Entscheidungsstichwort (Thema)

Knappschaftsausgleichsleistung. Zulässigkeit der Feststellungsklage

 

Orientierungssatz

Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung einer Knappschaftausgleichsleistung gemäß RKG § 98a ist die Feststellungsklage unzulässig. Nach SGG § 55 Abs 1 Nr 1 kann mit der Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Ein Rechtsverhältnis ist immer eine konkrete Rechtsfolge, nämlich die rechtlich geprägte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Sachgut. Das bedeutet, daß die Feststellungsklage nicht der Vorklärung von Einzelfragen und einzelnen Elementen - insbesondere von Rechtsfragen, zB der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale einer Vorschrift - eines künftig möglichen Leistungsprozesses dienen kann (vgl BSG 1970-07-29 7 RA 44/68 = SozR Nr 14 zu § 141 SGG).

 

Normenkette

RKG § 98a Abs. 1 Nr. 3; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 10.06.1970)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. Juni 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der 1912 geborene, in den Jahren von 1928 bis 1933 in einer Saargrube unter Tage beschäftigt gewesene, seither in einem knappschaftlichen Betrieb über Tage tätige Kläger beantragte am 1. August 1967 bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Bundesknappschaft die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung. Mit Bescheid vom 19. September 1967, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1968, lehnte die Knappschaft den Antrag ab, weil bei dem nur 53 Monate unter Tage eingesetzt gewesenen Kläger die Aufgabe der Untertagearbeit im Jahre 1933 nicht aus gesundheitlichen Gründen erzwungen gewesen sei.

Der Kläger hat Klage zum Sozialgericht (SG) für das Saarland erhoben und "unter Aufhebung" der Bescheide der Knappschaft festzustellen begehrt, daß bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) erfüllt seien. Das SG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil am 10. Juni 1970 bestätigt und ausgeführt: Das Feststellungsbegehren des Klägers könne "bei weiter Auslegung" für zulässig angesehen werden. In der Sache sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe seine Arbeit unter Tage im Jahre 1933 nicht im Sinne des § 98 a Abs. 1 Nr. 3 RKG infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte aufgeben müssen; er sei nämlich schon ab 15. März 1933 gesundheitlich wieder in der Lage gewesen, seine oder eine andere Untertagearbeit zu verrichten.

Das LSG hat die Revision im Urteil zugelassen.

Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er trägt vor: Es sei richtig, daß er nach Ausheilung der Folgen der 1933 erlittenen Verletzung durchaus wieder imstande gewesen sei, eine Untertagetätigkeit aufzunehmen. Nur aus betrieblichen Gründen sei er gleichwohl im Übertagebetrieb belassen worden. Im Rahmen des § 98 a RKG dürfe indessen nicht geprüft werden, ob die für die Verlegung über Tage maßgebenden gesundheitlichen Gründe später wieder weggefallen seien.

Der Kläger beantragt,

1.

die Urteile vom 10. Juni 1970 und vom 4. März 1970 aufzuheben,

2.

unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 1967 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1968 festzustellen, daß bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a RKG erfüllt sind, wenn er seinen Arbeitsplatz aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, verliert,

3.

der Revisionsbeklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil der Kläger eine aus dem Tatbestand des § 98 a RKG herausgegriffene einzelne Rechtsfrage entscheiden lassen wolle; einzelne Leistungsvoraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestandes könnten nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerichtlich festgestellt werden. In der Sache hätten die Vorinstanzen zu Recht entschieden, daß bei einer gesundheitlich bedingten kurzen Unterbrechung der Untertagetätigkeit nicht von einer erzwungenen Aufgabe dieser Beschäftigung gesprochen werden könne; das aber verlange § 98 a Abs. 1 Nr. 3 RKG.

II.

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Mit seiner Klage zum SG hat der Kläger zuletzt beantragt, unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide der Beklagten festzustellen, "daß bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung nach § 98 a RKG erfüllt sind". Soweit die Klage auf Aufhebung des die Knappschaftsausgleichsleistung versagenden Bescheides der Beklagten vom 19. September 1967 in der Gestalt des bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1968 zielte, war sie offensichtlich unbegründet: Die Beschäftigung des Klägers in einem knappschaftlichen Betrieb war im Sinne des § 98 a Abs. 1 - vorletzter Teilsatz - RKG noch nicht beendet. Schon deshalb konnte es das SG nicht beanstanden, daß die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers abgelehnt hatte.

Aus dem eben genannten Grund kann der vom Kläger weiterhin gestellte Feststellungsantrag nicht wörtlich genommen werden. Auch für den Kläger mußte es auf der Hand liegen, daß er die Voraussetzungen für die Gewährung der Knappschaftsausgleichsleistung schon deswegen nicht erfüllen konnte, weil seine bisherige Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb noch nicht geendet hatte. Dies war mutmaßlich auch der Grund, daß der Kläger - möglicherweise nach Belehrung durch den Vorsitzenden der entscheidenden Kammer (§ 106 Abs. 1 SGG) - am ursprünglichen Leistungsantrag nicht festgehalten, sondern nur noch auf Feststellung angetragen hat. Daß der Kläger nicht festgestellt haben wollte, er habe alle - alternativen - Voraussetzungen eines Anspruches aus § 98 a RKG in seiner Person erfüllt, kann gleichfalls unterstellt werden. Offensichtlich erstrebte der Kläger mit seinem unzulänglichen, nicht wörtlich zu nehmenden Feststellungsantrag (§ 123 SGG) allein eine gerichtliche Klärung des in § 98 a Abs. 1 Nr. 3 RKG enthaltenen Tatbestandsmerkmals "Aufgebenmüssen einer Beschäftigung unter Tage infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche (seiner) körperlichen oder geistigen Kräfte". Im einzelnen ging es dem Kläger, wie die Begründung seiner Klage und seiner Rechtsmittel, aber auch die Nr. 2 seines Revisionsantrages ergibt, allein um die gerichtliche Billigung seiner Rechtsauffassung, daß dieses Tatbestandsmerkmal schon dann erfüllt sei, wenn der Versicherte nach Ausheilung einer vorübergehenden, die Tätigkeit unter Tage hindernden Erkrankung aus betriebsbedingten Gründen fortan über Tage weiterbeschäftigt worden ist. Der Kläger begehrte also die Klärung einer - zunächst noch abstrakt gestellten - Rechtsfrage im Hinblick darauf, daß diese Klärung für ihn konkrete Bedeutung dann erlangen könnte, wenn er seinen Arbeitsplatz in einem knappschaftlichen Betrieb aus nicht in seiner Person liegenden Gründen verlieren sollte.

Der Kläger und die Vorinstanzen haben übersehen, daß die Feststellungsklage mit diesem Antrag unzulässig war. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG - die anderen Alternativen der Bestimmung scheiden für den vorliegenden Fall von vornherein aus - kann mit der Klage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Ein Rechtsverhältnis ist immer eine konkrete Rechtsfolge, nämlich die rechtlich geprägte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Sachgut (vgl. statt vieler mit zahlreichen Hinweisen Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, 4. Aufl., Anm. 2 a zu § 55 SGG, S. 185/13-5). Das bedeutet, daß die Feststellungsklage nicht der Vorklärung von Einzelfragen und einzelnen Elementen - insbesondere von Rechtsfragen, z.B. der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale einer Vorschrift - eines künftig möglichen Leistungsprozesses dienen kann (vgl. BSG SozR Nr. 14 zu § 141 SGG; BGHZ 22, 43, 47; Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl., § 246 Anm. II 1, S. 1010 ff; Rosenberg/Schwab, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 10. Aufl., § 94 II 1, S. 445; Schönke/Kuchinke, Zivilprozeßrecht, 9. Aufl., § 40 III S. 180). Die Voraussetzungen, unter denen in der neueren Rechtsprechung (vgl. die Hinweise bei BSG SozR Nr. 14 zu § 141 SGG) gelegentlich die sogenannte Elementenfeststellung für zulässig erachtet wird, sind nicht gegeben: Der Streit der Beteiligten, ob die Voraussetzungen des § 98 a RKG für die Gewährung einer Knappschaftsausgleichsleistung gegeben sind, wäre möglicherweise auch nach künftiger Beendigung der derzeit noch andauernden Beschäftigung des Klägers in einem knappschaftlichen Betrieb aus einem weiteren Grund noch nicht beseitigt; es könnte dann noch in Streit sein, ob die Beschäftigung des Klägers aus Gründen geendet hat, die im Sinne des § 98 a Abs. 1 - letzter Teilsatz - RKG "nicht in der Person des Versicherten liegen".

Die - wie oben dargelegt - auf Klärung einer Rechtsfrage gerichtete Feststellungsklage des Klägers war daher unzulässig und wäre vom SG deshalb ohne Prüfung in der Sache abzuweisen gewesen. Nachdem die Abweisung der Klage durch das SG jedoch im Ergebnis richtig war, hat das LSG die Berufung des Klägers im Ergebnis gleichfalls richtig als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers war daher gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648166

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