Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrangstellung der Kassenärzte. Grenzen für die Beteiligung von Nichtkassenärzten. Grundrechte der freien Berufsausübung, Wettbewerbsfreiheit und Eigentumsgarantie. Beschränkung auf Aufgabenstellung. Rechte der Kassenärzte

 

Leitsatz (amtlich)

Kassenärzte können in ihren Rechten verletzt sein, wenn die Kassenärztliche Vereinigung bei der Ermächtigung von Nichtkassenärzten zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung die Vorrangstellung der Kassenärzte im kassenärztlichen Leistungssystem unberücksichtigt läßt.

 

Orientierungssatz

1. Durch die Ermächtigung von Nichtkassenärzten werden die Kassenärzte nicht in Rechten verletzt, die die freie Berufsausübung schützen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) steht jedem Deutschen zu; es kann deshalb nicht dadurch verletzt werden, daß von einer aus Gründen des öffentlichen Interesses vorgenommenen Beschränkung Ausnahmen gemacht werden.

2. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) liegt ebenfalls nicht vor, denn dem ermächtigten Arzt wird nur die Möglichkeit eingeräumt, wie ein Kassenarzt, meist jedoch nur in einem eingeschränkten Umfang, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen.

3. Allein in der Ermächtigung von Nichtkassenärzten kann kein Eingriff in den durch Art 14 Abs 1 GG geschützten Zulassungsstatus der Kassenärzte gesehen werden. Eine Ermächtigung kann wie die Zulassung und Beteiligung weiterer Ärzte die Erwerbschancen der zugelassenen Kassenärzte beeinträchtigen, sie stellt aber keinen Eingriff in die Rechtsposition dieser Ärzte dar.

4. Der zugelassene Kassenarzt wie alle Mitglieder öffentlicher Verbände hat einen vor allem auf Art 2 Abs 1 GG gestützten Anspruch darauf, daß sich seine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) auf die ihr zugewiesenen Aufgaben beschränkt. Sie hat die Pflicht ihre Mitglieder bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages zu unterstützen und in dem Verhalten gegenüber ihren Mitgliedern sich im Rahmen des gesetzlich und vertraglich geregelten kassenärztlichen Leistungssystems zu halten. Die in § 368n Abs 2 S 1 RVO ausdrücklich genannte Verpflichtung der KÄV, die Rechte der Kassenärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen, läßt nicht den Schluß zu, daß den Kassenärzten gegen die KÄV selbst keine Rechte zustünden.

5. Es verletzt nicht die systembedingten Grenzen bei der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung, wenn die Ermächtigung eines leitenden Krankenhausarztes zur Durchführung von prä- und postoperativen Beratungen und Untersuchungen nur auf Überweisung durch zugelassene und beteiligte Ärzte beschränkt ist.

 

Normenkette

RVO § 368a Abs 4; SGG § 54 Abs 1 S 2; GG Art 12 Abs 1; GG Art 2 Abs 1; GG Art 14 Abs 1; RVO § 368k Abs 1, § 368n Abs 1, § 368n Abs 2 S 1; BMV-Ä § 14; EKV-Ä § 5 Nr 3; ZO-Ärzte §§ 20-21; ZO-Ärzte § 29; ZO-Ärzte § 31; RVO § 368b Abs 1; RVO § 368b Abs 4

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 10.06.1986; Aktenzeichen L 6 Ka 10/85)

SG Kiel (Entscheidung vom 23.10.1985; Aktenzeichen S 8 Ka 23/84)

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Ermächtigung, an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten in einem begrenzten Umfang teilzunehmen. Die Kläger sind in N. als Ärzte für Urologie niedergelassen und als Kassenärzte zugelassen. Der Beigeladene zu 1) - Dr. T. - ist Chefarzt der Urologischen Klinik des F.-E.-K. in N..

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ermächtigte Dr. T. auf dessen Antrag und im Einverständnis mit dem Beigeladenen zu 6) - dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) - prä- und postoperative Beratungen und Untersuchungen im Bereich seines Fachgebietes, beschränkt auf die Leistungen gemäß den Nrn 1, 15 und 65 des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) bzw den entsprechenden Nummern der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO), auf Überweisung durch zugelassene und beteiligte Ärzte durchzuführen (§ 31 Abs 2 der Zulassungsordnung für Ärzte - ZO-Ärzte - iVm § 14 des Bundesmantelvertrags-Ärzte - BMV-Ä - bzw § 5 Ziff 3 des Arzt/Ersatzkassenvertrages - EKV -). Die durch Bescheid vom 11. Januar 1984 erteilte Ermächtigung wurde bis zum 30. November 1985 befristet und zunächst nicht verlängert.

Die Kläger widersprachen der Ermächtigung mit der Begründung, es bestehe dafür kein Bedarf; als niedergelassene Kassenärzte seien sie durch die Erteilung der Ermächtigung in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte wies den Widerspruch als unzulässig zurück; es fehle den Klägern die erforderliche Aktivlegitimation (Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1984).

Vor dem Sozialgericht (SG) haben die Kläger beantragt, die Ermächtigung aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, bei gleichbleibenden Verhältnissen erneut eine Ermächtigung zu erteilen. Das SG hat der Aufhebungsklage stattgegeben und die Unterlassungsklage abgewiesen. Es hat die Klagebefugnis bejaht, weil der an Dr. T. adressierte Verwaltungsakt auch unmittelbar rechtliche Auswirkungen auf die rechtlich geschützten Interessen der Kläger entfalte. Die Beklagte sei gegenüber ihren Zwangsmitgliedern zur Fürsorge verpflichtet. Sie müsse dafür sorgen, daß die kassenärztliche Versorgung grundsätzlich nur durch Kassenärzte wahrgenommen werde. Bei Verstoß hiergegen bestehe ein Amtshaftungsanspruch des betreffenden Kassenarztes gegenüber der Beklagten (Schleswig-Holsteinisches OLG vom 21. September 1984 - 11 U 329/83 -). Die Aufhebungsklage sei auch begründet, weil die Beklagte das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe. Der Unterlassungsanspruch der Kläger könne dagegen mangels Rechtsschutzbedürfnisses keinen Erfolg haben (Urteil des SG vom 23. Oktober 1985).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage in vollem Umfange abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Berufung der Beklagten sei begründet, die Anschlußberufung der Kläger unbegründet. Die Klage, mit der nun nach Ablauf der Ermächtigungszeit die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes begehrt werde, sei von Anfang an mangels Klagebefugnis der Kläger unzulässig gewesen. Die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 54 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), eine Beschwer, liege nur vor, wenn aufgrund eines schlüssigen und substantiierten Klagevortrages die Annahme gerechtfertigt erscheine, daß Rechte des jeweiligen Klägers verletzt sein könnten. Im vorliegenden Fall begründeten die vorgetragenen Tatsachen, ihr Richtigkeit unterstellt, keine Rechtsverletzung der Kläger. Die der Ermächtigung des Dr. T. zugrundeliegenden Normen seien allein dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt (Sicherstellungsauftrag), die Beobachtung der Interessen der zugelassenen Ärzte sei eindeutig nicht Gegenstand ihres unmittelbaren Schutzgehaltes. Rechtsreflexe führten nicht zur Klagebefugnis. Auch die verfahrensrechtlichen Regelungen sähen keine Beteiligung der niedergelassenen Ärzte vor (vgl § 368b Abs 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Diese Rechtslage aufgrund der Normen von RVO, ZO-Ärzte, BMV-Ä und EKV sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeinen grundrechtlichen Schutzpflichten zugunsten zugelassener Ärzte. Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) gewähre prinzipiell keinen Schutz vor Konkurrenz. Bloße Chancen und Erwerbsmöglichkeiten der Kläger, auf die allenfalls die Ermächtigung gering einwirke, würden durch Art 14 GG nicht geschützt. Ebensowenig sei im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfreiheit ein Eingriff in den Bereich des Art 2 Abs 1 GG anzunehmen. Auch aus dem "Gebot der Rücksichtnahme" (vgl Weyreuther, Baurecht 1975, 1; BVerwGE 52, 122) lasse sich ein Eingriff in eine Rechtsposition der Kläger nicht herleiten. Schließlich seien keine aus der Mitgliedschaft der Kläger zur Beklagten in Betracht kommenden Rechte verletzt worden. Insbesondere liege keine Kompetenzüberschreitung durch die Beklagte vor. Wenn man die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Klagebefugnis ausreichen lassen wolle, wäre die Klage aus den dargelegten Gesichtspunkten jedenfalls unbegründet. Die von den Klägern mit der Anschlußberufung weiterverfolgte vorbeugende Unterlassungsklage sei ebenfalls unzulässig, denn auch bei einer erneuten Ermächtigung des Dr. T. sei keine Rechtsverletzung gegenüber den Klägern erkennbar.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger. Zur Begründung wird vorgetragen: Mit seiner unrichtigen, überholten Rechtsauffassung zur fehlenden Klagebefugnis habe es das LSG versäumt, sich mit der neuen Rechtslage aufgrund des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (KVWG) auseinanderzusetzen. Die Beklagte habe ihren Sicherstellungsauftrag in erster Linie mit Hilfe der zugelassenen, in zweiter Linie mit Hilfe der Beteiligten und erst in dritter Linie mit Hilfe der ermächtigten Ärzte zu erfüllen; sie habe dabei auch etwaige Nachteile zu berücksichtigen, welche sich aus einer Ermächtigung für die Leistungserbringung der bereits zugelassenen Ärzte ergeben könnten (BSGE 55, 212). Durch eine Ermächtigung werde in besonderem Maße in das Recht der Kassenärzte eingegriffen, die ambulante kassenärztliche Versorgung der Versicherten durch ihre freiberufliche Kassenarzttätigkeit sicherzustellen. Die gesetzlichen Regelungen über die Vorrangstellung der niedergelassenen Ärzte seien auch den Individualinteressen dieser Ärzte zu dienen bestimmt, um ihnen das Betätigungsfeld im ambulanten kassenärztlichen Bereich zu erhalten. Dies sei Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Systems. Die Gesetzesmaterialien zum Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG), insbesondere BT-Drucks 8/338, machten deutlich, daß die Bedürfnisprüfung für die Teilnahme von Krankenhausärzten an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung gerade im Interesse der niedergelassenen Ärzte festgeschrieben worden sei. Die Auffassung des LSG, es ließe sich eine "Drittrelevanz" nicht feststellen, sei daher unrichtig. Im öffentlichen Interesse wäre eine Bedürfnisprüfung nicht erforderlich. Die Folgerung des LSG aus § 368b Abs 4 RVO könne so nicht richtig sein, sonst würde sich die Beklagte im rechtsfreien und durch niemanden gerichtlich überprüfbaren Raum bewegen. Aus rechtsstaatlichen Gründen gemäß Art 19 Abs 4 GG stehe den durch eine Beteiligung oder Ermächtigung betroffenen Kassenärzten die Befugnis zu, die die Krankenhausärzte begünstigenden Verwaltungsakte mit der Anfechtungsklage und gegebenenfalls mit der vorbeugenden Unterlassungsklage anzugreifen. Die Auffassungen des LSG zu Art 12 Abs 1, Art 14 und Art 2 Abs 1 GG seien ebenfalls unzutreffend. Sie (die Kläger) nähmen keinen Schutz vor Konkurrenz in Anspruch, sondern, daß es zur Ausübung ihres Berufes gehöre, zusammen mit den übrigen Kassenärzten die ambulante kassenärztliche Versorgung zu leisten. Die ihnen insoweit vom Gesetzgeber eingeräumte Vorrangstellung gehöre zum Zulassungsstatus. Daß auch das "Gebot der Rücksichtnahme" eingreife, liege auf der Hand, denn das Gebot der Bedürfnisprüfung habe auf jeden Fall drittschützenden Charakter. Für die ambulante Tätigkeit seien sie (die Kläger) die richtigen Ansprechpartner; sie verfügten über die gleiche Qualifikation wie Dr. T.. Eine Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts, in der sie Zwangsmitglieder seien, stelle einen zusätzlichen und rechtswidrigen Grundrechtseingriff dar. Die Klage sei auch begründet, da die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen habe, daß die Ermächtigung notwendig gewesen sei, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden.

Die Kläger beantragen, 1) das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 1986 - L 6 Ka 10/85 - abzuändern, 2) festzustellen, daß der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.Mai 1984 rechtswidrig gewesen sei, 3) die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, bei gleichbleibenden Verhältnissen dem Beigeladenen zu 1) erneut eine Ermächtigung zu erteilen oder eine befristete Ermächtigung zu verlängern.

Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) und zu 3) bis 6) haben sich nicht am Revisionsverfahren beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.

Die Feststellungsklage - in Fortsetzung der durch Zeitablauf erledigten Aufhebungsklage - ist zwar entgegen der Ansicht des LSG zulässig, sie ist aber unbegründet. Das LSG kommt zutreffend zu dem Ergebnis, daß durch die bis zum 30. November 1985 befristete Ermächtigung des beigeladenen Chefarztes Dr. T. nicht in Rechte der Kläger eingegriffen wurde. Das bedeutet jedoch nicht, daß den Klägern schon die Klagebefugnis fehlt, sondern, worauf auch das LSG seine Entscheidung hilfsweise stützt, daß die Klage in der Sache nicht begründet ist.

Zweifel an der Klagebefugnis der Kläger bestehen allerdings deshalb, weil der von ihnen angegriffene Verwaltungsakt nicht an sie gerichtet war und ihren Zulassungsstatus als Kassenärzte nicht geändert hatte. Für die Zulässigkeit einer Aufhebungsklage genügt jedoch die Behauptung der Klagepartei, sie sei durch den Verwaltungsakt beschwert (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG), also in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 3. Aufl, § 54 RdNr 10). Rechtsprechung und Schrifttum stimmen darin überein, daß die Anforderungen an die prozessuale Klagebefugnis nicht überspannt werden dürfen. Eine subjektive Beschwer ist nur dann nicht gegeben, wenn nach dem Vortrag der Klagepartei eine Verletzung eigener Rechte keinesfalls in Betracht kommt (Meyer-Ladewig aaO RdNr 13; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Dezember 1986, S 172/84; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 7. Aufl, § 42 RdNr 39; BSGE 26, 237; 43, 134; BSG SozR 1500 § 54 Nr 67; BSG vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 3/84 -; LSG NW vom 11. September 1985 - L 11 Ka 10/85 - MedR 1987, 128; BVerwG Buchholz 451.25 Nr 20 mwN; 451.48 § 8 Nr 9; BVerwGE 54, 99; 72, 226).

Der Vortrag der Kläger schließt eine Verletzung eigener Rechte nicht in jedem Fall aus. Zwar ist den Rechtsvorschriften über die Zulassung, Beteiligung und Ermächtigung von Ärzten kein Rechtssatz zu entnehmen, der - wie es BVerfGE 27, 297, 307 fordert - zumindest auch den Individualinteressen der (im Einzelfall nicht direkt beteiligten) Kassenärzte zu dienen bestimmt ist. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Vorschriften, die die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung regeln. Nach diesen Vorschriften bestehen besondere Rechtsbeziehungen zwischen der KÄV und den zugelassenen Kassenärzten, die die KÄV verpflichten, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die berechtigten Interessen der Kassenärzte mitzuberücksichtigen. Fraglich ist hier nur, inwieweit die Kassenärzte daraus Rechte herleiten können, die die KÄV bei der Ermächtigung von Nichtkassenärzten, evtl auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren über die Zulassung und Beteiligung (§ 368b Abs 4 RVO), zu beachten hat.

Dem LSG ist zuzustimmen, daß die Vorschriften, die die KÄV unter besonderen Voraussetzungen berechtigt, über den Kreis der zugelassenen und beteiligten Ärzte hinaus weitere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung zu ermächtigen, nicht den Schutz der Interessen der zugelassenen Ärzte bezwecken. Ermächtigungen sind vorgesehen, wenn sie zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlich oder aus sonstigen Gründen des Gemeinwohls veranlaßt sind oder um Ärzte ohne deutsche Approbation die vorübergehende Ausübung ihres Berufes zu ermöglichen (§ 368c Abs 2 Nr 12 iVm § 31 ZO-Ärzte; BSGE 55, 212). Diese Vorschriften dienen demzufolge entweder dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse nicht zugelassener Ärzte. Entsprechendes gilt für die Vorschriften über die Beteiligung leitender Krankenhausärzte (§ 368a Abs 8, § 368c Abs 2 Nr 11 RVO iVm § 29 ZO-Ärzte). Ein Schutzzweck zugunsten der zugelassenen Kassenärzte ergibt sich auch nicht daraus, daß die Möglichkeiten der Ermächtigung und Beteiligung beschränkt sind. Diese Beschränkungen stehen im Zusammenhang mit dem das Grundrecht der freien Berufsausübung einschränkenden Grundsatz des Kassenarztrechts, daß die kassenärztliche Versorgung in erster Linie den zugelassenen Kassenärzten vorbehalten ist. Auch damit wird nicht das Individualinteresse von Ärzten geschützt, sondern dem öffentlichen Interesse Rechnung getragen. An der kassenärztlichen Versorgung sollen nur solche Ärzte teilnehmen, die die dafür erforderliche Eignung besitzen und für diese Tätigkeit voll und uneingeschränkt zur Verfügung stehen (§ 368c Abs 2 Nr 10 RVO iVm §§ 20, 21 ZO-Ärzte; BVerfGE 16, 286, 298 f). Dem entspricht auch die verfahrensrechtliche Regelung des § 368b Abs 4 RVO, die in den Zulassungs- und Beteiligungsverfahren außer der KÄV und den Landesverbänden der Krankenkassen nur den am Verfahren beteiligten Ärzten, also den Ärzten, um deren Zulassung und Beteiligung es geht, ein Widerspruchsrecht einräumen.

Durch die Ermächtigung von Nichtkassenärzten werden die Kassenärzte auch nicht in Rechten verletzt, die die freie Berufsausübung schützen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) steht jedem Deutschen zu; es kann deshalb nicht dadurch verletzt werden, daß von einer aus Gründen des öffentlichen Interesses vorgenommenen Beschränkung (hier: grundsätzlich keine kassenärztliche Tätigkeit durch Nichtkassenärzte) Ausnahmen gemacht werden (hier: Beteiligung und Ermächtigung von Nichtkassenärzten in besonderen Fällen). Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) liegt ebenfalls nicht vor, denn dem ermächtigten Arzt wird nur die Möglichkeit eingeräumt, wie ein Kassenarzt, meist jedoch nur in einem eingeschränkten Umfang, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen. Es wird also nicht durch einseitige Begünstigung von Konkurrenten die Wettbewerbslage verzerrt und die wirtschaftliche Stellung der nicht begünstigten Konkurrenten in unerträglichem Maße und unzumutbar geschädigt (BVerfGE 71, 183, 191 mwN). Schließlich kann allein in der Ermächtigung von Nichtkassenärzten kein Eingriff in den durch Art 14 Abs 1 GG geschützten Zulassungsstatus der Kassenärzte gesehen werden. Eine Ermächtigung kann wie die Zulassung und Beteiligung weiterer Ärzte die Erwerbschancen der zugelassenen Kassenärzte beeinträchtigen, sie stellt aber keinen Eingriff in die Rechtsposition dieser Ärzte dar. Die Kassenärzte können nach wie vor ihre Praxis gleichberechtigt mit den anderen an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten betreiben (anders als in BGHZ 81, 21).

Rechte der zugelassenen Kassenärzte, die von der KÄV bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, also auch bei der Ermächtigung von Nichtkassenärzten zu beachten sind, ergeben sich jedoch aus der gesetzlichen Regelung über die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Wesentliche Elemente dieser Regelung sind der - zur Erfüllung der den Kassenärzten durch das Gesetz übertragenen Aufgaben verfügte - zweckgerichtete Zusammenschluß der Kassenärzte zu KÄVen (§ 368k Abs 1 RVO) und der an die KÄVen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gerichtete Auftrag, die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung in den in § 368 Abs 2 RVO bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Daraus ergibt sich zunächst, daß der zugelassene Kassenarzt wie alle Mitglieder öffentlicher Verbände einen vor allem auf Art 2 Abs 1 GG gestützten Anspruch darauf hat, daß sich seine KÄV auf die ihr zugewiesenen Aufgaben beschränkt. Er kann von ihr die Einhaltung der Grenzen verlangen, die ihrem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind (vgl BVerwGE 64, 115 mwN; BGH aaO; zur Unzulässigkeit der Klage eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung auf Unterlassung einer bestimmten Mittelverwendung: BVerfG SozR 1500 § 54 SGG Nr 60 und BSG SozR 1500 § 54 SGG Nr 67; abl Krause NVwZ 1985, 87). Ob ein zugelassener Kassenarzt bereits aus diesem allgemeinen Rechtsgrund von seiner KÄV verlangen kann, bei der Ermächtigung von Nichtkassenärzten seine schutzwürdigen Interessen mitzuberücksichtigen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls findet ein solcher Anspruch eine ausreichende Rechtsgrundlage in den Besonderheiten des zwischen der KÄV und ihren Mitgliedern bestehenden Rechtsverhältnisses. Die sich daraus für die Kassenärzte ergebenden Rechte gehen über die gewöhnlichen Rechte aus einem Mitgliedschaftsverhältnis hinaus. Die KÄV erfüllt den Sicherstellungsauftrag des § 368n Abs 1 RVO durch ihre Mitglieder. Diese sind damit ihrer KÄV gegenüber verpflichtet, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen und ihre Leistungen in einer den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechenden Weise zu erbringen (§§ 368 Abs 1 Satz 1, 368k Abs 1 Satz 1, § 368e Satz 1, § 368a Abs 4 RVO). Daraus ergibt sich die korrespondierende Verpflichtung der KÄV, ihre Mitglieder bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages zu unterstützen und in dem Verhalten gegenüber ihren Mitgliedern sich im Rahmen des gesetzlich und vertraglich geregelten kassenärztliche Leistungssystems zu halten. Die in § 368n Abs 2 Satz 1 RVO ausdrücklich genannte Verpflichtung der KÄV, die Rechte der Kassenärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen, läßt nicht den Schluß zu, daß den Kassenärzten gegen die KÄV selbst keine Rechte zustünden. Gegenseitige Rechte und Pflichten gibt es mehr oder weniger in jedem Mitgliedschaftsverhältnis. Die zwischen der KÄV und ihren Mitgliedern bestehenden Rechte und Pflichten erhalten ihren Inhalt von der Aufgabenstellung in der kassenärztlichen Versorgung und der Ausgestaltung des kassenärztlichen Leistungssystems.

Für das kassenärztliche Leistungssystem ist die Vorrangstellung des zugelassenen Kassenarztes wesentlich. Die Mitwirkung anderer Ärzte hat nur ergänzende Bedeutung; sie setzt im allgemeinen voraus, daß sie aus besonderen Gründen notwendig ist, also die Leistungen der zugelassenen Kassenärzte nicht ausreichen. Daß die Vorrangstellung der Kassenärzte, wie oben dargelegt, im öffentlichen Interesse ihre Grundlage hat, ändert nichts an ihrer strukturellen Bedeutung für das kassenärztliche Leistungssystem. Sie stellt daher eine gesetzliche Grenze des Gestaltungsrechts der KÄV dar.

Daraus folgt, daß die KÄV, die sich zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages der Kassenärzte bedient, diesen gegenüber verpflichtet ist, bei ihren eigenen Maßnahmen systemgerecht die Vorrangstellung der Kassenärzte zu beachten. Soweit die Interessen der Kassenärzte von dieser Verpflichtung der KÄV erfaßt werden, sind sie rechtlich geschützt. Rechtlich geschützte Interessen von Kassenärzten werden sonach nicht immer schon dann berührt, wenn die KÄV bei der Ermächtigung von Nichtkassenärzten im Einzelfall eine unrichtige Entscheidung trifft (zB, weil sie von einem unvollständigen Sachverhalt ausgeht oder eine unzutreffende rechtliche Subsumtion vornimmt oder ihr Ermessen fehlerhaft ausübt). Rechte von Kassenärzten können jedoch verletzt werden, wenn die KÄV die Vorrangstellung der Kassenärzte unberücksichtigt läßt und sich damit über die ihr durch das kassenärztliche Leistungssystem gezogenen Grenzen hinwegsetzt (zB bei allgemeinen Ermächtigungen von Nichtkassenärzten in ärztlich überversorgten Gebieten und einer dadurch bedingten Existenzgefährdung von Kassenpraxen). Ein derartiges Verhalten, das die Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Leistungssystems im betreffenden Versorgungsgebiet in Frage zu stellen vermag, berührt auch rechtliche Interessen zugelassener Kassenärzte, wenn diese dadurch in der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben beeinträchtigt werden.

Eine solche Rechtsverletzung liegt hier jedoch nicht vor. Dr. T. erhielt die Ermächtigung nur für prä- und postoperative Beratungen und Untersuchungen beschränkt auf die Leistungen gemäß den Nrn 1, 15 und 65 BMÄ/EG-O und auf Überweisung durch zugelassene und beteiligte Ärzte. Diese Beschränkung läßt erkennen, daß die KÄV die Vorrangstellung der zugelassenen Kassenärzte beachtet hat. Die erteilte Ermächtigung bietet jedenfalls keinen Anhalt dafür, daß die Beklagte durch systemwidriges Verhalten den Klägern die Erfüllung ihrer Aufgaben erschwert hat.

Entsprechendes gilt für den Ersatzkassenbereich. Aus den dort geltenden Rechtsvorschriften ergeben sich keine weitergehenden Rechte der Vertragsärzte. Insbesondere läßt sich den Vorschriften über die Ermächtigung (§ 5 Ziff 3 Abs 2 und § 5a EKV; vgl auch § 6 Ziff 6 EKV) ebensowenig wie im kassenärztlichen Bereich eine Schutzfunktion zugunsten der beteiligten Vertragsärzte entnehmen. Auch hier werden rechtlich geschützte Interessen der Vertragsärzte nur berührt, soweit die KÄV durch systemwidriges Verhalten den Vertragsärzten die Erfüllung ihrer Aufgaben erschwert.

Die vorbeugende Unterlassungsklage ist von den Vorinstanzen zu Recht als unzulässig abgewiesen worden. Für diese Klage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Kläger wenden sich hiermit ausschließlich gegen "drohende" weitere Ermächtigungen des Dr. T. Bei diesen handelt es sich um Verwaltungsakte, die anfechtbar sind, soweit eine Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann. Die Kläger können auf diesen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden. Ihrem Vorbringen sind keine Gründe zu entnehmen, die gerade ein Interesse an einem vorbeugendem Rechtsschutz rechtfertigen könnten (Meyer-Ladewig aaO § 54 RdNr 42).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 231

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