Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Eingliederungsbeihilfe. Ermessensleistung. Versäumung der Antragsfrist auf Eingliederungsbeihilfe. Kausalität zwischen Einstellung des Arbeitsuchenden nach Eingliederungsbeihilfe

 

Orientierungssatz

1. Die Antragsregelung des FdAAnO § 4 Abs 1 und 2 entspricht dem Grundgedanken und Charakter des AFG § 54 Abs 1 und überschreitet nicht die Grenzen der Ermächtigung am AFG § 54 Abs 2.

2. Die Eingliederungsbeihilfe soll für Arbeitgeber einen Anreiz zur Einstellung schwer vermittelbarer Arbeitsuchender bieten. Diese Zweckbestimmung der Eingliederungsbeihilfe, nämlich den Arbeitgeber zur Einstellung eines schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden zu motivieren, läßt die Gewährung der Eingliederungsbeihilfe in der Regel dann nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen, wenn der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitsuchenden bereits von sich aus, dh aus anderen Motiven eingestellt hat. Eine Subventionierung von Arbeitsplätzen, die der Arbeitgeber unabhängig von dem Anreiz der Eingliederungsbeihilfe bereits mit bisher schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden besetzt hat, ist mit AFG § 54 nicht beabsichtigt (vgl BSG vom 1979-06-19 7 RAr 2/78 = SozR 4100 § 54 Nr 1).

3. Ein begründeter Einzelfall iS von FdAAnO § 4 Abs 2 S 1 liegt vor, wenn trotz verspäteter Antragstellung die Grundvoraussetzung des AFG § 54 erhalten bleibt, nämlich die Kausalität zwischen der Gewährung der Eingliederungsbeihilfe und der Einstellung des Arbeitsuchenden iS von AFG § 54. Letzteres setzt nach dem Zweck des AFG § 54 voraus, daß auch in diesen Fällen die Einstellung nur oder jedenfalls wesentlich mit Rücksicht auf die zu erwartende Eingliederungsbeihilfe erfolgt ist.

 

Normenkette

AFG § 54 Abs 1 Fassung: 1975-12-18; FdAAnO § 4 Abs 1 S 1 Fassung: 1969-12-18; FdAAnO § 4 Abs 2 S 1 Fassung: 1969-12-18; AFG § 54 Abs 2 Fassung: 1969-06-25; FdAAnO § 28

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.03.1979; Aktenzeichen L 1 Ar 51/78)

SG Koblenz (Entscheidung vom 16.06.1978; Aktenzeichen S 3 Ar 282/77)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Eingliederungsbeihilfe nach § 54 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).

Der als Schwerbehinderter anerkannte Kläger ist selbständiger Steuerberater. Ab 1. März 1977 stellte er die 1928 geborene Katharina M als Büroangestellte in seinen Betrieb ein, wobei eine Arbeitszeit von wöchentlich 30 Stunden vereinbart wurde. Frau M hatte mit krankheitsbedingter Unterbrechung von Anfang 1976 bis Mitte Januar 1977 Arbeitslosengeld (Alg) bezogen, war aber bereits vor dem 1. März 1977 aushilfsweise für wöchentlich 12 Stunden beim Kläger beschäftigt gewesen. Wegen der Betreuung ihres schwerbehinderten Ehemannes kann sie keine Vollbeschäftigung ausüben. Zahlreiche Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes während ihrer Arbeitslosigkeit sind ohne Erfolg geblieben.

Am 29. März 1977 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt die Gewährung von Eingliederungsbeihilfe für Katharina M in Höhe von 80 vH des ortsüblichen Arbeitsentgeltes von 1.000,-- DM für insgesamt 24 Monate. Die Beklagte lehnte den Antrag als verspätet ab (Bescheid vom 28. Juni 1977; Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1977). Nach § 4 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die Förderung der Arbeitsaufnahme vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970 S 90 - FdA-AO -) sei der Antrag vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zu stellen, dessen Förderung begehrt werde. Ein begründeter Einzelfall iS von § 4 Abs 2 FdA-AO liege nicht vor.

Durch Urteil vom 16. Juni 1978 hat das Sozialgericht (SG) Koblenz die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hiergegen hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 19. März 1979 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch richte sich nach § 54 AFG in der seit 1. Januar 1976 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113). Die Gewährung von Eingliederungsbeihilfe stehe danach im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die Versagung der Leistung könne von den Gerichten nur daraufhin geprüft werden, ob eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmißbrauch iS von § 54 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorliege. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Es sei insbesondere nicht ermessensfehlerhaft, daß sich die Beklagte auf die verspätete Antragstellung des Klägers berufe. Die Eingliederungsbeihilfe nach § 54 AFG solle dazu beitragen, daß Arbeitsuchenden, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, ein angemessener Arbeitsplatz vermittelt werden könne. Die Leistungsgewährung setze deshalb einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zur beruflichen Eingliederung voraus. Sie könne deshalb nicht dann nachträglich erfolgen, wenn der Arbeitgeber einen schwer zu vermittelnden Arbeitsuchenden nicht zum Zwecke der beruflichen Eingliederung oder im Hinblick auf die erwartete Beihilfe, sondern ausschließlich aufgrund von Erwägungen eingestellt habe, die außerhalb des Förderungszweckes liegen. Die Eingliederungsbeihilfe solle Arbeitgebern einen finanziellen Anreiz bieten, Arbeitsuchende einzustellen, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erschwert ist. Eine Subventionierung bestehender Arbeitsverhältnisse solcher Personen sei damit aber weder beabsichtigt noch sei sie zulässig. Die Beklagte fordere deshalb zu Recht, daß die Gewährung von Eingliederungsbeihilfen vor der Einstellung zu beantragen sei, wie sie es in § 4 Abs 1 FdA-AO geregelt habe.

Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Eingliederungsbeihilfe auch dann hätte versagt werden können, wenn der Kläger sie rechtzeitig beantragt hätte. Die Berufung auf die verspätete Antragstellung sei jedenfalls dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Arbeitgeber die Einstellung in Unkenntnis einer etwaigen Förderungsmöglichkeit bereits vorgenommen und dabei eine sonst schwer zu vermittelnde Arbeitskraft eingestellt habe, weil sie bereits vorher aushilfsweise bei ihm tätig war. Nach seinem eigenen Vorbringen sei der Kläger Anfang März 1977 aus persönlichen und betrieblichen Gründen wegen seines Gesundheitszustandes und des Umfangs der in seiner Praxis zu erledigenden Arbeiten gezwungen gewesen, eine zusätzliche Hilfskraft einzustellen. Die Aushilfstätigkeit von Frau M im bisherigen Umfang habe nicht mehr zur Aufrechterhaltung des Betriebes genügt. Es habe daher nahe gelegen, diese eingearbeitete Kraft zu behalten und nur den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit auszuweiten. Das habe der Kläger nach seinen eigenen Angaben getan, ohne von einer Förderungsmöglichkeit bei Einstellung von Frau M etwas zu wissen. Als er die Eingliederungsbeihilfe etwa einen Monat später beantragt habe, konnte diese ihren Zweck, die berufliche Eingliederung von Frau M zu fördern, nicht mehr erfüllen. Frau M sei bereits eingestellt gewesen; ihr habe auch keine alsbaldige Entlassung gedroht. Die Gewährung der Beihilfe hätte zu diesem Zeitpunkt nur noch zu einer unzulässigen Subventionierung des bestehenden Arbeitsverhältnisses führen können. Daran ändere auch die Regelung in § 4 Abs 2 FdA-AO nichts, wonach verspätete Anträge in begründeten Einzelfällen zu berücksichtigen seien. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift Anwendung finde, wenn der Antragsteller die Verspätung nicht verschuldet habe. Darauf komme es im vorliegenden Fall nämlich deshalb nicht an, weil feststehe, daß der Kläger Frau M ausschließlich in seinem Interesse einstellen wollte und eingestellt hat, ohne ihre Beschäftigung von der Gewährung einer Eingliederungsbeihilfe abhängig zu machen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 54 Abs 1 und 2 AFG und von § 4 FdA-AO. Er trägt im wesentlichen vor: Das LSG hätte bei richtiger Anwendung des § 54 AFG iVm § 4 FdA-AO dem Klageantrag stattgeben müssen. Es habe übersehen, daß der Kläger durch den iS von § 4 Abs 2 FdA-AO fristgerecht gestellten Antrag die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Leistung erfüllt habe. Nach dieser Vorschrift sei die Antragsfrist in begründeten Einzelfällen zu verlängern, um unbillige Härten zu vermeiden. Daraus sei zu schließen, daß bei Einhaltung der Frist des § 4 Abs 2 FdA-AO eine unbillige Härte noch nicht vorliegen müsse, sondern daß der Kläger lediglich darlegen und beweisen müsse, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, vor der Einstellung der betreffenden Person einen entsprechenden Antrag gemäß § 4 Abs 1 FdA-AO zu stellen. Wegen der besonderen Umstände in der Person des Klägers sei ein Fall des § 4 Abs 2 FdA-AO gegeben gewesen. Der Kläger habe aufgrund seines Gesundheitszustandes und seiner hieraus resultierenden außergewöhnlichen Belastungen die Frist versäumt. Allein die Tatsache, daß der Kläger aufgrund seiner Krankheit, die so erheblich gewesen sei, daß ihm eine 100 %ige Schwerbehinderung attestiert wurde, nicht in der Lage war, den Antrag rechtzeitig zu stellen, rechtfertige bereits den begründeten Einzelfall iS von § 4 Abs 2 FdA-AO. Darüber hinaus sei darauf zu verweisen, daß der Kläger im Jahre 1976 einen Herzinfarkt erlitten habe, so daß er hieraus resultierend Anfang 1977 noch so geschwächt gewesen sei, daß er seiner Arbeit nur in beschränktem Umfange habe nachgehen können. Im übrigen sei zu beachten, daß die Beklagte regelmäßig bei schwer vermittelbaren Arbeitnehmern die Arbeitgeber darüber aufkläre, daß entsprechende Anträge gestellt würden. Dies sei im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erfolgt, weil der Kläger die Dienste der Beklagten nicht in Anspruch genommen habe. Für die Frage der Anwendung des § 4 Abs 2 FdA-AO komme es nicht auf die Auffassung des LSG, die im übrigen irrig sei, an, ob der Kläger Frau M ausschließlich in seinem eigenen Interesse habe einstellen wollen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz

vom 16. Juni 1978 sowie die angefochtenen Bescheide

aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter

Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut

über die streitige Eingliederungsbeihilfe zu

entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich zunächst auf die ihrer Meinung nach zutreffende Entscheidung des LSG. Ergänzend führt sie aus: Die auf die Fristverlängerung nach § 4 Abs 2 FdA-AO gerichteten Einwendungen des Klägers gegen die Versagung der Eingliederungsbeihilfe seien schon deshalb unbeachtlich, da selbst ein vor der Arbeitsaufnahme gestellter Antrag des Klägers nicht zum Erfolg geführt hätte. Die Eingliederungsbeihilfe nach § 54 AFG sei ein motivationsschaffendes Vermittlungsinstrument zur Erreichung der Arbeitsaufnahme bzw der Einstellung von Arbeitsuchenden iS des § 54 AFG. Die Eingliederungsbeihilfe habe weder den Sinn, eine anfängliche Leistungsminderung des vom Arbeitgeber eingestellten schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden auszugleichen, noch solle sie anfängliche Aufwendungen des Arbeitgebers zur schrittweisen Eingliederung des Arbeitnehmers erleichtern. Vielmehr solle sie lediglich die Einstellungsbereitschaft des Arbeitgebers fördern. Infolgedessen könne eine Gewährung dann nicht in Betracht kommen, wenn die Einstellung eines ansonsten schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden ohne Vermittlung des Arbeitsamtes zustande komme. Dies sei hier der Fall. Der Kläger habe Frau M ohne Einschaltung des Arbeitsamtes eingestellt, weil er diese aufgrund ihrer aushilfsweisen Tätigkeit bereits gekannt habe. Er habe die bei ihm offene Stelle für eine Büroangestellte dem Arbeitsamt auch nicht gemeldet, weil er von vornherein eine bestimmte Person als Arbeitnehmerin im Auge gehabt habe. In diesem Falle habe es somit überhaupt keines finanziellen Anreizes mehr bedurft. Infolgedessen sei der Anspruch auch nicht begründet.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die angefochtenen Verwaltungsakte nicht rechtswidrig sind.

Für die Ablehnung der vom Kläger beantragten Eingliederungsbeihilfe stützt sich die Beklagte zu Recht auf die Regelungen des § 54 AFG in der seit 1. Januar 1976 geltenden Fassung des HStruktG-AFG iVm den Vorschriften der FdA-AO vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 90) idF vom 29. März 1974 (ANBA S 597). Nach § 54 Abs 1 AFG kann die BA Arbeitgebern zur beruflichen Eingliederung von Arbeitsuchenden, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erschwert ist, Darlehen oder Zuschüsse gewähren. Diese Leistungen sollen in der Regel 60 vH des tariflichen bzw ortsüblichen Entgelts nicht übersteigen und nicht länger als zwei Jahre gewährt werden. Nach § 54 Abs 2 AFG kann die BA zur Durchführung des Absatzes 1 durch Anordnung das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der  Förderung bestimmen. Die Beklagte hat von dieser Ermächtigung im Rahmen der oa FdA-AO Gebrauch gemacht.

Vorliegend hat sich die Beklagte für die Ablehnung des Antrages auf § 4 FdA-AO gestützt. Bei dieser Anordnung handelt es sich um Satzungsrecht, dessen Inhalt die Gerichte bindet, wenn es mit dem Gesetz, insbesondere der Ermächtigungsnorm in Einklang steht (vgl BSGE 35, 164 = SozR Nr 1 zu § 40; BSGE 35, 262 = SozR Nr 1 zu § 21 AFuU; BSGE 36, 1 = SozR Nr 1 zu § 47 AFG; BSGE 41, 193 = SozR 4100 § 39 Nr 7; vgl ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Hennig/Kühl/Heuer, Komm 2 AFG, Anm 2 zu § 39). Das ist, soweit es um die hier maßgeblichen Vorschriften der FdA-AO geht, der Fall. Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Anm 2 zu § 39). Das ist, soweit es Die Regelung des § 4 FdA-AO, die als Teil der Allgemeinen Vorschriften der Anordnung auch für die Eingliederungsbeihilfe gemäß §§ 28 ff FdA-AO gilt und auf die es hier ankommt, ist nicht zu beanstanden. Nach Abs 1 dieser Vorschrift werden Leistungen auf Antrag gewährt, der vor Eintritt des Ereignisses zu stellen ist, das die Gewährung der Leistung begründet. Das bedeutet für die Eingliederungsbeihilfe, daß der Arbeitgeber sein Begehren auf diese Leistung (§ 54 Abs 1 Satz 1 AFG) grundsätzlich vor der Einstellung des Arbeitnehmers zu erheben hat; denn als Zuschuß oder Darlehen zum Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, dessen Einstellung erfolgen soll (§ 54 Abs 1 Satz 2 AFG), kann die Eingliederungsbeihilfe frühestens ab dem Zeitpunkt einsetzen, ab dem entsprechende Leistungspflichten des Arbeitgebers entstehen. Der Anordnungsgeber war befugt, den rechtzeitigen Antrag als Voraussetzung der Eingliederungsbeihilfe zu verlangen. Die Beklagte ist nämlich ausdrücklich ermächtigt worden, ua das Nähere über Voraussetzungen der Förderung zu bestimmen (§ 54 Abs 2 AFG).

Die Antragsregelung des § 4 Abs 1 Satz 1 FdA-AO entspricht dem Grundgedanken des § 54 AFG. Die Vorschrift wurde dem § 132 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) nachgebildet (vgl BT-Drucks V/2291 S 70 zu § 57 Abs 1) und soll - ähnlich wie jener - für Arbeitgeber einen Anreiz zur Einstellung schwer vermittelbarer Arbeitsuchender bieten (vgl BT-Drucks V/2291 aaO; ferner Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, RdNr 1 zu § 132; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm 2 AFG, RdNr 2 zu § 54). Das LSG hat zutreffend darauf abgestellt, daß nach diesem Zweck zwischen der Eingliederungsbeihilfe und der Einstellung des Arbeitsuchenden ein Kausalzusammenhang bestehen muß; denn jene soll zur beruflichen Eingliederung des Arbeitslosen gewährt werden. Diese Zweckbestimmung der Eingliederungsbeihilfe, nämlich den Arbeitgeber zur Einstellung eines schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden zu motivieren, wird auch in den Regelungen der §§ 28 ff FdA-AO deutlich. Sie läßt die Gewährung der Eingliederungsbeihilfe in der Regel dann nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen, wenn der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitsuchenden bereits von sich aus, dh aus anderen Motiven eingestellt hat. Eine Subventionierung von Arbeitsplätzen, die der Arbeitgeber unabhängig von dem Anreiz der Eingliederungsbeihilfe bereits mit bisher schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden besetzt hat, ist mit § 54 AFG nicht beabsichtigt (vgl BSG vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 2/78 - demnächst veröffentlicht in SozR 4100 § 54 Nr 1).

Wenn die Beklagte in § 4 Abs 1 Satz 2 FdA-AO geregelt hat, daß der Antrag auf die Eingliederungsbeihilfe vor der Einstellung des Arbeitnehmers zu stellen ist, das ist spätestens der Zeitpunkt des vereinbarten Arbeitsbeginns, so hat sie die Grenzen ihrer Ermächtigung aus § 54 Abs 2 AFG nicht überschritten; der rechtzeitig gestellte Antrag gewährleistet, daß die Förderungsmittel dem oa Zweck, für den sie bestimmt sind, zugute kommen. Die Berufung der Beklagten auf die Versäumung dieser Antragsfrist durch den Kläger ist daher nicht zu beanstanden.

Etwas anderes gilt auch nicht in Bezug auf die Regelung in § 4 Abs 2 FdA-AO, auf die sich der Kläger beruft. Danach kann der Antrag in begründeten Einzelfällen noch innerhalb eines Monats nach dem Eintritt des Ereignisses (iS von Abs 1) nachgeholt und die Leistung entsprechend rückwirkend gewährt werden. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Beklagte die Anwendung dieser Vorschrift zugunsten des Klägers abgelehnt hat. § 4 Abs 2 FdA-AO ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Sie entspricht insoweit dem Charakter der Regelung in § 54 Abs 1 AFG, nach der auf die Eingliederungsbeihilfe von Gesetzes wegen kein Rechtsanspruch besteht. Ihre Gewährung hängt, wie die Verwendung des Wortes "kann" im Gesetzestext zeigt, vom pflichtgemäß ausgeübten Ermessen der Beklagten ab (vgl Urteil des Senats vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 2/78 - aaO; ferner Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, RdNr 1 zu § 54 iVm RdNrn 1, 10 zu § 53; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Anm 1 zu § 54; Gagel/Jülicher, Arbeitsförderungsgesetz, RdNr 2 zu § 54 iVm RdNrn 1 - 3 zu § 53; Siegers, Schriften zur Arbeitsrechtsblattei, Band 7, Arbeits-Förderung, 5. Kapitel, I 1) e) - S 137 -; Krebs, Komm zu AFG RdNr 1 zu § 54). Die Kontrolle des Gerichts beschränkt sich, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, in diesen Fällen darauf, ob die Verwaltungsbehörde bei der Anwendung der Kannbestimmung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum eingehalten hat oder nicht, mithin darauf, ob ein Ermessensfehlgebrauch oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt (vgl BSG vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 2/78 - aaO; s auch § 54 Abs 2 Satz 2 SGG, § 39 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - vom 11. Dezember 1975 - BGBl I 30/5 - SGB 1; BSGE 31, 258, 259). Insbesondere darf das Gericht nicht seine Einschätzung über eine sachgerechte Behandlung des Falles, also sein Ermessen, an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen.

Vorliegend ist nicht zu erkennen, daß die Beklagte bei der Anwendung des § 4 Abs 2 FdA-AO einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmißbrauch begangen hätte. Das LSG hat unwidersprochen festgestellt (§ 163 SGG), daß der Kläger Frau M aus persönlichen und betrieblichen Gründen ab 1. März 1977 in seinen Betrieb eingestellt hatte, nachdem diese bereits vorher aushilfsweise bei ihm beschäftigt war. Die Einstellung erfolgte zu diesem Zeitpunkt ohne Rücksicht auf die Möglichkeit der Eingliederungsbeihilfe; denn der Kläger hatte davon (noch) gar keine Kenntnis. Hatte der verspätete Antrag des Klägers aber nicht zum Ziel, die berufliche Eingliederung der Frau M in Form der Einstellung in seinen Betrieb durch die Gewährung der Eingliederungsbeihilfe überhaupt erst herbeizuführen und zu ermöglichen, konnte er damit die Absicht des § 54 AFG auch nicht verwirklichen. In der Tat hätte die Eingliederungsbeihilfe in diesem Falle nur den nicht gewollten Charakter eines Lohnkostenzuschusses für einen auch ohne die Beihilfe beschäftigten (eingestellten) Arbeitnehmer. Infolgedessen ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte im Falle des Klägers einen begründeten Einzelfall für die Gewährung von Nachsicht wegen der verspäteten Antragstellung iS von § 4 Abs 2 FdA-AO verneinte, weil ein solcher "Einzelfall" nur vorliege, wenn trotz verspäteter Antragstellung die Grundvoraussetzung des § 54 AFG erhalten bleibt, nämlich die Kausalität zwischen der Gewährung der Eingliederungsbeihilfe und der Einstellung des Arbeitsuchenden iS von § 54 AFG. Letzteres setzt nach dem Zweck des § 54 AFG voraus, daß auch in diesen Fällen die Einstellung nur oder jedenfalls wesentlich mit Rücksicht auf die zu erwartende Eingliederungsbeihilfe erfolgt ist, lediglich die Antragsfrist versäumt wurde. Dieses war hier, wie das LSG festgestellt hat, jedoch nicht der Fall. Dem LSG ist darin beizupflichten, daß es dann nicht (mehr) darauf ankommt, ob den Antragsteller an der Versäumung der Antragsfrist ein Verschulden trifft oder nicht. Insoweit kann sich der Kläger nicht auf die Entscheidung des Senats vom 1. Dezember 1976 - 7 RAr 117/75 - (AuB 1977, 158) berufen. Diese Entscheidung betraf einen Anspruch nach § 57 AFG idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation -RehaAnglG- vom 7. August 1974 (BGBl I 1881), wonach die BA geeignete Maßnahmen zur Eingliederung Behinderter zu treffen hat, soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist. Hinsichtlich des notwendigen Antrags auf derartige Leistungen sah § 68 Abs 2 der Anordnung der Beklagten über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Juli 1970 (ANBA 1970, 637 -AReha-) zwar in vergleichbarer Weise die Berücksichtigung verspäteter Anträge vor wie § 4 Abs 2 FdA-AO. Abgesehen davon, daß es sich hierbei um Rechtsansprüche handelte (vgl BSGE 42,5 = SozR 4100 § 57 Nr 3), liegt den Reha-Maßnahmen des § 57 AFG und dem dort aufgestellten Erfordernis des rechtzeitig gestellten Antrags jedoch eine andere Zweckbestimmung zugrunde, als den Leistungen nach § 54 AFG. Infolgedessen konnte der Senat in der oa Entscheidung die schuldlose Unkenntnis des Antragstellers von seinem Antragsrecht auch als einen begründeten Einzelfall zur Nachsichtgewährung iS von § 68 Abs 2 AReha werten; denn auf die Zweckbestimmung der Maßnahme - behinderungsbedingte Anschaffung eines Pkw für die Fahrt zum Arbeitsplatz - hatte der fehlende rechtzeitige Antrag keinen Einfluß (vgl hierzu auch die Entscheidung des Senats vom 15. November 1979 - 7 RAr 6/79 - SozR 4100 § 56 Nr 8).

Nach allem ist die Auffassung des LSG zu bestätigen, daß die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht auf einer Überschreitung von Ermessensgrenzen oder gar auf einem Ermessensmißbrauch beruht. Die Revision des Klägers kann folglich keinen Erfolg haben und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655089

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