Leitsatz (amtlich)

Zur Anwendbarkeit von § 54 S. 2 BGB auf Verträge zwischen einem nicht rechtsfähigen Verein und einem seiner Mitglieder.

 

Normenkette

BGB § 54

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.03.2002; Aktenzeichen 24 U 8/01)

LG Darmstadt

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt v. 22.3.2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Erstattung von Verfahrenskosten aus einem verlorenen Verwaltungsgerichtsprozess in Anspruch.

Die Parteien waren Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins "Klagegemeinschaft gegen die H. S." (im Folgenden: Verein). Im Jahre 1990 plante der Landkreis A., die Hausmülldeponie in S. zu erweitern. Hiergegen wandten sich u. a. Bürger der in unmittelbarer Nähe der vorgesehenen Erweiterungsfläche gelegenen Waldsiedlung. Der Kläger, der in der Waldsiedlung ein Hotel betreibt, erhob gegen die Erweiterung der Mülldeponie Klage vor dem VGH in W.. Im Verlaufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde u. a. vom Kläger der Verein gegründet. Der Verein hatte ca. 30 Mitglieder. Vereinszweck war nach § 3 der Satzung die Interessenwahrung der Bewohner der Waldsiedlung gegenüber dem Betrieb und Ausbau der Hausmülldeponie und als "wesentliche Aufgabe die Finanzierung von Rechtsstreitverfahren und im Besonderen die Unterstützung des bereits klagenden M. St." (= Kläger).

Am 28.7.1994 wurde zwischen dem Kläger und dem Verein, vertreten durch den Beklagten als stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, eine "Vereinbarung" getroffen, in der u. a. in Ziff. 1 geregelt ist:

"Die Klagegemeinschaft unterstützt Herrn St. bei seinem rechtlichen Vorgehen gegen die Erweiterung der Hausmülldeponie S. des Landkreises A. ideell und materiell. Die materielle Unterstützung betrifft insbesondere die in den Verfahren gegenüber den Verwaltungsbehörden und Gerichten anfallenden Gebühren und Kosten sowie die notwendigen Auslagen (Anwaltsgebühren, Honorare für Gutachten etc.). ..."

Die vom Kläger vor dem VGH in W. erhobene Klage wurde schließlich vom Bayerischen VGH in München, nachdem der Kläger zunächst im Oktober 1995 einen Vergleich wegen fehlender Zustimmung des Vereins widerrufen hatte, rechtskräftig abgewiesen. Der Verein hatte bis zu seiner Auflösung im Jahre 1995 die im Zusammenhang mit der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeit beim Kläger angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten i. H. v. ca. 95.000 DM übernommen. Weitere im Jahre 1999 vom Kläger im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgeglichene Kosten i. H. v. insgesamt 39.409,87 DM wurden dem Kläger vom Verein nicht ersetzt. Diesen Betrag verlangt der Kläger nunmehr vom Beklagten.

Das LG hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Eine persönliche Haftung des Beklagten als Vereinsmitglied nach § 54 S. 1 BGB für Verbindlichkeiten des Vereins scheidet aus. Bei der Klagegemeinschaft handelt es sich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen nicht rechtsfähigen, nicht wirtschaftlichen Idealverein. Der Verein ist weder im Vereinsregister eingetragen noch nimmt er nach seinem Hauptzweck wie ein Unternehmen am Wirtschafts- und Rechtsverkehr teil. Die lediglich vereinsinterne finanzielle Unterstützung des Klägers reicht für die Annahme eines wirtschaftlichen Vereins nicht aus (vgl. allg. zur Abgrenzung BGH, Urt. v. 29.9.1982 - I ZR 88/80, BGHZ 85, 84 = MDR 1983, 193; BayObLG NZG 1998, 606; Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl., § 21 Rz. 5 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung und nach ganz h. M. im Schrifttum haften die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Idealvereins nicht persönlich für die Verbindlichkeiten des Vereins (BGH BGHZ 50, 326 [329]; OLG Schleswig v. 3.5.1995 - 15 U 16/94, N-VwZ-RR 1996, 103; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 25 Abs. 3 S. 2 m. w. N.; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rz. 24).

2. Eine Haftung des Beklagten als Handelnder nach § 54 S. 2 BGB besteht ebenfalls nicht.

a) Nach § 54 S. 2 BGB haften aus Rechtsgeschäften, die im Namen eines nicht rechtsfähigen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen werden, die Handelnden persönlich. Diese Haftung besteht unabhängig davon, ob die Handelnden Vorstandsmitglieder oder ob sie überhaupt Vereinsmitglieder sind, und auch unabhängig davon, ob sie zur Vertretung des Vereins berechtigt gewesen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.1957 - VIII ZR 202/56, NJW 1957, 1186). Die Regelung des § 54 S. 2 BGB soll dem Geschäftspartner eines nicht eingetragenen Vereins außer dem Vereinsvermögen, dessen Aufbringung und Erhaltung gesetzlich nicht gesichert ist, das Privatvermögen des Handelnden als Haftungsmasse zugänglich machen (Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 54 Rz. 26 unter Hinweis auf Protokolle, Mugdan I, S. 641) und einen Ausgleich für den Ausfall der Registerpublizität verschaffen (vgl. Reuter in MünchKomm/ BGB, 4. Aufl. 2001, § 54 Rz. 5; zusammenfassend Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, S. 468 ff. m. w. N.).

b) Es kann dahinstehen, ob - wie das Berufungsgericht annimmt - eine Handelndenhaftung des Beklagten schon daran scheitert, dass er mit der Vereinbarung v. 28.7.1994 keine neue eigenständige Verpflichtung des Vereins begründet und damit kein Rechtsgeschäft i. S. v. § 54 S. 2 BGB geschlossen hat. Denn jedenfalls ist der Kläger nicht Dritter im Sinne dieser Bestimmung.

c) Ebensowenig bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung, ob ein Vereinsmitglied überhaupt Dritter i. S. v. § 54 S. 2 BGB sein kann (abl. u. a. Reuter in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 54 Rz. 59; Kertess, Die Haftung des für einen nicht rechtsfähigen Verein Handelnden, Diss. 1982, S. 139 f. m. w. N.; a. A. insbesondere Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 54 Rz. 16). Denn jedenfalls könnte ein Vereinsmitglied den Schutz dieser Bestimmung allenfalls dann in Anspruch nehmen, wenn es das Rechtsgeschäft mit dem Verein als echtes Drittgeschäft, d. h. ohne unmittelbaren Bezug zu seiner mitgliedschaftsrechtlichen Beziehung zu dem Verein und Stellung in demselben, abschließt (in diesem Sinne auch etwa Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 54 Rz. 27; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 8. Aufl., Rz. 2516; Bamberger/Roth/Schwarz, BGB, Bd. I, § 54 Rz. 24; Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, S. 485). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zweck des Vereins war nach seiner Satzung u. a. ausdrücklich die finanzielle Unterstützung des Klägers, d. h. seines (Gründungs-) Mitglieds bei den von diesem gegen die Erweiterung der Mülldeponie geführten Rechtsstreitigkeiten. Die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung v. 28.7.1994 betraf damit nicht etwa ein nur mittelbar dem Vereinszweck dienendes Hilfsgeschäft; sie zielte vielmehr unmittelbar auf die Umsetzung und Konkretisierung des Vereinszwecks. Dieser enge Zusammenhang zwischen der dem Kläger geltenden Förderaufgabe des Vereins und der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des Klägers schließt es unter den gegebenen Umständen aus, die Vereinbarung v. 28.7.1994 mit einem Beliebigen Rechtsgeschäft gleichzusetzen, das der Verein im Grundsatz auch mit jedem außenstehenden Dritten hätte schließen können.

 

Fundstellen

DB 2003, 2485

DStR 2003, 1762

DStZ 2003, 743

BGHR 2003, 1140

NJW-RR 2003, 1265

EWiR 2004, 5

NZG 2003, 878

StuB 2004, 144

WM 2003, 1670

ZIP 2003, 2023

JA 2004, 94

MDR 2003, 1241

LL 2003, 741

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