Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfeverfahren: Mutwilligkeit des Antragsgegners bei Unterlassen einer inhaltlichen Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfeantrag des späteren Klägers

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Antragsgegner bzw. späterer Beklagter handelt nicht mutwillig, wenn er im Prozesskostenhilfeverfahren des Antragstellers bzw. späteren Klägers keine Stellungnahme abgibt.

 

Normenkette

ZPO § 118 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Königs Wusterhausen (Beschluss vom 05.02.2009; Aktenzeichen 30 F 383/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Königs Wusterhausen vom 5.2.2009 - 30 F 383/08 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten an das AG zurückverwiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Senat entscheidet gem. Art. 111 Abs. 1 des FGG-Reformgesetzes (FGG-RG) noch nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht.

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 BGB statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beklagten hat in dem Sinne Erfolg, dass sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG führt. Die Begründung, die Beklagte habe sich nicht vollständig über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erklärt, trägt nicht mehr, nachdem sie im Beschwerdeverfahren eine vollständig ausgefüllte neue Erklärung vorgelegt hat, in der sie auch die früheren, offenbar unzutreffenden Angaben zum Wert ihres Pkw korrigiert und belegt hat. Auf der Grundlage dieser Erklärung vermag das AG nunmehr über die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit der Beklagten zu entscheiden.

Soweit das AG, der Rechtsprechung des 1. Senats für Familiensachen des OLG Brandenburg (vgl. Brb. OLG - 1. FamS, FamRZ 2006, 349) folgend, die beabsichtigte Rechtsverfolgung zudem als mutwillig angesehen hat, weil die Beklagte im Prozesskostenhilfeverfahren des Klägers keine sachliche Stellungnahme abgegeben hat, weist der Senat darauf hin, dass er in diesem Punkt die Rechtsauffassung des 1. Senats für Familiensachen nicht teilt. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO ordnet aus verfassungsrechtlichen Gründen (rechtliches Gehör) lediglich an, dass im Prozesskostenhilfeverfahren dem Gegner "Gelegenheit zur Stellungnahme" zu geben ist. Daraus indes lässt sich nicht ableiten, dass ihn, zumal wenn er selbst prozesskostenhilfebedürftig ist, für das Prozesskostenhilfeverfahren als solches aber keine Prozesskostenhilfe beanspruchen kann, auch eine Obliegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme trifft. Zudem kann es durchaus in seinem Interesse liegen, in einem anschließenden Hauptsacheverfahren eine der materiellen Rechtskraft fähige streitige Entscheidung zu seinem Gunsten herbeizuführen, zu der es vielleicht nicht kommen würde, wenn er bereits im Prozesskostenhilfeverfahren des Gegners sein gesamtes Verteidigungsvorbringen offenlegen müsste. So kann etwa eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten nur in einem Hauptsacheverfahren ergehen, weil im Prozesskostenhilfeverfahren keine Kostenerstattung stattfindet. Im Verhältnis zu einer bemittelten Partei, der solche taktischen Überlegungen ohne weiteres offenstehen, würde damit für eine bedürftige Partei die Chancengleichheit zwischen Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung unangemessen eingeschränkt. Dementsprechend ist die zitierte Entscheidung, die letztlich auf der fiskalischen Erwägung beruht, dass der Staat nicht mit den Kosten unnötiger Prozesse belastet werden soll, in Rechtsprechung und Literatur zu Recht weithin auf Ablehnung gestoßen (vgl. nur die Nachweise bei Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rz. 34a); die Wahrung der fiskalischen Interessen des Staates ist nicht Sache des Antragsgegners im Prozesskostenhilfeverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2288458

FamRZ 2010, 142

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