Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. August 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Parteien streiten über die Höhe der Zuzahlung, die der Kläger zu den Kosten einer stationären medizinischen Leistung zur Rehabilitation zu erbringen hat.
Auf den entsprechenden Antrag des Klägers vom 20. August 1996 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 1996 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich vier Wochen. Die bewilligte Maßnahme gelangte in der Zeit vom 11. März bis 8. April 1997 zur Durchführung. Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 1997 lehnte die Beklagte den vom Kläger am 6. Juni 1997 gestellten Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung ab. Dieser Bescheid enthält folgenden Zusatz:
„Sollten Sie die medizinische Leistung noch nicht angetreten haben, bitten wir Sie, den Zuzahlungsbetrag in der Behandlungsstätte zu entrichten. Sollten Sie die Leistung bereits beendet haben, erhalten Sie eine gesonderte Zahlungsaufforderung. Diese bitten wir abzuwarten.
Die BfA prüft nach Beendigung der Rehabilitation in jedem Falle, ob die Zuzahlung in der richtigen Höhe geleistet wurde. Fehlbeträge werden nachgefordert, zuviel gezahlte Beträge erstattet.”
Auf der Rückseite des Bescheides wird unter anderem auf den Wortlaut von § 32 SGB VI und § 40 SGB V (in der jeweils ab 1997 maßgeblichen Fassung) verwiesen; außerdem werden dort die Richtlinien der Beklagten zur Befreiung von der Zuzahlung näher erläutert.
Der Kläger legte daraufhin mit Schreiben vom 9. Juli 1997 am 10. Juli 1997 gegen „die mit dem Bescheid vom 16. Juni 1997 geforderte Zuzahlung” Widerspruch ein: Aus der mit dem Bescheid vom 13. September 1996 übersandten Übersicht ergebe sich, daß die bisherige Zuzahlungsregelung für alle 1996 gestellten Anträge weiter gelte; Umbau und Renovierung der Einrichtung in der Zeit von Oktober 1996 bis März 1997 seien im übrigen nicht von ihm zu vertreten. Unter diesen Umständen sei lediglich eine Zuzahlung von 12,00 DM kalendertäglich zu zahlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 1997 bestätigte die Beklagte daraufhin ihre Entscheidung über die Befreiung von der Zuzahlung und forderte ausgehend von dem zu Beginn der Rehabilitationsleistung maßgebenden Recht einen Zuzahlungsbetrag von insgesamt 700,00 DM (28 Tage × 25,00 DM) an.
Der Kläger hat daraufhin am 22. Oktober 1997 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. November 1998 den Bescheid vom 16. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1997 aufgehoben: Der Bescheid vom 16. Juni 1997 habe nach dem maßgeblichen Horizont des Klägers den Befreiungsantrag abgelehnt und zugleich die Zuzahlung mit 25,00 DM je Kalendertag festgesetzt. Die letztgenannte Regelung habe das Gericht aufgrund fehlender Teilbarkeit nur insgesamt aufheben können, obwohl der Beklagten nach den gemäß § 301 SGB VI maßgeblichen Bestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Zuzahlungsbetrag von 12,00 DM pro Kalendertag zustehe.
Auf die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 25. August 1999 die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den „Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1997 nur insoweit aufgehoben, als darin ein Zuzahlungsbetrag von mehr als 12,00 DM pro Tag gefordert wird”. Im übrigen hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet: Das Sozialgericht sei nicht gehindert gewesen, die angefochtenen Bescheide nur insoweit aufzuheben, als der rechtmäßige Zahlungsbetrag überschritten wurde. Die Verpflichtung zur Zuzahlung richte sich im Falle des Klägers nach § 32 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung. Dies ergebe sich nach Auffassung des Senats aus der unmittelbaren Anwendung des nach Wortlaut und Gesetzessystematik weit auszulegenden § 301 Abs 1 SGB VI und zusätzlich im Blick auf die Neufassung der §§ 143 f SGG. Bei dem in § 301 Abs 1 SGB VI einleitend Verwendung findenden Begriff „Leistungen zur Rehabilitation” handele es sich um eine Umschreibung des Sachkomplexes, so daß nicht etwa auf einzelne Bereiche der Rehabilitationsmaßnahme abgestellt werde; kämen demgemäß Rehabilitationsmaßnahmen zur Durchführung, so seien unabhängig davon, ob es etwa um deren Dauer, um Übergangsgeld oder die Frage der Zuzahlung gehe, grundsätzlich diejenigen Bestimmungen weiter anzuwenden, die im Zeitpunkt der Antragstellung gegolten hätten. Sich aufgrund dieses Normverständnisses ergebende Ungleichbehandlungen der Versicherten seien hinzunehmen. Schließlich fehle es – auch insofern entgegen der Auffassung der Beklagten – an Hinweisen darauf, daß sich § 301 Abs 1 SGB VI auf den Übergang vom AVG zum SGB VI beschränke. Offen bleiben könne, ob die Forderung einer Zuzahlung in Höhe von 25,00 DM pro Tag nicht bereits deshalb rechtswidrig sei, weil die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 13. September 1996 ausdrücklich zu einer Zuzahlung von 12,00 DM kalendertäglich verpflichtet habe, ohne diese Entscheidung wieder aufzuheben.
Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision: § 32 Abs 1 SGB VI stelle für die Auslösung der Zahlungspflicht allein auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Rehabilitationsleistung ab. Damit verbunden dürfe folgerichtig allein dieser Zeitpunkt maßgeblich sein für die Höhe der Zuzahlung, etwa bei einer zu prüfenden (teilweisen) Befreiung. Eine unmittelbare Anwendung von § 301 Abs 1 SGB VI auf den vorliegenden Sachverhalt scheide bereits vom Wortlaut her aus. Für eine analoge Anwendung fehle es an der erforderlichen Regelungslücke. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung begegne darüber hinaus Bedenken hinsichtlich der Gleichbehandlung der Versicherten und könne sich im übrigen bei einer Senkung des Zuzahlungsbetrages auch nachteilig auswirken.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. August 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. November 1998 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als in dem angefochtenen Bescheid ein Betrag von mehr als 12,00 DM täglich gefordert wird.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er schließt sich im wesentlichen der Begründung des angefochtenen Urteils an und ist darüber hinaus der Auffassung, daß die von der Beklagten vertretene Auffassung auch nicht dem Gebot der Gleichbehandlung der Versicherten hinsichtlich der Zuzahlungshöhe entspreche. Die Auffassung der Beklagten zu den Richtlinien für die Befreiung von der Zuzahlung werde im übrigen so verstanden, daß nach der Verwaltungspraxis die für den Antragsteller günstigere Lösung gewählt werde. Schließlich verkenne die Beklagte, daß § 32 SGB VI zwar keinen Bezug zu Art und Dauer der jeweiligen Rehabilitationsmaßnahme habe, die Vorschrift jedoch die Höhe der Aufwendungen des Versicherungsträgers beeinflusse und es sich im Blick hierauf um eine Bestimmung über „Leistungen zur Rehabilitation” iS von § 301 Abs 1 SGB VI handele. Ergänzend hat der Kläger auf das Urteil des 5. Senats vom 23. Februar 2000 im Rechtsstreit B 5 RJ 6/99 R und den Umstand hingewiesen, daß sich aus dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung nach der eigenen Auffassung der Beklagten in den BfA-Mitteilungen Nr 2/2000 vom 14. März 2000 nachteilige Auswirkungen nicht ergäben.
Entscheidungsgründe
II
Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte Revision der Beklagten erweist sich auch im übrigen als zulässig, sachlich jedoch in vollem Umfang unbegründet.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend die vollumfängliche Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 1997 und des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1997 durch das Sozialgericht gleichermaßen dem Gegenstand wie dem Inhalt nach begrenzt. Der Kläger hatte nämlich nach dem maßgeblichen Inhalt seines zur Entscheidung des Sozialgerichts gestellten Begehrens (§ 123 SGG) eine Aufhebung der im Klageantrag genannten Bescheide allein insofern angestrebt, als diese zum einen überhaupt die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zuzahlung ihm gegenüber betrafen und dort zum anderen dessen Höhe auf der Grundlage eines Betrages von mehr als 12,00 DM pro Kalendertag ermittelt worden war. Allerdings ohne nähere Erläuterung in den Gründen hat daher der Tenor des LSG-Urteils den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1997 der Sache nach noch hinreichend deutlich von der Aufhebung durch die erstinstanzliche Gestaltungsentscheidung ausgenommen; unabhängig von der subjektiven Wertung durch den jeweils konkreten Adressaten, die mit dem sog Empfängerhorizont als normative Erklärungsbedeutung gerade nicht notwendig übereinstimmt, beschränkt sich die damalige Ausgangsentscheidung nämlich ersichtlich auf die Entscheidung über die Befreiung von einer Zuzahlung, während sie deren Geltendmachung, Festsetzung und Leistung ausdrücklich der Zukunft vorbehält.
Mit ihrer Revision, die sich damit sinngemäß auf die Abänderung der Instanzurteile insofern beschränkt, als diese den allein einschlägigen Widerspruchsbescheid zu ihren Lasten teilweise aufgehoben haben, kann die Beklagte keinen Erfolg haben. Sie hat nämlich den noch streitigen Zuzahlungsanspruch auf der Grundlage von mehr als 12,00 DM kalendertäglich bereits nicht ordnungsgemäß durch die hierzu befugte Stelle geltend gemacht. Die Widerspruchsstelle kommt als zuständig für die Entscheidung über Grund und Höhe eines gegen den Versicherten gerichteten Anspruchs des Rehabilitationsträgers allein dann in Betracht, wenn sie auf statthaften (vgl Urteil des Senats in SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f) Widerspruch hin gesetzlich ermächtigt ist, anstelle der Ausgangsbehörde eine erneute Sachentscheidung vorzunehmen (§§ 78 Abs 1 Satz 1, 85 Abs 2 SGG). Demgegenüber ist eine ursprüngliche Zuständigkeit der Widerspruchsstelle mangels sachlicher Zuständigkeit schlechthin ausgeschlossen (vgl entsprechend zum späteren Wegfall von Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz des Widerspruchausschusses nach Erlaß eines Widerspruchsbescheides Urteil des Senats in BSGE 75, 231, 245 f). Dieser Verfahrensfehler ist iS von §§ 62 Halbsatz 2, 42 Satz 1 SGB X beachtlich und rechtfertigt bereits allein verfahrensrechtlich die Aufhebung des Widerspruchsbescheides (vgl Urteile des Senats, jeweils aaO).
Auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen Sachentscheidung ist unter diesen Umständen nicht mehr näher einzugehen; insofern wird auf die einschlägigen Entscheidungen vom heutigen Tage in den Rechtsstreitigkeiten B 4 RA 52/99 R und B 4 RA 72/99 R hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen