Rn 77

§ 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO gibt dem Insolvenzgericht die Möglichkeit, einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis zusätzlich zu dessen Verpflichtung, zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird, gleichzeitig zum Sachverständigen zu bestellen und ihn mit der Prüfung zu beauftragen, ob beim Insolvenzschuldner ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Schuldnerunternehmens bestehen. Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht als allgemeine Maßnahme nach §§ 5, 20, 21 Abs. 1 InsO generell im Insolvenzeröffnungsverfahren Sachverständige hinzuziehen und zwar unabhängig von der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung. Demnach besteht also auch bei Bestellung eines sog. schwachen Verwalters, d.h. der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung bei gleichzeitiger Verhängung eines bloßen Zustimmungsvorbehalts, die Möglichkeit, den vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzeitig zum Sachverständigen zu bestellen.

Für seine Tätigkeit erhält der Sachverständige eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Ist er gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden, so bestimmt § 11 Abs. 4 ausdrücklich, dass er seine Sachverständigenvergütung gesondert neben seiner Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter nach § 11 Abs. 1-3 erhält.

 

Rn 78

Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004[223] wurde neben dem Gerichtskostengesetz und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auch die Vergütung der Sachverständigen neu geregelt und das bisherige Gesetz zur Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) ersetzt. Nach § 24 JVEG richtet sich die Sachverständigenvergütung bzw. -entschädigung nach bisherigem Recht, wenn der Auftrag vor dem 1.7.2004 erteilt wurde. Mit dem Zweiten Kostenrechtmodernisierungsgesetz vom 23.7.2013[224] wurden mit Wirkung ab 1.8.2013 u. a. auch die Vorschriften zur Vergütung der gerichtlichen Sachverständigen an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst.

Nach § 8 JVEG erhält der Sachverständige keine Entschädigung mehr, sondern ein Honorar für seine Leistungen. Dieses Honorar bestimmt sich nach § 9 JVEG. § 9 Abs. 1 JVEG sieht eine Einteilung der Sachverständigenleistungen in insgesamt 13 allgemeine Honorargruppen und 3 medizinische Honorargruppen vor. Die Bandbreite des Stundenhonorars für die jeweiligen Honorargruppen bewegt sich zwischen 65 EUR und 125 EUR. Die Zuordnung der einzelnen Sachverständigenleistungen zu der jeweiligen Honorargruppe bestimmt sich nach Anlage 1 zum JVEG. Dort sind in der Fassung nach dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz nur noch 40 Sachgebiete alphabetisch aufgelistet von "Abfallstoffe" bis "Versicherungsmathematik".

 

Rn 79

Obwohl seit Jahrzehnten die Bestellung eines insolvenzrechtlichen Sachverständigen pro Jahr in mehreren zehntausend Fällen erfolgt, findet sich auch in der aktuellen Fassung des Gesetzes das Sachgebiet Insolvenzrecht nicht in Anlage 1. In dem Entwurf des ursprünglichen Gesetzes 2004 war die Vergütung der schon zahlenmäßig bedeutsamen Tätigkeit des insolvenzrechtlichen Sachverständigen in dem neuen Vergütungs- und Entschädigungsgesetz überhaupt nicht geregelt. Erst während des Gesetzgebungsverfahrens empfahl auf entsprechende Hinweise[225] der Rechtsausschuss des Bundestages eine ausdrückliche Regelung, um "Abrechnungsschwierigkeiten zu vermeiden". In § 9 JVEG wurde damals daraufhin ein Absatz 2 eingefügt, wonach das Honorar des Sachverständigen im Fall des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO abweichend von den zuvor vorgenommenen Eingruppierungen für jede Stunde 65 EUR beträgt.

 

Rn 80

Diese Sonderregelung wurde auch in der Fassung nach dem 2. Kostenrechtmodernisierungsgesetz grundsätzlich beibehalten. Allerdings wurde auf Grund der seit 2004 in der Praxis eingetretenen Anwendungsschwierigkeiten der Anwendungsbereich auf die gleichzeitige Bestellung eines sogenannten schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters zum insolvenzrechtlichen Sachverständigen unter Hinweis auf § 22 Abs. 2 InsO erweitert. Gleichzeitig wurde das Stundenhonorar abweichend von § 9 Abs. 1 JVEG auf 80,00 EUR pro Stunde festgesetzt. Dies entspricht nach wie vor der Honorargruppe 4. Damit ist der Gesetzgeber der Einordnung dieses bisher nicht in § 9 Abs. 2 JVEG geregelten Falles der Ernennung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zum insolvenzrechtlichen Sachverständigen durch die Rechtsprechung gefolgt[226].

 

Rn 81

Ebenso wie diese vorausgegangene Rechtsprechung dürfte auch die Neuregelung verfassungsgemäß sein, weil nach dem BVerfG im Falle einer gleichzeitigen Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter die Sachverständigenvergütung nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern wegen der zwangsläufig entstehenden Tätigkeitsüberschneidungen nur im Kontext mit der Vergütung des vorläufigen Verwalter[227]. Der pauschale Stundensatz nach Honorargruppe 4 sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, weil dem Sachverständigen daneben regelmäßig die f...

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