Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriegsopferversorgung. Ausgleichsrente. Versorgungsbezug in Kanada. Umrechnung von Einkünften nach amtlichem Devisenkurs. Rückforderung. Kenntnis oder Kennenmüssen der Unrechtmäßigkeit empfangener Leistungen. sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der Berufung. mehrere selbstständige Ansprüche

 

Orientierungssatz

1. Das der Verwaltung nach § 64 BVG idF vom 6.6.1956 bei der Versorgung von Berechtigten im Ausland eingeräumte Ermessen ist nicht fehlerhaft ausgeübt, wenn Dollar-Einkünfte einer in Kanada lebenden Versorgungsberechtigten nach dem amtlichen Devisenkurs in Deutsche Mark umgerechnet werden und eine hiernach zu Unrecht gezahlte Ausgleichsrente zurückgefordert wird (Festhaltung an BSG vom 27.7.1961 - 10 RV 1099/60 = BSGE 15, 1 = SozR Nr 2 zu § 64 BVG und vom 26.10.1961 - 10 RV 383/61 = SozR Nr 1 zu § 64 BVG).

2. Die Frage, ob die Leistungsempfängerin iS des § 47 Abs 2 KOVVfG idF vom 2.5.1955 wusste oder wissen musste, dass ihr die Leistung zur Zeit der Zahlung nicht in der bewilligten Höhe zugestanden hat, ist nicht allein danach zu beurteilen, ob sie ihrer Anzeigepflicht genügt hat oder nicht, sondern auch danach, ob sie nach ihrer Persönlichkeit und den gesamten Verhältnissen des Einzelfalles den unrechtmäßigen Empfang der Leistungen erkannt hat oder erkennen konnte (vgl BSG vom 31.7.1957 - 9 RV 372/54 = BSGE 5, 267 und vom 18.12.1958 - 9 RV 196/56 = BSGE 9, 47).

3. Betrifft die Berufung mehrere selbständige Ansprüche (hier Rückforderung und Neufeststellung der Ausgleichsrente), so ist die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels für jeden Anspruch selbständig zu prüfen (vgl BSG vom 15.12.1959 - 11 RV 868/58 = BSGE 11,167).

 

Normenkette

BVG § 64 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1956-06-06, § 62 Abs. 1 Fassung: 1956-06-06, § 41 Fassung: 1956-06-06; KOVVfG § 47 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1955-05-02, Abs. 2 Fassung: 1955-05-02; SGG § 148 Nr. 3 Fassung: 1958-06-25, Nr. 4 Fassung: 1958-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 03.11.1960)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 3. November 1960 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Neufeststellung der Ausgleichsrente wegen Änderung der Verhältnisse betrifft; im übrigen wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht Bremen zurückverwiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten sind zwei Drittel nicht zu erstatten; im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin beantragte am 11. Mai 1956 Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Am 5. August 1956 wanderte sie nach Kanada aus. Durch Bescheid vom 26. November 1956 wurde ihr bis zum 31. August 1956 die Witwenrente (Grundrente und volle Ausgleichsrente) bewilligt. Sie wurde auf den Antrag vom 15. Oktober 1956 durch Bescheid vom 6. Mai 1957 im Rahmen der Auslandsversorgung in voller Höhe weitergewährt. Am 7. Oktober 1958 gab die Klägerin an, sie erhalte vom 15. Februar 1957 an einen Arbeitsverdienst von brutto 111,--, netto 99,94 Dollar monatlich. Durch Bescheid vom 14. Oktober 1958 stellte das Versorgungsamt die Rente vom 1. März 1957 an neu fest und entzog die Ausgleichsrente, weil das nach dem amtlichen Devisenkurs in Deutsche Mark umgerechnete Einkommen der Klägerin die Einkommensgrenze von 120,-- DM monatlich überstieg. Gleichseitig forderte es die infolgedessen überzahlten Beträge in Höhe von 1.995,-- DM zurück. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Auf die Berufung der Klägerin hob das Landessozialgericht (LSG) Bremen das Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 7. Dezember 1959 sowie die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das LSG war der Auffassung, die Berufung betreffe zwar die Neufeststellung der Versorgungsbezüge wegen Änderung der Verhältnisse und damit auch die Höhe der Ausgleichsrente und wäre insoweit nach § 148 Nr. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht statthaft. Sie erstrecke sich aber auch auf die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge. Insoweit stünden ihr Ausschließungsgründe der §§ 144 ff SGG nicht entgegen. Die Klägerin habe ihrer Anzeigepflicht nicht genügt, dadurch die Überzahlung herbeigeführt und müsse die seit dem 1. März 1957 zu Unrecht gezahlte Ausgleichsrente zurückerstatten, da sie nach der ausführlichen Belehrung gewußt habe oder habe wissen müssen, daß ihr diese Rente im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht mehr in der gezahlten Höhe zugestanden habe. Die Berufung sei jedoch insofern begründet, als gegen die Berechnung der Ausgleichsrente unter Berücksichtigung des anzurechnenden sonstigen Einkommens Bedenken bestünden. Die Versorgungsverwaltung habe das ihr bei der Auslandsversorgung eingeräumte Ermessen überschritten und insbesondere gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit verstoßen, wenn sie das im Ausland erzielte sonstige - anzurechnende - Einkommen nach dem amtlichen Devisenkurs statt nach den Verhältnissen des Aufenthaltslandes berechnet habe. Die valutarische Umrechnung des im Ausland erzielten Einkommens nach Abschnitt D 3 des Erlasses des Bundesministers für Arbeit in der Fassung vom 3. Januar 1956 bewirke, daß die Bedürftigkeit nicht nach den Verhältnissen im Ausland beurteilt würde, sondern nach den Verhältnissen, die in der Bundesrepublik für die Festsetzung der Einkommensgrenze maßgebend waren. Dieser Erlaß stelle daher die Sicherung des Lebensunterhalts im Ausland in Frage. Er verstoße deshalb gegen die Grundsätze der Rechtsstattlichkeit und der Sozialstaatlichkeit. Der Bescheid vom 14. Oktober 1958, der Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1959 und das Urteil des SG seien aufzuheben, da deren Begründung die Entziehung der Ausgleichsrente und die Rückforderung nicht rechtfertigten. Über den Antrag der Klägerin, die Beklagte zur Weiterzahlung der Ausgleichsrente zu verurteilen und damit zugleich festzustellen, inwieweit der Rückforderungsanspruch unbegründet sei, entschied das LSG nicht, da die Auslandsversorgung dem Ermessen der Verwaltung überlassen sei. Die Revision wurde zugelassen.

Die Beklagte hat gegen das am 25. Januar 1961 zugestellte Urteil am 8. Februar 1961 Revision eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil des LSG vom 3. November 1960 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hat die Revision am 22. April 1961 - innerhalb der bis zum 25. April 1961 verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und ist der Ansicht, die Verwaltung habe das ihr nach § 64 BVG bei der Versorgung von Berechtigten im Ausland eingeräumte Ermessen fehlerfrei gehandhabt, wenn sie das im Ausland erzielte sonstige anrechenbare Einkommen gemäß dem Erlaß vom 3. Januar 1956 nach dem amtlichen Devisenkurs in Deutsche Mark umgerechnet und der Anrechnung die Einkommensgrenzen nach § 41 BVG zugrunde gelegt habe. Insoweit sei für die Auslandsversorgung nach § 64 BVG gesetzlich nichts anders bestimmt.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie wendet sich im wesentlichen gegen die in dem Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juli 1961 - 10 RV 1099/60 - dargelegten Gründe. Insbesondere meint sie, die Verwaltung übe ihr Ermessen fehlerhaft aus, wenn sie das im Ausland erzielte Einkommen ohne Rücksicht auf die ausländischen Lebensverhältnisse rein valutarisch umrechne und die davon betroffenen Personen dadurch im Widerspruch mit den Grundsätzen des Versorgungsrechts und der Sozialstaatlichkeit nicht vor Not bewahre. Der Automatismus der valutarischen Umrechnung verhindere eine abwägende Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles. Durch die Rechtsprechung zum Recht der Entschädigung der Opfer nationalsozialistischen Verfolgung, die den Dollar entsprechend dem Kaufkraftverhältnis in der Regel mit 1,50 DM bewertet habe, sei jedenfalls anerkannt, daß der amtliche Devisenkurs einen Vergleich mit den tatsächlichen Kosten der Lebenshaltung nicht gestatte. Auch dürfe nach § 64 Abs. 2 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes die Versorgung nur versagt werden, wenn ihrer Gewährung besondere Gründe entgegenstehen. Solche Gründe müßten im Verhalten des Berechtigten liegen und ihn einer Versorgung unwürdig erscheinen lassen. Schließlich verstoße die in den Richtlinien des BMA vorgesehene Umrechnungsweise gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

Die Revision ist statthaft nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG und, da sie auch in der gesetzlichen Frist formgerecht eingelegt und begründet worden ist, zulässig (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist auch begründet.

Das LSG hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide, insbesondere den Bescheid vom 14. Oktober 1958, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Da die Revision zugelassen und die Rechtswirksamkeit des Revisionsverfahrens von der Zulässigkeit der Berufung abhängig ist, ist vor der sachlich-rechtlichen Entscheidung von Amts wegen zu prüfen, inwieweit das LSG überhaupt in der Sache selbst hat entscheiden dürfen (BSG 1, 227, 230; 2, 225).

Das LSG hat in der Begründung des Urteils die Berufung nach § 148 Nr. 3 und Nr. 4 SGG für unzulässig erachtet, soweit sie die Neufeststellung der Versorgungsbezüge wegen Änderung der Verhältnisse und die Höhe der Ausgleichsrente betraf. Da die Berufung jedoch auch die Rückforderung der Ausgleichsrente betraf, hielt es die Berufung nach den §§ 144 ff SGG nicht für ausgeschlossen und hat das Urteil des SG sowie den angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1958 in vollem Umfange sachlich geprüft und aufgehoben. Die Ansicht des LSG kann nicht gebilligt werden. Nach § 148 SGG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGG vom 25. Juni 1958 (BGBl. I 409) ist in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung die Berufung nicht statthaft, wenn sie die Neufeststellung der Versorgungsbezüge wegen Änderung der Verhältnisse oder die Höhe der Ausgleichsrente betrifft (§ 148 Nr. 3 oder 4 SGG). Angefochten ist der durch den Widerspruchsbescheid lediglich bestätigte Bescheid des Versorgungsamtes vom 14. Oktober 1958. Dieser Bescheid besteht aus mehreren Verfügungen (vgl. BSG 9, 80, 84). In dem vorausgehenden Bescheid vom 6. Mai 1957 war die Ausgleichsrente in voller Höhe bewilligt worden, weil sonstiges anzurechnendes Einkommen nicht vorhanden war. Diese Verhältnisse hatten sich geändert, als die Klägerin vom Februar 1957 an ein Einkommen bezog. In dem Bescheid vom 14. Oktober 1958 ist daher die Ausgleichsrente nach § 62 Abs. 1 BVG neu festgestellt und die frühere Bewilligung insoweit zurückgenommen worden, als die Ausgleichsrente vom 1. März 1957 wegen des sonstigen anzurechnenden Einkommens entfiel; gleichzeitig ist auch die nach der Meinung der Beklagten infolgedessen zuviel gezahlte Ausgleichsrente in Höhe von 1.995,-- DM zurückgefordert und einbehalten worden. Mit der Berufung hat sich die Klägerin gegen diesen Bescheid - bestätigt durch das Urteil des SG - in vollem Umfange gewandt, also sowohl gegen die Neufeststellung der Ausgleichsrente als auch gegen die Rückforderung. Sie hat demnach mit ihrer Berufung zwei selbständige Ansprüche verfolgt (vgl. BSG 6, 11 ff; 11, 167 ff), nämlich die Aufhebung beider in dem Bescheid vom 14. Oktober 1958 enthaltenen Verfügungen. Betrifft die Berufung aber mehrere selbständige Ansprüche, so ist die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels für jeden Anspruch selbständig zu prüfen (vgl. BSG 11, 167 ff). Die Berufung war daher gegen das Urteil des SG hinsichtlich der Neufeststellung der Ausgleichsrente wegen Änderung der Einkommensverhältnisse nach § 148 Nr. 3 und Nr. 4 SGG nicht statthaft. Insoweit hätte sie das LSG verwerfen müssen; es durfte nicht in der Sache selbst entscheiden und den Bescheid vom 14. Oktober 1958 nicht auch insoweit aufheben, als darin die Ausgleichsrente neu festgestellt worden war.

Statthaft war dagegen die Berufung gegen das Urteil des SG hinsichtlich der in dem angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1958 angeordneten Rückerstattung der Ausgleichsrente. Insoweit durfte das LSG aber nur die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs nachprüfen. Verneinte es diese, so mußte es den Rückerstattungsbescheid aufheben, durfte aber nicht zur Erteilung eines neues Bescheides unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verurteilen. Zwar ist die Versorgung von Berechtigten im Ausland im Sinne des § 64 BVG dem Ermessen der Verwaltung überlassen, aber nicht die Erstattung der in einem solchen Fall zu Unrecht gewährten Leistungen.

Der Rückerstattungsbescheid ist rechtmäßig ergangen. Als Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung ist er nach den Grundsätzen zu beurteilen, die zur Zeit der letzten Entscheidung der Verwaltung - in diesem Falle des Widerspruchsbescheides von 1959 - gegolten haben (BSG 7. 8 ff mit weiteren Hinweisen). Nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren bei Kriegsopferversorgung ( VerwVGKOV ) in der damals geltenden Fassung sind zu Unrecht empfangene Leistungen zu erstatten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bei einer auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhenden Überzahlung kann die Rückerstattung nur dann gefordert werden, wenn der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die zu Unrecht gezahlten Beträge zur Zeit der Zahlung nicht mehr in der bewilligten Höhe zustanden, oder wenn die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse vertretbar war (§ 47 Abs. 2 VerwVGKOV a.F.) Von dieser Vorschrift ist, wie das angefochtene Urteil erkennen läßt, das LSG auch ausgegangen, ohne sie allerdings ausdrücklich zu erwähnen. Dem LSG kann nicht gefolgt werden, wenn es den Rückerstattungsbescheid schon deshalb für rechtswidrig erachtet, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1, 1. Halbsatz VerwVGKOV nicht erfüllt, nämlich die Versorgungsbezüge nicht zu Unrecht empfangen seien. In der Beziehung kann dahingestellt bleiben, ob das LSG an das mit der Berufung gemäß § 148 Nr. 3 und Nr. 4 SGG nicht anfechtbare und darum rechtskräftige Urteil des SG über die Neufeststellung der Ausgleichsrente gebunden war (vgl. BSG 11, 167), oder ob das LSG nochmals, wenn auch nur im Rahmen des Rückerstattungsanspruchs, selbständig prüfen durfte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 1961 - V C 140.60, Deutsches VerwBl 1961, 744 für das Verhältnis von Zinsforderung vor Hauptforderung), ob die Versorgungsbezüge wegen des Dollareinkommens vom 1. März 1957 an zu Unrecht empfangen waren. Selbst wenn diese Frage nochmals im Rahmen der Prüfung des Rückerstattungsanspruchs trotz des insoweit rechtskräftigen Urteils des SG geprüft werden kann, muß diese Prüfung zu dem Ergebnis führen, daß die Klägerin vom 1. März 1957 an die Ausgleichsrente zu Unrecht empfangen hat. Die Beklagte hat nämlich ihr Ermessen bei der Gewährung der Auslandsversorgung nicht fehlerhaft ausgeübt, wenn sie die in Dollar erzielten Einkünfte der in Kanada lebenden Klägerin nach dem amtlichen Devisenkurs in Deutsche Mark umgerechnet hat.

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 27. Juli 1961 - 10 RV 1099/60 - (BSG in SozR BVG § 64 Bl. Ca 2 Nr. 2) und vom 26. Oktober 1961 - 10 RV 383/61 - dargelegt hat, verstößt diese Berechnungsweise nicht gegen die Grundsätze der Rechts- und Sozialstaatlichkeit oder der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Einwendungen der Klägerin bieten keinen Anlaß, von diesen Urteilen abzuweichen, zumal sie im wesentlichen dort schon erörterte Fragen betreffen. Das Prinzip der Bedürftigkeit kann schon deshalb nicht verletzt sein, weil die Ausgleichsrente anders als früher die Elternrente nicht von der Bedürftigkeit abhängt. Das BVG läßt - für Berechtigte im Inland wie im Ausland - Leistungen über den gesetzlich zulässigen Rahmen hinaus selbst dann nicht zu, wenn im Einzelfall nur dadurch die Bedürftigkeit verhütet oder der Lebensunterhalt sichergestellt werden könnte. Die Verwaltung mißbraucht ihr Ermessen nicht, wenn sie Leistungen nur zuerkennt, soweit nach dem Gesetz und den Richtlinien ein Anspruch auf Auslandsversorgung besteht. Der Grundsatz der Sozialstaatlichkeit kann für sich allein nicht die rechtliche Grundlage für eine Auslandsversorgung bieten, welche die Höhe der nach dem BVG zulässigen Leistung überschreiten würde. Trotz dem "Automatismus" der Richtlinien können die persönlichen Verhältnisse berücksichtigt werden, wenn auch - wie immer bei Richtlinien - nur in deren Rahmen. Die in diesen Richtlinien vorgesehene Anrechnung sonstigen Einkommens in ausländischer Währung dient der gleichen Behandlung der im Ausland lebenden Versorgungsberechtigten. Wenn sich die Anrechnung nach dem Devisenkurs in einzelnen Fällen auch dahin auswirken kann, daß dieses Einkommen nicht im gleichen Maße der Befriedigung der Bedürfnisse wie in der Bundesrepublik dienen kann, so haben sich der Gesetzgeber und die Verwaltung trotzdem nicht veranlaßt gesehen, daran etwas zu ändern, obwohl die Richtlinien wiederholt, zuletzt am 24. Juli 1959, neu gefaßt worden sind. Wenn bei der Versorgung der im Ausland lebenden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung für die Berechnung von Einkünften in ausländischer Währung andere, vor allem günstigere Maßstäbe vorgesehen sind, so ist der diesem Personenkreis eingeräumte Vorzug durch die rechtlichen, sachlichen und persönlichen Unterschiede gegen - über der Auslandsversorgung nach § 64 BVG gerechtfertigt, vor allem deshalb, weil die Opfer des Nazismus überwiegend gezwungen gewesen sind, in das Ausland zu gehen. Für im Ausland lebende Versorgungsberechtigte können deshalb nicht sinngemäß die Erwägungen in Betracht kommen, die zugunsten bestimmter im Ausland lebender Personen gesetzlich eine andere Berechnungsweise des im Ausland erzielten Einkommens gerechtfertigt erscheinen ließen. Die in den Richtlinien zur Auslandsversorgung vorgesehene Berechnungsweise verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Deutschen vor dem Gesetz. Sie führt bei gleichen Voraussetzungen nicht zu ungleichen, sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen; sie gewährleistet vielmehr, daß die in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Währungssystemen und Kaufkraftverhältnissen erzielten Einkünfte bei der Umrechnung in Deutsche Mark gleich behandelt werden. Es beruht nicht auf einer Willkür, wenn in einzelnen Fällen die Versorgung dadurch beeinträchtigt würde, daß die Währung des Aufenthaltslandes verglichen mit der Kaufkraft einen ungünstigen amtlichen Devisenkurs gegenüber der DM hat.

Ist das Dollareinkommen der Klägerin - 99,74 Dollar netto - in Deutsche Mark umzurechnen, so stand der Klägerin bei diesem Einkommen - 429,-- DM -, wie das SG insoweit zutreffend in seinem Urteil ausgeführt hat, eine Ausgleichsrente vom 1. März 1957 an nach § 41 BVG in der damals vor dem Ersten Neuordnungsgesetz geltenden Fassung nicht zu.

Demnach hat die Klägerin die Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. März 1957 bis zum 30. Oktober 1958 auf jeden Fall zu Unrecht erhalten, gleichgültig, ob dieses Ergebnis aus dem rechtskräftig gewordenen Teil des Urteils des SG oder aus der nochmaligen Prüfung der Neufeststellung der Rente der Klägerin - wegen Anrechnung ihres Dollareinkommens - herzuleiten ist. Damit ist aber nur eine Voraussetzung des Rückerstattungsanspruchs erfüllt, die darin besteht, daß Leistungen zu Unrecht empfangen sind. Der Rückerstattungsanspruch hängt aber auch von anderen bereits erwähnten Voraussetzungen ab (§ 47 Abs. 2 VerwVGKOV ). Zu deren Beurteilung fehlen hier jedoch bindende Feststellungen. Zwar hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe ihrer Anzeigepflicht nicht genügt, dadurch die Überzahlung herbeigeführt und gewußt oder wissen müssen, daß ihr die Ausgleichsrente im Zeitpunkt der Zahlung jedenfalls nicht in der bewilligten Höhe zugestanden habe. Es hat aber diese Ausführungen nur beiläufig gemacht und sein Urteil nicht darauf gestützt, sie sind daher nicht als Feststellungen anzusehen, die für das Bundessozialgericht bindend wären, zumal die Klägerin nach dem für sie schon aus anderen Gründen günstigen Ausgang des Berufungsverfahrens keinen Anlaß gehabt hat, die für das Urteil nicht maßgebenden Ausführungen des LSG anzugreifen. Im übrigen genügen sie auch nicht für die nach § 47 Abs. 2 VerwVGKOV erforderliche Entscheidung, weil die Frage, ob die Klägerin wußte oder wissen mußte, daß ihr die Ausgleichsrente zur Zeit der Zahlung nicht in der bewilligten Höhe zugestanden hat, nicht allein danach zu beurteilen ist, ob sie ihrer Anzeigepflicht genügt hat oder nicht, sondern auch danach, ob sie nach ihrer Persönlichkeit und den gesamten Verhältnissen dieses Einzelfalles den unrechtmäßigen Empfang der Leistungen erkannt hat oder erkennen konnte (BSG 5, 267; 9, 47). Die Sache war daher insoweit zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324638

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