Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.10.1981)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1981 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Vormerkung von Ausfallzeiten.

Die Klägerin hat in den Jahren 1952 bis 1954 drei Volontärzeiten von insgesamt 18 1/2 Monaten zurückgelegt. Sie wurde unter deren Berücksichtigung iS einer mehrjährigen praktischen Tätigkeit zur Kaufmannsgehilfenprüfung im Schuhwarenhandel zugelassen und erwarb im April 1956 den Kaufmannsgehilfenbrief.

Im Kontenklärungsverfahren lehnte die Beklagte die Vormerkung der drei Volontärzeiten als Lehrzeit iS des § 36 Abs. 1 Satz 1 Ziff 4 Buchst a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ab (Bescheid vom 4. Oktober 1979; Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1980). Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts –SG– vom 13. März 1981; Urteil des Landessozialgerichts –LSG– vom 13. Oktober 1981). Das LSG meint, Volontärzeiten seien keine Lehrzeit iS des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst a AVG. Sie könnten auch nicht in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung einer Lehrzeit gleichgestellt werden. Unerheblich sei, daß die Klägerin die Kaufmanns-Gehilfenprüfung erfolgreich abgelegt habe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst a AVG. Die Ausbildungszeit sei erheblich intensiver und stoffbeladener gewesen als eine normale Lehrzeit. Die Klägerin habe neben den Volontärzeiten von 18 1/2 Monaten noch berufsbildende Schulen besucht und ihre Ausbildung habe insgesamt knapp 4 Jahre gedauert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile sowie der ablehnenden Bescheide zu verurteilen, die Zeiten vom

1.6.1952 bis 31.12.1952,

15.10.1953 bis 31.3.1954,

1.5.1954 bis 31.10.1954

als Ausfallzeiten vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.

Der Ausfallzeittatbestand einer „abgeschlossenen nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit” im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst a AVG idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (BVÄndG) vom 9. Juni 1965 ist nicht erfüllt, wie die Beklagte und die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben. Es fehlt schon an der Voraussetzung einer abgeschlossenen Lehrzeit. Die Klägerin hat zwar die Gehilfenprüfung (Lehrabschlußprüfung) abgelegt; sie war zur Prüfung aber nicht aufgrund der vorgeschriebenen Ausbildungszeit, sondern aufgrund mehrjähriger praktischer Tätigkeit zugelassen worden. Das Gesetz verlangt die Lehrabschlußprüfung und die Lehrzeit nebeneinander. Der Lehrabschluß allein genügt nicht. Dementsprechend hat der erkennende Senat zum Ausfallzeittatbestand einer abgeschlossenen Fachschulausbildung bereits entschieden, daß die Gleichstellung des Absolventen einer nicht abgeschlossenen Hochschulausbildung mit den Absolventen einer abgeschlossenen Fachschulausbildung zum Katecheten (Religionslehrer) durch das Bischöfliche Ordinariat eine Anrechnung als Ausfallzeit nicht rechtfertige (Urteil vom 18. März 1982 – 11 RA 32/81 –).

Der damit neben der Lehrabschlußprüfung erforderliche Tatbestand einer Lehrzeit wird durch die Volontärzeiten nicht erfüllt. Lehrling im Sinne des bis zum Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 geltenden Rechts war, wer für einen Ausbildungsberuf in Handwerk, Industrie und Verwaltung die vor Ablegung der Gesellen- oder Gehilfenprüfung vorgeschriebene Ausbildung zurücklegte. Nach dem BBiG grenzt sich das Volontariat von der Lehrzeit unter anderem dadurch ab, daß es keine breit angelegte, länger dauernde Ausbildung zu einem anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzt, §§ 1 Abs. 2 und 19 BBiG (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 33). Dabei genügt nicht, daß der Beschäftigte selbst eine umfangreiche Ausbildung anstrebt, auch wenn diese tatsächlich erreicht wird; erforderlich ist vielmehr eine entsprechende Ausbildungsverpflichtung des Arbeitgebers. Da es hieran fehlt, kann es für die Annahme eines Lehrverhältnisses nicht genügen, daß die Klägerin selbst unter Einbeziehung des Besuches berufsbildender Schulen eine umfassende Ausbildung erstrebte und ausweislich der abgelegten Gehilfenprüfung auch erreichte. Daß die Volontärzeiten auch in Ansehung des BBiG nicht einer Lehrzeit gleichgestellt werden können, bestätigt der Kaufmannsgehilfenbrief, in dem die Worte „hat bei …. eine kaufmännische Lehre durchgemacht” ausgestrichen und durch die Worte ersetzt wurden „wurde aufgrund mehrjähriger praktischer Tätigkeit zur Kaufmannsgehilfenprüfung im Schuhwarenhandel zugelassen”.

Der gesetzliche Ausfallzeittatbestand einer Lehrzeit kann auf die von der Klägerin zurückgelegten Volontärzeiten auch nicht entsprechend angewandt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat schon wiederholt entschieden, daß eine entsprechende Anwendung auf andere Ausbildungszeiten nicht statthaft ist, da der Gesetzgeber nur die typische Lehrlingsausbildung habe erfassen wollen und bewußt davon abgesehen habe, alle zu einem Beitragsausfall führenden Ausbildungszeiten als Ausfallzeit anzuerkennen (Urteil des 1. Senats in SozSich 1977, 122 zur Katasterzivilanwärterdienstzeit; Urteil des erkennenden Senats SozR 2200 § 1259 Nr. 22 zur Lotsenkandidatenzeit). Nicht als Lehrzeit anerkannt wurden insbesondere Praktikantenzeiten (SozR Nr. 40 und 47 zu § 1259 RVO) und Volontärzeiten (SozEntsch BSG 6 § 36 Nr. 34; SozR 2200 § 1259 Nr. 33).

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Für sie spricht auch die im Gesetz verwandte Formulierung einer „nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit”. Mit dieser Wortverbindung knüpft der Gesetzgeber an die frühere Regelung an, nach der Lehrverhältnisse ohne Entgelt nicht versicherungspflichtig und solche ohne Barlohn, aber mit Kost und Logis versicherungsfrei gewesen waren (SozR 2200 § 1259 Nr. 37; vgl. auch stenografischer Bericht über die 176. Sitzung des BT am 1. April 1965, S 8863 D, Abgeordneter Becker und BT-Drucks IV/3272 S 2/3). Ist aber der Begriff der Lehrzeit im Sinne des Ausfallzeittatbestandes wie im Sinne der Regelung der Versicherungspflicht zu sehen, so kann es auf den erst später sichtbar werdenden Umfang der Gesamtausbildung und die spätere Zulassung zur Prüfung nicht ankommen.

Überdies wäre ein Anspruch auf Vormerkung auch dann zu verneinen, wenn die Klägerin in den streitigen Zeiten die Voraussetzungen einer abgeschlossenen Lehrzeit erfüllt hätte. Denn dann würde es an der weiteren Voraussetzung fehlen, daß diese Lehrzeit „nicht versicherungspflichtig oder versicherungsfrei” gewesen wäre. Zwar war eine Lehre ohne Entgelt nach dem vor Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 für Angestelltenberufe geltenden § 1 Abs. 3 AVG idF des Gesetzes vom 23. Dezember 1936 (RGBl I, 1128), iVm § 9 AVG, im übrigen nach § 1226 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 RVO iVm § 1227 RVO jeweils idF der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1924 (RGBl I, 770) nicht versicherungspflichtig und eine Lehre nur gegen freien Unterhalt versicherungsfrei; mit dem Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung wurden Lehrlinge jedoch schlechthin, dh auch ohne Entgelt versicherungspflichtig, was eine Anrechnung als Ausfallzeit ausschließt. Die Vereinfachungsverordnung ist spätestens am 7. September 1949 im gesamten Bundesgebiet in Kraft getreten (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 50), so daß die Klägerin als Lehrling in den hier streitigen Zeiträumen der Jahre 1952 bis 1954 versicherungspflichtig gewesen wäre.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 193 Sozialgerichtsgesetz zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI923997

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