Leitsatz (amtlich)

1. Ein nicht verkündetes „Urteil” stellt grundsätzlich einen bloßen Entwurf dar, der durch seine Zustellung an die Parteien zu einem „Scheinurteil” wird und deshalb zwingend aufzuheben ist. Die Zustellung des Urteils an beide Parteien heilt den Verkündungsmangel nur dann, wenn das Gericht die Zustellung „an Verkündungs statt” als Verlautbarung des Urteil vorgenommen hat.

2. Eine isolierte Entscheidung über die letzte Stufe einer Ehesache trotz Vorliegens eines Verbundes nach § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO und dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 628 ZPO stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, welcher regelmäßig zur Aufhebung und zur Zurückverweisung an die erste Instanz führt.

3. Der Zugewinnausgleich lässt sich nicht in Teilentscheidungen über die Ausgleichsforderung (hier: Anerkenntnisteilurteil) vollziehen.

4. Zur Wirksamkeit eines Teilanerkenntnisses über die Zugewinnausgleichsforderung sowie zu den Möglichkeiten eines Widerrufs des Anerkenntnisses.

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Urteil vom 20.06.2002; Aktenzeichen 52 F 285/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Die Entscheidung über die weiteren Kosten der Berufung bleibt dem Gericht des ersten Rechtszuges vorbehalten.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Zugewinnausgleich, zweitinstanzlich im Wesentlichen noch um die Zulässigkeit eines (Teil-)Anerkenntnisurteils bzw. die Bindung an ein erteiltes prozessuales Anerkenntnis.

Die Parteien schlossen am 18.7.1980 vor dem Standesamt Neuruppin die Ehe. Beide Parteien gingen vom Scheitern der Ehe aus und haben erstinstanzlich übereinstimmend die Scheidung begehrt, welche zwischenzeitlich durch Urt. v. 20.6.2002 rechtskräftig ausgesprochen wurde.

Der Beklagte ist gelernter Landmaschinen- und Traktorenschlosser. Zuletzt war er als Schilderpräger mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.500 DM beschäftigt. Seit dem 1.9.2001 ist er arbeitslos und erhält eine monatliche Arbeitslosenhilfe i.H.v. 919,71 DM.

Im Juni 1995 kaufte der Antragsgegner einen Pkw Audi A4 zu einem Preis von 35.000 DM, der unter dem amtlichen Kennzeichen … auf den Beklagten zugelassen wurde und nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien im Eigentum des Antragsgegners stand.

Mit Schriftsatz vom 4.10.1999 hat die Klägerin die Scheidung beantragt, der Antrag wurde dem Antragsgegner am 19.11.1999 zugestellt. Mit Antrag vom 23.8.2000 hat die Klägerin als Folgesache Zugewinnausgleich geltend gemacht. Diesbezüglich hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2000 einen Auskunftsanspruch hinsichtlich seines Endvermögens am 19.11.1999 anerkannt.

Nach Verurteilung durch Anerkenntnisteilurteil vom 10.10.2000 erteilte er die begehrte Auskunft, wonach er am 19.11.1999 als einzigen Vermögensgegenstand neben einem Bankguthaben von 591,83 DM den Pkw Audi A4 hatte, dessen Wert er gem. einer Bewertung durch das Autohaus F. mit 10.650 DM bezifferte. In der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2001 hat der Antragsgegner demgemäß einen Anspruch der Antragstellerin auf Zugewinnausgleich i.H.v. 5.459,66 DM (= 2.791,48 Euro) anerkannt.

Mit Beschluss vom selben Tage hat das AG Beweis erhoben über den Wert des Pkw Audi A4 am 19.11.1999 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Im Ergebnis dessen hat der Sachverständige mit Gutachten vom 20.9.2001 den Wert des Pkw mit 17.300 DM beziffert.

Mit Schriftsatz vom 8.1.2002 hat der Beklagte sein Anerkenntnis mit der Begründung widerrufen, es entspreche im Hinblick auf § 1378 Abs. 2 BGB nicht mehr der materiellen Rechtslage, da er keinerlei Vermögen mehr besitze und den erzielten Kaufpreis infolge seiner Arbeitslosigkeit verbraucht habe. In der mündlichen Verhandlung am 12.2.2002 hat er seinen Widerruf nochmals wiederholt.

Die Antragstellerin hat – unter Zugrundelegung einer Bewertung des Ingenieurbüros B. anhand der Fahrzeugdaten behauptet, der Pkw habe am 19.11.1999 einen Wert von 21.900 DM gehabt. Daher sei die Veräußerung zum Preis von 8.000 DM völlig unter Wert erfolgt.

Zudem sei der Antragsgegner zum Verkauf im September 2001 nicht gezwungen gewesen. Zum einen habe bereits früher die Möglichkeit zum Verkauf bestanden. Zum anderen sei sie, die Antragstellerin, jederzeit bereit gewesen, den Pkw zu übernehmen und dem Antragsgegner einen entsprechenden Betrag zu zahlen. Das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten sei fehlerhaft, da es Schäden berücksichtige, die erst nach dem Stichtag entstanden seien.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, dem Endvermögen des Antragsgegners sei der Wert des Pkw i.H.v. 21.900 DM hinzuzurechnen, sodass sich zu ihren Gunsten ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 11.084,66 DM (= 5.667,50 Euro) ergebe. Der Antragsgegner könne sich nicht mit Erfolg auf § 1378 Abs. 2 BGB berufen, da ihm auf Grund der Dauer des Verfahrens be...

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