecht geleistete Beträge zurückzufordern sind, wenn und soweit der Empfänger - noch - Ansprüche auf bestimmte andere Leistungen hat. Wenn diese Begründung im Ausschußbericht nicht zum Ausdruck kommt, so offenbar deshalb, weil sich der innere Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 BKGG bereits aus der Bezugnahme auf diese Vorschrift im Gesetz selbst ergibt; auch sollte sich der § 13 BKGG nach der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. IV/818 S. 17) an § 185 Abs. 2 AVAVG anlehnen, so daß seine Ergänzung durch die Einfügung der Nr. 4 der Systematik entsprach.

Ohne engeren inhaltlichen Zusammenhang mit dieser in Anlehnung an § 185 Abs. 2 Nr. 3 AVAVG getroffenen Regelung erschien offenbar dem Ausschuß eine Rückforderung aber auch in den Fällen geboten, in denen bei der zweimonatlichen Zahlungsweise des KG zwischen der Vorauszahlung für den zweiten Monat und dessen Beginn - unvorhergesehen - ein Ausschlußtatbestand nach den §§ 7 und 8 BKGG eintritt. Für diesen besonderen, auf einer Änderung der Verhältnisse beruhenden Fall erscheint nämlich die Rückzahlungspflicht zur Vermeidung von Doppelleistungen auch dann gerechtfertigt, wenn der Empfänger des KG die "andere" Leistung daneben bereits erhalten hat. Der - redaktionstechnisch verfehlte - Versuch, beide Ergänzungen zum Regierungsentwurf unter Nr. 4 zusammenzufassen, führte dazu, daß im Gesetz die beiden Alternativen "erhalten hat" und "beanspruchen kann" als scheinbar gleich zu behandelnde Fallgruppen nebeneinander stehen. In Wirklichkeit handelt es sich um zwei inhaltlich verschiedene Regelungen, die lediglich den Endzweck, Doppelleistungen zu vermeiden, gemeinsam haben. Bei der Anwendung auf den Einzelfall sind aber beide Alternativen wie äußerlich getrennte Vorschriften zu behandeln und weitgehend unabhängig voneinander auszulegen.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger für den gleichen Zeitraum, für den er das hier zurückgeforderte KG bezogen hat, daneben Kinderzuschlag in entsprechender Anwendung der für Arbeitnehmer des Bundes geltenden tarifvertraglichen Regelung erhalten. Seine Auffassung, er habe diesen Kinderzuschlag ohne Rechtsgrund erhalten, weil nach dem Ergänzungstarifvertrag vom 12. Juni 1964 zu § 31 BAT für Angestellte seiner Art der Kinderzuschlag wegfalle, geht fehl; diese Regelung ist durch den Tarifvertrag vom 10. Dezember 1968 rückwirkend wieder aufgehoben worden (s. Crisolli-Tiedtke, Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Erl. 23 zu § 31 BAT; Abdr. der gen. Regelungen dort Bd. II, Teil V a, S. 75, 76).

Für die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers kommt nur die Alternative "erhalten hat" des § 13 Nr. 4 BKGG, auf die allein sich die oa Begründung des Ausschußberichtes beziehen kann, in Betracht. Danach ist der Kläger aber zur Rückzahlung nicht verpflichtet.

Allerdings ist die Auffassung des LSG nicht zutreffend, die Beklagte sei nach § 23 Abs. 5 BKGG i. V. m. Nr. 12 der Vorschriften über die Behandlung von Überzahlungen (§§ 185-187 AVAVG) vom 15. Januar 1960 (DBl A S. 153 = ANBA S. 52) zum Verzicht auf die Rückforderung verpflichtet, weil den Kläger nicht der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit treffe. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß nach § 23 Abs. 5 BKGG nicht die vorgenannten Überzahlungsvorschriften, sondern die Niederschlagungsvorschriften vom 16. September 1960 (RdErl. 306/60.6, DBl A S. 881) entsprechend anzuwenden sind. Das Niederschlagungsverfahren setzt aber eine einziehbare - im Streitfalle also rechtskräftig festgestellte - Forderung voraus.

Der Senat ist aber der Auffassung, daß § 13 Nr. 4 BKGG - bedingt durch die Zusammenfassung von zwei verschiedenen Regelungen in einer Vorschrift - in denjenigen Fällen, in welchen der Empfänger des KG die "andere" Leistung daneben bereits "erhalten hat", eine deren Besonderheit entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs erfahren muß, weil diese Vorschrift lückenhaft erscheint. Anders als in den Fällen, in denen der Empfänger des KG die "andere" Leistung noch "beanspruchen kann", stellt die Rückforderung in den Fällen, in denen beide Leistungen nebeneinander gezahlt und regelmäßig auch verbraucht worden sind, eine Härte für den Empfänger dar. Die rückwirkende Entziehung einer Leistung in Verbindung mit der Rückforderung des Gewährten ist sonst im sozialen Leistungsrecht grundsätzlich unter Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens des Empfängers in die Rechtmäßigkeit der Leistung einerseits und der Interessen des Leistungsträgers, nicht mit ungerechtfertigten Leistungen belastet zu bleiben, andererseits, eingeschränkt. In der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung wird für die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Leistungen kumulativ Verschuldensfreiheit des Versicherungsträgers, Bösgläubigkeit des Empfängers und wirtschaftliche Vertretbarkeit vorausgesetzt (§§ 628, 1301 RVO). Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung, für die keine gesetzliche Rückforderungsregelung besteht, ist nur ein eingeschränktes Rückforderungsrecht anerkannt worden (vgl. RVA GE 5555 - AN 1944 S. 105 -; BSG in SozR Nr. 3 und 4 zu § 223 RVO). Ferner besteht im Recht der Kriegsopferversorgung für den Fall der Berichtigung eines Bescheides über Rechtsansprüche (§ 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - VerwVG -) eine Rückerstattungspflicht des Empfängers nur bei Verschulden oder Bösgläubigkeit (§ 47 Abs. 3 VerwVG). Im Recht der Arbeitslosenversicherung setzt die Rückforderung ebenfalls grundsätzlich Verschulden oder Bösgläubigkeit des Empfängers voraus (§ 185 AVAVG, jetzt § 152 AFG). Das gilt zwar nicht für § 185 Abs. 2 Nr. 3 AVAVG, jedoch besteht eine Rückerstattungspflicht hiernach nur insoweit, als noch Ansprüche auf andere Leistungen für die Vergangenheit bestehen (s. BSG 22, 98), also gerade nur bei der Regelung, die der anderen Alternative des § 13 Nr. 4 BKGG - "beanspruchen kann" - entspricht. Die Sonderregelung für Fälle einer nachträglich verhängten Sperrfrist (§ 185 Nr. 4 AVAVG) ist wegen ihres Ausnahmecharakters im Rahmen dieser Betrachtung ohne Belang. Auch das früher geltende Kindergeldrecht kannte keine uneingeschränkte Rückzahlungspflicht. Das Kindergeldgesetz (KGG) vom 13. November 1954 enthielt keine Rückforderungsregelung. Das Bundesversicherungsamt hat aber in seinem Schreiben an den Gesamtverband der Familienausgleichskassen vom 2. September 1959 (BABl. S. 682) den Standpunkt vertreten, daß kein Rückforderungsanspruch entstanden sei, wenn die Überzahlung allein im Verantwortungsbereich der Kassen liege, und daß von einer Rückforderung abzusehen sei, wenn ein Verschulden weder der Kasse noch des Empfängers vorliege. Das Kindergeldanpassungsgesetz (KGAG) vom 7. Januar 1955 verweist insoweit auf die Vorschriften des AVAVG. Nach § 28 des Kindergeldkassengesetzes (KGKG) vom 18. Juli 1961 ist auf die Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Zweitkindergeld zu verzichten, wenn beim Empfänger weder Verschulden noch Bösgläubigkeit vorgelegen hat, ausgenommen bei vorläufiger oder vorbehaltlicher Gewährung.

Eine weder das Schutzbedürfnis des Empfängers noch die Verantwortlichkeit des Leistungsträgers berücksichtigende, vielmehr uneingeschränkte Rückforderungsregelung würde also, da auch die rückwirkende Entziehung nach § 22 BKGG in dieser Hinsicht keiner Einschränkung unterliegt, völlig aus dem Rahmen vergleichbarer Regelungen im sozialen Leistungsrecht fallen. Hätte der Ausschuß für Arbeit bei der Einfügung der Nr. 4 in den § 13 BKGG eine solche weitgehende Regelung treffen wollen, so wäre das in seinem Schriftlichen Bericht irgendwie zum Ausdruck gekommen und begründet worden. Der Senat vermag auch keine Gründe zu erkennen, die eine solche von den übrigen Rückforderungsvorschriften des sozialen Leistungsrechts abweichende Ausnahmeregelung rechtfertigen würden. Die Besonderheit der von ihr angesprochenen Fälle liegt darin, daß der Empfänger eine Doppelleistung, nämlich zwei verschiedene Leistungen für dasselbe Kind und den gleichen Zeitraum erhalten hat. Da von diesen beiden Leistungen aber nur die eine, - das Kindergeld - zu Unrecht gewährt worden ist, ist der Unrechtsgehalt dieses Tatbestandes nicht größer als in anderen Fällen ungerechtfertigten Bezuges von KG oder anderen sozialen Leistungen. Da somit eine am Wortlaut haftende Anwendung der hier maßgebenden Alternativregelung "erhalten hat" des § 13 Nr. 4 BKGG weder den allgemeinen Grundsätzen des sozialen Leistungsrechts noch dem speziellen Sinn und Zweck der Regelung entspricht, ihre Auswirkungen auch vom Gesetzgeber nicht erkannt und gewollt sind, hält der Senat eine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs für geboten. Dabei kann es im vorliegenden Fall offen bleiben, ob die Vorschrift so weit einzuschränken ist, daß sie nur auf die im Ausschußbericht unmittelbar angesprochenen Fälle, die bei der Vorauszahlung für den zweiten Monat auftreten können, oder darüber hinaus auch noch auf andere Fälle anzuwenden ist, die deren wesentliche Merkmale aufweisen. Als wesentlich in diesem Sinne ist es nach dem Inhalt des Ausschußberichtes jedenfalls anzusehen, daß zwischen der Bewilligung des KG und dem Beginn des Monats, für den es gezahlt wird, eine wesentliche Änderung der für die Anspruchsberechtigung maßgebenden Verhältnisse eingetreten ist.

Im vorliegenden Fall beruht die ungerechtfertigte Gewährung der Leistung aber nicht auf einer Änderung der Verhältnisse. Die Kindergeldkasse hat vielmehr den gleichen Sachverhalt für den Kläger zunächst günstiger beurteilt als bei der späteren Überprüfung.

Der Kläger ist somit nicht zur Rückzahlung verpflichtet.

Die Revision gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des LSG ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 287

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