Leitsatz (amtlich)

Für den Leistungszuschlag können grundsätzlich nur diejenigen Jahre, während welcher der Versicherter Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet hat, berücksichtigt werden, für die knappschaftliche Beiträge entrichtet worden sind.

 

Normenkette

RKG § 59 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Juni 1964 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Oktober 1963 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob der Kläger zu seinem Knappschaftsruhegeld den Leistungszuschlag verlangen Kann.

Der im Jahre 1890 geborene Kläger ist Heimatvertriebener. Er bezog seit dem 23. März 1931 von dem damals zuständigen polnischen Versicherungsträger eine Rente. Nach der Besetzung Polens durch deutsche Truppen wurde diese Rente auf Grund der Verordnung (VO) über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten vom 22. Dezember 1941 für die Zeit vom 1. Januar 1940 an von der Oberschlesischen Knappschaft übernommen. Nach der Vertreibung des Klägers übernahm zunächst die Hannoversche Knappschaft durch Bescheid vom 27. Mai 1946 und endgültig durch Bescheid vom 10. September 1955 die beklagte Knappschaft diese Rente. Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, weil ihm der Leistungszuschlag verweigert worden war Durch Bescheid vom 7. Oktober 1958 stellte die Beklagte die Rente für die Zeit vom 1. Januar 1957 an nach dem Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) als Knappschaftsruhegeld um. Auch mit diesem Bescheid erklärte der Kläger sich nicht einverstanden, weil ihm wiederum der Leistungszuschlag nach § 59 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) verweigert worden war. Am 22. Juni 1959 teilte ihm die Beklagte mit, daß sie bereit sei, "die zur knappschaftlichen Rentenversicherung geleisteten 172 Beitragsmonate für den Leistungszuschlag anzuerkennen und für die Zeit ab 1. Januar 1953 nachzuverrechnen". Gleichzeitig bat sie den Kläger, den Widerspruch zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 12. Juli 1959 zog der Kläger daraufhin den Widerspruch zurück. Durch Bescheid vom 12. Februar 1961 stellte die Beklagte, nachdem inzwischen die Unterlagen der Oberschlesischen Knappschaft eingegangen waren, die Rente erneut für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1958 "nach den Richtlinien vom 18. Juli 1960" und für die Zeit vom 1. Januar 1959 an nach dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) um, ohne den Leistungszuschlag zu gewähren.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, weil der Leistungszuschlag für die Zeit ab 1. Januar 1953 nicht gewährt worden sei. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen.

Im sozialgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. Januar 1959 zusätzlich zu dem Knappschaftsruhegeld Leistungszuschlag zu gewähren. Diese Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 9. Oktober 1963 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den Leistungszuschlag ab 1. Januar 1959 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat diesem Antrag durch Urteil vom 11. Juni 1964 stattgegeben und die Revision zugelassen.

Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe 183 Monate Hauerarbeiten und diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet. Auch die Zeiten, in denen er nicht bei der Knappschaft, sondern bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte versichert war, seien für die Gewährung des Leistungszuschlages zu berücksichtigen. Dabei handele es sich um die Zeiten von

a) Juli - September 1913 (4 - richtig 3 Monate),

b) Januar - Mai 1917 (5 Monate),

c) Juni 1917 - Dezember 1923 (78 - richtig 79 Monate), in denen der Kläger zu a) und b) als Steigerstellvertreter, zu c) als Abteilungssteiger unter den in § 5 Nr. 1 der Hauerarbeitenverordnung (HaVO) bezeichneten Umständen tätig gewesen sei. Nach dem Wortlaut des § 59 RKG komme es ausschließlich auf die Tatsache an, ob während einer Beitragszeit Hauer- oder gleichgestellte Arbeiten verrichtet worden sind, nicht aber darauf, ob die Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind. Denn der Leistungszuschlag solle allein dem Umstand Rechnung tragen, daß der Berechtigte während einer Mindestzeit von 11 Jahren eine durch Härte, Schwere und Gefährlichkeit gekennzeichnete Arbeit eines Bergmannes geleistet hat. Dagegen sei es ohne Bedeutung, welchem Versicherungsträger die jeweilige Gesetzgebung die Beiträge zufällig zugewiesen habe, wenn sie nur nach dem heutigen Rechtszustand der knappschaftlichen Versicherung zukommen müßten. Es sei deshalb davon auszugehen, daß der Kläger folgende Hauer- und gleichgestellte Arbeiten verrichtet hat:

52   

Monate lang während der Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Versicherung im ehemaligen Reichsgebiet,

44   

Monate lang als Abteilungs- und Wettersteiger in der polnischen Angestelltenversicherung und

87   

Monate lang bei der RfA,

insgesamt also 183 Monate oder volle 15 Jahre. Dem Kläger stehe daher vom 1. Januar 1959 an der Leistungszuschlag zu.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie hält die Auffassung des Berufungsgerichts für unzutreffend, daß es bei Anwendung des § 59 RKG nur auf die Art der verrichteten Tätigkeit ankomme. Es müßten für die Zeiten auch Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet worden sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 11. Juni 1964 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Oktober 1963 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung des Leistungszuschlages für die Zeit vom 1. Januar 1959 an hat. Nach § 59 RKG erhöht sich das Knappschaftsruhegeld um den Leistungszuschlag. Dieser wird nach mindestens zehn vollen Jahren Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellten Arbeiten für jedes weitere volle Jahr einer solchen Tätigkeit gewährt. Das Berufungsgericht hat unangefochten festgestellt, daß der Kläger mehr als 11 Jahre Hauerarbeiten und diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet hat. Streit besteht nur darüber, ob diese Zeiten auch insoweit für den Leistungszuschlag anzurechnen sind, als die entsprechenden Versicherungsbeiträge nicht zur knappschaftlichen Versicherung, sondern - der damaligen Rechtslage gemäß - zur (deutschen) Angestelltenversicherung entrichtet worden sind. Von der Entscheidung dieser Frage hängt es ab, ob der Anspruch des Klägers auf Gewährung des Leistungszuschlages besteht, weil ohne die Zeiten, für die Beiträge zur (deutschen) Angestelltenversicherung entrichtet worden sind, nicht mindestens 11 volle Jahre im Sinne des § 59 Abs. 1 RKG erreicht sind. Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts hat der Kläger während der Verrichtung von Hauer- und gleichgestellten Arbeiten nur 52 Monatsbeiträge zur (deutschen) knappschaftlichen Versicherung entrichtet. Das Berufungsgericht hat dieser Zeit noch weitere 44 Monate Hauerarbeiten und gleichgestellte Arbeiten, die der Kläger in Polen verrichtet hat und für welche er Beiträge zur polnischen Angestelltenversicherung entrichtet hat, hinzugezählt. Es hat diese nach dem 31. Dezember 1923 liegenden Zeiten nach § 20 Abs. 4 des FRG idF des Art. 1 des FANG als knappschaftliche Beitragszeiten anerkannt, weil der Kläger während dieser Zeiten in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 RKG beschäftigt war und diese Beschäftigung der knappschaftlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen hätte, wenn der Kläger im Reichsgebiet beheimatet gewesen wäre. Aber selbst unter Hinzurechnung dieser Zeiten sind die nach § 59 RKG erforderlichen 11 Jahre nicht erreicht. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die von ihm angerechneten 87 Monate Hauer- und gleichgestellte Arbeiten, für die Beiträge zur (deutschen) Angestelltenversicherung entrichtet worden sind, bei Anwendung des § 59 RKG nicht berücksichtigt werden.

§ 59 RKG enthält keine ausdrückliche Regelung der Fragen, ob nur solche Zeiten, während welcher der Versicherte Hauer- oder gleichgestellte Arbeiten verrichtet hat, angerechnet werden können, für welche Beiträge entrichtet sind, und ob, wenn dies bejaht wird, nur Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung Bedeutung haben oder ob auch Beiträge zu einem der anderen Rentenversicherungszweige ausreichen. Man kann nicht annehmen, daß der Gesetzgeber die erste Frage in § 59 RKG etwa bewußt deshalb nicht geregelt hat, weil er Beitragszahlungen für diese Zeiten nicht als erforderlich angesehen hätte. Das widerspräche so sehr versicherungsrechtlichen Grundsätzen, daß er, hätte er dies gewollt, eine ausdrückliche Regelung getroffen haben würde. Daß es sich bei dem Leistungszuschlag aber um eine echte Versicherungsleistung handelt, ist nicht zweifelhaft, wenn auch der Zweck dieser Leistung, dem Bergmann für seine schwere und gefährliche Arbeit eine besondere Entschädigung zu gewähren, anderer Natur ist als der sonst den Versicherungsleistungen zugrunde liegende Zweck. Man wird vielmehr annehmen müssen, daß der Gesetzgeber diese Frage in § 59 RKG deshalb nicht ausdrücklich geregelt hat, weil er es als selbstverständlich angesehen hat, daß eine Versicherungsleistung nur gewährt werden kann, wenn ihr entsprechende Versicherungszeiten gegenüberstehen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können in diesem Zusammenhang nur solche Beiträge angerechnet werden, die zur knappschaftlichen Versicherung entrichtet worden sind. Da der Leistungszuschlag eine Erhöhung der nach den allgemeinen Vorschriften berechneten Bergmannsrente, der Knappschaftsrente und des Knappschaftsruhegeldes darstellt, muß es sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 59 RKG um solche Beiträge handeln, die auch bei der sonstigen Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Nach § 56 RKG werden bei der Berechnung dieser Renten die auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungsjahre berücksichtigt. Nach § 50 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 RKG zählen hierzu aber nur die knappschaftlichen Versicherungszeiten. Dies spricht für die Annahme, daß auch bei dem Leistungszuschlag nur knappschaftliche Beitragszeiten angerechnet werden dürfen. Hierauf deutet zudem auch § 49 RKG hin. In § 49 Abs. 2 RKG wird für die Erfüllung der Wartezeit eine Zeit von mindestens 180 Kalendermonaten Hauerarbeiten oder gleichgestellte Arbeiten verlangt, die "während" der Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten verrichtet worden sind. Aus dem Umstand, daß nach § 50 RKG auf die Wartezeit für die knappschaftlichen Renten, also auch auf die besondere Wartezeit von 300 Kalendermonaten des § 49 Abs. 2 RKG, nur knappschaftliche Versicherungszeiten angerechnet werden können, folgt, daß auch die 180 Kalendermonate Hauerarbeiten und gleichgestellte Arbeiten mit knappschaftlichen Beiträgen belegt sein müssen. Da nach § 59 RKG ebenso wie nach § 49 RKG Zeiten, während welcher Hauerarbeiten und gleichgestellte Arbeiten verrichtet worden sind, von Bedeutung sind, muß angenommen werden, daß auch bei dem Leistungszuschlag nach § 59 RKG nur knappschaftliche Beitragszeiten berücksichtigt werden können. Denn vieles spricht dafür, daß diese Frage für beide Vorschriften gleich beantwortet werden sollte, wenn auch die Folgen der Erfüllung dieser Voraussetzungen unterschiedlich sind. Es wäre ja auch kaum sinnvoll, wenn bei der Prüfung, ob diese besondere Wartezeit erfüllt ist, nur diejenigen 180 Monate Hauerarbeiten oder gleichgestellte Arbeiten berücksichtigt werden dürfen, für welche knappschaftliche Beiträge entrichtet sind, während bei der Berechnung derselben Rente hinsichtlich des Leistungszuschlags auch Zeiten angerechnet werden könnten, für die keine Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind. Zudem entspricht dieses Ergebnis dem allgemeinen Grundsatz, daß Sonderleistungen aus der knappschaftlichen Rentenversicherung nur zu gewähren sind, wenn knappschaftliche Beitragszeiten vorliegen. Der Leistungszuschlag ist aus all diesen Gründen nur für diejenigen Zeiten der Verrichtung von Hauer- oder gleichgestellten Arbeiten zu gewähren, für die Beiträge zur knappschaftlichen Versicherung entrichtet sind.

Die Wanderversicherungsvorschriften der §§ 99 ff RKG stehen dieser Auffassung nicht entgegen. § 100 RKG gilt nur für die Frage der Erfüllung der Wartezeit sowie der Voraussetzungen für die Weiterversicherung (§ 1233 RVO, § 10 AVG), und § 101 Abs. 3 RKG schreibt ausdrücklich vor, daß die Leistungen jedes einzelnen Versicherungszweiges nach den für ihn maßgebenden Vorschriften zu berechnen sind. Die Ausnahmevorschrift des § 101 Abs. 4 RKG gilt nicht für die knappschaftliche Rentenversicherung.

§ 248 Abs. 2 RKG - in Verbindung mit § 247 Abs. 2 RKG - in der Fassung vom 1. Juli 1926, der unter gewissen Umständen eine Berücksichtigung der zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge in der Pensionsversicherung der Angestellten vorsah, führt schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil diese Vorschrift für die Berechnung des Knappschaftsruhegeldes des Klägers nicht mehr anzuwenden ist. Das Knappschaftsruhegeld einschließlich des streitigen Leistungszuschlages des Klägers ist für die Zeit vom 1. Januar 1959 an nämlich auf Grund des RKG idF des KnVNG zu berechnen. Dieses kennt eine solche Regelung aber nicht.

Zu prüfen ist allerdings noch, ob die Beklagte nicht an die von ihr durch Schreiben vom 22. Juni 1959 gegebene Zusage, "die zur knappschaftlichen Rentenversicherung geleisteten 172 Beitragsmonate für den Leistungszuschlag anzuerkennen und diesen für die Zeit ab 1. Januar 1953 nachzuverrechnen", gebunden ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Dieses Schreiben ist nach Inhalt und Form kein Rentenfeststellungsbescheid, sondern nur eine Zusage, die davon ausgeht, daß der Kläger zur knappschaftlichen Rentenversicherung 172 Monatsbeiträge geleistet hat. Diese Annahme steht aber mit dem wirklichen Sachverhalt nicht im Einklang, weil der Kläger in Wahrheit keine 172 Monatsbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Der Kläger mußte wissen, daß ein Teil der in der Zusage erwähnten 172 Monatsbeiträge nicht zur knappschaftlichen Versicherung, sondern zur Angestelltenversicherung entrichtet worden war. Aus dem Schreiben vom 22. Juni 1959 war andererseits eindeutig zu entnehmen, daß der Wille der Beklagten dahin ging, für den Leistungszuschlag nur knappschaftliche Beitragsleistungen anzuerkennen. Der Kläger mußte also erkennen, daß die Anerkennung von 172 knappschaftlichen Beitragsmonaten auf einem Irrtum beruhte. Daher kann er sich nicht auf diese Zusage berufen.

Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Gewährung des Leistungszuschlages vom 1. Januar 1959 an, so daß die Revision der Beklagten begründet ist. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2296921

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