Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 05.07.2021; Aktenzeichen S 93 KR 34/20)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 23.09.2021; Aktenzeichen L 16 KR 391/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der 1938 geborene und bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger leidet unter einem Glaukom mit Gesichtsfelddefekt. Er ließ sich im Januar 2019 von der S GmbH, in M wegen einer Sabel Vision Restoration (SAVIR)-Behandlung beraten, einer Wechselstrom-Stimulation zur Aktivierung des Restsehvermögens. Im März 2019 erhielt der Kläger von der S GmbH eine Zusage für einen Behandlungsbeginn am 29.4.2019 sowie eine Honorarvereinbarung gemäß § 2 GOÄ über insgesamt 3567,63 Euro. Er sandte die Honorarvereinbarung unterschrieben zurück und beantragte am 16.4.2019 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten der SAVIR-Behandlung, die diese ablehnte (Bescheid vom 25.4.2019; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2019). Mit seiner hiergegen gerichteten und auf Kostenerstattung gerichteten Klage ist der Kläger in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V scheitere daran, dass der Kläger bereits vor der Entscheidung der Beklagten auf die Inanspruchnahme der Leistung festgelegt gewesen sei (Urteil vom 23.9.2021).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Der Kläger formuliert als Rechtsfrage:

"Lässt auch eine zwischen dem Versicherten mit dem potenziellen Leistungserbringer abgeschlossene und durch die Überschrift auch als solche gekennzeichnete Honorarvereinbarung vor Ablehnung der beantragten Kostenübernahme durch die Krankenkasse einen Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand, Ablehnung, und dem Nachteil des Versicherten, Kostenlast, und damit einen Anspruch auf Kostenübernahme entfallen?"

Er legt jedoch weder die Klärungsbedürftigkeit (dazu 1.) noch die Klärungsfähigkeit (dazu 2.) dieser Rechtsfrage ausreichend dar.

1. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger setzt sich mit der umfangreichen ständigen Rechtsprechung des BSG zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht auseinander. Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht danach nur, wenn zwischen dem die Haftung der KK begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr; vgl zB BSG vom 4.4.2006 - B 1 KR 5/05 R - BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 23; BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 12; BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 5/09 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 15; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - juris RdNr 9). Daran fehlt es bereits, wenn die KK vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr; vgl BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10 mwN). Anspruchshindernd ist danach ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft, aus dem der Leistungserbringer auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung der Leistung verlangen kann (vgl BSG vom 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 22; BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R - BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 12; BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 44; BSG vom 7.5.2020 - B 3 KR 4/19 R - juris RdNr 16). Ein solches unbedingtes Verpflichtungsgeschäft hat das BSG verneint bei Vereinbarung einer Leistungserbringung "auf Abruf" (vgl BSG vom 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 22) oder einer den Versicherten nicht endgültig bindenden Auswahlentscheidung in Bezug auf ein bestimmtes Hilfsmittel (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R - BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 12; BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 44). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es nach der Rechtsprechung des BSG darüber hinaus auch dann, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der KK ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die KK den Antrag ablehnen sollte (stRspr; vgl BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN; BSG vom 11.9.2012 - B 1 KR 3/12 R - BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 35; BSG vom 7.5.2013 - B 1 KR 44/12 R - BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 30; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - juris RdNr 9 f; BSG vom 7.5.2020 - B 3 KR 4/19 R - juris RdNr 16; BSG vom 27.10.2020 - B 1 KR 3/20 R = BSGE 131, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 55, RdNr 14 f; BSG vom 25.3.2021 - B 1 KR 22/20 R - RdNr 19).

Inwiefern danach die Frage, ob der Abschluss einer Honorarvereinbarung, die nach Ansicht des Klägers lediglich die Honorarhöhe betrifft, dem Versicherten aber noch die Wahl belässt, ob er die Leistung tatsächlich in Anspruch nimmt, den Kausalzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Kostenlast entfallen lässt, noch klärungsbedürftig sein sollte, zeigt der Kläger nicht schlüssig auf.

2. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN). Auch dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

An dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht nur dann, wenn sich der Versicherte durch ein verbindliches Verpflichtungsgeschäft zur Inanspruchnahme der Leistung verpflichtet hat, sondern darüber hinaus auch dann, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der KK ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die KK den Antrag ablehnen sollte (siehe RdNr 8). Dies war nach den vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG vorliegend der Fall. Der Kläger war danach bereits vor und unabhängig von der Entscheidung der Beklagten auf die Inanspruchnahme der Leistung festgelegt. Inwiefern es danach noch auf die Frage ankommen sollte, ob der Abschluss einer Honorarvereinbarung den erforderlichen Kausalzusammenhang entfallen lässt, legt der Kläger nicht dar.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schlegel                                    Scholz                                     Bockholdt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15116886

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