Verfahrensgang

SG Dortmund

 

Tenor

Der Antrag des Sozialgerichts Dortmund, in der Ausgangssache den Rechtsweg zu bestimmen, wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits beantragte im September 1978 mit der Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG), die beklagte Firma zu verurteilen, ihr eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 133 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auszustellen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14. November 1979 beantragte die Klägerin 9 vom Gericht auf eine Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) hingewiesen, die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Dortmund. Die Beklagte erklärte sich einverstanden. Nach Beratung verkündete das SG folgenden Beschluß:

Das Sozialgericht erklärt sich für sachlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesen.

Von diesem Beschluß wurden keine Ausfertigungen angefertigt und zugestellt. Das SG leitete die Streitakten vielmehr kurzerhand dem Arbeitsgericht Dortmund zu.

In der mündlichen Verhandlung vor diesem Gericht am 20. März 1980 beantragte die Klägerin hilfsweise, den Rechtsstreit an das SG Dortmund zurückzuverweisen. Mit Urteil vom gleichen Tage erklärte das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das SG Dortmund zurück. In der Begründung heißt es, das SG habe den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für unzulässig, sondern sich allein für sachlich unzuständig erklärt. Im übrigen sei der Verweisungsbeschluß des SG nicht rechtskräftig 9 außerdem offensichtlich gesetzwidrig.

Unter dem 9. Mai 1980 hat der Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG Dortmund um „Bestimmung des zuständigen Gerichts” gebeten.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Vorlage ist unzulässig.

Entsprechend der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 44, 14) und des Bundesarbeitsgerichts (AP § 36 ZPO Nr. 8) zu den dem § 58 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entsprechenden Vorschriften ihrer Verfahrensordnungen hat auch das Bundessozialgericht (BSG) in sinngemäßer Anwendung der letztgenannten Bestimmung, sofern es zuerst darum angegangen wird, in einem negativen Kompetenzkonflikt eines Sozialgerichts mit einem Gericht eines anderen Gerichtszweigs den Rechtsweg zu bestimmen. Voraussetzung ist freilich, daß die beiden, verschiedenen Gerichtszweigen angehörigen Gerichte entsprechend § 58 Abs. 1 Nr. 4 aaO den Rechtsweg zu sich rechtskräftig verneint haben. Anderenfalls könnte zB ein Rechtsmittelgericht unter dem obersten Gerichtshof im Rechtszug – zB ein Landessozialgericht oder ein Landesarbeitsgericht – zulässigerweise eine gegenteilige Bestimmung treffen. Mithin ist vor Eintritt der Rechtskraft der gegenteiligen Entscheidungen der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte kein Raum für eine Rechtswegbestimmung durch den obersten Gerichtshof.

Hieran scheitert im vorliegenden Fall eine Sachentscheidung des BSG. Nach § 52 Abs. 4 SGG kann das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit, das den zu ihm beschrittenen Rechtsweg nicht für gegeben hält, wenn sich der Beklagte mit dem Verweisungsantrag des Klägers nach Abs. 3 aaO für einverstanden erklärt, die Sache durch Beschluß an das Gericht des ersten Rechtszugs verweisen, zu dem es den Rechtsweg für gegeben hält. Da im Sozialgerichtsgesetz nichts Gegenteiliges bestimmt ist, findet nach § 172 Abs. 1 SGG gegen den Verweisungsbeschluß die Beschwerde zum Landessozialgericht statt. Dieser Ansicht sind selbst diejenigen Autoren, die – gegen den Widerstand anderer Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum – die Beschwerde desjenigen Beteiligten, der die Verweisung beantragt oder ihr zugestimmt hat, unter Hinweis auf eine fehlende Beschwer oder ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis zumeist für unzulässig, dh für verwerfbar halten (vgl. zB Meyer/Ladewig, SGG, § 52, Anm. 10 – am Ende – und 11; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 52 SGG, Anm. 3b Seite 143; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl, § 41 Anm. 7 und Eyermann/Fröhler, VwGO, 7. Aufl, § 41, Anm. 12, sämtliche mit zahlreichen Nachweisen; vgl. ferner BGH in SGb 1979, 352).

Das SG hätte es mithin nicht nur mit der Verkündung seines Beschlusses vom 14. November 1979 und der Übersendung der Akten an das Arbeitsgericht Dortmund bewenden lassen dürfen. Es hätte vielmehr den Beschluß nach, § 142 Abs. 1 bis 3 SGG iVm §§ 134, 135, 156 Abs. 1 SGG außerdem mit Tatbestand, Gründen und Rechtsmittelbelehrung schriftlich niederlegen, der Geschäftsstelle übergeben und den Beteiligten zustellen lassen müssen. Die einen Monat betragende Beschwerdefrist (§ 173 Satz 1 SGG) hat nach § 66 Abs. 1 SGG bislang mangels schriftlicher Rechtsmittelbelehrung noch nicht zu laufen begonnen, seit Verkündung des Beschlusses am 14. November 1979 ist auch noch kein Jahr verstrichen, so daß der Beschluß nach § 66 Abs. 2 Satz 1 aaO noch nicht unanfechtbar geworden ist und noch nicht Rechtskraft erlangt hat.

Ist aber der Verweisungsbeschluß des SG noch nicht rechtskräftig 9 so sind die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 iVm Abs. 2 SGG nicht gegeben. Der Antrag des SG war schon aus diesem Grunde abzulehnen, ohne daß es darauf ankam 9 ob das SG bei Erlaß des Vorlagebeschlusses überhaupt richtig besetzt war (vgl. § 58 Abs. 2 SGG).

Dies bedeutet jedoch nicht, daß das SG nunmehr den Eintritt der Rechtskraft seines Beschlusses abzuwarten und sodann beim BSG erneut auf Bestimmung des Rechtswegs anzutragen hätte. Einer solchen Verfahrensweise steht entgegen, daß gegen das an das SG zurückverweisende Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20. März 1980 offensichtlich innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils von keinem Beteiligten ein Rechtsmittel eingelegt worden ist (§ 66 ArbGG), also diese Entscheidung jedenfalls aus diesem Grunde rechtskräftig ist. An die rechtskräftige Verneinung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist das SG nach § 52 Abs. 2 SGG, § 48a Abs. 1 ArbGG gebunden. An die Verweisung der Sache an das Sozialgericht ist letzteres nach § 48a Abs. 3 Satz 3 ArbGG gebunden; mit der Rechtskraft der Verweisung gilt die Sache beim SG Dortmund als rechtshängig. Das SG hat mithin in der Sache zu entscheiden.

 

Fundstellen

NJW 1981, 784

Breith. 1981, 265

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge