Leitsatz (amtlich)

Neben der Leistung nach Nr 93 der Ersatzkassengebührenordnung (E-GO) wird eine bei derselben Inanspruchnahme erbrachte Beratung nicht nach Nr 1 E-GO vergütet.

 

Normenkette

E-GO Nr. 93; BMÄ Nr. 93; E-GO Nr. 1; BMÄ Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 21.07.1983; Aktenzeichen L 7 Ka 1319/82)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.11.1982; Aktenzeichen S 5 Ka 59/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Absetzung von drei Ansätzen der Ziffer 1 der Ersatzkassengebührenordnung (E-GO) von den Honorarabrechnungen des Klägers in den Quartalen IV/1979 und I/1980.

Der Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin und als Vertragsarzt an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. In den Quartalen IV/1979 und I/1980 führte er bei drei männlichen Patienten Früherkennungsuntersuchungen durch. Er forderte dafür dreimal das Honorar nach Nummer 93 E-GO. Gleichzeitig berechnete er in den drei Fällen das Honorar für Beratung nach Nummer 1 E-GO und machte geltend, die Beratungen hätten sich auf Behandlungen bezogen, die in keinem Zusammenhang mit den Vorsorgeuntersuchungen gestanden hätten. Auf Antrag der T-K setzte die Beklagte dreimal die Ziffer 1 E-GO ab, weil sie neben der Nummer 93 E-GO nicht abrechenbar sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Auch mit der Berufung hatte der Kläger keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, nach Ziffer 2 a Satz 2 des Abschnitts B IV E-GO (präventive Leistungen) sei eine Beratung, eingehende Untersuchung oder eine andere im Früherkennungsprogramm genannte Sonderleistung bei derselben Inanspruchnahme neben dem Pauschbetrag für die Früherkennungsuntersuchung nicht berechnungsfähig. Außerdem sei in Absatz 2 der Ziffer 2 der allgemeinen Bestimmungen geregelt, daß in den Leistungen nach Nummern 70, 76 bis 82, 90 und 93 die Leistungen nach Nummern 1 bis 4 a sowie 65, 65 a, 800 und 801 enthalten seien. Mit der Nummer 93 abgegolten sei daher auch eine Beratung wegen Beschwerden, die nicht mit der Früherkennungsuntersuchung in Zusammenhang stehen. Dem entsprächen auch die Regelungen in § 3 a der allgemeinen Bestimmungen der E-GO und § 5 Abs 1 der Anlage 10 a zum Arzt/Ersatzkassenvertrag (EKV).

Mit der Revision macht der Kläger geltend, eine Beratung, die im Zusammenhang mit einer anderen Leistung (vereinbartem Vorsorgetermin) erbracht worden ist, sei eine teilbare Leistung. Mit dem Honorar für die Vorsorgeuntersuchung sei eine damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehende Beratung nicht abgegolten. Er sei nicht gezwungen, eine unentgeltliche Leistung im Zusammenhang mit einer anderen Leistung zu erbringen. Dies würde im Widerspruch zu § 1 der ärztlichen Gebührenordnung stehen und auch dem Gleichheitssatz widersprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (BVerfGE 47, 321) bestehe keine Pflicht, berufliche Leistungen für ein Entgelt zu erbringen, das erheblich unter den als angemessen geltenden Gebühren liegt. Eine Trennung zwischen kurativen und präventiven Beratungen und damit auch der mehrfache Ansatz eines Beratungshonorars sei selbst bei einem zeitlichen Zusammentreffen möglich und im vorliegenden Fall geboten.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Juli 1983 - L 7 Ka 1319/82 - und des Sozialgerichts Frankfurt vom 3. November 1982 - S 5 Ka 59/81 - sowie die Bescheide vom 18. August 1980 und 3. Oktober 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22,35 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Durch die Rüge einer Verletzung des Gleichheitssatzes hat sich der Kläger ausreichend mit dem Urteil des LSG auseinandergesetzt. Die Revision ist aber nicht begründet. Mit Recht hat das LSG die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.

Dem Kläger steht für die drei Beratungen neben der Bewertung nach Nummer 93 E-GO keine Vergütung nach Nummer 1 E-GO zu. Die gesonderte Vergütung der Beratung ist durch die Bestimmungen der E-GO ausgeschlossen, wie das LSG zutreffend dargelegt hat. Nach Nummer 93 E-GO (= Nummer 93 des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen -BMÄ'78-) wird bewertet die Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen des Rektums, der Prostata, des äußeren Genitals und der Haut beim Mann. In der Leistung nach Nummer 93 E-GO ist nach der ausdrücklichen einleitenden Vorschrift des Abschnitts B IV der E-GO (wie des BMÄ'78) die Leistung nach Nummer 1 enthalten.

Die einleitende Bestimmung des Abschnitts B IV E-GO schließt die Abrechnungsfähigkeit jeder bei der Untersuchung nach Nummer 93 E-GO erbrachten Leistung nach Nummer 1 E-GO aus. Damit umfaßt Nummer 93 E-GO jegliche Beratung bei derselben Inanspruchnahme. Dies wird in der zwischen den Partnern des EKV vereinbarten allgemeinen Bestimmung Nr 2 Buchst a zum Abschnitt B IV ausdrücklich klargestellt. Danach sind weitere ärztliche Leistungen, die bei einer Früherkennungsuntersuchung nach Nr 93 anfallen, über den Kranken- bzw Überweisungsschein abzurechnen. Eine Beratung, eingehende Untersuchung oder eine andere im Früherkennungsprogramm genannte Sonderleistung ist aber bei derselben Inanspruchnahme neben dem Pauschbetrag für die Früherkennungsuntersuchung nicht berechnungsfähig. Somit erfaßt die einschränkende Regelung gerade auch die im ersten Satz genannten weiteren, dh nicht zum Früherkennungsprogramm gehörenden Leistungen. Dies entspricht auch der Regelung in § 5 Abs 1 der Anlage 10a zum EKV (Verträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit Sozialversicherungs- und anderen Kostenträgern, Deutscher Ärzteverlag, Stand 1. Januar 1978 und ebenso Stand 1. April 1983).

Aus der einleitenden Bestimmung zum Abschnitt B IV der E-GO folgt auch, daß der Ausschluß der Abrechnungsfähigkeit nicht auf Beratungen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der Untersuchung nach Nummer 93 E-GO beschränkt ist. Erfaßt wird vielmehr die Beratung wegen jeglicher Krankheit des untersuchten Mannes ohne Einschränkung auf bestimmte Organe. Die einleitende Bestimmung zum Abschnitt B IV E-GO besagt, daß die präventive Leistung der Nummer 93 die kurative Leistung der Nummer 1 - Beratung eines Kranken, auch mittels Fernsprecher, bei Tage - enthält. Da die Leistung nach Nummer 1 E-GO unteilbar ist (Brück, Kommentar zum einheitlichen Bewertungsmaßstab RdNr 3 zu B I 1 bis 4 b), kann im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme nach Nummer 93 keinerlei Beratung abgerechnet werden. Dies entspricht auch den allgemeinen zwischen den Partnern des EKV vereinbarten Abrechnungsbestimmungen. Bereits zu der bis zum 30. Juni 1978 geltenden E-Adgo war in den allgemeinen Bestimmungen geregelt, daß eine Beratungsgebühr nach Ziffer 1 nicht neben einer Leistung nach den Abschnitten B 3 bis O in Ansatz gebracht werden könne (E-Adgo Abschnitt A - Allgemeine Bestimmungen - § 5 Buchst a). Diese Vorschrift wurde als § 3 Buchst a in die allgemeinen Bestimmungen zur E-GO übernommen. Sie ist geeignet, die Auslegung der einleitenden Bestimmung zum Abschnitt B IV E-GO zu stützen. In dieser allgemeinen Bestimmung kommt zum Ausdruck, daß der Ausschluß der Berechnungsfähigkeit der Leistung nach Nummer 1 nicht etwa nur für Beratungen gilt, die sich auf die in Nummer 93 genannten Organe bezieht. Es besteht deshalb auch kein Anlaß, die einleitende Bestimmung zu Abschnitt B IV E-GO in diesem Sinne einschränkend auszulegen.

Der hier vertretenen Auslegung der einleitenden Bestimmung zum Abschnitt B IV der E-GO/des BMÄ'78 steht ferner keine andere Bestimmung des BMÄ entgegen. Allerdings fehlt im BMÄ'78 eine dem § 3 Buchst a der Allgemeinen Bestimmungen zur E-GO Abschnitt A II entsprechende Vorschrift. Die Anwendungsbestimmungen zu Nummer 93 BMÄ'78 hatten ursprünglich geregelt, daß die Leistungen nach Nummern 90 bis 93 die in den Krebsfrüherkennungsrichtlinien vorgesehenen Untersuchungen einschließlich der dazu gehörenden Beratung umfasse (BMÄ, Verlag der Ortskrankenkassen, 2. ErgLfg, Stand 1. Januar 1980 S 21). Dies entsprach bereits der Anmerkung 1 zu BMÄ Ziffer 1131 idF des Beschlusses vom 22. September 1976 (abgedruckt bei Brück, Kommentar zum BMÄ, 2. Aufl Stand 1. April 1978 S 1113). Aus der Anmerkung war zu folgern, daß die kurative Beratung zu einem nicht in den Krebsfrüherkennungsrichtlinien genannten Leiden in der Leistung nach Nummer 1131 nicht enthalten war (Brück aaO S 1114). Dies folgte auch schon unmittelbar aus der Ziffer 1131, denn in der präventiven Früherkennungsuntersuchung war begrifflich nicht die Beratung "eines Kranken" enthalten. Die einleitende Bestimmung zum Abschnitt B IV E-GO/BMÄ'78 hat indessen die kurative Leistung der Nummer 1 ausdrücklich in die präventive Leistung Nummer 93 E-GO/BMÄ'78 einbezogen. Hinzu kommt, daß bei der erstmaligen Aufstellung der Bewertungsmaßstäbe nach § 368g Abs 4 RVO insbesondere von der E-Adgo auszugehen war (Art 2 § 9 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes). Es wäre deshalb nicht gerechtfertigt, den einheitlichen Bewertungsmaßstab entgegen den eindeutigen Regelungen der E-Adgo nach den Vorschriften des früheren BMÄ und ihrer Auslegung anzuwenden.

Die Bestimmungen der E-GO können schließlich nicht abweichend vom Wortlaut in dem vom Kläger gewünschten Sinn ausgelegt werden. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, daß die streitige Tätigkeit gesondert nach Nr 1 E-GO zu vergüten wäre, wenn sie außerhalb eines Zusammenhangs mit einer Leistung nach den Abschnitten B III - 0 erbracht worden wäre. Wenn sich bei einer Früherkennungsuntersuchung die Notwendigkeit ergibt, den Patienten wegen einer damit nicht zusammenhängenden Krankheit zu beraten, wird der Arzt erwägen, ihn deshalb auf einen anderen Termin zu verweisen. Diese Verweisung wird je nach der Organisation der Praxis naheliegen und braucht nicht gegen ärztliche Pflichten zu verstoßen. Sie kann für die Krankenkasse im Einzelfall über die dann zusätzlich anfallende Beratungsgebühr hinaus Mehraufwendungen nach sich ziehen - zB zusätzlich Reisekosten. Jedenfalls wird die gleiche Tätigkeit des Arztes in diesem Fall nach Nr 1 E-GO vergütet, dagegen nicht, wenn die Beratung im Früherkennungstermin erfolgt.

Derartige Erwägungen rechtfertigen indessen keine vom eindeutigen Wortlaut abweichende Auslegung der E-GO Bestimmungen. Bei der Auslegung von Vorschriften über die Vergütung ärztlicher Leistungen haben die Gerichte zurückhaltend vorzugehen. Der Senat hat dazu ausgeführt, es sei grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte, mit "punktuellen" Entscheidungen zu einzelnen Leistungen in ein umfassendes Tarifgefüge einzugreifen. Ausnahmen seien nur in engen Grenzen denkbar, etwa wenn die in erster Linie zur Bewertung der ärztlichen Leistungen berufenen Selbstverwaltungsorgane ihre Bewertungskompetenz mißbräuchlich ausgeübt hätten (BSG SozR 5533 Nr 45 BMÄ Nr 1). Dem Bewertungsausschuß nach § 368i Abs 8 der Reichsversicherungsordnung -RVO- obliegt es, durch die Bestimmung des Inhalts der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und ihres wertmäßigen Verhältnisses zueinander für eine angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen iS des § 368g Abs 1 RVO zu sorgen. Er bestimmt insbesondere auch, welche einzelnen Verrichtungen in einer abrechnungsfähigen Leistung zusammengefaßt werden. Durch seine Zusammensetzung ist gewährleistet, daß die unterschiedlichen Interessen in diesem Selbstverwaltungsorgan zum Ausgleich kommen. Umso mehr müssen sich die Gerichte an den Wortlaut des Bewertungsmaßstabes halten, den der Ausschuß laufend fortzuentwickeln hat (vgl BSGE 42, 268, 273). Sie können insbesondere nicht die Angemessenheit der Vergütung selbst bestimmen. Hinzu kommt, daß ihnen die Gründe, die den Bewertungsausschuß zur Festsetzung des Inhalts der abrechnungsfähigen Leistungen bewogen haben, nicht bekannt sind.

Mit der einleitenden Bestimmung zum Abschnitt B IV hat der Bewertungsausschuß seine Kompetenz weder mißbräuchlich ausgeübt noch sonst gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. Es ist nicht sachwidrig, wenn eine Leistung die Vergütung von damit nicht zusammenhängenden Verrichtungen einschließt, insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine derart pauschale Leistung wie die Früherkennungsuntersuchung handelt. Besondere Gründe für die Sachwidrigkeit der einleitenden Bestimmung zum Abschnitt B IV der E-GO sind nicht erkennbar.

Die Revision war aus allen diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 35

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