Leitsatz (amtlich)

Wird die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einstweilige Anordnung mit der sofortigen Beschwerde angegriffen, ist zu beachten, dass es regelmäßig nicht dem Wohl des Kindes entspricht, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung des AG in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden.

 

Verfahrensgang

AG Eberswalde (Beschluss vom 29.11.2002; Aktenzeichen 3 F 473/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 500 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners stellt eine sofortige Beschwerde gem. § 621g i.V.m. § 620c ZPO dar und ist als solche zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Beschluss des AG, durch den das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Antragstellerin übertragen worden ist, ist nicht abzuändern.

Im selbstständigen Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge gem. § 621a Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht die Möglichkeit, auf Antrag Regelungen im Wege einstweiliger Anordnung zu treffen, § 621g ZPO. Eine solche einstweilige Anordnung, die auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist nur zulässig, wenn ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde (OLG Karlsruhe v. 15.8.1989 – 16 WF 144/89, FamRZ 1990, 304; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621g Rz. 2). Dazu reicht es nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am Besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1249; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 30 m.w.N.). Eine derartige ernsthafte Beeinträchtigung des Kindeswohls, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen kann, mag etwa dann vorliegen, wenn im Falle der Trennung der Eltern das Kind bei einem Elternteil lebt, dessen Eignung zur Erziehung fehlt oder der mit dem Kind in einem für dieses ungünstigen Umfeld wohnt. Wird das Kind von dem Elternteil, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, mitgenommen, so kann – je nach den konkreten Gegebenheiten auch bei im Grunde gleicher Erziehungseignung der Eltern – eine einstweilige Anordnung erforderlich sein, wenn das Kind diese Änderung seiner Lebensverhältnisse nicht verkraftet. Eine einstweilige Anordnung kommt auch dann in Betracht, wenn ein Elternteil die Hauptbezugsperson des Kindes ist, das Kind von dieser Hauptbezugsperson getrennt ist und darunter leidet. Schließlich ist eine einstweilige Anordnung auch dann angebracht, wenn die getrennt lebenden Eltern sich immer wieder wechselseitig des Kindes bemächtigen, weil ein solches unkoordiniertes Hin und Her für das Kind eine schwere Belastung und starke Verunsicherung bedeutet (OLG Karlsruhe v. 15.8.1989 – 16 WF 144/89, FamRZ 1990, 304 [305]; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1249).

Ob vorliegend ein dringendes Bedürfnis für eine einstweilige Anordnung hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit Rücksicht darauf gegeben war, dass die Antragstellerin am 10.11.2002 aus der gemeinsamen Ehewohnung in Oderberg ausgezogen ist und der Antragsgegner ihr die Mitnahme der gemeinsamen Tochter untersagt hat, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon ist die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht gerechtfertigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht dem Wohl des Kindes entspricht, eine bereits vollzogene vorläufige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung des AG in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden (OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1249; OLG Köln NJW 1999, 224). S. ist ein erneuter Wechsel zwischen den Eltern nicht zuzumuten. Nach dem Auszug der Antragstellerin ist das Kind zunächst beim Antragsgegner verblieben. Seit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses lebt es bei der Mutter. Ein weiterer Wechsel des Aufenthalts innerhalb eines kurzen Zeitraums entspricht nicht dem Wohl des Kindes. Die jetzige Lebenssituation darf im Hinblick darauf, dass eine abschließende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erst im Hauptsacheverfahren erfolgen kann, nicht ohne schwerwiegende Gründe im o.g. Sinne gestört werden. Solche Gründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Das Jugendamt ist in seiner Stellungnahme vom 14.2.2003 nach zwei weiteren Gesprächen mit der Antragstellerin und einem Hausbesuch bei ihr zu dem Ergebnis gelangt, dass die Wohnung der Mutter ausreichend möbliert sei und einen sauberen und ordentlichen Eindruck hinterlassen habe, S. über ein eigenes Zimmer ...

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