Normenkette

BGB §§ 765, 770; ZPO §§ 592, 600, 767

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Aktenzeichen 2 O 203/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Potsdam vom 21.8.2000 abgeändert.

Der Klägern wird für die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L. bewilligt.

Raten werden nicht festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegenklage, mit der sie begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil des LG Potsdam v. 1.11.2000 – 2 O 311/00 – für unzulässig zu erklären.

Das vorbezeichnete Anerkenntnisurteil erging in einem Urkundenprozess.

Die Klägerin war Geschäftsführerin der Fa. D. GmbH, die ihrerseits in Geschäftsverbindungen mit der Beklagten stand. Im Rahmen dieser geschäftlichen Verbindung übernahm die Klägerin unter dem 21.12.1999 eine Bürgschaft über einen Betrag von 75.000 DM nebst Zinsen für Verbindlichkeiten der D. GmbH gegenüber der Beklagten.

In der vorformulierten Bürgschaftserklärung, wobei offenbleibt, von wem diese Erklärung vorformuliert wurde, heißt es:

„Ich verzichte auf die Einreden der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (§ 770 BGB). Ich verpflichte mich, auf erstes Anfordern durch den Gläubiger zu zahlen. Dieser hat nur schriftlich darzulegen, dass der Schuldner seiner Verpflichtung aus der Hauptverbindlichkeit nicht nachkommt.”

Gestützt auf die Bürgschaftsurkunde erhob die Beklagte als Klägerin des dortigen Verfahrens im Urkundsprozess Klage gegen die Klägerin. Die Klägerin wurde zunächst durch Anerkenntnisurteil vom 1.11.2000 antragsgemäß verurteilt. Die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren blieb vorbehalten.

Im Nachverfahren machte die Beklagte geltend, die gesicherte Forderung sei durch die Hauptschuldnerin, die Fa. D. GmbH, getilgt worden. Durch am 28.2.2001 verkündetes Schlussurteil erklärte das LG das Anerkenntnisurteil für vorbehaltlos. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgegeben. Sie sei daher auch im Nachverfahren mit allen nicht liquide beweisbaren Einwendungen gegenüber der gesicherten Hauptforderung ausgeschlossen.

Mit ihrer am 10.4.2001 erhobenen Vollstreckungsklage, für die sie Prozesskostenhilfe begehrt, macht die Klägerin erneut geltend, die gesicherte Hauptforderung sei erfüllt.

Zwischenzeitlich ist die Beklagte, nachdem am 5.6.2001 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wurde, aufgelöst und befindet sich derzeit in der Liquidation.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG der Klägerin Prozesskostenhilfe verweigert, da sie mit den Einwendungen, auf die sie die Vollstreckungsgegenklage stütze, gem. § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen sei.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgt.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe für die begehrte Klage nicht mit der Begründung verweigert werden, ihre Rechtsverteidigung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung i.S.d. § 114 ZPO ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 19 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Die Klägerin ist, nachdem sich die Beklagte in Liquidation befindet, nicht mehr gehindert, gegenüber dem aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern hergeleiteten Anspruch der Beklagten geltend zu machen, dass die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung der Beklagten erfüllt sei. Würde man die Klägerin auch nach dem Vermögensverfall der Beklagten mit derartigen Einwendungen weiterhin ausschließen, so müsste sie nicht nur den in der Erteilung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ohnehin liegende Nachteil, zuerst leisten zu müssen und dann auf den Rückforderungsprozess verwiesen zu sein, hinnehmen. Ihr würde vielmehr zugemutet, den Verlust der Bürgschaftssumme ohne rechtliche Prüfung endgültig zu tragen. Von der vermögenslosen Bürgschaftsgläubigerin wird sie einen Ersatz im Rückforderungsprozess schwerlich erwarten können.

Ein derart einschneidender Eingriff ist von der einer Bürgschaft auf erstes Anfordern zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung nicht gedeckt.

Die Bürgschaft begründet eine von der Verpflichtung des Hauptschuldners verschiedene, rechtlich selbstständige Verpflichtung, die ihren Rechtsgrund in sich selbst trägt und daher grundsätzlich unabhängig vom Bestand der Hauptschuld gültig ist. Ist die Bürgschaft eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, so muss der Bürg...

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