Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 29.08.1990; Aktenzeichen L 6 Ar 1558/86)

SG Wiesbaden (Urteil vom 09.09.1986)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. August 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. September 1986 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Konkursausfallgeld in Höhe von mehr als 495,20 DM verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen drei Instanzen hat die Beklagte 1/5 zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin mit einer Firmenkreditkarte getätigten Aufwendungen, für die sie vom Kreditkartenherausgeber in Anspruch genommen worden war, durch Konkursausfallgeld (Kaug) auszugleichen sind.

Die Klägerin war bis zum 31. März 1981 bei der Firma C. … GmbH zuletzt als Leiterin der Niederlassung Frankfurt am Main beschäftigt. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 8. Januar 1981 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Klägerin war eine Firmenkreditkarte der Firma Eurocard Deutschland zur Begleichung von Auslagen für Firmenzwecke zur Verfügung gestellt worden. Sie haftete nach den Geschäftsbedingungen der Firma Eurocard neben dem Hauptkarteninhaber (der früheren Arbeitgeberin) gesamtschuldnerisch für die durch die Benutzung der Karte entstandenen Verpflichtungen. Die Klägerin beglich mit der Firmenkreditkarte in der Zeit vom 7. November bis 21. Dezember 1980 ihr entstandene Aufwendungen für Übernachtungskosten und Spesen in Höhe von insgesamt 495,20 DM. Zusätzlich tätigte sie Barabhebungen in Höhe von insgesamt 1.900,– DM, um diese als Barmittel für die Kasse der Zweigniederlassung ua zur Bezahlung von kleineren Warenlieferungen und als Portokasse zu verwenden. Für die Barabhebungen entstanden 58,– DM an Gebühren.

Da die frühere Arbeitgeberin die Gesamtforderung in Höhe von 2.453,20 DM nicht ausglich, erwirkte die Firma Eurocard die Verurteilung der Klägerin in Höhe der Forderung und der Kosten für die verweigerte Einlösung des Einziehungsauftrages durch die Arbeitgeberin in Höhe von 2.801,58 DM nebst Zinsen beim Amtsgericht Wiesbaden. Die Klägerin zahlte aufgrund dieses Titels an die Firma Eurocard.

Auf ihren Antrag vom 10. Februar 1981 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit dem Bescheid vom 11. Februar 1981 für die Zeit vom 8. Oktober 1980 bis zum 7. Januar 1981 Kaug für noch ausstehende Lohnforderungen in Höhe von 3.312,86 DM. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verlangte die Klägerin weitere Leistungen in Höhe von 2.801,58 DM, da die Forderung der Firma Eurocard zu ihren Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehöre. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. März 1983). Das Sozialgericht (SG) hat der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verurteilt hat, Kaug für die getätigten Auslagen und Aufwendungen in Höhe von 2.453,20 DM zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Betrag in Höhe der geltend gemachten Forderungen stehe der Klägerin als zusätzliches Kaug zu, da es sich auch insoweit um Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung (KO) handele. Der Befreiungsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin habe sich mit der Zahlung der Klägerin in einen Aufwendungsersatzanspruch umgewandelt und werde entsprechend seiner Rechtsnatur zur Konkursforderung. Die Aufwendungen für Übernachtungskosten und sonstige Spesen seien wie jeder vom Arbeitgeber geschuldete Auslagen- und Spesenersatz zum Gegenwert für die Arbeitsleistung zu rechnen. Zum Arbeitsentgelt zähle auch die Versorgung kleinerer betrieblicher Kassen mit Bargeld, wenn diese – wie vorliegend – auf einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung beruhe, in der Größenordung mit Reisespesen vergleichbar sei und den Betrag eines Monatsgehaltes nicht übersteige.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht die Beklagte geltend, die Erstattungsforderung gegen die frühere Arbeitgeberin stelle weder einen Anspruch auf Arbeitsentgelt dar, noch falle sie in den Kaug-Zeitraum gem § 141b Abs 1 AFG.

Berücksichtigungsfähig seien nur Forderungen des Arbeitnehmers, die sich als Kehrseite einer Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellen würden. Die Gleichstellung der Hauptforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1a KO mit bestimmten Nebenforderungen gem § 62 KO sei nicht durch § 59 Abs 1 Nr 3a KO iVm § 141b Abs 2 AFG erfaßt (Hinweis auf BSG SozR 4100 § 141b Nr 35). Das Kaug habe eine Unterhaltsersatz-, nicht aber eine Entschädigungsfunktion. Die fraglichen Nebenforderungen ließen sich dem Kaug-Zeitraum nicht eindeutig zuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. August 1990 sowie des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. September 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit sie zur Zahlung von Kaug für die mit der Firmenkreditkarte getätigten Barabhebungen in Höhe von 1.900,– DM und die hierfür entstandenen Gebühren in Höhe von 58,– DM verurteilt worden ist. Insoweit war die Klage abzuweisen. Im übrigen hat die Revision keinen Erfolg.

Zutreffend sind die Vorinstanzen zunächst davon ausgegangen, daß es der Berücksichtigung bei der Berechnung des Kaug grundsätzlich nicht entgegensteht, daß die Klägerin die von ihr getätigten Auslagen mit einer Firmenkreditkarte beglichen hat. Die vorliegende Fallgestaltung ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Abwicklung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgt, sondern daß der Kreditkartenherausgeber hinzutritt (vgl zu den Rechtsbeziehungen beim Kreditkartengeschäft: Canaris, Großkomm HGB Bd III/3, 3. Aufl 1981, RdNrn 1622 ff; Eckert, Zivilrechtliche Fragen des Kreditkartengeschäfts, WM 1987, S 16 ff; Weller, Das Kreditkartenverfahren, 1986, S 61 ff; insbesondere zur Firmenkreditkarte: Canaris, aaO, RdNr 1631; Stauder/Weisensee, Das Kreditkartengeschäft, 1970, S 104 f; Weller, aaO, S 124 ff). Durch den Abschluß des Kreditkartenvertrages haftete die Klägerin neben der ehemaligen Arbeitgeberin gegenüber dem Kreditkartenherausgeber für diejenigen Forderungen, die durch die Inanspruchnahme der Firmenkreditkarte entstanden und durch den Kreditkartenherausgeber gegenüber den Vertragsfirmen beglichen worden waren. Es kann offenbleiben, ob der Klägerin bis zur Begleichung der Forderung gegenüber der Arbeitgeberin – auch nach Konkurseröffnung – lediglich ein Anspruch auf Befreiung von Verpflichtung aus der Mithaftungsklausel zustand (so BAG AP Nr 1 zu § 67 KO mit Anmerkung Weber = SAE 1976, 211 mit Anmerkung Neumann-Duesberg; vgl zum Befreiungsanspruch auch Jaeger/ Hencke, Konkursordnung, 9. Aufl 1977, § 3 RdNrn 23, 24). Der erkennende Senat neigt jedoch entgegen der vom BAG vertretenen Auffassung dazu, der Begleichung von Forderungen mittels einer Firmenkreditkarte im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander nicht die Wirkung einer Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB), sondern einer Leistung erfüllungshalber zuzumessen, so daß der arbeitsvertragliche Aufwendungsersatzanspruch als Zahlungsanspruch neben dem Befreiungsanspruch bestehen bleibt. Jedenfalls hat sich durch die Zahlung der Klägerin an die Firma Eurocard auch der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin umgewandelt.

Ob dieser Zahlungsanspruch einen Anspruch auf Kaug auslöst, beurteilt sich allein nach den Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrer ehemaligen Arbeitgeberin. Das Hinzutreten der Kreditkartenfirma bewirkt keine Änderung dieser Rechtsbeziehungen. Die Rechtsnatur der Forderungen der Arbeitnehmerin bestimmt sich weiterhin nach ihren arbeitsvertraglichen Beziehungen zum ehemaligen Arbeitgeber. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und Kreditkartenherausgeber erlangen hingegen nur dann ausnahmsweise Bedeutung, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der übernommenen Verpflichtung, insbesondere der Mithaftungsklausel (die Wirksamkeit solcher Klauseln bejahen: OLG München, NJW 1988, S 1076 – Eurocard –; OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, S 1253 – Eurocard –; verneinend: LG Bremen, NJW-RR 1989, S 1522 – Diners Club –; vgl auch Weller, aaO, S 124 ff), bestehen. Ist jedoch, wie im vorliegenden Fall, über die Verpflichtung der Klägerin rechtskräftig entschieden, so ist diese Entscheidung von der Beklagten – obwohl sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht auf sie erstreckt -unter dem Gesichtspunkt der Respektierung von Hoheitsakten anderer Staatsorgane durch die Verwaltung grundsätzlich nicht nachzuprüfen, soweit hierdurch nicht zusätzlich bekannt gewordene Tatsachen unberücksichtigt bleiben (vgl zum Umfang der Tatbestandswirkung eines arbeitsgerichtlichen Urteils BSG SozR 1500 § 141 Nr 9). Entscheidungserheblich ist also, ob der Ersatzanspruch für die von der Klägerin getätigten Aufwendungen – wie bei der Barzahlung – den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs 1 AFG zuzuordnen ist. Dies ist für die mit der Kreditkarte beglichenen Spesen zu bejahen, für die Barabhebung aber zu verneinen.

Zu den kaug-berechtigenden Ansprüchen auf Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs 1 AFG gehören nach § 141b Abs 2 AFG alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO sein können. Durch diese Formulierung wird, wie der erkennende Senat unter Hinweis auf die Zielsetzung und die historische Entwicklung der Vorschriften bereits ausführlich dargelegt hat, eine Übereinstimmung des als Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO, als bevorrechtigte Konkursforderung iS des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst a KO und auch des für das Kaug maßgeblichen Entgelts gewährleistet (BSG SozR 4100 § 141b Nr 35). Für die genannten Regelungen ist jeweils der konkursrechtliche Begriff der „Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis” maßgeblich. Dieser Begriff wiederum entspricht inhaltlich der Regelung des § 61 Nr 1 KO aF, so daß auf die zu dieser Regelung in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann (BSG SozR 4100 § 141b Nr 35; BT-Drucks 7/1750 zu Art 2 § 1 Nr 1 S 17).

Bereits unter der Geltung des § 61 KO aF entsprach es allgemeiner Auffassung, daß die Ansprüche auf „Lohn-, Kostgeld oder andere Dienstbezüge” iS der Vorschrift auch den Ersatz von Reisekosten und sonstiger Spesen als zur Ausführung der Arbeit getätigter Aufwendungen erfaßten (BAGE 17, 84, 88 f mwN; BAG AP Nr 1 zu § 67 KO). Auch nach der sprachlichen Neufassung durch das „Gesetz über das Konkursausfallgeld” vom 17. Juli 1974 (BGBl I S 1481) werden Ansprüche auf Ersatz von Reisekosten und sonstiger Spesen als „Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis” iS von § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO und als „Arbeitsentgelt” iS des Kaug-Rechts angesehen (Gagel, AFG, § 141b RdNr 10; Hess in Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand Oktober 1990, § 141b RdNr 90; Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl 1987, § 59 Anm 5 D a; Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG-Kommentar, § 141b RdNr 23). Hiervon geht auch die Beklagte in ihren Durchführungsanweisungen zu den §§ 141a bis 141n AFG aus (RdErl 111/89 abgedruckt bei Schönefelder/Kranz/Wanka, Stand Mai 1990, S 282/15). Der erkennende Senat teilt diese Beurteilung. Es muß sich nach seiner Überzeugung allerdings entweder um Auslagen handeln, welche für die eigene Person bestimmt sind und/oder die jedenfalls im direkten Zusammenhang mit der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag entstehen.

Den angefochtenen Entscheidungen und den darin in Bezug genommenen Schriftstücken ist zu entnehmen, daß die Klägerin die fraglichen Aufwendungen in Höhe von 495,– DM ausschließlich für sich selbst getätigt hat und hierzu auch durch den Arbeitsvertrag wegen ihrer Arbeitsverpflichtung berechtigt war. Die kaug-rechtliche Sicherung erstreckt sich auf diese Leistungen des Arbeitgebers, weil sie Gegenleistungen für die Arbeit des Arbeitnehmers sind (BSGE 55, 62, 63 = SozR 4100 § 141b Nr 26 und BSG SozR 4100 § 141b Nr 42 jeweils mwN). Dies schließt es, worauf die Revision zu Recht hinweist, aus, Verzugszinsen und Kosten der Geltendmachung des rückständigen Lohnes, die konkursrechtlich als Nebenforderungen in den §§ 62, 63 KO eine eigenständige Regelung erfahren haben, durch Kaug auszugleichen (BSG SozR 4100 § 141b Nr 35). Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, daß nur die Lohnforderungen in engerem Sinne den Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis iS von § 141b Abs 2 AFKG iVm § 9 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO zuzuordnen sind (BSG SozR 4100 § 141b Nr 10 S 35, 36). Auch wenn der Anspruch auf Ersatz von Reisekosten und ähnlicher Aufwendungen nicht zu den Bezügen zählt, die den unmittelbaren Gegenwert für die Arbeitsleistung darstellen, so sind sie doch mit der Erbringung der Arbeitsleistung so eng verknüpft und zudem sogar die Voraussetzung für die Erbringung der Arbeitsleistung, daß eine Erstreckung der kaug-rechtlichen Sicherung auf den Ersatzanspruch gerechtfertigt ist. Der aus dem Arbeitsvertrag folgende Aufwendungsersatzanspruch ist auch in gleicher Weise schutzwürdig. Ebenso wie die vom Arbeitnehmer im Wege der Vorleistung zur Verfügung gestellte Arbeitskraft bleiben auch die im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung getätigten Aufwendungen im Insolvenzfall ungesichert.

Zu Unrecht macht die Revision geltend, der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin für Reisekosten und sonstige Spesen lasse sich nicht dem Kaug-Zeitraum iS von § 141b Abs 1 AFG zuordnen. Ob das Arbeitsentgelt „für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses” geschuldet wird und damit dem Kaug-Zeitraum zuzuordnen ist, läßt sich nicht nach einheitlichen Maßstäben beurteilen, sondern ist für jede Arbeitsvergütung unter Berücksichtigung ihrer Eigenart besonders zu prüfen (BSGE 48, 277 = SozR 4100 § 141b Nr 12; BSG SozR 4100 § 141b Nr 29). Grundsätzlich kommt es, wie bereits in den angeführten Entscheidungen unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte dargelegt wurde, beim Anspruch auf Lohn und ähnliche Leistungen auf den Zeitraum an, in dem sie „erarbeitet” wurden. Ebenso ist für den Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich vorgeleisteter Spesen zu entscheiden, daß für die Zuordnung der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem die Aufwendungen getätigt wurden (so auch Hess in Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 141b RdNr 184). Da es Voraussetzung für die Berücksichtigung der Aufwendungen ist, daß sie in einem engen Zusammenhang zu der Arbeitsleistung selbst stehen, ist es gerechtfertigt, sie hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung wie den Lohnanspruch zu behandeln. Das Anknüpfen an einen späteren Zeitpunkt – etwa die Geltendmachung der Forderung durch den Kreditkartenherausgeber bzw die Begleichung der Forderung durch den Arbeitnehmer – würde im übrigen bei ansonsten gleichen Sachverhalten zu Zufallsergebnissen führen und widerspricht der hier vertretenen Auffassung, daß der dem Arbeitnehmer zustehende Lohnanspruch trotz des Kreditkartengeschäfts unverändert erhalten bleibt.

Nicht als Anspruch auf Arbeitsentgelt iS von § 141b AFG und damit als kaug-berechtigende Forderung des Arbeitnehmers ist hingegen – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – derjenige Ersatzanspruch der Klägerin anzusehen, der auf den Barabhebungen zur Auffüllung der Kasse der Zweigniederlassung beruht. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil dienten die Barbeträge zur Bezahlung von kleineren Warenlieferungen und als Portokasse, also zur Begleichung von gegen die ehemalige Arbeitgeberin gerichteten Forderungen. Hieraus resultierende Ersatzansprüche können schon nach dem Wortsinn nicht als „Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis” oder als „Arbeitsentgelt” angesehen werden. Auch nach den zu § 61 KO aF entwickelten Grundsätzen wurden die Ansprüche aus der Gewährung von Darlehen an den Arbeitgeber oder aus der Begleichung seiner Rechnungen nicht zu den bevorrechtigten Ansprüchen auf Dienstbezüge gezählt (BAG KTS 1967, S 229, 231; Jaeger, KO, 8. Aufl 1958, § 61 RdNr 16; Mentzel/Kuhn/

Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl 1979, RdNr 45 zu § 61 KO nF).

Darüber hinaus widerspräche ihre Einbeziehung der Zielsetzung und dem System der Sicherung rückständiger Lohnansprüche durch die §§ 141a ff AFG. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung des Kaug vorrangig das Ziel, rückständige Lohnansprüche bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sozialversicherungsrechtlich durch die Schaffung einer neuen Lohnersatzleistung zu sichern (Teil A der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über das Konkursausfallgeld, BT-Drucks 7/1750 S 10). Damit dient das Kaug dem Schutz des Arbeitnehmers, in dem es gegen das Risiko absichert, das ihm durch die Vorleistung seiner Arbeitskraft entsteht. Dieser Konzeption der Kaug-Versicherung widerspräche es, deren Mittel im Ergebnis zur Kreditbeschaffung für den Arbeitgeber zu verwenden. Hierbei ist es im Ergebnis unerheblich, ob die Forderungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf der Gewährung eines Darlehens, einem Bürgschaftsversprechen oder der Mithaftungsklausel einer Firmenkreditkarte beruhen.

Der erkennende Senat verkennt nicht, daß – wie die vorliegende Fallgestaltung zeigt – dem Inhaber einer Firmenkreditkarte im Insolvenzfall ein erhebliches finanzielles Risiko aufgebürdet wird. Ein lückenloser sozialversicherungsrechtlicher Schutz ist jedoch nach den derzeit geltenden Regelungen nicht zu erreichen. Es entspricht einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers bei der Schaffung des Kaug, den Schutz des Arbeitnehmers nicht auf sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu erstrecken, sondern diesen auf die Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu begrenzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 228

NZA 1992, 329

ZIP 1992, 347

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