Leitsatz (amtlich)

Der Anspruchsübergang gemäß BKGG § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 aF bezieht sich auch auf den Kinderzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen für das 1. Kind des Versicherten, für das kein Kindergeld gezahlt worden ist.

Bei Berechnung der Kindergeldersatzforderung sind Kinderzuschüsse und Kindergelder jeweils in ihrem Gesamtbetrag - nicht dagegen in den Beträgen für einzelne Abschnitte der Bezugszeit - einander gegenüberzustellen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rangfolge zwischen dem Erstattungsanspruch nach BKGG § 23 Abs 1 aF und dem Ersatzanspruch nach RVO § 183 Abs 3 richtet sich nach der Zeit der Entstehung der Ansprüche.

2. Für den Ersatzanspruch nach RVO § 183 Abs 3 ist primär die Stammrente zu nutzen und von den Kinderzuschüssen nur soviel wie nötig abzuzweigen, damit von den Kinderzuschüssen für den Erstattungsanspruch nach BKGG § 25 Abs 1 aF ein möglichst großer Betrag erübrigt werden kann.

3. Entziehung und Rückforderung des Kindergeldes wegen rückwirkender Bewilligung von Rente mit Kinderzuschüssen sind auch dann gerechtfertigt, wenn der überwiegende Teil der Rente - und damit auch Teil der Kinderzuschüsse - der Krankenkasse zugeflossen ist.

 

Normenkette

BKGG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1964-04-14, § 8 Abs. 3 Fassung: 1970-12-16; RVO § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1967 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Beigeladenen die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Der Versicherte - Vater von vier Kindern - bezog Kindergeld zunächst für das dritte und vierte Kind von einer gewerblichen Familienausgleichskasse (FAK) und von März bis September 1964 für das zweite Kind von der Kindergeldkasse. Diese übernahm vom 1. Juli 1964 an das Kindergeld auch für das dritte und vierte Kind.

Später bewilligte die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) dem Versicherten die Rente wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend zum 1. Februar 1964. In dem monatlichen Rentenbetrag war für jedes der Kinder ein Zuschuß von je 56,- DM enthalten. Aufgrund der Rentenbewilligung forderte das zuständige Arbeitsamt von dem Versicherten das Kindergeld zurück. Durch Anzeige gemäß § 23 Abs. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der vor dem Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes vom 16. Dezember 1970 - BGBl I S. 1725 - geltenden Fassung leitete es den Anspruch auf die rückständigen Kinderzuschüsse aus der Rentenversicherung auf den Bund über.

Von der Rentennachzahlung erhielten die Krankenkasse, die dem Versicherten bis einschließlich September 1964 Krankengeld gewährt hatte, den größten und die FAK einen kleineren Teil. An die Kindergeldkasse überwies die Beklagte 158,20 DM. Den verbleibenden Rest zahlte sie an den Versicherten aus.

Die Kindergeldkasse hat Klage auf Zahlung weiterer 334,80 DM erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klageforderung erschien ihm aus folgenden Gründen gerechtfertigt: (1) Aus § 23 Abs. 1 BKGG aF und § 28 Abs. 2 des Kindergeldkassengesetzes (KGKG) ergebe sich, daß sich zwar die Zeiträume decken müßten, in denen die Ansprüche auf das Kindergeld und auf den Kinderzuschuß bestünden, daß aber die gegenseitige Verrechnung für den Überzahlungszeitraum als Gesamtheit vorzunehmen sei. Es brauchten also die Leistungen nicht jeweils für die einzelnen Monate miteinander verglichen zu werden. (2) Außerdem ergreife die Ersatzforderung nicht nur die Kinderzuschüsse in der Höhe, in der für das einzelne Kind Kindergeld gezahlt worden sei; vielmehr erstrecke sich der Übergang auf alle im Überzahlungszeitraum dem Rückzahlungspflichtigen zustehenden Kinderzuschüsse, mithin auch auf den Zuschuß für ein Kind, für das kein Kindergeld gezahlt worden sei. (3) Im Streitfalle sei zusätzlich zu berücksichtigen gewesen, daß der Krankenkasse mit Vorrang ein Erstattungsanspruch zugestanden hätte (§ 183 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Durch diesen sei die Rentennachzahlung auch vermindert worden. Deshalb sei aber nicht der Zugriff der Klägerin auf die Kinderzuschüsse verkürzt worden. Unzutreffend sei die von der Beklagten vertretene Auffassung, die Kinderzuschüsse seien im gleichen Verhältnis wie die Rente selbst zu reduzieren, wenn ein größerer Teil der Rente für einen anderen Ersatzberechtigten vorab abgezweigt werden müsse. Wohl seien die Kinderzuschüsse Bestandteil der Rente. Sie bildeten jedoch einen zusätzlichen, rentenerhöhenden Bestandteil der Rente, der durch die Überleitung gemäß § 183 Abs. 3 RVO nur insoweit berührt werde, als die Stammrente zur Befriedigung der Krankenkasse nicht ausreiche.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die beklagte LVA hat das Rechtsmittel eingelegt. Sie meint, die Erwägungen des Berufungsgerichts seien nicht folgerichtig. Zutreffend sei, daß durch die Vorschriften über die Rück- und Ersatzforderung der Kindergeldkasse Doppelleistungen vermieden werden sollten. Das erlaube aber nicht eine Schlechterstellung des Versicherten. Diese trete jedoch ein, wenn dem Versicherten nicht wenigstens diejenigen Beträge verblieben, die ihm ungeachtet der späteren Rentengewährung zustünden. Bei Berechnung des Ersatzanspruches der Klägerin müsse der auf den einzelnen Monat entfallende Betrag ihrer Leistungen mit dem Rentenbetrag verglichen werden, der auf eben diesen Monat falle. Von dieser Rechtsansicht her kommt die Beklagte zu dem Resultat, daß der Klägerin außer den bereits erstatteten 158,20 DM noch 310,80 DM, aber nicht mehr zu zahlen seien. Sie beantragt demgemäß, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit ein höherer Betrag als 310,80 DM verlangt werde.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene Ehefrau und Rechtsnachfolgerin des Versicherten ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Revision der beklagten LVA ist unbegründet.

Die Klagebefugnis der Kindergeldkasse ist daraus herzuleiten, daß diese nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1970 geltenden Fassung den Anspruch auf die aus der Arbeiterrentenversicherung nachzuzahlenden Kinderzuschüsse wirksam an sich gezogen hat. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 BKGG, die mit dem 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 16. Dezember 1970 geschaffen worden und an die Stelle des § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG aF getreten ist, gilt nicht für den hier zu beurteilenden, vor dem 1. Januar 1971 abgeschlossenen Sachverhalt (Art. 5 Abs. 1 des angeführten Gesetzes).

Die Kindergeldkasse hatte in Höhe der Klageforderung ein eigenes klagbares Recht erworben. Der Versicherte hat Kindergeld erhalten, das ihm - wie sich durch die rückwirkende Bewilligung der Rente aus der Arbeiterrentenversicherung einschließlich der darin steckenden Kinderzuschüsse ergeben hat - nicht zustand (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG). Dieses infolge späteren Wegfalles des Leistungsgrundes zu Unrecht ausgegebene Kindergeld ist der Kindergeldkasse wieder zu erstatten. Das folgt aus § 13 Nr. 4 BKGG. Der Tatbestand dieser Vorschrift ist verwirklicht, weil der Versicherte für die Monate des Kindergeldbezugs Kinderzuschüsse zur Versichertenrente beanspruchen konnte. Diese Annahme ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Rentenanspruch gemäß § 183 Abs. 3 RVO auf die Krankenkasse übergegangen war (aA: Schleswig-Holsteinisches LSG Breithaupt 1966, 623). Allerdings hätte der Versicherte die Rente insoweit nicht für sich fordern können. Dennoch ist diese Sachlage dem § 13 Nr. 4 BKGG unterzuordnen, weil sonst die Rückforderung der Kindergeldkasse hinter jeder mit ihr konkurrierenden Ersatzforderung eines anderen Leistungsträgers unmittelbar von Gesetzes wegen zurückstünde. Bereits bei Prüfung der Frage, ob gegenüber der Kindergeldkasse eine Rückzahlungspflicht nach § 13 Nr. 4 BKGG entstanden sein könnte, wäre vorweg das Bestehen anderer Ersatzforderungen zu berücksichtigen. Diese Ansicht stünde im Widerspruch zu dem Vorrang, welcher dem Ersatzanspruch der Kindergeldkasse durch das Gesetz vom 16. Dezember 1970 eingeräumt worden ist. Das Auslegungsergebnis ist aber auch für die vorher gegebene Rechtslage nicht zu unterstellen (ebenso BSG SozR Nr. 3 zu § 8 BKGG). Sonst wäre der Sinn des Gesetzes durch die Neuregelung vom 16. Dezember 1970 geradezu in sein Gegenteil gewendet worden. Tatsächlich fehlte jedoch bisher schon jeder innere Grund dafür, daß mit § 13 Nr. 4 BKGG eine Rechtsfolge angeordnet sei, durch welche die Ersatzberechtigungen der Kindergeldkasse generell zu Gunsten anderer zurückgesetzt werde. Statt dessen erscheint es angezeigt, hier wie regelmäßig zu verfahren und die Frage nach dem Verhältnis miteinander rivalisierender Ersatzforderungen erst dann zu stellen, wenn zuvor das Bestehen jeder dieser Forderungen für sich bejaht worden ist. In diese Richtung weist zudem die Systematik des Gesetzes. Dieses regelt den Rückzahlungsanspruch einerseits und die Befriedigung dieses Anspruchs andererseits getrennt an verschiedenen Stellen (§ 13 BKGG zum Unterschied von § 23 BKGG). Die durch andere Ersatzrechte vielleicht behinderte Erfüllungsmöglichkeit ist mithin nicht eine Voraussetzung der Rückforderung selbst.

Was nun die Rangfolgefrage betrifft, so ist das Berufungsurteil hierzu nicht zu beanstanden. Der Konkurrenzstreit zwischen dem Ersatzanspruch der Krankenkasse und dem der Kindergeldkasse ist nach der Zeit der Anspruchsentstehung zu lösen (BSG 29, 164; SozR Nr. 3 zu § 8 BKGG). Danach gebührt der Krankenkasse das Vorrecht. Denn der Rentenanspruch stand der Krankenkasse bereits zu, als die Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes bei der Beklagten einging. Erst mit der Bekanntgabe vermochte die Anzeige den Forderungsübergang zu bewirken (vgl. auch § 829 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Infolgedessen konnte das Arbeitsamt die Ansprüche auf die Rente und damit auf die Kinderzuschüsse als ihre unselbständigen Bestandteile insoweit nicht auf den Bund übertragen, als sie zuvor der Krankenkasse überantwortet worden waren (BSG SozR Nr. 25 zu § 183 RVO; Nr. 3 zu § 8 BKGG). Nach dem Kriterium des Zeitvorrangs ist die Ordnung miteinander konkurrierender Ersatzrechte zu beurteilen, wenn diese sich nicht - wie die Legalzessionen - gleichzeitig entwickeln oder wenn das Gesetz nichts Abweichendes anordnet. Beide Ausnahmen sind hier nicht gegeben. Der Senat hat in dem in BSG 29, 164 veröffentlichten Urteil näher dargelegt, daß die Prioritätsregel im positiven Recht vorgezeichnet ist. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß ein "Wettrennen zur Erreichung eines Vorsprungs gegenüber einem anderen" wenig sachgemäß erscheint, wenn mehrere Verwaltungsträger einen Ausgleich ihrer Erstattungsansprüche suchen. Andererseits ist aber zu beachten, daß auch für die Übertragung öffentlich-rechtlicher Forderungen sowohl was ihre Form als auch was ihre Wirksamkeitserfordernisse anbetrifft, die Regeln der §§ 398 bis 410 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend anzuwenden sind, solange nicht besondere Regeln entgegenstehen. Die Prioritätsnorm entspricht zudem der Logik; sie ist einfach zu handhaben, vermeidet eine schwer übersehbare, vielleicht gar widersprüchliche Kasuistik und ist unabhängig von mehr oder weniger subjektiven Wertungen in bezug auf die "Stärke" und inhaltliche Tragweite der aufeinandertreffenden Ersatzforderungen.

An dem Ergebnis ändert sich nichts durch die jüngere Rechtsentwicklung, insbesondere durch die Neufassung des § 8 Abs. 3 Satz 3 BKGG gemäß dem Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 16. Dezember 1970. Für die Gegenwart hat sich der Gesetzgeber für den besseren Rang des Rückgriffs der Kindergeldkasse ausgesprochen. Er ist dem Gedanken der Spezialität gefolgt, nämlich der Erwägung, daß die für den Unterhalt der Kinder gedachten Rentenbestandteile primär für die Rückforderung der Kindergeldkasse haften und zu diesem Zweck aus der Rente auszusondern sind. Diese Regelung gilt aber nach Art. 5 des Gesetzes vom 16. Dezember 1970 nicht schon vom Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes an sondern erst für die auf die Gesetzesänderung folgende Zeit. Der Gesetzgeber hat mithin von der Möglichkeit einer der Rechtsprechung entgegenwirkenden "authentischen Interpretation" des älteren Gesetzesrechts abgesehen.

Hiernach war die Rückgriffsmöglichkeit der Kindergeldkasse in dem Umfange des Forderungsübergangs nach § 183 Abs. 3 RVO abgeschnitten. Deshalb kommt es besonders darauf an, wie das Ausmaß dieses Zugriffs zu bestimmen ist. Insoweit erscheint es zunächst unbedenklich, daß für den Ersatzanspruch der Krankenkasse primär die Stammrente genutzt und von den Kinderzuschüssen nur soviel wie nötig abgezweigt worden ist. Auf diese Weise konnte von den Kinderzuschüssen für die Kindergeldkasse ein möglichst großer Betrag erübrigt werden. Dadurch wurde die Schuld des rückzahlungspflichtigen Versicherten, wenn auch nicht völlig getilgt, so doch am leichtesten und umfänglichsten vermindert.

Der Klageforderung steht nicht entgegen, daß die zu erstattenden Kindergelder und die aufgelaufenen Kinderzuschüsse für dieselbe Zeit bestimmt sein müssen. Das Berufungsgericht nimmt anscheinend an, der Ersatzanspruch bestünde nicht voll in der geltend gemachten Höhe, wenn das zurückzuzahlende Kindergeld für jeden einzelnen Monat und nicht in einer Summe für die Gesamtzeit seines Zusammentreffens mit der Rente zu berechnen wäre. Dazu hat das Berufungsgericht rechtlich bedenkenfrei ausgeführt, daß die Kindergeldleistungen in einem Gesamtbetrag dem Endbetrag der für dieselbe Zeit angesammelten Kinderzuschüsse aus der Rentenversicherung gegenübergestellt werden dürften. § 23 Abs. 1 Satz 2 BKGG aF schränkt den Anspruchsübergang lediglich auf die Zeit ein, für die Kindergeld gewährt worden ist, fordert aber für den Vergleich von Kindergeld und Kinderzuschüssen nicht die Aufteilung der Gesamtzeit in einzelne Abschnitte. - Das Gegenteil ist nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes herzuleiten. Zwar war die einschlägige Rechtsmaterie ursprünglich in § 1541 a RVO normiert. Zugleich waren die Grenzen der Kindergeldersatzforderung nach § 1535 b RVO abgesteckt, so daß die Höhe dieser Forderung tage- und monatsweise zu ermitteln war. Davon ist die Gesetzgebung später jedoch abgegangen. § 23 Abs. 1 Satz 2 BKGG aF ist aus § 28 Abs. 2 Satz 2 des Kindergeldkassengesetzes vom 18. Juli 1961 hervorgegangen. Diese Gesetzesbestimmung hatte im wesentlichen den gleichen Wortlaut wie ihre Nachfolgerin. Sie war dem § 186 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nachgebildet und angepaßt (Bundestagsdrucksache III/2648 zu § 29 des Gesetzentwurfs). Dort aber war der Anspruchsübergang schlechthin auf Ansprüche des Rückzahlungspflichtigen "für die Vergangenheit" festgelegt. - Wichtiger noch für das Verständnis des § 23 Abs. 1 Satz 2 BKGG aF ist sein Zusammenhang mit § 13 BKGG. Zweck der letztgenannten Vorschrift ist es, Doppelleistungen zu vermeiden. Dieses Ziel soll so umfassend und reibungslos wie möglich erreicht werden. Dem dient der Weg der Anspruchsüberleitung, durch den sich die Verwaltung selbst den Ausgleich für ihre Rückforderung verschaffen kann. Diese Absicht des Gesetzes würde indessen um so weniger vollkommen verwirklicht, je schmaler die Deckung wäre, die sich für die Ersatzforderung in den Kinderzuschüssen aus der Rentenversicherung böte. Für den Kindergeldempfänger wäre nichts gewonnen. Er bliebe in Höhe des nicht getilgten Restes der Rückforderung mit seiner Schuld gemäß § 13 BKGG belastet. Das wäre ein wenig sinnvolles Resultat.

Der ersatzberechtigten Kindergeldkasse haftet ferner auch der Kinderzuschuß für das erste Kind des Versicherten, obgleich nur für das zweite und für weitere Kinder Kindergeld aufgewendet worden ist. Bei dieser Aufwendung war aber auch die Existenz des ersten Kindes erheblich. Seine Existenz bestimmte die Tatsache und das Ausmaß der Kindergeldgewährung (§ 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 BKGG).

Freilich deckt der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG aF diese Auslegung nicht eindeutig. Dort heißt es: "Hat der ... Überzahlungspflichtige für das Kind Anspruch auf ... Kinderzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen." Der bestimmte Artikel ("das Kind") spricht dafür, daß beide Leistungen derselben Person zugedacht seien. In gleicher Weise - und abweichend von § 8 Abs. 1 BKGG - ist der bestimmte Artikel in § 13 Nr. 4 und in § 1 Abs. 1 BKGG verwendet. Die Bedeutung der Gesetzesfassung darf indessen nicht zu hoch veranschlagt werden. Vielmehr ist bei einem Gesetzeswerk, das - wie das BKGG - einen neuen Rechtsbereich gestaltet und das wiederholt neu konzipiert worden ist, vornehmlich der wirkliche Sinn der Gesetzesbestimmungen zu erforschen (BVerfG NJW 1967, 1603, 1604). Für die Sinnermittlung hat der erklärte Wille des Gesetzgebers erhöhte Bedeutung. Der Gesetzgeber ließ sich aber von dem Gedanken leiten, daß das Kindergeld "nicht nur für das zweite oder weitere Kind bestimmt ist, für das es gewährt wird, sondern allen Kindern, die bei dem Berechtigten berücksichtigt sind, zugute kommen soll" (Bundestagsdrucksache IV/818 zu § 11 Abs. 4). Die Idee der Familieneinheit liegt im übrigen nicht nur der Regelung der mit steigender Kinderzahl wachsenden Kindergeldsätze zugrunde (§ 10 Abs. 1 BKGG); sie ist ebenso bestimmend für § 12 Abs. 4 BKGG, der in Beziehung auf die Erfüllung der Unterhaltspflicht die gleichmäßige Verteilung des Kindergeldes auf alle Kinder des Berechtigten vorschreibt. Aus dem gleichen Gesichtspunkt heraus erscheint es gerechtfertigt, die zuviel gezahlten Kindergelder mit den - in derselben Zeitspanne angefallenen - Kinderzuschüssen aus der Rentenversicherung zu verrechnen.

Nach alledem hat das Berufungsgericht richtig entschieden.

Die Revision der Beklagten ist mit der auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 295

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