Rn 4

In Abs. 1 Satz 1 ist die grundlegende Regelung enthalten, dass Gläubigerversammlungen vom Insolvenzgericht einberufen werden. Dies betrifft zunächst vorrangig die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Fälle der Einberufung nach den §§ 29, 197 und 235. Da dem Gericht während des gesamten Verfahrens eine Art Rechtsaufsicht über den Verfahrensablauf zukommt, hat es von Amts wegen die sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichtversammlungen zu berücksichtigen und für deren ordnungsgemäße Einberufung zu sorgen.

Im Übrigen steht dem Gericht daneben grundsätzlich ein uneingeschränktes Initiativrecht zur Einberufung einer Gläubigerversammlung zu, wenn es eine solche nach seinem pflichtgemäßen Ermessen für notwendig hält. Dadurch kann das Insolvenzgericht eine Information der Gläubiger bewirken, diesen Anregungen geben und ggf. auf die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Vorschriften durch Fassung entsprechender Beschlüsse hinwirken. Andererseits kann eine solche zusätzliche Gläubigerversammlung auch dabei behilflich sein, Auseinandersetzungen zwischen Verwalter und Gläubiger zu schlichten oder berechtigte zusätzliche Informationsbedürfnisse der Gläubiger zu befriedigen. Gleichwohl sollte sich das Gericht aber auf eine förmliche Führung und Protokollierung der Gläubigerversammlung sowie eine bloße Rechtsaufsicht über dieselbe beschränken, um sich nicht dem Vorwurf einer Beeinträchtigung der vom Gesetzgeber vorrangig gewollten Gläubigerautonomie bei der Verfahrensgestaltung auszusetzen.

 

Rn 5

Im Falle der Insolvenz eines Schuldners, der Schuldverschreibungen ausgegeben hat, sind vom Insolvenzgericht die für die Einberufung von Gläubigerversammlungen geltenden Sondervorschriften des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen zu beachten. Danach ist nach dem durch Art. 53 EGInsO geänderten § 18 Abs. 3 SchuldVG unverzüglich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger einzuberufen, um dort über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu beschließen. Die Einberufung dieser gesonderten Gläubigerversammlung kann unterbleiben, wenn schon zuvor entweder im Zusammenhang mit der Ausgabe der Schuldverschreibungen oder in einer vorangegangenen Versammlung dieser Gläubiger über die Bestellung eines solchen Vertreters eine Regelung getroffen worden ist. Auch diese besondere Gläubigerversammlung wird gemäß § 18 Abs. 2 SchuldVG entsprechend § 76 Abs. 1 vom Insolvenzgericht geleitet.

Satz 2 des Abs. 1 regelt sodann, welche Verfahrensbeteiligten zur Teilnahme an den einberufenen Gläubigerversammlungen berechtigt sind. Dabei gilt diese Bestimmung allgemein für alle vom Gericht einberufenen Gläubigerversammlungen, gleichgültig ob sie von Amts wegen oder auf Antrag der in § 75 genannten Berechtigten einberufen werden. Aus der Regelung kann weiterhin der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Gläubigerversammlung abweichend von § 169 GVG nicht dem dort niedergelegten Öffentlichkeitsprinzip unterliegt. Andererseits findet sich auch keine den §§ 170 bis 172 GVG entsprechende Vorschrift, die eine nichtöffentliche Abhaltung der Gläubigerversammlung vorschreibt. Das Wesen des Insolvenzverfahrens sowie die Verhandlungsgegenstände und nicht zuletzt die ausdrückliche Regelung in § 74 Abs. 1 Satz 2 dürften es jedoch gebieten, nur von einer auf die Beteiligten begrenzten Öffentlichkeit auszugehen.[3]

 

Rn 6

Unter dieser Einschränkung sind nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zunächst alle Insolvenzgläubiger (Legaldefinition in § 38), d.h. auch die nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 39 teilnahmeberechtigt. Wegen der zuvor dargestellten begrenzten Öffentlichkeit kann das Gericht insbesondere bei einer Gläubigerversammlung vor Abhaltung des Prüfungstermins einen Nachweis der Gläubigerstellung oder einen Identitätsnachweis als Voraussetzung für eine Teilnahme verlangen. Insbesondere organschaftliche Vertreter von juristischen Personen als Insolvenzgläubiger haben ebenso wie andere Gläubigervertreter auf Verlangen ihre Vertretungsmacht in geeigneter Form nachzuweisen, was ohne vorherige gerichtliche Ankündigung in der Praxis häufig zu erheblichen Schwierigkeiten und manchmal auch zum unerwünschten Ausschluss eines Berechtigten von der Teilnahme an der Gläubigerversammlung führt.

 

Rn 7

Allein schon im Hinblick auf die mit der Gläubigerversammlung meist verfolgten Zwecke ist in jedem Fall auch der Insolvenzverwalter teilnahmeberechtigt. Eine ganz andere Frage ist, ob er zur Teilnahme auch verpflichtet ist. Dies dürfte zumindest für die gesetzlich zwingend vorgesehenen zentralen Gläubigerversammlungstermine gelten, da er ein höchstpersönliches Amt inne hat, das ihn zur persönlichen Erfüllung der daraus resultierenden Mitwirkungs- und Informationspflichten zwingt. Aber auch bei zusätzlichen vom Gericht oder auf Antrag der Verfahrensbeteiligten einberufenen Gläubigerversammlungen wird der Verwalter schon aus eigenem Interesse regelmäßig teilnehme...

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