Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Auslegung der Begriffe "Kriegsgefangenschaft" und "Internierung" und in der Frage, wie beide enden, sind die Versorgungsbehörden nicht an die Auslegung gebunden, welche die für die Erteilung der Heimkehrerbescheinigung zuständigen Behörden bei der Anwendung des Heimkehrergesetzes den Begriffen "Kriegsgefangenschaft" und "Internierung" zugrunde gelegt haben.

2. Die dem Kläger drohende Verfolgung als Kollaborant stellte mindestens nach der Flucht im August 1945 keine aus der Besetzung sich ergebende besondere, dh der Besetzung eigentümliche Gefahr mehr dar.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1966-12-28, Buchst. c Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Januar 1968 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der 1889 in Ostgalizien geborene Kläger war vor dem zweiten Weltkrieg in Polen Beamter und Besitzer eines Gutes im Kreis Dubno. Im Jahre 1940 oder 1941 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit und wurde am 8. Juli 1941 Angehöriger der deutschen Wehrmacht (zuletzt im Range eines Oberleutnants), gelangte im Oktober/November 1958, von W (Schlesien) kommend, als Aussiedler in das Gebiet der Bundesrepublik und wurde am 17. Oktober 1960 als Heimkehrer anerkannt.

Im November 1958 beantragte er Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Bauchverletzung, die ihm durch Mißhandlungen, u. a. durch Bajonettstiche, in polnischer Haft im Juli 1945 in K beigebracht worden sei, und wegen einer Lungentuberkulose, die er anfangs auf Schläge in der Haft, später auf eine Erkrankung im Wehrdienst zurückgeführt hat. Nach Karteiunterlagen des Bundesarchivs in K wurde er am 13. Mai 1944 als Oberleutnant wegen Ungehorsams, fortgesetzter Plünderung und Unterschlagung zu einem Jahr Gefängnis und Rangverlust verurteilt. Die Karteikarte enthält den Vermerk vom 5. April 1945, daß er ohne Uniformtrageberechtigung zu entlassen sei, eine Einberufung auch als Mann der Genehmigung des OKW bedürfe, die nicht erteilt werde. Der Kläger bestreitet, mit einem Rangverlust bestraft worden zu sein, und gibt an, es habe eine Berufungsverhandlung stattgefunden, er sei, bevor ein rechtskräftiges Urteil vorgelegen habe, bis zur Gefangennahme im Mai 1945 noch als Offizier eingesetzt gewesen. Der Kläger hat einen Kontoauszug und eine Bescheinigung der D Bank in B vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß von der Gebührnisstelle des OKH ein Gehalt von 580 Mark noch am 29. März 1945 auf sein Konto bei dieser Bank überwiesen worden ist. Am 7. Dezember 1944 war er erkrankt, wurde ab 17. Dezember 1944 im Krankenrevier des Wehrmachtsgefängnisses G und vom 30. Dezember 1944 bis zum 22. Januar 1945 im Reservelazarett W (wegen eines fieberhaften grippalen Infekts) behandelt und danach wieder in das Gefängnis entlassen.

Der Kläger gibt an, er sei nach der Gefangennahme durch russische Truppen im Mai 1945 sogleich den Polen übergeben und von diesen nach P und K in das Gefängnis verbracht und in K von der Tscheka mißhandelt worden. Nach Bescheinigungen des Staatlichen Klinischen Krankenhauses und der II. Chirurgischen Klinik der Medizinischen Akademie in K wurde er aus dem Gefängnis in dieses Krankenhaus verbracht und dort wegen einer Wunde der Bauchwand (vulnus caesum (laeceratum) abdominalis und abscessus intraperitonalis) vom 28. Juni 1945 (nicht 28. Mai 1945) bis 24. August 1945 behandelt. Aus dem Krankenhaus soll er - angeblich erst Ende 1945 oder Anfang 1946, nach seinen Angaben im Grenzdurchgangslager F schon in der Nacht zum 24. August 1945 - von Antikommunisten befreit worden sein; dann sei er untergetaucht und habe, nachdem er sich einen falschen Ausweis verschafft habe (nach seinen Angaben im Heimkehrerverfahren Ende 1945), unter dem Namen M S in dem polnisch besetzten Gebiet Schlesiens - zuletzt in W - gelebt. Das Landessozialgericht (LSG) hat festgestellt, daß er der Ruhrknappschaft gegenüber erklärt hat, er sei schon ab 1. Dezember 1945 oder ab 1. November 1946 bei verschiedenen Kohlengruben als Buchhalter beschäftigt gewesen, und daß die polnische Sozialversicherungsanstalt, Abteilung W, für die Rentenberechnung eine Beschäftigung ab 1. Januar 1946 bescheinigt hat. Die Gesundheits- und Fürsorgeabteilung in W hat am 3. Dezember 1966 mitgeteilt, daß er ab 1951 als Oberbuchhalter, zuletzt - bis 1. August 1958 - als Leiter einer Buchhaltung in einem Grubenunternehmen beschäftigt war.

Mit Bescheid vom 12. Februar 1960 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) nach versorgungsärztlicher Untersuchung den Antrag des Klägers ab, weil die Verhaftung durch Polen oder Russen - nach der 1944 oder 1945 erfolgten Entlassung aus der Wehrmacht - keine Kriegsgefangenschaft gewesen und seine Internierung nicht wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit erfolgt sei. In dem nach erfolglosem Widerspruch eingeleiteten Klageverfahren hörte das Sozialgericht (SG) den Facharzt für innere Krankheiten Dr. G, der in dem Gutachten vom 11. Juli 1963 - bei Annahme einer Alterstuberkulose - die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der Tuberkulose mit der Erkrankung im Winter 1944/45 oder anderen Einflüssen des Kriegsdienstes, der Inhaftierung oder der Flucht und den daraus resultierenden Lebensbedingungen verneinte. Der Kläger hat eine Bescheinigung der Tbc-Beratungsstelle in W vom 26. März 1963 über eine vom 13. Februar bis 3. April 1958 und vom 17. Mai bis 9. Juli 1958 erfolgte Tbc-Heilbehandlung sowie Bescheinigungen des M C und des T C, des A F (vom 30. Juli 1963 und 31. Januar 1964), des Arztes D K (vom 1. und 20. August 1963) und der Rettungsstation des Gesundheitsamtes in Waldenburg zum Beweis dafür vorgelegt, daß er bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 1945 einen Blutsturz erlitten und der zur Hilfeleistung herbeigerufene Arzt bei ihm eine offene Lungen-Tbc festgestellt habe, daß er schon in der Zeit von 1945 bis 1947 sehr krank gewesen sei, gehustet und einen mit Blut gemischten Auswurf und Anfang 1947, 1953 (dreimal) und im Juli 1956 Blutstürze gehabt habe; Ende 1955 und im Januar 1956 sei ein Blutsturz von dem Arzt K als Zeichen der Tuberkulose festgestellt worden. Der Facharzt für Lungenkrankheiten Dr. G ist in dem nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholten Gutachten vom 26. April 1964 zu dem Ergebnis gekommen, daß die 1958 festgestellte und noch bestehende Lungentuberkulose im Sinne der Verschlimmerung auf die Erkrankung im Winter 1944/45 (in Germersheim/Wiesloch), die Inhaftierung in Polen und die Flucht aus dieser Inhaftierung mit den daraus resultierenden Lebensbedingungen als mitwirkende Ursachen zurückzuführen sei.

Das SG hat durch Urteil vom 22. Juni 1964 den Beklagten verurteilt, als Schädigungsfolge "großer Bauchdeckenbruch nach Bauchdeckenverletzung mit anschließender Operation" anzuerkennen und ab 1. November 1958 Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) als Berufungsgericht hat den Zeugen M C gerichtlich vernehmen lassen und eine erneute Stellungnahme des Dr. G darüber eingeholt, ob die Lungen-Tbc mit Wahrscheinlichkeit durch schädigende Einwirkungen bis Herbst 1945 verursacht worden sei, wobei von dem Gutachter die Angaben des Zeugen C und die Bescheinigung der Tbc-Betreuungsstelle in Waldenburg vom 27. März 1965 zugrunde zu legen waren. Dr. G hat die von ihm erbetene Stellungnahme am 7. Februar 1966 abgegeben und diese auf eine weitere Anfrage des LSG vom 14. April 1966 nochmals am 4. Mai 1966 ergänzt. Der Kläger hat eine zusätzliche Bescheinigung des A. F vom 28. Juni 1966 (besonders über den Blutsturz 1955) beigebracht. Das LSG hat sodann nach § 109 SGG noch ein weiteres Gutachten (vom 27. November 1967) von dem Obermedizinaldirektor Dr. B eingeholt.

Der Kläger hat vor dem LSG beantragt, den Beklagten zu verurteilen, zusätzlich eine Lungentuberkulose und eine chronische Bronchitis mit Begleiterscheinungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen und dem Kläger ab 1. November 1958 Rente nach einer MdE von 100 v. H. zu zahlen. Mit Urteil vom 10. Januar 1968 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger bis zur Gefangennahme 1945 noch Angehöriger der deutschen Wehrmacht gewesen sei; denn er mache keine durch den militärischen Dienst nach der Lazarettbehandlung entstandenen Schädigungsfolgen geltend. Es habe auch nicht entschieden zu werden brauchen, ob er anschließend Kriegsgefangener im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG gewesen sei, denn jedenfalls sei er während der polnischen Haft wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit interniert gewesen. Der Internierungszustand im Sinne des deutschen Versorgungsrechts sei nicht dadurch aufgehoben worden, daß ihm der Dienst als deutscher Offizier und die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit nach polnischem Nachkriegsrecht als strafbare Handlungen vorgeworfen worden seien. Die Belastungen der Haft seien Folge des Vormarsches der Roten Armee und des sich anschließenden polnischen Gewahrsams sowie der Behandlung des Klägers als Staatsfeind und Verräter. Ein schädigungsbedingter ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lungentuberkulose und der Bronchialkrankheit einerseits, dem Wehrdienst und der Haft andererseits sei aber aus medizinischen Gründen nicht wahrscheinlich. Die Gefangenschaft bzw. die Internierung (Haft) habe spätestens mit der Flucht geendet, die ihm nach seinen wiederholten Angaben, übereinstimmend mit der Auskunft des K Krankenhauses, am 24. August 1945 gelungen sei. Die für beide Gewahrsamsarten typischen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen engbegrenzten Raum unter ständiger Bewachung hätten nicht mehr bestanden, als der Kläger anschließend unter fremdem Namen untergetaucht sei, anfangs sich vielleicht auch zeitweilig versteckt gehalten und ab Dezember 1945 oder Januar 1946 als normaler Angestellter gearbeitet habe. Schon von diesem Zeitpunkt an, nicht erst seit 1951, sei er nach seinen eigenen Angaben, die er für die Bemessung der Rente aus der Knappschaftsversicherung gemacht habe, freier Arbeitnehmer gewesen, nachdem ihm ein Ausweis mit einem falschen Namen verschafft worden sei. Gewisse staatliche Anordnungen, die in kommunistischen Staaten die Freiheit eines jeden Bürgers erheblich stärker als in westlichen Demokratien beschränkten, begründeten nicht einen Gewahrsam im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b oder c BVG. Die Kriegsgefangenschaft habe auch nicht mit Rücksicht auf ein nicht freiwillig begründetes ziviles Arbeitsverhältnis fortbestanden, denn der Kläger sei nicht als Kriegsgefangener unter Zwang ziviler Arbeitnehmer geworden. Er habe sich auch nicht bis zur Aussiedlung im Jahre 1958 auf dem Heimweg aus der Kriegsgefangenschaft oder Internierung befunden (§ 4 BVG). Er habe zwar nicht an seinen früheren Wohnsitz in Ostpolen zurückkehren und auch nicht seine zuletzt im W ansässig gewesene Frau aufsuchen können, er habe aber im Gebiet der Bundesrepublik oder in W vor der Haft keinen zivilen Wohnsitz gehabt. Unter diesen Umständen habe nach § 4 BVG der Entlassungsweg mit dem Eintreffen an dem vorläufig zugewiesenen - hier: dem vorläufig selbstgewählten - Aufenthaltsort geendet. Die in dem Verfahren über die Anerkennung als Heimkehrer im Sinne des § 1 des Heimkehrergesetzes (HKG) ausgesprochene Anrechnung der Zeit bis 1958 als Kriegsgefangenschaft habe keine verbindliche Wirkung für die Entscheidung über einen Versorgungsanspruch nach dem BVG.

Die Lungentuberkulose und das Bronchialleiden des Klägers in dem Zustand seit November 1958 seien deshalb nicht mit Wahrscheinlichkeit Schädigungsfolgen nach dem BVG, weil es (schon) an dem notwendigen zeitlichen Zusammenhang fehle. Die Krankheit habe sich ebensowenig schon im Wehrdienst 1944/45 wie während der im August 1945 beendeten polnischen Haft entwickelt. Während der Behandlung im Wehrmachtslazarett habe der Kläger außer einem grippalen Infekt bloß einen alten tuberkulösen Herd im Lungenbereich gehabt, der wahrscheinlich - wie üblich - in der Jugend entstanden sei, zumal er früher dreimal Lungenentzündung gehabt habe. Ein aktiver tuberkulöser Prozeß an der Lunge habe sich damals bei der Durchleuchtung und im Röntgenbild nicht feststellen lassen. Wann die aktive Tuberkulose, die jetzt beim Kläger bestehe, in Gang gekommen sei, lasse sich nicht mehr mit hinreichender Gewißheit ermitteln. Zuverlässige Befundunterlagen seien erst 1958 in W entstanden. Die Krankheit könne sich auch nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik wesentlich verschlimmert haben. Der 1967 durch Schichtaufnahmen von Dr. B genau geklärte Zustand lasse sich nicht genügend mit der vorher seit 1958 bloß durch einfache Röntgenaufnahmen festgestellten Entwicklung vergleichen. Die vom Kläger und von verschiedenen Zeugen, auch von dem Arzt K, zwischen 1945 und 1958 - allerdings nicht übereinstimmend - geschilderten Blutstürze oder Blutungen aus dem Munde sowie Blutbeimengungen im Auswurf seien nicht mit hinreichender Gewißheit und nicht einmal wahrscheinlich als Anzeichen für einen aktiven Tuberkuloseprozeß zu deuten, auf den das seit 1958 bestehende Leiden zurückgehe; sie könnten auch andere Ursachen gehabt haben, z. B. chronische bronchitische Prozesse mit Bronchiektasen. Allgemein sei der bei weitem kleinere Teil solcher Blutungen tuberkulöser Natur. Beim Kläger bestehe aber eine chronische Bronchitis, die am ehesten eine solche Erscheinung erkläre. Diese chronische Erkrankung werde nicht wahrscheinlich durch äußere Einwirkungen, die nach dem BVG geschützt seien, ursächlich beeinflußt worden sein. Sie habe sich wahrscheinlicher aus sich selbst heraus entwickelt und gehe letzten Endes auf die drei Lungenentzündungen vor dem Wehrdienst zurück. Wenn 1945 - spätestens durch die Haft - eine Tuberkulose aktiviert worden wäre, hätte sie sich gerade unter den anfangs - nach der Flucht - schlechten Lebensverhältnissen nicht über viele Jahre hinweg so verhältnismäßig ungefährlich entwickelt, daß der Kläger schon ab Ende 1945 oder Anfang 1946 bis 1958 unter entsprechenden Belastungen habe berufstätig sein können. Selbst wenn die Tuberkulose 1945 durch die kurze Haft aktiviert und damit verschlimmert worden wäre, würde die überwiegende Ursache für die weitere Entwicklung während der langen Zeit bis 1958 in Einwirkungen liegen, die nicht mehr nach dem BVG geschützt seien. Deshalb könne auch dahingestellt bleiben, ob die Wehrmachthaft nach der Lazarettbehandlung geschützt sei und sich schädigend auf die Gesundheit des Klägers ausgewirkt habe, ob im Frühjahr 1945 infolge wehrdienstbedingter Umstände eine notwendige Aufklärung über eine Tuberkulose sowie eine erforderliche Behandlung unterblieben sei und ob der Kläger in dieser Zeit noch Soldat gewesen sei. Möglicherweise hätten sich die Folgen des bronchitischen Prozesses nicht so ungünstig ausgewirkt, wenn der Kläger normal ärztlich behandelt worden wäre, d. h. wenn die Abszeßhöhle nicht so groß geworden wäre oder früher hätte operiert werden können. Aber dieses Versäumnis sei nicht auf Umstände zurückzuführen, die versorgungsrechtlich geschützt seien. Dem Kläger sei auch bis 1950, als eine allgemeine Amnestie für die Polen erlassen worden sei, die zwischen 1939 und 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten, ärztliche Hilfe nicht völlig versagt worden. So sei Ende 1945 - nach der Bekundung des Zeugen C - wegen Bluthustens ein Arzt hinzugezogen und nach der Bescheinigung des A. F. der Kläger seit 1947 laufend wegen "Tuberkulose" behandelt worden. Nach eigenen Angaben habe er schon 1950 zwei Kuren gemacht. Es sei nicht verständlich, daß er bis 1958 von den üblichen medizinischen Versorgungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hätte, da er doch als normaler Angestellter im Arbeitsleben gestanden habe. Eine aus Furcht vor Entlarvung unterbliebene ärztliche Behandlung wäre allerdings ein Umstand, der nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG als eine besondere Besetzungsgefahr zu werten sei; dieser Umstand wäre aber nicht mit Wahrscheinlichkeit die überwiegende Ursache oder wenigstens eine gleichwertige Bedingung gegenüber allgemeinen Behandlungsschwierigkeiten im polnischen Herrschaftsbereich gewesen. Wenn der Arzt, der den Kläger im Oktober oder November 1945 behandelt habe, eine offene Lungen-Tbc festgestellt hätte, so wäre es nicht verständlich, daß der Kläger trotzdem ohne Isolierung ab Dezember 1945 oder Januar 1946 hätte berufstätig sein können und dürfen. Diese medizinischen Erkenntnisse beruhten auf den von den Lungenfachärzten Dr. G und Dr. B erstatteten Gutachten, die wissenschaftlich begründet und schlüssig seien, von einem richtigen Sachverhalt ausgingen und zutreffend die nach dem BVG geschützten und nicht geschützten Umstände unterschieden hätten. Die Auswertung des Blutspuckens decke sich mit der von dem Pathologen Dr. V in einer anderen Streitsache vertretenen Auffassung. Dagegen habe das LSG dem Gutachten des Lungenfacharztes Dr. G nicht zu folgen vermocht, da er ohne hinreichende Beweisunterlagen eine Reaktivierung der alten Obergeschoß-Tuberkulose im Wehrdienst angenommen und ohne überzeugende Begründung den Bluthusten, der nach der von ihm unterstellten, aber nicht genügend gesicherten Vorgeschichte Ende 1945, laufend seit 1950, 1953 dreimal sowie 1955 und 1956 aufgetreten sein solle, als Zeichen für einen aktiven tuberkulösen Prozeß gewertet habe. Schließlich habe Dr. G auch Schädigungen aus der Zeit nach der polnischen Haft berücksichtigt, ohne den hierauf entfallenden Anteil von den versorgungsrechtlich geschützten Umständen zu trennen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger verfahrensrechtlich Verletzung der §§ 103, 128 SGG und sachlich-rechtlich der §§ 1 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 BVG. Das LSG habe zu Unrecht eine wesentliche Verschlimmerung der Lungen-Tbc durch Einflüsse des Wehrdienstes, der Kriegsgefangenschaft und der anschließenden Internierung unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. G verneint. Dieser Sachverständige habe in der Stellungnahme vom 4. Mai 1966 unter Einschränkung seiner früheren Beurteilung den streitigen Zusammenhang ausdrücklich bejaht und eine wesentliche Verschlimmerung der Tbc durch schädigende Einwirkungen der polnischen Haft einschließlich der Flucht 1945 angenommen. Die gegenteilige Feststellung des LSG beruhe daher auf einer falschen Auslegung der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. G vom 4. Mai 1966. Das LSG habe dieser Stellungnahme ein Befund- und Beurteilungsergebnis entnommen, das in dieser Form darin nicht enthalten sei. Zumindest sei das LSG, wenn es der Auffassung des Dr. G nicht hätte folgen wollen, verpflichtet gewesen, durch Rückfrage bei Dr. G oder einem anderen Gutachter eine Klärung herbeizuführen. Für die Feststellung des LSG, daß die chronische Bronchitis nicht durch schädigende äußere Einwirkungen ursächlich beeinflußt worden sei, habe sich das LSG auf keine schlüssigen ärztlichen Feststellungen berufen können. Dr. G und Dr. G hätten hierzu keine Ausführungen gemacht. Dr. B spreche zwar im Zusammenhang mit dem festgestellten massiven Lungenabszeß von den drei Lungenentzündungen des Klägers aus der Vorkriegszeit als Schrittmachern für das Zustandekommen des Krankheitsbildes, ohne aber darzulegen, warum die chronische Bronchitis durch Einflüsse von Gefangenschaft und Internierung nicht zumindest wesentlich verschlimmert worden sei. § 128 SGG sei verletzt, weil es insoweit an einer eindeutigen ärztlichen Aussage fehle, § 103 SGG, weil die hiernach erforderliche Aufklärung des medizinischen Sachverhalts unterblieben sei. Verfahrensfehlerhaft sei auch die Feststellung des LSG, daß bei der von ihm angenommenen Reaktivierung und Verschlimmerung der Tuberkulose durch die Haft 1945 die überwiegende Ursache für die weitere Entwicklung des Leidens bis 1958 auf Einwirkungen zurückzuführen sei, die nicht mehr nach dem BVG geschützt seien; auch hierzu fehlten ärztliche Feststellungen. Dr. G habe zwar ausgeführt, daß in den Verhältnissen nach der Flucht wesentliche Umstände für das Fortschreiten der Tbc gelegen hätten. Er und die anderen Gutachter hätten aber nicht ausgeführt, daß die Zeit nach der Haft bis 1958 die überwiegende Ursache für die weitere Entwicklung des Tbc-Leidens gewesen sei. Entgegen der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG sei davon auszugehen, daß unter den beim Kläger bestehenden Umständen die Kriegsgefangenschaft noch bis zur Ausreise aus Polen im Herbst 1958 fortbestanden habe. Die Unrichtigkeit der entgegenstehenden Auffassung des LSG werde auch durch die gemäß § 1 Abs. 7 HKG gewährte Anerkennung als Heimkehrer (Zeit der Kriegsgefangenschaft) bewiesen. Der Annahme einer früheren Beendigung der Kriegsgefangenschaft des Klägers stehe insbesondere auch entgegen, daß er nicht freiwillig Arbeitsverhältnisse eingegangen sei; denn er habe unter dem starken Zwang gestanden, sich unter falschem Namen als ein von den Polen gesuchter Häftling am Leben zu erhalten und den Arbeitsplatz oft zu wechseln. Zumindest sei die Entwicklung der Tbc auf eine mit der Besetzung zusammenhängende besondere Gefahr zurückzuführen, da er keine geregelte ärztliche Versorgung habe in Anspruch nehmen können und genötigt gewesen sei, über dreißigmal seine Stellung zu wechseln.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und des Urteils des SG sowie der Bescheide vom 12. Februar 1960 und 29. Juli 1960 den Beklagten zu verurteilen, beim Kläger zusätzlich eine Lungentuberkulose und eine chronische Bronchitis mit Begleiterscheinungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen und dem Kläger dafür ab 1. November 1958 Rente nach einer MdE von 100 v. H. zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hat zu den Verfahrensrügen des Klägers nicht Stellung genommen. Sachlich-rechtlich hat er sich im wesentlichen den Ausführungen des LSG angeschlossen und zu § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ausgeführt, das LSG habe es nicht glauben können, daß der Kläger als normaler Angestellter bis 1958 von den üblichen medizinischen Versorgungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht habe, weil er habe befürchten müssen, entlarvt zu werden. Abgesehen davon sei das Vorbringen des Klägers aber auch nicht schlüssig, denn er habe nicht dargelegt, wieso die Gefahr erneuter Inhaftierung besetzungseigentümlich gewesen sei. Bei der drohenden Verhaftung würde es sich um eine Maßnahme der Polizei, also eine solche der polnischen Zivilverwaltung, gehandelt haben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sachlich ist sie nicht begründet.

Zutreffend hat das LSG festgestellt, daß die Voraussetzungen einer Kriegsgefangenschaft oder auch einer Internierung des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b und c BVG mit seiner Befreiung aus dem Krankenhaus Krakau weggefallen waren. Mit den Begriffen Kriegsgefangenschaft und Internierung knüpft das BVG an völkerrechtliche Begriffe an. Dies gilt auch für die Frage, in welcher Weise Kriegsgefangenschaft und Internierung enden. Die völkerrechtliche Stellung der Kriegsgefangenen ist in der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 (RGBl 1910, 107) und in dem III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (BGBl 1954 II 838) geregelt, das das Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl 1934 II 227) ersetzt hat (Art. 134). Kriegsgefangene sind die Personen, die wegen militärischen oder militärähnlichen Dienstes gefangengenommen und von einer ausländischen Macht festgehalten wurden oder werden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes i. d. F. vom 8. Dezember 1956 - BGBl I 907 -, ähnlich Art. 4, 5 des III. Genfer Abkommens vom 12. August 1949: "die in Feindeshand gefallenen Personen" ... "bis zu ihrer endgültigen Freilassung und Heimschaffung" und BSG 13, 16, 17). Dabei ist vorausgesetzt, daß durch das Festgehaltenwerden ein Gewahrsam an der davon betroffenen Person begründet wird, wie er seiner Art nach dem eines Kriegsgefangenen entspricht, das heißt, regelmäßig auf engbegrenztem Raum unter ständiger Bewachung (BVerwGE Band 8, 98, 99 f). Der völkerrechtliche Begriff der Internierung (von Zivilpersonen) setzt - vom internierenden Staat aus gesehen - stets eine fremde Staatsangehörigkeit voraus (Art. 4 Abs. 1 des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten - BGBl 1954 II 917; vgl. auch BSG Urteil vom 4. Februar 1959 - BVBl 1959 S. 92, 93 Nr. 24). Dieser völkerrechtliche Begriff der Internierung, der auch - wie der der Kriegsgefangenschaft - die Begründung eines Gewahrsams der festgehaltenen Personen im Zusammenhang mit einem Krieg oder mit kriegerischen Ereignissen erfordert (BSG 17, 69, 71; 14, 50, 51), ist in § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG auf die wegen deutscher Volkszugehörigkeit internierten Personen ausgedehnt worden (BSG Urteil vom 4. Februar 1959 aaO). Die Kriegsgefangenschaft und die Internierung enden durch eine gelungene Flucht sowie durch "Freilassung und Heimschaffung" (Art. 5, 91, 118 des III. Genfer Abkommens vom 12. August 1949). Die Internierung begründet für die Gewahrsamsmacht die Verpflichtung, die internierte Person freizulassen, sobald die Gründe, die die Internierung verursacht haben, nicht mehr bestehen, und sich zu bemühen, die Rückkehr aller Internierten "an ihren letzten Aufenthaltsort zu gewährleisten oder ihre Heimschaffung zu erleichtern" (Art. 132, 134 des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949). Die Heimschaffung entfällt, wenn der Kriegsgefangene oder der Internierte im Zeitpunkt seiner Freilassung sich bereits in seiner Heimat befindet. Heimat des Kriegsgefangenen - des Internierten- ist der Staat, von dem er abhängt (Art. 91, 118 und 119 des III. Genfer Abkommens), nicht etwa der Staat, mit dem sich der Kriegsgefangene besonders verbunden fühlt und in den er deshalb verbracht werden möchte (BVerwG Urteil vom 13. November 1957 - VC 595/56 - DVBl 1958 S. 134). Bloße Einschränkungen der Freizügigkeit, z. B. die Stellung unter Polizeiaufsicht oder Ausreiseschwierigkeiten, erfüllen für sich allein nicht den Begriff des "Festgehaltenwerdens" als Merkmal der Kriegsgefangenschaft (BVerwG Urteil vom 15. Januar 1958 - VC 614.56 - in Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Band 4 b, 412.4 Nr. 6). Als Kriegsgefangene können daher z. B. Volksdeutsche aus Polen, die in Polen (in den Grenzen von 1937) im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen festgehalten worden sind, nur für die Zeit angesehen werden, in der sie nach Art der Kriegsgefangenen festgehalten worden sind, d. h. grundsätzlich auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung (vgl. BVerwGE Band 9, 59, 63). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BVG i. d. F. des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) und nach § 4 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 BVG i. d. F. des Zweiten und Dritten Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) und 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) ist zwar auch der Heimweg bei Flucht aus der Kriegsgefangenschaft und der Internierung versorgungsrechtlich geschützt (BSG 10, 62). Jedoch muß es sich in diesem Fall um den Fluchtweg in die Heimat, das heißt hier in das Land der ohne die Flucht - völkerrechtlich - erforderlich gewesenen Heimschaffung handeln. Diese Voraussetzung ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bei dem Kläger nicht gegeben, da er vor der Haft keinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik oder von West-Berlin gehabt, sondern in Ostpolen gewohnt hatte. Wenn er auch weder dorthin noch zu seiner Frau zurückkehren konnte, die zuletzt im Warthegau ansässig gewesen war, so blieb doch Polen seine Heimat im völkerrechtlichen Sinne. Da er sich nach der Flucht in seiner Heimat auf freiem Fuße befand, steht der Annahme einer "gelungenen Flucht" im Sinne des Art. 91 des III. Genfer Abkommens nicht entgegen, daß die dort unter 1 bis 3 genannten Voraussetzungen hier nicht gegeben sind (Erreichen der eigenen oder verbündeten Streitkräfte, Verlassen des Gebietes der Gewahrsamsmacht, Erreichen eines nicht der Macht des Gewahrsamsstaates unterworfenen Schiffes).

Zutreffend hat das LSG dargelegt, daß die Kriegsgefangenschaft oder Internierung des Klägers über den 24. August 1945 hinaus auch nicht etwa deshalb fortbestanden habe, weil er auf Grund eines nicht freiwillig begründeten Arbeitsvertrages weiterhin festgehalten worden wäre (BSG 13, 16, 17). Der Kläger mag zwar bei der Eingehung von Arbeitsverträgen in seiner Entschließungsfreiheit dadurch eingeschränkt gewesen sein, daß er unter falschem Namen untergetaucht und aufgetreten war und unter dem Druck stand, entlarvt zu werden. Auf diese Umstände kommt es hier aber nicht an, sondern nur darauf, ob er durch den nicht freiwilligen Abschluß von Arbeitsverträgen den Status eines Kriegsgefangenen behalten hat. Das ist zu verneinen, da ein Gewahrsam der polnischen Macht - nach der gelungenen Flucht - nicht mehr bestand.

Mit Recht hat das LSG es auch abgelehnt, aus der berichtigten Heimkehrerbescheinigung vom 17. Oktober 1960, in der als Ende der Kriegsgefangenschaft das Datum vom 31. Oktober 1958 angegeben ist, Folgerungen für die Auslegung des Begriffs der Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG zu ziehen. Das Heimkehrergesetz in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 17. August 1953 (BGBl I 931) enthält für die in diesem Gesetz bestimmten Leistungen selbständige Anspruchsvoraussetzungen, zu denen u. a. auch die Kriegsgefangenschaft gehört. Es unterscheidet zwischen den (echten) Kriegsgefangenen (§ 1 Abs. 1) und denen, die als Kriegsgefangene "gelten" (§ 1 Abs. 2 und 3). Soweit es andere Anspruchsvoraussetzungen als das BVG enthält, insbesondere die in § 1 Abs. 2 Buchst. b und c BVG vorausgesetzten Begriffe der Kriegsgefangenschaft und Internierung einschränkt oder ausdehnt, lassen sich daraus im Hinblick auf die mit diesem Gesetz bezweckte Eingliederung der Heimkehrer keine Folgerungen für die Auslegung der allein nach dem BVG maßgeblichen versorgungsrechtlichen Ansprüche ziehen. Auch im übrigen sind die Versorgungsbehörden nicht an die Auslegung gebunden, die die für die Erteilung der Heimkehrerbescheinigung zuständigen Behörden bei der Anwendung des Heimkehrergesetzes den Begriffen Kriegsgefangenschaft und Internierung zugrunde gelegt haben. Soweit der Kläger geltend macht, daß er aus Furcht, entdeckt und bestraft zu werden, keine geregelte ärztliche Versorgung habe in Anspruch nehmen können, würde darin kein schädigender Vorgang liegen, der infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten wäre (§ 5 Abs. 1 Buchst. d BVG). Die dem Kläger drohende Verfolgung als "Kollaborant" (BVerwGE Band 9, 59, 60) stellte mindestens nach der Flucht im August 1945 keine aus der Besetzung sich ergebende besondere, d. h. der Besetzung eigentümliche Gefahr mehr dar. Hierbei handelte es sich vielmehr um eine Gefahr, der die Betroffenen auf Grund polnischer Sondergesetze ausgesetzt waren, durch die - nach polnischer Auffassung - ihr Verhalten zwischen 1939 und 1945 als Feindbegünstigung und deshalb als ein strafwürdiges Verhalten angesehen wurde. Der Kläger hatte hierzu gegenüber dem VersorgA angegeben, er sei, weil er Gutsbesitzer von M im Kreis D gewesen sei, einer polnischen Dienststelle übergeben worden. Man habe ihm vorgeworfen, er habe als polnischer Staatsbürger und früherer hoher polnischer Beamter (Ministerialrat) und Gutsbesitzer den polnischen Staat verraten. Die in solchen Fällen getroffenen Vergeltungsmaßnahmen waren - jedenfalls nach der ersten Übergangszeit bis etwa Ende Mai 1945 - Ausfluß der internen polnischen Gesetzgebungs- und Vollziehungsgewalt und deshalb unabhängig von der Besetzung und den Zielen der Besatzungsmacht (vgl. insbesondere BVerwGE Band 9, 59, 60 f, 62 und die dort zitierte Dokumentation der Bundesregierung). Als schädigungsbedingte Teilursache des Lungen- und Bronchialleidens käme die Haft (neben der Gefahr, von polnischen Gerichten verfolgt zu werden) für den Kläger auch nur dann in Betracht, wenn für die Zeit während des Wehrdienstes und der Haft in polnischen Gefängnissen bereits ein Wieder-aktiv-werden der Lungen-Tbc oder eine Verschlimmerung des Bronchialleidens durch Wehrdienst- oder Hafteinflüsse festzustellen gewesen wäre, was, wie noch darzulegen ist, Dr. B verneint hat. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, daß durch polnisches Gesetz vom 20. Juli 1950 eine Amnestie erlassen wurde, durch die die getroffenen Maßnahmen aufgehoben wurden (mit Ausnahme der auf Grund des Lubliner Dekrets vom 31. August 1944 verhängten Strafen - BVerwGE Band 9, 61 -). Dem Kläger ist, wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat, auch bis 1950 ärztliche Hilfe nicht völlig versagt worden. So hat er 1950 zwei Kuren durchgemacht. Gemäß der Krankenkarte der Anti-Tbc-Beratungsstelle in W vom 2. Dezember 1966 ist er vom 15. Januar 1958 an dort auf seine Krankheit beobachtet und vom 13. Februar bis 3. April 1958 und vom 17. Mai bis 9. Juli 1958 stationär behandelt worden.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt somit davon ab, ob das LSG verfahrensfehlerfrei einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tuberkulose und dem Bronchialleiden einerseits, dem militärischen Dienst und der Haft andererseits im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung verneinen durfte. Die insoweit von der Revision erhobenen Rügen gegen die Feststellungen des LSG, mit denen es die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhangs verneint hat, sind nicht begründet. Dies gilt zunächst von dem Vorbringen der Revision, das LSG habe sich zu Unrecht auf Dr. G bezogen, dessen Ausführungen in der Stellungnahme vom 4. Mai 1966 verkannt und seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, daß es entschieden habe, ohne durch Rückfrage bei diesem Sachverständigen oder Einholung eines weiteren Gutachtens den medizinischen Sachverhalt weiter ausreichend aufzuklären. Das LSG hat nicht etwa, wie die Revision anzunehmen scheint, die Auffassung vertreten, Dr. G habe in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 1966 den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Lungen-Tbc und dem Wehrdienst und der Haft verneint. Es hat nach eingehender Darlegung der hierbei in Betracht kommenden medizinischen Erfahrungssätze und der vorliegenden Befunde zur Frage eines schädigungsbedingten Lungen-Tbc- und Bronchialleidens nur betont, daß "diese" (seine) medizinischen Erkenntnisse auf den von den Lungenfachärzten Dr. G und Dr. B erstatteten Gutachten beruhten. Das bedeutet nur eine Bezugnahme auf die dem Gericht durch diese beiden Sachverständigen vermittelten Erfahrungssätze und die sich aus den Befunden ergebenden Folgerungen, somit etwas anderes als die Behauptung, daß die Auffassung des LSG auch im Ergebnis mit Dr. G übereinstimme. Dr. G hatte insgesamt drei Stellungnahmen abgegeben. Er war in dem ersten Gutachten vom 11. Juli 1963 zu einem dem Kläger ungünstigen Ergebnis gekommen, hatte diese Auffassung dann in der zweiten Stellungnahme vom 7. Februar 1966 erheblich eingeschränkt und sie schließlich in der Stellungnahme vom 4. Mai 1966 auf Grund der beigebrachten Beweisunterlagen ganz verlassen. Das änderte aber nichts daran, daß die Grundsätze, von denen Dr. G ausgegangen war - solange keine neuen Erkenntnisse und Beweisunterlagen eine abweichende medizinische Beurteilung zuließen - zugrunde gelegt werden konnten, nämlich insbesondere, daß bis Januar 1945 keine aktive Tuberkulose nachgewiesen sei, eine Lungenblutung an sich nicht die Diagnose Lungentuberkulose bedeute, daß ferner die Möglichkeit einer Reaktivierung der alten tuberkulösen Herde aus der Jugendzeit durch die Haft (1945) bestehe und sich die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Verlaufsform und Verschlimmerung einer Tuberkulose auf Grund der kavernösen Form der im Herbst 1945 und später aufgetretenen Blutungen (als Brückensymptome) ergebe, weil "Bronchiektasen oder ähnliches für den in Frage stehenden Zeitraum nicht zu beweisen" seien. Von dieser allgemeinen medizinischen Beurteilungsgrundlage ist zunächst auch das LSG ausgegangen. Es konnte dann aber auf Grund des Gutachtens des Dr. B vom 27. November 1967 zu der Überzeugung gelangen, daß die in der Beweiskette des Dr. G (hinsichtlich der Deutung der Blutstürze und ihres Ursprungs als Folge tuberkulöser oder bronchiektatischer Hohlräume in der rechten Lungenbasis) verbliebene Lücke dahin zu schließen sei, daß sich insbesondere die Blutstürze eher auf einen in der rechten Lungenbasis fortbestehenden Lungenabszeß als auf den tuberkulösen Spitzenoberlappenbefund rechts zurückführen ließen. Nach der Auffassung des Dr. B ist es wahrscheinlich erst Ende 1959 zu einer rechtsseitigen Exazerbationstuberkulose mit Infektiosität gekommen. Dr. B hat die im Januar 1945 im Reservelazarett W und 1958 in W und L erhobenen Befunde sowie die aus den Jahren 1960 bis 1962 vorliegenden Röntgenaufnahmen mit den von ihm selbst am 19. Oktober 1967 durchgeführten röntgenologischen Untersuchungen (insbesondere auch den Schichtaufnahmen) verglichen und versucht, aus diesen umfangreichen Beweisunterlagen den - soweit noch feststellbar - vermutlichen Verlauf der Erkrankung nachzuzeichnen. Auf Grund einer eingehenden Würdigung der Befunde und Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1945 bis 1962 ist er zu dem Ergebnis gekommen, daß die bei dem Kläger bestehende Lungentuberkulose mit größter Wahrscheinlichkeit nicht durch schädigende Einflüsse des Wehrdienstes und der polnischen Haft entstanden, entscheidend oder bleibend verschlimmert worden ist, daß auch der - in der rechten Lungenbasis fortbestehende - Lungenabszeß nicht als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG angesehen werden könne, daß insbesondere die Angaben über behandlungsbedürftige Lungenblutungen Ende 1955 und Juli 1956 wahrscheinlich auf einen größeren Abzedierungsvorgang im Bereiche von zuvor schon entstandenen und infizierten Bronchiektasen zu beziehen seien. Auf Grund des widerspruchsfrei begründeten wissenschaftlichen Gutachtens des Dr. B konnte das LSG die in der Stellungnahme des Dr. G vom 4. Mai 1966 angegebenen Beweisgründe für das Vorliegen einer seit Herbst 1945 bestehenden chronischen Verlaufsform der Tuberkulose als widerlegt oder zumindest den hierzu erforderlichen Nachweis als nicht geführt ansehen. Dr. G hatte im übrigen in seinem Gutachten vom 7. Februar 1966 auch schon auf. den "bronchitischen Befund" des Reservelazaretts Wiesloch hingewiesen. Die Revision hat nicht dargelegt, weshalb das LSG den sehr sorgfältig abgewogenen Ausführungen des Dr. B und seiner Deutung der Befunde sowie den Darlegungen des Pathologen Dr. V vom 30. Dezember 1965, die das LSG berücksichtigt hat, nicht hätte folgen dürfen, und weshalb es sich danach noch zu einer weiteren Beweisaufnahme hätte veranlaßt sehen müssen.

Dasselbe gilt von der nach der Auffassung der Revision verfahrensfehlerhaften Feststellung des LSG, daß auch die chronische Bronchitis des Klägers nicht wahrscheinlich durch äußere, nach dem BVG geschützte Einwirkungen beeinflußt worden sei. Die Revision verkennt nicht, daß Dr. B ausgeführt hat, für das Zustandekommen des Krankheitsbildes (Lungenabszeß) seien die drei Lungenentzündungen aus der Vorkriegszeit der Schrittmacher gewesen. Sie meint aber, das Gutachten lege nicht schlüssig dar, warum die chronische Bronchitis durch die Einflüsse der Gefangenschaft und Internierung nicht zumindest wesentlich verschlimmert worden sei. Die Revision übersieht hierbei, daß Dr. B die ärztlich behandlungsbedürftigen Lungenblutungen von Ende 1955 und Juli 1956 ausdrücklich als eine schicksalsmäßige Komplikation und als ein Ereignis, das man nicht ohne weiteres auf irgendwelche Umwelteinflüsse zurückführen könne, bezeichnet hat. Es sei eine unausweichliche Folge, daß von diesem Abszeß inzwischen eine diffuse bakterielle Bronchitis durch ständige Aspiration keimhaltigen Materials unterhalten werde. Dieses chronisch entzündliche Krankheitsgeschehen in der Lunge, dessen erste Symptome schon im Januar 1945 festgestellt worden seien, könne "auch" nicht mit Schädigungseinflüssen der Wehrdienstzeit 1941 bis 1945 in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden. Die behandlungsbedürftigen Blutstürze 1955/56 seien auf einen größeren Abzedierungsvorgang im Bereich der zuvor schon entstandenen und infizierten Bronchiektasen (Bronchialerweiterungen mit Wandentzündung) zu beziehen. Aus diesen Ausführungen ergab sich, daß der Sachverständige in den drei Lungenentzündungen die schicksalhaft bedingte Ursache für den rechtsseitigen basalen Lungenabszeß und die chronische Bronchitis mit rezidivierendem und schließlich chronischem Infektgeschehen erblickt hat. Dieser Auffassung durfte das LSG folgen.

Als überwiegende Ursache hat das LSG die weitere Entwicklung der Tuberkulose in der Zeit von 1945 - nach der Haft - bis 1958 angesehen, falls 1945 durch die kurze Haft die Tuberkulose verschlimmert worden "wäre". Da das LSG vorher einen Einfluß der Haft (oder des Wehrdienstes) auf die Entwicklung der Tuberkulose verneint hatte, handelt es sich bei den weiteren Ausführungen um eine Hilfserwägung, auf der das Urteil nicht beruht. Im übrigen hatte auch Dr. G in dem Gutachten vom 11. Juli 1963 auf die Folgerungen hingewiesen, zu denen eine über viele Jahre sich hinziehende Verlaufsform der vermeintlichen tuberkulösen Erkrankung Anlaß geben könne. Deshalb ist auch die insoweit erhobene Rüge des Klägers nicht begründet.

Da nach alledem die sachlich-rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden ist und auch die Verfahrensrügen nicht begründet sind, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670521

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge