Leitsatz (amtlich)

Der Abs 1 des KOVVfG § 47 bildet keine selbständige Grundlage für einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsverwaltung.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02, Abs. 2 Fassung: 1955-05-02, Abs. 3 Fassung: 1955-05-02

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Mai 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Der seit Mai 1947 im Ruhestand befindliche Kläger - ehemals Oberlokomotivheizer bei der Reichsbahn - hatte bei einem Tieffliegerangriff im Dienst der Reichsbahn im Februar 1945 eine Verwundung am rechten Oberschenkel erlitten, die zur Amputation des rechten Beines in der Mitte des Oberschenkels führte. Im Februar 1948 beantragte er Versorgung bei der damals für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV) für ihn zuständigen Reichsbahnversicherungsanstalt. Er gab dabei an, er habe vom 1. Januar bis 31. März 1947 einen Unterhaltsbeitrag bezogen und erhalte nunmehr ein Ruhegehalt von 270,- RM. Die Reichsbahnversicherungsanstalt gewährte mit Bescheid vom 21. Juli 1948 wegen "Verlust des rechten Beines bis Mitte des Oberschenkels" eine Kriegsbeschädigten (KB)-Rente nach der Sozialversicherungs-Direktive (SVD) Nr. 27 entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. In einer Rentenjahresbescheinigung vom 28. September 1948 gab der Kläger ua als Einkommen Kinderzuschüsse und Kinderzulagen für seine drei Kinder an. Das Personalbüro der Reichsbahndirektion H teilte der Reichsbahnversicherungsanstalt am 15. Mai 1949 mit, das Ruhegehalt des Klägers betrage seit 1. April 1949 monatlich 174,33 DM. In der Versorgungsakte wurde unter dem 19. Mai 1949 von der Reichsbahnversicherungsanstalt vermerkt, daß die Wehrdienstbeschädigung und die Pensionierung auf der gleichen Ursache beruhten; da aber die Bezüge nach dem Deutschen Beamtengesetz (DBG) höher seien als die KB-Rente, dürfe diese nicht mehr gezahlt werden. Daraufhin wurde deren Zahlung Ende Mai 1949 eingestellt.

Am 20. März 1951 beantragte der Kläger die Zahlung der Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Dazu wurden die Versorgungsakten dem nunmehr zuständigen Versorgungsamt (VersorgA) H übersandt und in dem Anschreiben auf das Ruhen der KB-Rente sowie auf den Vermerk über die durch unmittelbare Kriegseinwirkung verursachte Invalidität infolge des Verlustes des rechten Beines hingewiesen. Auf die Zusendung des Erhebungsbogens für die Ausgleichsrente teilte der Kläger am 12. Juni 1951 mit, daß ihm keine Ausgleichsrente zustehe, da sein Lebensunterhalt durch Pension und Invalidenrente gesichert sei. Mit Umanerkennungsbescheid vom 17. November 1951 gewährte das VersorgA H dem Kläger unter Übernahme der bisher anerkannten Schädigungsfolge ab 1. Oktober 1950 die Grundrente nach dem BVG gemäß einer MdE um 70 v. H. Andere Leistungen kamen nach den bestehenden Einkommensverhältnissen nicht in Betracht. Diese Rente wurde laufend gezahlt und verschiedentlich auf Grund der Änderungen des BVG neu festgestellt. Mit Schreiben vom 10. September 1958 teilte die Bundesbahndirektion Hannover dem VersorgA mit, daß dem Kläger rückwirkend ab 1. Januar 1955 gemäß § 139 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) nF ein Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG gewährt werde, und zwar vom 1. September 1957 an in Höhe von monatlich 80,- DM. Wegen der Berechnung des Ruhegehaltes und der Nachzahlung des Unfallausgleichs wurde auf den mitübersandten Bescheid vom 5. September 1958 verwiesen. Mit Bescheid vom 6. November 1958 stellte das VersorgA wegen Ruhens der Versorgungsbezüge gemäß § 65 Abs. 1 BVG die weitere Zahlung der Rente ab Ende November 1958 ein. Mit Bescheid vom 29. Juni 1959 forderte es dann unter Hinweis auf § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG gemäß § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) die in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 30. November 1958 überzahlten Versorgungsleistungen in Höhe von 5.526,- DM zurück. Der nur gegen den Erstattungsbescheid gerichtete Widerspruch des Klägers und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) war der Auffassung, die Rückforderung der Rente, die nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG zweifellos bereits bei Erteilung des Umanerkennungsbescheides geruht habe, sei zwar nicht nach § 47 Abs. 2 oder 3 VerwVG, aber in jedem Fall nach § 47 Abs. 1 VerwVG zulässig.

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Hildesheim vom 17. November 1961 und den Widerspruchsbescheid vom 27. August 1959 aufgehoben. Es hat ferner den Bescheid vom 29. Juni 1959 insoweit aufgehoben, als er die Rückerstattung des Betrages von 5.526,- DM betrifft. Das LSG ist davon ausgegangen, der Rückerstattungsanspruch sei auch für die vor Inkrafttreten des VerwVG (1. April 1955) gewährten Versorgungsleistungen nach § 47 VerwVG zu beurteilen. Die Rückforderung könne aber nicht allein auf Abs. 1 dieser Vorschrift gestützt werden, vielmehr müsse geprüft werden, ob die in den folgenden Absätzen für die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Leistungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG komme im vorliegenden Falle nicht in Betracht, weil die Überzahlung nicht auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhe. Zwar handele es sich auch um eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift, wenn das Recht auf Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG kraft Gesetzes und ohne ausdrückliche Feststellung in einem Bescheid ruhe (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 13. November 1958 - 8 RV 811/56 -, SozR VerwVG § 47 Nr. 4), jedoch hätten sich insoweit die Verhältnisse seit Erlaß des Umanerkennungsbescheids vom 17. November 1951 nicht geändert, der von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, weil das VersorgA nicht beachtet habe, daß der Kläger schon damals Ruhegeld auf Grund der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge bezogen habe. Auch nach § 47 Abs. 3 VerwVG bestehe keine Rückzahlungspflicht.

Die Anwendung dieser Vorschrift setze eine Berichtigung nach §§ 41 oder 42 VerwVG voraus. Ob jedoch eine Rücknahme des Bescheides vom 17. November 1951 nach §§ 41 oder 42 VerwVG vorliege und ob die Versorgungsverwaltung zur Begründung ihres Bescheides vom 29. Juni 1959 sich nachträglich noch auf diese Rechtsgrundlagen berufen könne, zumal die nach § 41 Abs. 2 VerwVG erforderliche Zustimmung des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) fehle und die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 42 Nr. 3 oder Nr. 9 VerwVG nicht vorlägen, könne dahingestellt bleiben, da auf jeden Fall die subjektiven Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a VerwVG nicht gegeben seien. Der Kläger habe keine für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen verschwiegen. Er habe vielmehr schon in seinem Versorgungsantrag vom 11. Februar 1948 wahrheitsgemäß seine Bezüge angegeben. Angaben über Änderungen seines Ruhegehaltes seien nicht erforderlich gewesen, da die allein in Betracht kommende Grundrente nicht vom sonstigen Einkommen abhängig gewesen sei. Der Kläger habe nach seiner Intelligenz und seinem Bildungsstand auch nicht übersehen können, wie sich die Gewährung des Ruhegehaltes aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge auf die Zahlbarkeit seiner Versorgungsbezüge nach dem BVG auswirke.

Nach § 47 Abs. 1 VerwVG seien zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten, "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist"; damit sei auf die Absätze 2 und 3 als leges speciales hingewiesen, die aber hier wegen Fehlens der Voraussetzungen nicht angewendet werden könnten. Mithin sei eine Rückforderung auch nicht über § 47 Abs. 1 VerwVG gegeben. Selbst wenn man der Auffassung sei, auch bei Ausschluß der Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 käme der Abs. 1 des § 47 VerwVG zur Anwendung nach dem Grundsatz, daß im Falle doppelt gezahlter Leistungen unter allen Umständen die ohne Grund erbrachten Leistungen zurückzuzahlen seien, käme hier eine Rückerstattung nicht in Betracht, weil sie dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche. Der Kläger habe seiner Mitteilungspflicht genügt, so daß es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der Beklagte ein Rückforderungsrecht geltend machen könnte, obwohl er vor wie auch nach Erteilung des Umanerkennungsbescheides die Rechtsnatur des dem Kläger von der Reichsbahndirektion (Mitteilung vom 15. Mai 1949) gewährten Ruhegehaltes hätte nachprüfen können, wozu er gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG um so mehr verpflichtet gewesen wäre, als die insoweit erheblichen Tatsachen sich aus den im Juni 1951 übersandten Versorgungsakten ergaben. Wenn die Versorgungsverwaltung dies versäumt und infolgedessen Leistungen überzahlt habe, so dürfe dies nicht dem Kläger angelastet werden, der seine beamtenrechtlichen Bezüge wahrheitsgemäß angegeben und nichts Wesentliches verschwiegen habe. Daher sei der Erstattungsbescheid vom 29. Juni 1959 aufzuheben.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 15. Juni 1964 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Juni 1964, beim BSG eingegangen am 27. Juni 1964, Revision eingelegt. Er beantragt,

die Entscheidung des LSG Niedersachsen in Celle vom 26. Mai 1964 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

In der Revisionsbegründung vom 6. August 1964, beim BSG eingegangen am 8. August 1964, rügt der Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 47 VerwVG. Er ist der Ansicht, daß die zu Unrecht gezahlte Rente nach § 47 Abs. 1 VerwVG zurückzuerstatten ist. Er führt dazu aus, der § 47 VerwVG diene in seiner Gesamtheit nicht dazu, dem Schutz des guten Glaubens auch im Versorgungsrecht Geltung zu verschaffen; denn einerseits sei dies nicht erforderlich, weil es sich insoweit um einen das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz handle, andererseits seien die Bestimmungen in den Absätzen 2 und 3 des § 47 VerwVG auch viel zu unterschiedlich, "um den Gedanken zuzulassen, daß die gesamte Bestimmung des § 47 VerwVG auf etwas in einer Richtung Liegendes gerichtet wäre." Grundlage der Rückforderung sei die Bestimmung im § 47 Abs. 1, 1. Halbs. VerwVG, daß zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuerstatten sind; der 2. Halbs. verweise nur auf die in den folgenden Absätzen geregelten Sonderfälle, die hier nicht vorliegen. Im vorliegenden Fall sei Grund der Rückforderung das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG. Beim Ruhen von Bezügen wegen der Gewährung beamtenrechtlicher Unfallfürsorge kämen § 71 a BVG aF und jetzt § 71 b BVG nF zur Anwendung, denen der Gedanke zur Rückerstattung schlechthin zugrunde liege, denn um nichts anderes handle es sich, "wenn eine von einem anderen Leistungsträger errechnete Zahlung in dem Zeitpunkt als Erstattungsanspruch auf die Versorgungsverwaltung kraft Gesetzes übergeht, von dem an die Bewilligung von Bezügen des anderen Leistungsträgers Minderung oder Wegfall der Versorgungsbezüge bewirkt". Dieser Übergang bedeute für den Empfänger eine Verpflichtung zur Rückerstattung der ihm nicht zustehenden Versorgungsbezüge. Auf den guten Glauben könne es dabei nicht ankommen, denn andernfalls könnte sich auch derjenige darauf berufen, auf dessen Bezüge § 71 a BVG aF oder § 71 b BVG nF Anwendung finden müsse. Nach der Rechtsprechung des BSG träten die Wirkungen des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG kraft Gesetzes ein. Die in dem Bescheid vom 29. Juni 1959 ausgesprochene Feststellung des Ruhens der Versorgungsbezüge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG habe deshalb nur deklaratorische Bedeutung. Entfalle der Ruhensgrund, so lebten die Leistungen sofort - ohne besonderen Antrag und ohne besondere Entscheidung - wieder auf, was nicht möglich wäre, "wenn eine Berichtigung vorgenommen wäre, welche mithin letztere sich aus dem Gesetz ableitende Folge unterbinden würde". Da grundsätzlich doppelte Leistungen an die Stelle zurückzuzahlen seien, die sie zu Unrecht gewährt habe, so müsse der Rückforderungsanspruch in den Fällen, in denen wie im vorliegenden eine Überzahlung ohne Widerruf des Bewilligungsbescheides möglich sei, der § 47 Abs. 1 VerwVG zur Anwendung kommen. Im übrigen wird auf den Inhalt der Revisionsbegründungsschrift vom 6. August 1964 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 29. Juni 1959 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1959, soweit er die Rückerstattung der zu Unrecht empfangenen Grundrente betrifft. Dabei sind das LSG wie auch die Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, daß die Versorgungsbezüge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG geruht haben und infolgedessen ab 1. Oktober 1950 - und zwar im Gesamtbetrag von 5.526,- DM - zu Unrecht gezahlt worden sind. Nur insofern ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides streitig, als die Rückforderung der Überzahlung auf § 47 VerwVG gestützt ist. Dabei ist hier bei dem Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung der § 47 VerwVG in derjenigen Fassung anzuwenden, die z. Z. der letzten Verwaltungsentscheidung, also des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1959 gegolten hat (vgl. BSG 7, 12 und BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 11). Dieser Umstand gewinnt im vorliegenden Fall aber keine Bedeutung, weil diejenigen Bestimmungen, auf die es ankommt, bei der Änderung des § 47 VerwVG durch das 2. Neuordnungsgesetz (NOG) ihrem Gehalt nach nicht geändert worden sind. Zutreffend hat dazu das LSG zunächst ausgeführt, daß eine Rückerstattung nach § 47 Abs. 2 VerwVG ausscheidet. Die Überzahlung beruhte nicht auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, sondern die Zahlung der Rente war schon von Anfang an unrechtmäßig. Der Beklagte hatte nämlich schon bei Bewilligung der Rente mit Bescheid vom 17. November 1951 nicht berücksichtigt, daß der Kläger bereits zu dieser Zeit wegen des im Jahre 1945 infolge unmittelbarer Kriegseinwirkungen erlittenen Unfalls Ruhegeld aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge bezog, so daß ihm die auf der gleichen Ursache beruhende Rente nach dem BVG nicht hätte gezahlt werden dürfen.

Das LSG hat sodann zutreffend auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rückforderung nach § 47 Abs. 3 VerwVG verneint, wonach die infolge der Berichtigung eines Bescheides nach § 41 oder § 42 VerwVG zu Unrecht gewährten Leistungen unter den dort angeführten Voraussetzungen zurückzuerstatten sind. Dabei konnte es dahingestellt sein lassen, ob die ausdrücklich nur für Überzahlungen auf Grund einer Berichtigung getroffene Regelung auch bei Überzahlungen einer nach § 65 BVG ruhenden Rente gilt (vgl. BSG 23, 47), weil auf jeden Fall die in § 47 Abs. 3 VerwVG bestimmten subjektiven Voraussetzungen nicht gegeben sind. Nach den unangegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG hat nämlich der Kläger weder die für die Entscheidung über die Gewährung seiner Rente wesentlichen Tatsachen wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen, noch hat er beim Empfang der Grundrente gewußt, daß ihm seine Rente zu Unrecht gewährt ist und nicht zusteht.

Schließlich hat das LSG auch im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Rückforderung in dem angefochtenen Bescheid nicht allein auf § 47 Abs. 1 VerwVG zu stützen ist. Diese Bestimmung gibt für sich allein der Versorgungsbehörde keinen Rückforderungsanspruch. Bereits in seiner Entscheidung vom 13. November 1958 hat der 8. Senat des BSG sich gegen die Auffassung gewendet, "daß allein der Abs. 1 des § 47 VerwVG angewendet werden könne, weil (wie im vorliegenden Fall) die einengende und besondere Voraussetzung des Abs. 2 nicht gegeben sei" (SozR VerwVG § 47 Nr. 4). Im gleichen Sinn hat der 9. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 28. April 1965 (BSG 23, 47 = SozR VerwVG § 47 Nr. 16) ausgeführt, daß § 47 Abs. 1 VerwVG nicht den Grundsatz aufstelle, zu Unrecht gezahlte Leistungen könnten immer zurückgefordert werden. Der 9. Senat ist zu diesem Ergebnis aus der Erwägung gekommen, daß mit einer solchen Rückforderung Leistungen aus einem unanfechtbar gewordenen Bescheid zurückgefordert würden, und daß der Abs. 1 nicht schlechthin als eine Bestimmung angesehen werden könne, die die Bindungswirkung unanfechtbarer Bescheide beseitigt oder einschränkt; wenn in Durchbrechung der Bindungswirkung von Bescheiden eine Rückforderung begründet werde, so könnte dies nur in dem beschränkten Rahmen der Absätze 2 und 3 geschehen. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß der Abs. 1 des § 47 VerwVG nur eine der Voraussetzungen für eine Rückforderung festlegt, nämlich die, daß Leistungen der Versorgungsbehörde zu Unrecht empfangen sein müssen. Mit den Worten "soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist", wird im Abs. 1 nur auf die Bestimmungen in den Absätzen 2 und 3 hingewiesen, in denen die weiteren Voraussetzungen - insoweit also einschränkende Voraussetzungen - enthalten sind, unter denen zu Unrecht empfangene Leistungen zurückgefordert werden können. Wenn der Abs. 1 des § 47 VerwVG völlig selbständig ein Recht zur Rückforderung hätte geben wollen, so hätte es dieses Hinweises nicht bedurft, und wenn in den Absätzen 2 und 3 für die Rückforderung infolge Änderung der Verhältnisse und infolge Berichtigung gemäß §§ 41, 42 VerwVG hätten Ausnahmen von Absatz 1 geregelt werden sollen, so wären nach der üblichen Gesetzessprache die Absätze 2 und 3 mit anderen Worten eingeleitet worden, wie etwa: "Ausgeschlossen sind aber Rückforderungen bei Überzahlungen infolge einer Änderung der Verhältnisse und infolge einer Berichtigung von Bescheiden gemäß §§ 41, 42, es sei denn, daß der Empfänger wußte oder wissen mußte ...".

Abgesehen von dieser aus der äußeren Fassung der Vorschrift hergeleiteten Begründung spricht aber insbesondere der Gehalt der Absätze 2 und 3 des § 47 VerwVG gegen die Ansicht, daß der Abs. 1 unabhängig von den sonstigen Bestimmungen für sich allein und uneingeschränkt einen Rückforderungsanspruch bei zu Unrecht empfangener Leistungen gewährt. Wenn dem so wäre, dann bliebe unverständlich, warum die Rückforderung bei einer Überzahlung, die auf einer Änderung der Verhältnisse beruht, grundsätzlich nicht, sondern "nur" unter den besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG möglich sein sollte. Gleiches ist von der Rückforderung bei Überzahlungen infolge Berichtigung von Bescheiden gemäß Abs. 3 des § 47 VerwVG zu sagen, der bei solcher Auffassung grundsätzlich alle Fälle der Überzahlung infolge der Berichtigung von Bescheiden von der Rückerstattungspflicht ausnehmen würde und ausnahmsweise nur diejenigen einer Rückerstattungspflicht zuführte, bei denen die besonderen Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen. Es würde bei dieser Auffassung völlig unverständlich sein, warum von dem Grundsatz der unbeschränkten Rückerstattungspflicht nach Abs. 1 die Überzahlungen infolge von Berichtigungen grundsätzlich ausgenommen sein sollten und die Überzahlungen in Ausnahme davon wiederum nur unter den besonderen Voraussetzungen der Buchst. a und b zurückgefordert werden könnten. Wenn weiterhin berücksichtigt wird, daß Überzahlungen wegen Änderung der Verhältnisse und infolge von Berichtigungen bis auf wenige Ausnahmen fast alle Fälle von Überzahlungen umfassen, dann bleibt restlos unverständlich, warum der Gesetzgeber für eine verschwindend geringe Zahl von Überzahlungen einen Grundsatz im Abs. 1 des § 47 VerwVG aufgestellt haben sollte, um dann die Masse der Überzahlungen als Ausnahmefälle in den Absätzen 2 und 3 zu regeln. Mag daher auch der Wortlaut des Abs. 1 des § 47 VerwVG nicht eindeutig zu erkennen geben, daß es sich hierbei nur um eine der Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs für zu Unrecht empfangene Leistungen handelt und daß wegen der weiteren Voraussetzungen bei Überzahlungen infolge Änderung der Verhältnisse und infolge von Berichtigungen auf die Absätze 2 und 3 verwiesen ist, so spricht doch der Sinn und Zweck der Vorschrift wie auch der Gesamtaufbau der Regelung dieses Rückforderungsanspruchs für diese Ansicht.

Dieser Ansicht kann nicht entgegengehalten werden, daß somit durch Gesetz ausdrücklich nur Überzahlungen bei Änderung der Verhältnisse und infolge von Berichtigungen durch das Gesetz geregelt sind, nicht aber Überzahlungen, die infolge Ruhens von Versorgungsleistungen oder aus anderen Gründen eingetreten sind. Dieser Vorhalt trifft zwar zu, zwingt aber nicht, von der gewonnenen Auffassung abzugehen. Wie bereits erwähnt, bilden die Fälle der Überzahlungen infolge Änderung der Verhältnisse und infolge von Berichtigungen die Masse der Überzahlungsfälle, so daß auch der Gesetzgeber vorwiegend bei der Fassung des § 47 VerwVG nur an diese gedacht haben mag. In dieser Beziehung steht der § 47 VerwVG im übrigen in unserer Rechtsordnung nicht allein da, insofern in ihm nur die Masse der Fälle geregelt und andere gleichliegende, aber praktisch selten auftretende Fälle nicht besonders hervorgehoben und der entsprechenden Regelung durch die Rechtsprechung überlassen worden sind. Daß auch die Fassung des § 47 kein Hindernis ist, neben der Masse der Überzahlungen infolge von Änderung der Verhältnisse oder von Berichtigungen auch andere selten vorkommende Fälle zu Unrecht empfangener Leistungen wegen Ruhens der Versorgungsbezüge einer entsprechenden Regelung zuzuführen, zeigt die Entscheidung des 9. Senats des BSG (BSG 23, 47), nach der in diesen Fällen für eine Rückforderung der § 47 Abs. 3 entsprechend anzuwenden ist.

Schließlich versagt gegenüber der hier gewonnenen Ansicht auch der Hinweis des Beklagten auf § 71 b BVG (§ 71 a BVG aF, idF vor dem 1. NOG), aus dessen Bestimmungen er schließen will, daß auch grundsätzlich ein Rückerstattungsanspruch gegenüber dem Versorgungsempfänger bestehen müsse, wenn grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde gegenüber dem Träger der Sozialversicherung oder der Dienstbehörde bestehe, allein auf Grund der Tatsache, daß diese ihre eigene Leistung infolge des gesetzlichen Übergangs zu Unrecht an den Empfänger gezahlt habe. Der Beklagte verkennt dabei, daß kein Grund gegeben ist, die Rückforderung gegen den Empfänger bei Überzahlung von Versorgungsleistungen von denselben Voraussetzungen abhängig zu machen wie den Übergang der Forderung auf die Versorgungsbehörde gemäß § 71 b BVG, wenn der Sozialversicherungsträger oder die Dienstbehörde Bezüge gezahlt hat, die zur Minderung oder zum Wegfall der Versorgungsbezüge geführt hätten. Dabei übersieht der Beklagte auch die §§ 412 i. V. m. 407 BGB, die trotz des Übergangs der Forderung nach § 71 b BVG immer den Sozialversicherungsträger oder die Dienstbehörde gegen einen Rückgriff der Versorgungsbehörde schützen, wenn sie in Unkenntnis des Übergangs an den Versorgungsempfänger gezahlt haben. Demnach ist es also - abgesehen von den unterschiedlichen Schuldnern nach § 47 VerwVG und § 71 b BVG - nicht so, wie die Beklagte meint, daß § 71 b BVG, der nur den Übergang der Forderung regelt, auch uneingeschränkt einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsbehörde begründet, was den Schluß zuließe, daß auch der Rückerstattungsanspruch gegenüber dem Versorgungsempfänger grundsätzlich und uneingeschränkt gegeben sein müsse. Im übrigen führt die Regelung in § 71 b BVG im Ergebnis dazu, daß der Versorgungsempfänger selbst nicht unbeschränkt, wie der Beklagte für den Fall der Rückerstattungspflicht des Sozialversicherungsträgers und der Dienstbehörde gegenüber der Versorgungsbehörde aus § 71 b BVG schließen will, zur Rückerstattung verpflichtet wäre. Wenn nämlich ein Beschädigter seine Versorgungsrente zu Unrecht erhalten hat, weil sie wegen Bezugs der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruhte, und wenn trotz Übergangs der Forderung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge und in Kenntnis dieses Vorgangs die beamtenrechtliche Dienstbehörde des Beschädigten an den Versorgungsempfänger der Unfallfürsorge weitergezahlt hat, dann würde der Empfänger die zu Unrecht empfangenen Bezüge seiner Dienstbehörde nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 BBG i. V. m. den Vorschriften der §§ 812 ff und insbesondere des § 814 BGB zurückzuerstatten haben. Damit nähern sich sehr weit die einengenden Vorschriften über die Rückerstattungspflicht bei zu Unrecht empfangener Leistungen, gleichgültig ob die Überzahlung an den Beschädigten seitens der Versorgungsbehörde erfolgt ist oder ob sie - wie bei einem beschädigten Beamten - seitens der Dienstbehörde deshalb eingetreten ist, weil die Dienstbehörde den Übergang der Forderung gemäß § 71 b BVG nicht beachtet, danach die Forderung der Versorgungsbehörde zu erfüllen und in dieser Höhe daher an den Empfänger ihre eigenen Leistungen überzahlt hat. In dieser Regelung kommt der auch im allgemeinen Verwaltungsrecht geltende Grundsatz zum Ausdruck, daß bei Überzahlung die zahlende Stelle nicht uneingeschränkt einen Rückforderungsanspruch hat, sondern nur unter einschränkenden Voraussetzungen. Auf jeden Fall aber zeigt diese im Beamtenrecht getroffene Regelung, daß die Auffassung des Beklagten, über die Anwendung des § 71 b BVG sei uneingeschränkt ein Rückforderungsanspruch gegeben, der folglich zu einer entsprechenden Auslegung des § 47 Abs. 1 VerwVG führen müsse, nicht zutrifft.

Bildet sonach der § 47 Abs. 1 VerwVG für sich allein noch nicht eine selbständige Grundlage für einen Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde, so läßt sich die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 1959 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 1959) auch nicht auf diese Vorschrift stützen. Da ebensowenig andere Vorschriften der Versorgungsbehörde einen Rückforderungsanspruch gewähren, hat das LSG mit Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Dies gilt auch, soweit in den angefochtenen Bescheiden Beträge zurückgefordert sind, die in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes, also vor dem 1. April 1955, an den Kläger gezahlt und von diesem wegen des Ruhens dieser Bezüge zu Unrecht empfangen worden sind. Dabei kann dahinstehen, ob § 47 VerwVG auch die Rückforderung solcher Beträge regelt, die vor dem 1. April 1955 zu Unrecht empfangen worden sind. Auch wenn die Rückforderung solcher Beträge nicht nach § 47 VerwVG, sondern nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts beurteilt werden muß, steht der Versorgungsbehörde kein Rückforderungsanspruch zu. Wie bereits erwähnt, ist auch nach diesen Grundsätzen nicht uneingeschränkt ein Rückforderungsanspruch in Höhe der zu Unrecht empfangenen Zahlungen gegeben, sondern die Rückforderung ist im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Empfänger solcher Zahlungen weitgehend eingeschränkt (vgl. BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 13). Danach ist ua Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch, daß die Unrechtmäßigkeit der Überzahlung nicht ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Versorgungsbehörde fällt (so auch BSG vom 12. Juli 1966 - 10 RV 627/64 -). Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben, weil die Versorgungsbehörde in Kenntnis der das Ruhen der Versorgungsrente bewirkenden Tatsachen die Versorgungsrente an den Kläger gezahlt hatte, ohne daß dieser zu dieser unrechtmäßigen Zahlung etwa beigetragen hätte. Das LSG hat mithin zutreffend das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs auch für die Zeit der vor dem 1. April 1955 zu Unrecht empfangenen Leistungen verneint, auch wenn diese Rechtsfrage nicht nach § 47 VerwVG, sondern nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen ist.

Die Revision des Beklagten ist somit nicht begründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2347507

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