Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachentrichtung. Antragsfrist. Antragstellung dem Grunde nach. Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Der Nachentrichtungsantrag gemäß AnVNG Art 2 § 49a (ArVNG Art 2 § 51a) ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zur rückwirkenden Gestaltung des Versicherungsverhältnisses. Die wirksame Ausübung des Antragsrechts erfordert es, die rechtsgestaltende Willenserklärung vor Ablauf der in AnVNG Art 2 § 49a Abs 3 S 1 geregelten Antragsfrist wenigstens in einem Umfange abzugeben, der die Bestimmung des objektiven Erklärungsinhalts zuläßt; ein Nachentrichtungsantrag, in dem die Nachentrichtungszeiten konkret bezeichnet und die entsprechenden Beitragsklassen beziffert sind, ist nur als ein bestimmter und begrenzter Antrag anzusehen, der allein auf die Nachentrichtung von Beiträgen für die genannten Beitragszeiten und in den genannten Beitragsklassen gerichtet ist (vgl BSG 1977-12-15 11 RA 52/77 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 17).

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 3 S. 1 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 3 S. 1 Fassung: 1972-10-16

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 02.11.1978; Aktenzeichen L 5 A 49/78)

SG Mainz (Entscheidung vom 13.04.1978; Aktenzeichen S 6 A 37/77)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der seit dem 1. Dezember 1974 als Selbständiger auf Antrag versicherungspflichtig geworden ist (§ 2 Abs 1 Nr 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG), aufgrund eines im Dezember 1975 gestellten und hinsichtlich der Beitragszeiten und der Beitragshöhe konkretisierten Nachentrichtungsantrages gemäß Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) berechtigt war, noch 1976 weitere Beiträge nachzuentrichten.

Der Kläger hatte mit einem am 18. Dezember 1975 bei der Beklagten eingegangenen Formblattantrag nach Art 2 § 49a AnVNG die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge der Klasse 600 für die Jahre 1956 bis 1958 und der Klasse 800 für die Jahre 1959 bis 1961 beantragt und die entsprechende Beitragssumme Anfang Dezember 1975 überwiesen. Mit einem weiteren Formblattantrag, der am 19. Oktober 1976 bei der Beklagten eingegangen ist, beantragte der Kläger die Nachentrichtung weiterer freiwilliger Beiträge der Klasse 800 für die Jahre 1962 bis 1973. Die Nachentrichtung dieser Beiträge hat die Beklagte durch Bescheid vom 22. November 1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1977 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe mit der Stellung seines am 18. Dezember 1975 eingegangenen ersten Antrages sein Antragsrecht verbraucht und könne Anzahl und Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge nicht mehr verändern.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. April 1978). Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung seines Urteils vom 2. November 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, der Kläger habe mit dem im Dezember 1975 gestellten und nur auf bestimmte Beitragszeiten gerichteten Nachentrichtungsantrag die Antrags-Ausschlußfrist des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG für die Nachentrichtung weiterer Beiträge nach dem 31. Dezember 1975 nicht gewahrt. Insbesondere sei sein im Dezember 1975 gestellter Antrag nicht als formlose "Antragstellung dem Grunde nach" anzusehen, mit der der Kläger die Frist für die Nachentrichtung weiterer Beiträge auch noch nach dem 31. Dezember 1975 habe wahren können.

Hiergegen richtet sich die - vom Landessozialgericht zugelassene - Revision des Klägers. Er macht zur Begründung geltend, nach dem Sinn und Zweck des Art 2 § 49a AnVNG reiche es aus, wenn der Antragsteller dem Versicherungsträger innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist generell seine Absicht angezeigt habe, von der durch diese Norm eröffneten Nachentrichtungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Infolgedessen sei auch der Kläger aufgrund seines im Dezember 1975 gestellten "ersten Grundantrages" bis zu fünf Jahren nach dem Eingang dieses Antrages befugt gewesen, die Nachentrichtung weiterer Beiträge zu erklären.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. November 1978 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 13. April 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nachentrichtung weiterer Beiträge in dem am 19. Oktober 1976 beantragten Umfange zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II.

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Nachentrichtung weiterer Beiträge gemäß Art 2 § 49a AnVNG nach dem 31. Dezember 1975 zu Recht als nicht statthaft angesehen.

Der erkennende Senat hat die für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erheblichen Rechtsfragen bereits in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 7. Juni 1979 - 12 RK 33/78 - (nicht veröffentlicht) weitgehend entschieden. Der Senat hat zunächst an die Rechtsprechung des 11. Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 15. Dezember 1975 - 11 RA 52/77 - SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 17) angeknüpft und in Übereinstimmung damit die Ausübung des dem Versicherten in Art 2 § 51a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG - (= Art 2 § 49a AnVNG) eingeräumten Antragsrechtes inhaltlich als die Verkörperung seines Verlangens angesehen, das in dieser Vorschrift im einzelnen umschriebene Nachentrichtungsrecht in Anspruch zu nehmen; der Versicherungsträger müsse zwar in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise tätig werden, seine Entscheidung habe aber keine konstitutive Bedeutung. Deshalb sei der Nachentrichtungsantrag gemäß Art 2 § 49a AnVNG (Art 2 § 51a ArVNG) eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zur rückwirkenden Gestaltung des Versicherungsverhältnisses. Die wirksame Ausübung des Antragsrechts erfordere es, die rechtsgestaltende Willenserklärung vor Ablauf der in Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG geregelten Antragsfrist wenigstens in einem Umfange abzugeben, der die Bestimmung des objektiven Erklärungsinhalts zuläßt; ein Nachentrichtungsantrag, in dem die Nachentrichtungszeiten konkret bezeichnet und die entsprechenden Beitragsklassen beziffert sind, sei nur als ein bestimmter und begrenzter Antrag anzusehen, der allein auf die Nachentrichtung von Beiträgen für die genannten Beitragszeiten und in den genannten Beitragsklassen gerichtet ist. An dieser Rechtsansicht hält der Senat fest, zumal da auch die Revisionsbegründung keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen läßt.

Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger in seinem am 18.Dezember 1975 eingegangenen Formblattantrag die Nachentrichtung von Beiträgen auf die in diesem Antrag genau bezeichneten Beitragszeiten und -klassen beschränkt hat. Diese vom Kläger nicht mit wirksam erhobenen Verfahrensrügen angegriffene Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 SGG), weil es sich um die Auslegung einer Willenserklärung handelt und diese jedenfalls insoweit Gegenstand der tatrichterlichen Feststellung ist, wie es sich um den Wortlaut der Erklärung und um den inneren Willen des Erklärenden handelt (BSG SozR 1500 § 163 Nr 2 mwN; vgl ferner Rosenberg/Schwab, ZPO, 12. Aufl, § 144 I 5, S 821).

Das LSG hat ferner festgestellt, daß der am 18. Dezember 1975 gestellte Formblattantrag des Klägers keine Zusätze oder sonstigen Hinweise enthält, mit denen er sich die Nachentrichtung weiterer Beiträge vorbehalten oder sie gar bereits dem Grunde nach beantragt hätte.

Es fehlt auch jeder Anhalt dafür, daß die Beklagte, wie die Revision meint, den Formblattantrag vom 18. Dezember 1975 - zumindest zunächst - als einen auf die Nachentrichtung aller noch möglichen Beiträge angesehen hat. Darauf kann insbesondere nicht aus dem Umstand geschlossen werden, daß sie den Kläger auf seinen nicht alle in Betracht kommenden Zeiten umfassenden Antrag keinen Hinweis auf die noch belegbaren Zeiten erteilte. Für einen solchen Hinweis bestand hier kein Anlaß.

Dem Kläger steht das Nachentrichtungsrecht auch nicht im Wege des Herstellungsanspruches wegen einer Verletzung der der Beklagten obliegenden Aufklärungspflicht (BSGE 41, 126) zu. Wie der erkennende Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 7. Juni 1979 - 12 RK 33/78 - ausgeführt hat, kann eine Verletzung der dem Versicherungsträger obliegenden Beratungs- und Hinweispflicht erst dann angenommen werden, wenn bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherungsverhältnisses klar zutage getreten sind, die ein verständiger Versicherter mutmaßlich auch wahrgenommen hätte. Darüber hinaus hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 4. April 1979 - 12 RK 36/78 - entschieden, daß eine über die allgemeine Aufklärungspflicht (vgl jetzt § 13 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I) hinaus bestehende Hinweispflicht der Beklagten für eine Gestaltung des Versicherungsverhältnisses durch Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG nicht ohne weiteres angenommen werden kann, weil dies eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten und deren mutmaßliche zukünftige Entwicklung erfordert. Offengeblieben ist, ob etwas anderes gilt, wenn der Antragsteller unter Darlegung seiner Verhältnisse um Beratung nachsucht. Diese Frage kann auch hier unentschieden bleiben, da der Kläger kein solches Ersuchen gestellt hat. Damit entfällt für ihn auch die Möglichkeit, die im Oktober 1976 angebotenen weiteren Beiträge im Wege des Herstellungsanspruches wegen einer unzureichenden Beratung des Versicherten (vgl BSGE 41, 126) nachzuentrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656354

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