Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitlichkeit der Verfahren auf Anordnung von Kindesschutzmaßnahmen und auf Übertragung (eines Teils) der elterlichen Sorge

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann einer von dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter ausgehenden konkreten Kindeswohlgefährdung durch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie das Recht zum Stellen von Anträgen nach sozialhilferechtlichen Vorschriften auf den Kindesvater begegnet werden, erfolgt diese sorgerechtliche Regelung auf der Grundlage des § 1671 BGB und nicht der des § 1666 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1671 Abs. 2; FGG-RG Art. 111 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 06.05.2009)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Strausberg vom 6.5.2009 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Ja. und J. sowie das Recht zum Stellen von Anträgen nach sozialhilferechtlichen Vorschriften wird auf den Vater allein übertragen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 4.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die 1969 und 1973 geborenen Beteiligten zu 1. und 2. sind getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe sind die vier Kinder

  • Je., geboren am ... November 1994
  • Ju., geboren am ... September 1996
  • Ja., geboren am ... Dezember 1998
  • J., geboren am ... Oktober 2002

hervorgegangen. Seit 2003 leben die Eltern getrennt. Das Scheidungsverfahren ist anhängig.

Die Tochter Je. lebte nach der Trennung der Eltern zunächst im Haushalt des Vaters. Später wechselte sie zur Mutter. Dort lebt sie noch heute. Ju. wohnte zunächst im Haushalt der Mutter. Zwischenzeitlich ist er in einem Heim untergebracht.

Auf Grund von Vernachlässigung und Überforderung der Mutter wurden die beiden jüngsten Kinder Ja. und J. in 11/2002 zunächst in die Tagespflege zu den Eheleuten M. in N. gegeben. In 6/2003 wurde diese Tagespflege in eine Vollzeitpflege umgewandelt. Bis heute leben Ja. und J. ununterbrochen bei den Pflegeeltern. Ja. besucht gegenwärtig die 5. Klasse der ...-Grundschule in N., bei der es sich um eine Integrationsgrundschule handelt. Im Sommer 2009 wurde auch J. dort eingeschult. Beide Kinder zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Es bestehen u.a. (Sprach-) Entwicklungsverzögerungen und andere Defizite; bei Ja. wurde ADHS diagnostiziert. Ferner sind Essstörungen in Form von Nahrungsverweigerungen aufgetreten. Das führte Anfang 10/2009 zu einer Krankenhauseinweisung und einem 4-tägigen stationären Aufenthalt von Ja. Seit 6/2009 befindet sie sich in psychotherapeutischer Behandlung.

Zwischen der Mutter und den Kindern Ja. und J. findet ein lediglich stundenweiser Umgang statt. Dieser wurde ab 5/2008 auf alle drei Wochen eingeschränkt, da beide Kinder auf die Umgangskontakte mit der Mutter mit Verhaltensauffälligkeiten reagierten. Gegenwärtig erfolgt der Umgang zwischen Mutter und Kindern in begleiteter Form.

Im Rahmen des vom Jugendamt im Jahr 2002 eingeleiteten Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung gem. § 1666 BGB hat das AG in 7/2004 ein schriftliches Gutachten der Sachverständigen F.U. eingeholt. Diese sprach sich für den Verbleib der Kinder bei den Pflegeeltern M. aus. Dem stimmten seinerzeit beide Eltern zu, so dass das Verfahren zunächst vom AG nicht weiter geführt wurde. Anfang 2008 stellte die Mutter den Antrag auf Rückführung von Ja. und J. in ihren Haushalt. Das AG hat daraufhin ein Ergänzungsgutachten der Sachverständigen U. eingeholt. In dem Gutachten aus 3/2009 wurde erneut empfohlen, Ja. und J. bei den Pflegeeltern zu belassen. Ferner stellte die Sachverständige - wie schon in ihrem ersten Gutachten aus 7/2004 - die Erziehungsunfähigkeit der Kindesmutter fest.

Durch Beschluss vom 6.5.2009 hat das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht zum Stellen von Anträgen nach sozialrechtlichen Vorschriften betreffend die Kinder Ja. und J. der Kindesmutter entzogen. Gegen diese Entscheidung hat die Mutter Beschwerde eingelegt, mit der sie im Ergebnis das Ziel verfolgt, die Kinder (auf Dauer) in ihren Haushalt zurückzuführen. Sie sieht keinen Anlass, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Ja. und J. zu entziehen. Beide Kinder wünschten, bei ihr zu leben.

Der Vater verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er spricht sich für einen Verbleib der Kinder bei den Pflegeeltern aus.

Im Übrigen haben beide Eltern im Senatstermin die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder Ja. und J. gem. § 1671 BGB auf sich allein beantragt.

II. Die nach § 621e ZPO a.F. zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1., die verfahrensrechtlich nach altem Recht zu behandeln ist (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG), führt im Ergebnis nicht zum Erfolg. Im Hinblick auf die Antragstellung der Eltern im Senatstermin sowie darauf, dass es sich um ein einheitliches Sorgerechtsverfahren handelt (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1671 Rz. 25), ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Ja. und J. sowie das Recht zum Stellen von Antr...

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