Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung von § 10 Abs 1 S 3 AFuU (Fassung: 24.3.1977), wonach beruflich bereits qualifizierte Antragsteller das erhöhte Unterhaltsgeld nach § 44 Abs 2 AFG (Fassung: 18.12.1975) nur erhalten dürfen, wenn ihnen in absehbarer Zeit kein Arbeitsplatz vermittelt werden kann, der mindestens einen Berufsabschluß als Facharbeiter, Geselle oder Gehilfe oder eine vergleichbare Qualifikation verlangt, hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 39 AFG und ist deshalb bei der Anwendung des § 44 AFG zu beachten.

2. § 10 Abs 1 S 3 AFuU (Fassung: 24.3.1977) findet auch auf Antragsteller Anwendung, die bereits eine höhere Qualifikation als dort verlangt besitzen (Abänderung von BSG 1979-12-11 7 RAr 113/78 = SozR 4460 § 12 Nr 5). Grundsätze der Zumutbarkeits-Anordnung begründen keine abweichende Handhabung.

 

Orientierungssatz

Zur Notwendigkeit der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme als Voraussetzung für das höhere Unterhaltsgeld. Keine Anwendung der Zumutbarkeits-Anordnung auf die berufliche Bildungsförderung, wenn die in diesem Bereich anzuwendenden Vorschriften einen abgeschlossenen Inhalt besitzen.

 

Normenkette

AFG § 39 Fassung: 1975-12-18, § 44 Abs 2 Fassung: 1975-12-18; AFuU § 10 Abs 1 S 3 Fassung: 1977-03-24; ZumutbarkeitsAnO; ZumutbarkeitsAnO 1982 § 14

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 24.08.1981; Aktenzeichen L 1 Ar 20/81)

SG Mainz (Entscheidung vom 08.12.1980; Aktenzeichen S 7 Ar 128/79)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg).

Der 1940 geborene Kläger erwarb im März 1959 den Facharbeiterbrief des Drehers. Von Februar 1970 bis Ende Oktober 1971 arbeitete er bei der Firma C. als Dreher und Schlosser, anschließend bis 2. Januar 1972 als technischer Angestellter und ab 3. Januar 1972 als Werkmeister. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich zum 30. September 1979. Neben dem Gehalt bis zu diesem Tage erhielt der Kläger eine Abfindung von 9.000,-- DM.

Ab 16. August 1979 nahm der Kläger an einer Maßnahme zum staatlich geprüften Techniker bei der Fachschule für Technik in K. teil. Die Beklagte bewilligte dem Kläger dafür Uhg in Höhe von 58 vH des maßgeblichen Arbeitsentgelts gem § 44 Abs 2a des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG- (Bescheid vom 27. August 1979). Der Widerspruch des Klägers, mit dem er das höhere Uhg (80 vH) nach § 44 Abs 2 AFG begehrte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1979).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger das höhere UhG zu gewähren (Urteil vom 8. Dezember 1980). Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. August 1981). Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger erfülle zwar wegen Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme die Voraussetzungen für einen Förderungsanspruch ab 1. Oktober 1979, jedoch wegen des Uhg nur in der bewilligten Höhe (§ 44 Abs 2a AFG). Für den geltend gemachten Anspruch auf das höhere Uhg fehle es an den Voraussetzungen des § 44 Abs 2 AFG iVm § 10 Abs 1 der Anordnung der Beklagten über die Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU).

Danach stehe das höhere Uhg nur zu, wenn die Teilnahme an der Maßnahme notwendig sei, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen oder zu verhindern, um erstmals eine Berufsqualifikation zu erwerben oder für den Übergang in einen Mangelberuf, sofern der bisherige Beruf kein Mangelberuf sei. Als Werkmeister habe der Kläger ohne den mit der in Rede stehenden Fortbildung erstrebten zusätzlichen beruflichen Abschluß zwar nicht vermittelt werden können; ihm hätte nach der Lage des Arbeitsmarktes jedoch in absehbarer Zeit ein angemessener Arbeitsplatz als Facharbeiter (Dreher) verschafft werden können. Seine berufliche Eingliederung im erlernten Beruf habe somit nicht die Teilnahme an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme erfordert. Hierfür komme es nach der ermächtigungskonformen Regelung in § 10 Abs 1 Satz 2 AFuU und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur darauf an, ob dem Antragsteller nicht nur vorübergehend ein Arbeitsplatz als Facharbeiter, Geselle, Gehilfe oder Arbeitnehmer mit vergleichbarer Qualifikation vermittelt werden könne. Das sei hier der Fall. Da der Kläger bereits ausgebildeter Dreher sei, sei die Fortbildung auch nicht zur Erlangung einer erstmaligen Berufsqualifikation erforderlich. Schließlich bestehe in dem angestrebten Werkmeisterberuf kein nennenswerter Mangel an Arbeitskräften.

Entgegen der Auffassung des SG rechtfertige sich der Anspruch nicht deshalb, weil dem Kläger mit Rücksicht auf seine langjährig ausgeübte Tätigkeit als Werkmeister eine Verweisung auf bloße Facharbeitertätigkeiten nicht zumutbar sei. Für die Anwendung des § 44 Abs 2 AFG sei weder die zuletzt ausgeübte Tätigkeit noch das angestrebte Fortbildungsziel maßgebend, sondern lediglich der vorhandene Qualifikationsstand. Wegen ihrer andersartigen Zielrichtung seien deshalb insoweit nicht die Grundsätze der Zumutbarkeits-Anordnung vom 3. Oktober 1979 (ANBA S 1387) anzuwenden. Im übrigen wäre danach die Verweisung des Klägers auf normale Facharbeitertätigkeit nicht unzumutbar, da sie für ihn nicht ungünstiger sei, als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkmeister. Maßgebend sei insoweit lediglich der zu erzielende Lohn, da der Kläger ohne Fortbildung keine Aussicht gehabt habe, außerhalb des bisherigen Beschäftigungsbetriebes als Werkmeister tätig sein zu können. Zudem sei, wie das Arbeitsgerichtsverfahren erkennen lasse, selbst bei diesem Arbeitgeber im letzten Jahr seine Beschäftigung umstritten gewesen. Allenfalls habe er dessen Anforderungen an einen Werkmeister entsprochen. Jedenfalls habe er nicht so weit über dem Niveau eines Facharbeiters gestanden, daß eine Verweisung auf entsprechende Tätigkeiten nicht zumutbar sei. Dies komme auch in seiner untertariflichen Bezahlung als Werkmeister zum Ausdruck. Das LSG führt sodann anhand von Tarifbestimmungen im einzelnen aus, daß der Kläger angesichts seiner Qualifikation als Facharbeiter den gleichen oder sogar einen höheren Lohn hätte erzielen können als zuletzt als Werkmeister bei der Firma C. Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 44 AFG und der §§ 62, 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er führt dazu aus: Die Feststellung des LSG, er sei bei der Firma C. zumindest zuletzt als Werkmeister umstritten gewesen, sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das LSG habe dies offenbar den Akten des Arbeitsrechtsstreits entnommen, ohne den Kläger hierüber zu informieren. Es habe deshalb dem Kläger unter Verletzung des rechtlichen Gehörs den Weg abgeschnitten, zu dem Beweisergebnis Stellung zu nehmen und darauf hinzuweisen, daß bei jenem Verfahren die Rechtmäßigkeit einer Änderungskündigung streitig gewesen sei und nicht die Qualifikation des Klägers. Nach Aufklärung dieser Sachlage durch den Kläger hätte das LSG nicht von einer mangelnden Qualifikation des Klägers ausgehen können und möglicherweise anders entschieden.

Außerdem habe das LSG Sinn und Zweck des § 44 Abs 2 Nr 1 AFG verkannt. Eingliederung im Sinne dieser Regelung hebe zwar nicht auf den angestrebten Beruf ab; nach der Rechtsprechung des BSG komme es jedoch auf die zumutbare Beseitigung von Arbeitslosigkeit an. Dazu gehöre die Berücksichtigung einer vorhandenen Qualifikation. Ob der Kläger als Werkmeister hätte vermittelt werden können, könne dahinstehen. Das LSG hätte aber seine Vermittlungsaussichten als "technischer Angestellter" oder "Dreher-Vorarbeiter" entsprechend seiner beruflichen Qualifikation und seiner sozialen Stellung prüfen müssen. Zwar genieße der Arbeitslose nicht den Berufsschutz im rentenversicherungsrechtlichen Sinne, deswegen müsse er aber nicht stets jede Art von Arbeit annehmen. Lenkungsbemühungen der Arbeitsverwaltung dürften nicht mit dem Förderungsanspruch nach § 44 Abs 2 Nr 1 AFG kollidieren. Nach der vom BSG entwickelten Stufentheorie hätte geprüft werden müssen, ob der Kläger entsprechend seiner durch Berufserfahrung erworbenen Qualifikation mit Hilfe des angestrebten Abschlusses dauerhaft hätte eingegliedert werden können, bevor solches auf der für ihn niedrigsten Stufe versucht wurde. Dies habe das LSG nicht beachtet.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die

Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil

zurückzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit an das LSG

zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus, daß die Verweisung des Klägers auf eine Facharbeitertätigkeit zumutbar gewesen sei, weil er für den allgemeinen Arbeitsmarkt dieser Berufsebene noch nicht entwachsen gewesen sei. Im übrigen habe es sich dabei keineswegs um die niedrigst mögliche Stufe gehandelt.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht ein höheres Uhg, als es bewilligt worden ist, nicht zu.

Nach den insoweit bindenden Feststellungen des LSG sind die Voraussetzungen zur Förderung der Teilnahme des Klägers an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung erfüllt (§§ 36, 41 ff AFG idF des ab 1. August 1979 geltenden Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG -5. AFG-ÄndG- vom 23. Juli 1979 - BGBl I 1189 -). In dem gem § 95 SGG den Gegenstand der Klage bildenden Bescheid vom 27. August 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 1979 hat die Beklagte dem Kläger danach dem Grunde und der Höhe nach zutreffend Uhg in Höhe von 58 vH des maßgeblichen Bemessungsentgelts ab 1. Oktober 1979 bewilligt (§ 44 Abs 2a AFG).

Das unter Hinweis auf § 44 Abs 2 AFG geltend gemachte höhere Uhg steht dem Kläger nicht zu; denn seine Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme erfüllte nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Nach § 44 Abs 2 AFG beträgt das Uhg 80 vH des maßgeblichen Bemessungsentgelts, wenn die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit ein Antragsteller, der

1. arbeitslos ist, beruflich eingegliedert wird,

2. von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ist,

nicht arbeitslos wird,

3. keinen beruflichen Abschluß hat, eine berufliche

Qualifikation erwerben kann,

4. einen vorhandenen oder zu erwartenden Mangelberuf

ergreifen will, diesen ausüben kann, sofern in seinem

bisher ausgeübten Beruf nicht ebenfalls ein Mangel

an Arbeitskräften besteht.

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die Voraussetzungen der Nr 4 des § 44 Abs 2 AFG keinesfalls vorliegen; danach bestand in dem mit der Fortbildung angestrebten Beruf kein Mangel an Arbeitskräften. Gegenteiliges wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Der Tatbestand des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG liegt ebenfalls nicht vor. Der Kläger besaß bereits den beruflichen Abschluß eines Drehers, so daß die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation nicht notwendig war. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf die Regelung in § 10 Abs 1 Nr 3 Satz 2 AFuU vom 23. März 1976 (ANBA S 559) idF der 1. Änderungs-Anordnung vom 24. März 1977 (ANBA S 645) berufen. Danach steht ein Teilnehmer mit einem Facharbeiter-, Gesellen- oder Gehilfenabschluß einem solchen ohne Abschluß gleich, wenn er länger als die doppelte Ausbildungszeit des erlernten Berufes dienen nicht mehr ausgeübt hat. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger zwar von 1972 bis 1979 bei seinem früheren Arbeitgeber als Werkmeister eingesetzt. Ihnen ist jedoch zu entnehmen, daß der Kläger dabei weiterhin Tätigkeiten ausgeübt hat, die sich - wenn auch mit höherem Niveau - inhaltlich im Rahmen seines erlernten Berufes hielten. Im übrigen hätte dem Kläger, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, in absehbarer Zeit ein seinem erlernten Beruf entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden können. Dies schließt nach § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU die erhöhte Förderung nach § 44 Abs 2 AFG aus, wie noch in anderem Zusammenhang auszuführen ist.

Der Klageanspruch rechtfertigt sich schließlich nicht aus § 44 Abs 2 Nrn 1 und 2 AFG, nämlich wegen der Notwendigkeit der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme zur Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit. Ob der Kläger unmittelbar vor Beginn der Bildungsmaßnahme am 16. August 1979 bereits arbeitslos war oder zu diesem Zeitpunkt noch in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, weil durch Arbeitsgerichtsvergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 30. September 1979 vereinbart worden ist, kann dabei dahinstehen. In ersterem Falle richtete sich der geltend gemachte Anspruch zwar nach § 44 Abs 2 Nr 1 AFG, im zweiten Falle nach § 44 Abs 1 Nr 2 AFG. Für beide Tatbestände ist es jedoch in gleicher Weise Anspruchsvoraussetzung, daß die Teilnahme an der Maßnahme zur beruflichen Eingliederung, nämlich zur Beendigung oder Vermeidung von Arbeitslosigkeit notwendig ist (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 33). An dieser Notwendigkeit der Teilnahme als Voraussetzung für das höhere Uhg fehlt es, wenn dem Arbeitnehmer, der entweder schon arbeitslos ist oder dem Arbeitslosigkeit unmittelbar droht (bevorsteht), nicht alsbald, dh in absehbarer angemessener Zeit ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden kann, der eine dem Beruf des Arbeitnehmers entsprechende, eine berufsnahe oder gleichwertige Tätigkeit zum Inhalt hat (vgl BSGE 48, 176, 179 = SozR 4100 § 44 Nr 21; SozR 4100 § 44 Nr 33; BSG in AuB 1980, 89).

Nach der Rechtsprechung des Senats (aaO) muß die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme iSd § 44 Abs 2 Nrn 1 und 2 AFG die einzige Möglichkeit für die berufliche Eingliederung des Antragstellers sein. Dafür genügt es allerdings nicht, daß nur die Arbeitslosigkeit irgendwie beseitigt oder vermieden wird. Grundsätzlich ist erforderlich, daß der Antragsteller nicht nur vorübergehend den Arbeitsplatz eines Facharbeiters, Gesellen oder Gehilfen oder eines Arbeitnehmers mit vergleichbarer Qualifikation findet. Zur Rechtslage im Jahre 1975 hat der Senat allerdings entschieden, daß es auf die Vermittlungsaussichten in dem möglichen Beruf auf Facharbeiterebene dann nicht ankommt, wenn der Antragsteller bereits einen noch höheren Qualifikationsstand erreicht hat; maßgebend sei dann die Aussicht, in diesem Bereich unterzukommen (vgl BSG SozR 4460 § 12 Nr 5).

Für den streitigen Anspruch ist jedoch die seit 1. April 1976 geltende Regelung der Beklagten in § 10 Abs 1 AFuU vom 23. März 1976 (ANBA S 559) idF vom 24. März 1977 (ANBA S 645) anzuwenden. Danach erhält Uhg nach § 44 Abs 2 AFG ein Teilnehmer, der vor Eintritt in die Maßnahme

"1. ...

2. ...

3. noch keinen beruflichen Abschluß erworben hat,

der mindestens der Facharbeiter-, Gesellen- oder

Gehilfenprüfung entspricht (§ 44 Abs 2 Nr 3 AFG).

Diesem steht ein Teilnehmer gleich, der einen

solchen Abschluß erworben hat, jedoch länger als

die doppelte Ausbildungszeit des erlernten Berufes

nicht mehr als Facharbeiter, Geselle oder Gehilfe

tätig war.

In den Fällen nach Nrn 1, 2 und 3 Satz 2 ist weiter Voraussetzung, daß dem Antragsteller in absehbarer Zeit kein Arbeitsplatz vermittelt werden kann, der mindestens einen Berufsabschluß nach Satz 1 Nr 3 oder eine vergleichbare Qualifikation verlangt".

Mit § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU hat der Verwaltungsrat der Beklagten eine abschließende Regelung zu der Frage getroffen, nach welchen Maßstäben sich der für die Anwendung von § 44 Abs 2 Nrn 1 und 2 AFG maßgebliche Vermittlungsbereich abgrenzt, auf welche Berufsbereiche also abzustellen ist, um mit Hilfe der Vermittlungschancen in diesen die Notwendigkeit einer beruflichen Bildungsförderung mit dem höheren Uhg-Satz zur Behebung bzw Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu belegen. Sie gelten ebenso für die Frage der Notwendigkeit einer Qualifikationsförderung iSd § 44 Abs 2 Nr 3 AFG. Die Anwendung dieser Bestimmung führt ohne weiteres zur Verneinung des Klageanspruchs. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat der Kläger den Beruf eines Facharbeiters erlernt; eine solche Tätigkeit hätte ihm nach der Lage des Arbeitsmarktes auch in absehbarer Zeit vermittelt werden können.

Als autonomes Satzungsrecht stellen die nach § 39 AFG ergangenen Anordnungen materielle Rechtsnormen dar, deren Inhalt bei Anwendung des Gesetzes auch die Gerichte bindet (BSGE 35, 164, 165 = SozR Nr 1 zu § 40 AFG; BSGE 35, 262, 264 = SozR Nr 1 zu § 21 AFuU vom 18. Dezember 1969; BSGE 36, 1, 3 = SozR Nr 1 zu § 47 AFG). Die der Beklagten in § 39 AFG erteilte Ermächtigung zum Erlaß satzungsrechtlicher Anordnungen zur Ausführung des Gesetzes ist insbesondere nicht verfassungswidrig (BSGE 41, 193 = SozR 4100 § 39 Nr 7). Die Grenzen für das Anordnungsrecht bestimmen sich nach den Regelungen des Gesetzes. Nur wenn diese nicht beachtet oder in einer mit dem Sinn und Zweck des AFG nicht mehr zu vereinbarenden Weise überschritten werden, sind Anordnungsbestimmungen unwirksam (vgl BSG SozR 4460 § 2 Nr 4; SozR 4100 § 56 Nr 8), ebenso bei Verstößen gegen Verfassungsgrundsätze (BSGE 41, 193, 195 = SozR 4100 § 39 Nr 7; BSG SozR 4460 § 8 Nr 7).

Der § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU ist, gemessen an diesen Maßstäben, nicht zu beanstanden. Der Verwaltungsrat der Beklagten hat damit den Begriff der Notwendigkeit der Teilnahme als Voraussetzung für die erhöhte Uhg-Leistung gem § 44 Abs 2 AFG verbindlich umschrieben. Insoweit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, für dessen Anwendung die Bundesanstalt für Arbeit (BA) einen Beurteilungsspielraum besitzt, den sie im Rahmen der Anordnungen nach § 39 AFG verwirklicht (vgl BSGE 38, 140, 143 = SozR 4100 § 43 Nr 9; BSGE 38, 282, 289 = SozR 4100 § 42 Nr 5). Die Kontrolle der Gerichte ist in diesen Fällen darauf beschränkt, ob die entsprechenden Satzungsbestimmungen von der Ermächtigung gedeckt sind (vgl BSGE aaO). Sie ergibt hier, daß der Regelungsgehalt des § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU unter dem Gesichtspunkt des § 39 Nr 1 AFG nicht zu beanstanden ist. Danach hat die BA bei der individuellen Förderung die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller und das von ihnen mit der beruflichen Bildung angestrebte Ziel sowie den Zweck der Förderung und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu beachten. Es ist nicht ersichtlich, daß die BA mit der Begrenzung der erhöhten Förderung nach § 44 Abs 2 AFG für arbeitslose, von Arbeitslosigkeit bedrohte und beruflich bereits qualifizierte Personen auf diejenigen, die nicht alsbald als Facharbeiter, Geselle oder Gehilfe vermittelt werden können, ihre Ermächtigung nach § 39 Nr 1 AFG überschritten hat. Die Regelung des § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU erging im Anschluß an die Änderung des § 44 AFG durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113). Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das Uhg dadurch aus Gründen der Mitteleinsparung generell auf 58 vH des maßgeblichen Bemessungsentgelts herabgesetzt worden ist. Den erhöhten Satz von 80 vH sollten nur solche Antragsteller erhalten, für deren Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (vgl dazu BSGE 48, 176, 177 = SozR 4100 § 44 Nr 21; BSG SozR 4100 § 44 Nr 30).

Der § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU wird dieser gesetzgeberischen Absicht, wie sie in der Fassung des § 44 Abs 2 AFG ihren Ausdruck gefunden hat, gerecht, wenn er für Antragsteller mit einem Berufsabschluß auf Facharbeiterebene, die anstelle der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme alsbald einen ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz erhalten könnten, nur den Uhg-Satz von 58 vH zuläßt, nicht aber den von 80 vH des Bemessungsentgelts. Nach der Beurteilung der BA ist deren Förderung zwar zweckmäßig, aber nicht notwendig, um die gesetzlichen Ziele zu erreichen. In der Regelung drücken sich sowohl die vorgegebenen fiskalischen Erwägungen aus als auch die Vorstellungen des Gesetzgebers nach einer intensiven Förderung individuell und arbeitsmarktpolitisch erforderlicher Maßnahmen. Sie erfaßt sowohl von ihrem Inhalt als von diesem Zweck her ohne weiteres auch Personen, die zuletzt vor der Bildungsmaßnahme bereits auf einer höheren Qualifikationsstufe gearbeitet haben, als sie ihrem erlernten Facharbeiterberuf entsprach. Auch für sie wird in Abwägung der verschiedenen Interessen eine Förderung mit dem niedrigeren Uhg-Satz - zuzüglich der Sachleistungsförderung nach § 45 AFG - für ausreichend gehalten, mithin die vom Gesetz erwartete Eigenbeteiligung bei der Erreichung des erwünschten Förderungszieles als eine angemessene Forderung angesehen. Die von der BA in dieser Weise ermächtigungskonform getroffene Wertentscheidung zwischen den beiden vorgesehenen Förderungsarten ist deshalb zu beachten.

Ob insoweit noch andere Lösungen denkbar wären, die eine weitere Differenzierung zuließen, etwa unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Facharbeitertätigkeit im Einzelfall, kann dahinstehen, weil es sich dabei um rechtspolitische Erwägungen handelt, die sich innerhalb des allein der BA zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs bewegen. Sie rechtfertigen deshalb jedenfalls nicht die Schlußfolgerung, § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU sei wegen Überschreitung dieses Spielraums unwirksam und deshalb unbeachtlich.

Mangels entsprechender Konkretisierung in der AFuU können auch nicht die Grundsätze der Zumutbarkeits-Anordnung zu einer Ausweitung der getroffenen Regelung führen. Abgesehen davon, daß diese den Fragenkomplex der §§ 103, 119 AFG betrifft, nämlich die Zumutbarkeit von Beschäftigungen und Arbeitsplätzen als gesetzlichen Maßstab für Leistungsansprüche im Falle von Arbeitslosigkeit (also für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe), und sie nicht auf der für die Anwendung der Vorschriften über die berufliche Bildungsförderung maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage (§ 39 AFG) beruht, sondern auf der des § 103 Abs 2 AFG, unterscheidet sie sich auch von ihrer Motivation her so weit von der AFuU, daß ihre Regeln ohne entsprechend verlautbarte Willensentscheidung des Verwaltungsrats der BA nicht in diese übertragen werden können. Erfordern dort die Interessen des Arbeitslosen und der Gesamtheit der Beitragszahler einen Ausgleich (vgl § 103 Abs 2 AFG), stehen hier die individuellen Interessen des einzelnen Bildungswilligen mit den Interessen des Arbeitsmarktes einerseits und den Zielen der beruflichen Bildungsförderung andererseits im Vergleich. Führt dort die Verweigerung oder Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung ggfs zum Verlust des Leistungsanspruchs, ist hier die generalisierte Zumutbarkeit einer Beschäftigung lediglich zum Maßstab für den Ausschluß einer auch gegenüber dem Arbeitslosengeld wesentlich erhöhten Förderung gemacht worden, ohne daß jedenfalls der niedrigere Förderungsanspruch dem Grunde nach davon berührt wird. Beide Regelungsbereiche sind damit nach ihren typischen Inhalten, Voraussetzungen und Rechtsfolgen so verschieden, daß die für sie geltenden Bestimmungen dann jedenfalls nicht übertragbar erscheinen, wenn Anhaltspunkte dafür aus den jeweils getroffenen Anordnungen nicht ersichtlich sind, diese im Gegenteil - wie bei § 10

Abs 1 Satz 3 AFuU - einen abgeschlossenen Inhalt besitzen. Infolgedessen kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger anstelle seiner Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme die alsbald mögliche Aufnahme einer Tätigkeit als Facharbeiter nach den Bestimmungen der Zumutbarkeits-Anordnung zumutbar gewesen wäre. Aus diesem Grunde kann auch offen bleiben, ob die Rüge des Klägers zutrifft, das LSG habe im Zusammenhang seiner Erwägungen hierzu den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Sein Anspruch scheitert bereits an der Regelung in § 10 Abs 1 Satz 3 AFuU. Seine Revision muß deshalb ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1983, 722

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