Leitsatz (amtlich)

1. Während eines Betriebsüberweisungsverfahrens besteht der bei der abgebenden BG gewährleistete Unfallversicherungsschutz für Unternehmer (Ehegatten) jedenfalls bis zum Tage der Zustellung des neuen Mitgliedscheins durch die aufnehmende BG (RVO § 667 Abs 2); dieser Unfallversicherungsschutz wird durch eine rückwirkende Änderung der berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit (RVO § 671 Abs 1 S 2) nicht aufgehoben.

2. Beim Betriebsübergang sind Entschädigungsleistungen an Unternehmer (Ehegatten) auch dann von der zuständig gewordenen BG zu übernehmen, wenn bei dieser BG eine Pflichtversicherung für Unternehmer (Ehegatten) nicht besteht.

 

Normenkette

RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, § 538 Fassung: 1942-03-09, § 643 Fassung: 1924-12-15, § 667 Abs. 2 Fassung: 1924-12-15, § 671 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1924-12-15, § 673 Fassung: 1924-12-15

 

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Juni 1958 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin und ihr Ehemann G... S... (S.) sind Heimatvertriebene aus P.... S. betrieb in R..., Kreis M..., eine kleine Landwirtschaft. Mit seinen beiden Pferden verrichtete er außerdem Lohnfuhren. Die Hessen-Nassauische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (LBG), bei der das Gesamtunternehmen versichert war, erklärte dem S. durch Bescheid vom 21. Dezember 1954, nach ihrer Auffassung sei wegen Verringerung der landwirtschaftlich genutzten Bodenfläche der Lohnfuhrwerksbetrieb als Hauptunternehmen anzusehen; sie überweise daher mit Wirkung vom 1. Januar 1955 an das Lohnfuhrwerksunternehmen und als Nebenbetrieb desselben die kleine Landwirtschaft an die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF). Während S. diesen Bescheid nicht anfocht, legte die BGF hiergegen vorsorglich Widerspruch ein; am 20. August 1955 teilte sie jedoch der LBG die Aufnahme des Gesamtunternehmens in ihr Betriebsverzeichnis mit. Dem Unternehmer stellte die BGF sodann am 21. September 1955 den neuen Mitgliedsschein zu (§ 667 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -); danach waren mit Wirkung vom 1. Januar 1955 an als Hauptbetrieb "Güterfuhrwerk mit Gespann", als Nebenbetrieb "Landwirtschaft" im Betriebsverzeichnis eingetragen und zugleich die satzungsgemäße Unternehmerpflichtversicherung für S. in Kraft getreten. Im September 1957 löschte die BGF den inzwischen zum Erliegen gekommenen Fuhrwerksbetrieb in ihrem Verzeichnis und überwies die Landwirtschaft wieder an die LBG zurück. Diese widersprach der Überweisung; nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) ist das Verfahren hierüber noch nicht abgeschlossen.

Am 3. September 1955 arbeitete die Klägerin in der Landwirtschaft ihres Ehemannes. Hierbei erlitt sie durch das Ausschlagen eines Pferdes einen Oberschenkelbruch, der einen längeren Krankenhausaufenthalt erforderte und eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit hinterließ. Die LBG beachtete die bereits vorgenommene Betriebsüberweisung zunächst nicht und gewährte der Klägerin Krankenbehandlung sowie einen Rentenvorschuß. Nach Entdeckung des Irrtums forderte sie die BGF zur Übernahme der Entschädigung auf. Die BGF lehnte dies ab mit der Begründung, nach § 31 ihrer Satzung sei die Ehefrau eines Unternehmers nicht pflichtversichert; der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 8 RVO, den die Klägerin während der Zugehörigkeit zur LBG genossen habe, sei durch die Betriebsumschreibung erloschen. Hierauf erteilte die LBG den Bescheid vom 10. Dezember 1956; darin lehnte sie den Entschädigungsanspruch der Klägerin ab mit der Begründung, sie sei für die Entschädigung seit dem 1. Januar 1955 nicht mehr zuständig. Zugleich wurde im Bescheid die ablehnende Erklärung der BGF mitgeteilt.

Das Sozialgericht (SG) hat die BGF beigeladen. Die beklagte LBG hat anfänglich die Auffassung vertreten, der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 8 RVO bestehe für die Klägerin auch nach der Betriebsumschreibung weiter; später hat sie sich dem von der beigeladenen BGF vertretenen Standpunkt angeschlossen. Die Klägerin hat in erster Linie Verurteilung der Beigeladenen, hilfsweise der Beklagten zur Entschädigungsleistung beantragt. Das SG hat dem Hauptantrag stattgegeben und die Beigeladene verurteilt, den Unfall vom 3. September 1955 als Arbeitsunfall anzuerkennen und gesetzlich zu entschädigen.

Das LSG hat die Berufung der Beigeladenen durch Urteil vom 3. Juni 1958 (SGb 1959, 140 = Breith. 1959, 14) zurückgewiesen: Die wirksame Betriebsüberweisung habe keine Änderung des Kreises der im landwirtschaftlichen Betrieb versicherten Personen zur Folge gehabt. Der Wortlaut des § 537 Nr. 8 RVO rechtfertige nicht den von der Beigeladenen vertretenen Standpunkt. Der Sinn der Vorschrift - besondere Schutzwürdigkeit der im Landwirtschaftsbetrieb vom Unternehmer und seiner Ehefrau geleisteten Arbeit - habe nichts mit der katastermäßigen Zugehörigkeit des Betriebs zu tun. Die gegenteilige Auffassung führe im übrigen dazu, daß die Überweisung landwirtschaftlicher Nebenbetriebe an die Allgemeine Unfallversicherung Nachteile für die Versicherten mit sich bringe, die von diesen auch bei aller erdenklichen Vorsorge nicht verhütet werden könnten. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 23. Juni 1958 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 14. Juli 1958 Revision eingelegt und sie zugleich wie folgt begründet: Die von den Vorinstanzen vertretene Auslegung des § 537 Nr. 8 RVO treffe nicht zu. Diese Vorschrift sei angesichts ihres eindeutigen Wortlauts nicht auslegungsfähig. Die in §§ 537 bis 539 RVO geregelten Voraussetzungen einer gesetzlichen oder satzungsgemäßen Pflichtversicherung bzw. einer freiwilligen Versicherung der Unternehmer und ihrer Ehegatten seien jeweils verschieden, je nachdem, ob ein Träger der Allgemeinen Unfallversicherung, der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung oder der See-Unfallversicherung für das Unternehmen zuständig sei. Diese Abhängigkeit des Versicherungsschutzes von der katasterrechtlichen Zugehörigkeit ergebe sich eindeutig auch aus dem Wortlaut des § 537 Nr. 8; der hier verwendete Begriff "Landwirtschaftliche Unfallversicherung" könne nur als Anknüpfung an die Überschrift zum Dritten Teil des Dritten Buches der RVO und damit als Hinweis auf den Zuständigkeitsbereich der LBGen (§ 956 RVO) verstanden werden. Eine Bestätigung ihrer Ansicht erblickt die Revision in der Vorschrift - nebst Begründung - des § 539 Abs. 1 Nr. 5 des Entwurfs eines Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG). In diesem Zusammenhang bezieht sie sich auch auf eine abschriftlich vorgelegte Äußerung des Bundesverbandes der LBGen vom 9. Juni 1958.

Für Billigkeitserwägungen sei angesichts der eindeutigen Rechtslage kein Raum. Das LSG habe jedoch rechtsirrtümlich nicht geprüft, ob der Klägerin etwa ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte auf Grund einer sogenannten Formalversicherung zustehe. Insoweit hätte es den Umstand berücksichtigen müssen, daß die Beklagte den Unternehmer S. noch mit dem Beitrag für das Jahr 1955 veranlagt und S. diesen Beitrag auch bezahlt habe. Die Beigeladene beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG die Klage insoweit abzuweisen, als sie sich gegen die Beigeladene richtet,

hilfsweise, das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise, die Beklagte zur Entschädigungsgewährung zu verurteilen.

Sie pflichtet dem angefochtenen Urteil bei und hebt insbesondere den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hervor, der auf jeden Fall ihren Entschädigungsanspruch rechtfertige.

Die Beklagte hat in ihrem am 23. Oktober 1958 eingegangenen Schriftsatz beantragt,

unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Sie bezieht sich ebenfalls auf den Entwurf des UVNG und meint, das vom LSG als Zweck des § 537 Nr. 8 RVO angenommene besondere Schutzbedürfnis für die landwirtschaftlichen Unternehmer und ihre Ehegatten entfalle, wenn der Lebensunterhalt hauptsächlich nicht mehr aus der Landwirtschaft, sondern aus einem gewerblichen Unternehmen bezogen werde und deshalb der landwirtschaftliche Betrieb wegen seiner geminderten Bedeutung der für den Gewerbebetrieb zuständigen LBG überwiesen worden sei. Die Auslegung des § 537 Nr. 8 RVO durch die Vorinstanzen beeinträchtige die durch die Betriebsüberweisung erzielte einheitliche Versicherung des Gesamtunternehmens bei der gewerblichen BG. Dem Revisionsvorbringen zur Frage einer Formalversicherung tritt die Beklagte entgegen. Sie führt hierzu aus, der Beitragseinzug für 1955 beruhe auf einem Irrtum.

II

Die Revision ist statthaft durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, daher zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.

Gegen die Postulationsfähigkeit des von der Klägerin bestellten Prozeßbevollmächtigten Dr. B... bestehen keine Bedenken. Dr. Bekker ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht - wie in dem vom 7. Senat am 21. März 1962 entschiedenen Fall (7/3 RLw 24/61) - als Angestellter des Hessischen Bauernverbandes aufgetreten, sondern als Angestellter des land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes für Hessen e.V.. Dieser Verband ist eine Arbeitgebervereinigung im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG; Dr. B... ist kraft einer vom Verbandsvorsitzenden ausgestellten Vollmacht zur Prozeßvertretung vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit befugt.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß die Klägerin als Ehefrau des Unternehmers S. im Unfallzeitpunkt bei der Beigeladenen versichert gewesen sei, und zwar auf Grund des § 537 Nr. 8 RVO, der nicht nur für den Zuständigkeitsbereich der LBGen, sondern auch in den Fällen gelte, in denen eine Landwirtschaft als Nebenbetrieb eines gewerblichen Unternehmens im Betriebsverzeichnis eines Trägers der Allgemeinen Unfallversicherung eingetragen sei. Diese Auffassung wird im Schrifttum überwiegend gebilligt (Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., Stand Januar 1962, Anm. 40 zu § 537; Everwyn, Sozialgerichtsbarkeit 1959, 142; Henning, Berufsgenossenschaft 1957, 29; a.M. Klumpe, Berufsgenossenschaft 1957, 292). Die vom LSG hierzu angeführten Gesichtspunkte sind, wie der Senat nicht verkennt, durchaus geeignet, dem von der Klägerin mit Recht hervorgehobenen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Rechnung zu tragen, auf den es in Fällen der hier gegebenen Art besonders ankommt. Auch wird durch den Einwand, ein soziales Schutzbedürfnis im Sinne des § 537 Nr. 8 RVO bestehe nur bei Unternehmern und Ehegatten, die ausschließlich oder doch überwiegend von der Landwirtschaft leben, es entfalle dagegen bei gemischter, überwiegend vom Gewerbebetrieb geprägter Wirtschaftsweise, die vom LSG vertretene weite Auslegung des § 537 Nr. 8 RVO nicht ohne weiteres widerlegt.

Für die von der Revision vertretene Ansicht spricht indessen der Umstand, daß die geplante Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem eindeutigen Wortlaut die landwirtschaftliche Unternehmer- und Ehegattenpflichtversicherung auf den Organisationsbereich der LBGen begrenzen will. Der Entwurf eines UVNG, von dem in den Gründen des angefochtenen Urteils noch die Rede ist, wurde schon wenig später (vgl. Bundesrats-Drucksache 206/58) in dem hier in Betracht kommenden Zusammenhang entscheidend geändert. Seither (vgl. zuletzt Bundestags-Drucksache IV/120) bestimmt § 539 Abs. 1 Nr. 5 in der dem Gesetzgeber unterbreiteten Fassung, daß gegen Arbeitsunfall versichert sind "Unternehmer, solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind, ihre mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten...". Die Begründung des Entwurfs besagt hierzu, sachlich solle gegenüber dem § 537 Nr. 8 RVO nichts geändert werden. Ob dies zutrifft und ob die geplante Regelung zweckmäßig erscheint, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall ist damit immerhin ein wesentlicher Gesichtspunkt, den das LSG zur Bestätigung der Richtigkeit seiner Auslegung herangezogen hat, ins Gegenteil verkehrt worden. Ob sich mit den übrigen vom LSG noch angeführten Argumenten die im angeführten Urteil dargelegte Rechtsauffassung halten läßt, erscheint zweifelhaft. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Klägerin für den Arbeitsunfall vom 3. September 1955 ein Entschädigungsanspruch zusteht, kann jedoch von einer Auseinandersetzung mit den zur Auslegung des § 537 Nr. 8 RVO bestehenden Zweifelsfragen abgesehen werden, wenn man als leistungspflichtigen Versicherungsträger nicht allein die Beigeladene, sondern auch die Beklagte in Betracht zieht. Diese vom LSG nicht angestellte Prüfung ermöglicht es, die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zu bestätigen.

Am Unfalltag stand die Klägerin nämlich auf jeden Fall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, und zwar - sofern § 537 Nr. 8 RVO in der Allgemeinen Unfallversicherung unanwendbar sein sollte - auf Grund des formell "bei der Beklagten bis zum 20. September 1955 weiterbestehenden Versicherungsverhältnisses. Für die Annahme einer Formalversicherung des landwirtschaftlichen Unternehmens bei der Beklagten kommt freilich der Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin den irrtümlich geforderten Jahresbeitrag für 1955 noch entrichtet hat, keine Bedeutung zu (vgl. RVA, Kompaß-Entscheidungssammlung Bd. 23, S. 53). Bedeutsam ist jedoch nach Ansicht des Senats das Stadium, in dem sich am Unfalltage das von der Beklagten eingeleitete Betriebsüberweisungsverfahren befand. Dieses Verfahren war zwar mit dem Überweisungsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1954 und der am 20. August 1955 durch das Einverständnis der Beigeladenen eingetretenen Bindungswirkung für alle Beteiligten schon größtenteils abgewickelt, aber eben doch noch nicht völlig beendet; hierzu bedurfte es vielmehr noch der Zustellung des neuen Mitgliedscheins an den Unternehmer S. (§ 667 Abs. 2 RVO); dieser abschließende Verwaltungsakt erfolgte erst am 21. September 1955, also nach dem Unfall der Klägerin. Die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) hat ein formales Versicherungsverhältnis bei einer sachlich unzuständig gewordenen Berufsgenossenschaft als so lange fortbestehend angesehen, bis die gebotene Überweisung erfolgt ist (vgl. AN 1915, 743 Nr. 2831; Kompaß-Entscheidungssammlung Bd. 21, S. 185; Volkstümliche Zeitschrift für praktische Arbeiterversicherung 1917, 35; Berufsgenossenschaft 1929, Spalte 149). Nicht ganz eindeutig geklärt wurde durch diese Entscheidungen die Frage, wie sich die Rechtslage in einem Fall der vorliegenden Art beurteilt, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der Unfall innerhalb des sich aus §§ 667 Abs. 2, 671 Abs. 1 Satz 2 RVO ergebenden Rückwirkungszeitraumes eintrat. Für solche Fälle hat der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften in seinem Rundschreiben vom 7. August 1951 (VB 96/51) den Standpunkt vertreten, das am Unfalltag noch bestehende formale Versicherungsverhältnis zur abgebenden Berufsgenossenschaft werde durch die Rückwirkung der Betriebsumschreibung nicht nachträglich aufgehoben; erleide der bei der abgebenden Berufsgenossenschaft selbstversicherte Unternehmer (Ehegatte) einen Unfall nach Beginn des Überweisungsverfahrens, aber vor Vollendung der Überweisung, so habe ihn demnach die abgebende Berufsgenossenschaft nach ihrem Recht zu entschädigen, auch wenn die Überweisung nachträglich rückwirkend wirksam werde; nach Vollendung der Überweisung habe dann die aufnehmende Berufsgenossenschaft die Entschädigung vom Tage des Wirksamwerdens der Überweisung an zu gewähren. Der Senat teilt diesen Standpunkt, der eine rechtlich bedenkenfreie Fortentwicklung der angeführten Rechtsprechung darstellt. Der Umstand, daß sich hiernach eventuell für das im Überweisungsverfahren begriffene Unternehmen während des Rückwirkungszeitraumes ein doppelter Versicherungsschutz ergibt, spricht nach Meinung des Senats nicht gegen die Richtigkeit des in dem angeführten Verbandsrundschreiben vertretenen Standpunkts.

Es kann unerörtert bleiben, inwieweit noch darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Entschädigungspflicht auch bei solchen Unfällen anzunehmen ist, die sich zwar erst nach dem Abschluß des Überweisungsverfahrens, aber noch vor dem Zeitpunkt ereignet haben, an dem es dem Unternehmer - unter Berücksichtigung der ihm von den beteiligten Berufsgenossenschaften erteilten Auskünfte - zuzumuten war, für sich bzw. seinen Ehegatten den Versicherungsschutz bei der aufnehmenden Berufsgenossenschaft sicherzustellen. Desgleichen bedarf es keiner Prüfung, ob generell der Ausschluß der Versicherungspflicht bei Beschäftigung eines Ehegatten durch den anderen noch als geltendes Recht anzusehen ist (vgl. BSG 11, 149, 150; Vorlagebeschluß des 3. Senats vom 25.4.1962, 3 RK 26/60).

Hiernach war die Klägerin als Ehefrau des landwirtschaftlichen Unternehmers S. am Unfalltage noch bei der Beklagten versichert. Dieses Versicherungsverhältnis wurde nicht dadurch aufgehoben, daß mit der Vollendung der Betriebsumschreibung am 21. September 1955 das Unternehmen rückwirkend vom 1. Januar 1955 an in das Betriebsverzeichnis der Beigeladenen aufgenommen wurde. Auf Grund des Betriebsübergangs hat nun aber die Beigeladene den Entschädigungsanspruch von Anfang an zu befriedigen (§§ 673 Abs. 1, 643 RVO); sie könnte sich dieser Verpflichtung auch nicht etwa mit dem Hinweis entziehen, die Klägerin als Ehefrau des Unternehmers wäre bei ihr nicht pflichtversichert gewesen (vgl. RVA, AN 1903, 199 Nr. 1974; EuM 38, 41; Schiedsstelle, EuM 37, 312). Die Verurteilung der Beigeladenen besteht also auch bei der vom erkennenden Senat für maßgebend erachteten Anspruchsgrundlage zu Recht. Abweichend von der Begründung des angefochtenen Urteils ist allerdings darauf hinzuweisen, daß sich der Gegenstand der Versicherung nach §§ 930 ff RVO bestimmt. Mit dieser Maßgabe war im übrigen die Revision der Beigeladenen als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 27

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