Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Selbstbindung des Verwaltungsermessens bezüglich der Gewährung von zusätzlichen Leistungen aus der Versicherung nach RVO § 1307 könnte allenfalls im Rahmen der Verwaltungsübung des Rentenversicherungsträgers anzunehmen sein.

Beschränkt sich diese auf die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten der Unterbringung an alte hinfällige Rentner, die in der Familie und Häuslichkeit nur mangelhaft betreut werden, besteht keine Verpflichtung, die Zuschüsse auch solchen Rentnern zu gewähren, die wegen einer Krankheit oder eines Gebrechens in einer Anstalt untergebracht werden.

2. An der Rechtsprechung, daß ein Rentenversicherungsträger bei der Aufwendung von Mitteln zur Unterbringung Rentenberechtigter nur durch seine ständige gesetzmäßige Verwaltungsübung gebunden wird, wird festgehalten.

 

Normenkette

RVO § 1307 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. April 1969 wird aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. März 1966 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die im Jahre 1891 geborene Klägerin ist seit 1926 wegen Schwachsinns entmündigt und bezieht seit 1927 eine Versichertenrente. Sie befindet sich seit 1959 im Rheinischen Landeskrankenhaus J. in Süchteln und begehrt für die Zeit nach dem 18. März 1960 von der Beklagten einen Zuschuß zu ihrer Anstaltsunterbringung nach § 1307 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Klage gegen die Ablehnungsbescheide der Beklagten abgewiesen (Urteil vom 29. März 1966). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Beklagte dagegen am 16. April 1969 verurteilt, den Antrag der Klägerin, soweit er die Zeit vom 19. März 1960 an betrifft, erneut zu bescheiden. Nach der Rechtsauffassung des LSG sieht die Beklagte die Klägerin zu Unrecht nicht als eine "in einem Altersheim oder einer ähnlichen Anstalt" (§ 74 Abs. 1 Satz 1 der Grundsätze des Vorstandes der Beklagten über die Gewährung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und von zusätzlichen Leistungen aus der Versicherung - "Grundsätze" -, Amtl. Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz 1960, 99, 110 und 1965, 169, 193) untergebrachte Rentenberechtigte an.

Die Beklagte beantragt mit der - zugelassenen - Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Die Klägerin und die Beigeladene haben keinen Antrag gestellt.

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Zu der Selbstbindung des Verwaltungsermessens in bezug auf die Gewährung zusätzlicher Leistungen nach § 1307 RVO, wenn der durch Verwaltungsanordnungen abgesteckte Rahmen in der ständigen gesetzmäßigen Verwaltungsübung nicht voll ausgeschöpft wird, hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 22. Mai 1969 (BSG 29, 246 = SozR Nr. 1 zu § 1307 RVO) Stellung genommen. Ob das Ermessen der Beklagten fehlerhaft war, ist nicht an der Gesetzesvorschrift selbst, auch nicht unmittelbar an den Verhaltensregeln zu prüfen, die der Vorstand der Beklagten in Gestalt der "Grundsätze" aufgestellt hat. Auch diese "Grundsätze" begründen nämlich nicht allgemein verbindlich Rechte und Pflichten. Eine Bindung der Beklagten könnte allenfalls im Rahmen ihrer eigenen Verwaltungsübung anzunehmen sein (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Februar 1966 - 12 RJ 506/64 - SozEntsch. BSG V § 1307 RVO nF Nr. 1). Gerade diese beschränkt sich aber auf alte hinfällige Rentner, die in ihrer Familie und Häuslichkeit nur mangelhaft betreut und deshalb in die Obhut eines Heimes genommen werden. Dagegen beläßt es die Beklagte für solche Menschen, die wegen einer Krankheit oder eines Gebrechens in einer Anstalt untergebracht werden müssen, bei der sozialen Betreuung durch andere Einrichtungen, die hierfür zuständig sind. Eine Selbstbindung der Beklagten durch Verwaltungsbrauch besteht also nicht.

Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670337

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