Leitsatz

Eine Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. Solange Beschlüsse nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gültig

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1 WEG

 

Das Problem

  1. W ist Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentumsanlage, in der ein Hotel betrieben wird. In der Eigentümerversammlung vom 5. Mai 2007 wird beschlossen, eine Sonderumlage für Brandschutzmaßnahmen zu erheben. Am 17. Mai 2008 wird ein Beschluss über die Erhebung einer weiteren Sonderumlage für die Sanierung der Hotelküche gefasst. Beide Maßnahmen werden durchgeführt und bezahlt.
  2. Eine gegen W gerichtete Klage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils aus den beiden Sonderumlagen weist das Landgericht Itzehoe mit (rechtskräftigem) Urteil vom 4. Februar 2010 ab. Es sieht die beiden Sonderumlagenbeschlüsse wegen mangelnder Bestimmtheit als nichtig an. Die Kosten dieses Rechtsstreits legt das Landgericht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf.

    § 91 ZPO (Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht)

    (1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

  3. Am 1. Mai 2010 fassen die Wohnungseigentümer im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts Itzehoe vom 4. Februar 2010 erneut Beschlüsse über die Erhebung der Sonderumlagen für die Brandschutzmaßnahmen (TOP 13) und für die Küchensanierung (TOP 14). W's gegen diese Beschlüsse gerichtete Anfechtungsklage ist noch nicht entschieden.
  4. Im hiesigen Verfahren verlangt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Zahlung der auf W entfallenden Anteile an den Sonderumlagen nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg. Auf W's Berufung weist das Landgericht die Klage hingegen ab. Das Landgericht sieht die Beschlüsse als nichtig an, weil keine Beschlusskompetenz bestehe, für abgerechnete und bereits bezahlte Maßnahmen eine Sonderumlage zu beschließen. Mit der Revision will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Zurückweisung der Berufung erreichen.
 

Entscheidung

  1. Die Revision hat Erfolg. Die Beschlüsse seien nicht nichtig. Die Wohnungseigentümer seien befugt gewesen, die Sonderumlagen erneut zu beschließen (zur Begründung verweist der BGH insoweit auf sein Urteil v. 4.4.2014 zum Aktenzeichen V ZR 168/13).
  2. Für W's Zahlungspflicht sei es ohne Belang, dass die entsprechenden Beschlüsse angefochten und eine Klage rechtshängig sei. Eine Beschlussanfechtungsklage habe keine aufschiebende Wirkung. Solange Beschlüsse nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden seien, seien sie gültig und begründeten W's Zahlungspflicht.
 

Kommentar

Anmerkung

Die zentrale Aussage dieser Entscheidung ist der – erneute und der herrschenden Meinung entsprechende – Hinweis, dass ein nicht nichtiger Beschluss die Wohnungseigentümer, aber auch den Verwalter bindet und bis zu seiner gerichtlichen Ungültigerklärung oder Aufhebung durch die Wohnungseigentümer im Wege des Zweitbeschlusses Rechtsgrundlage etwa für Zahlungspflichten ist.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Zum Teil ist es misslich, dass ein Beschluss bereits mit seinem Zustandekommen "bindet". Vor allem bei Baumaßnahmen stellt sich das Problem, dass sie vom Verwalter durchzuführen sind, obwohl der diese Maßnahmen billigende Beschluss Gegenstand eines Rechtsstreits ist. Stellt sich nach Monaten oder Jahren heraus, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird, sind die Investitionen gegebenenfalls verloren. Außerdem muss im Weg der Folgenbeseitigung die Baumaßnahme grundsätzlich rückgängig gemacht werden.
  2. Sollen diese Folgen im Einzelfall vermieden werden, kann man beschließen, dass der Verwalter einen Beschluss erst durchführen soll, wenn er bestandskräftig ist oder ein Rechtsstreit um ihn vom Gericht rechtskräftig abgewiesen wurde.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 4.4.2014, V ZR 167/13

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