Leitsatz (amtlich)

Geldforderungen der GmbH aus dem Anstellungsverhältnis hat ihr Geschäftsführer dort zu erfüllen, wo die GmbH den Zahlungsverkehr mit ihm abrechnet, buchmäßig erfaßt und abwickelt; das ist regelmäßig der Sitz der Gesellschaft.

 

Normenkette

BGB § 269; GmbHG § 35

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 13.12.1983)

LG Hamburg

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 13. Dezember 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter des Vermögens der P. Mineralöl-Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in H. Der Beklagte, niederländischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden, war an dieser Gesellschaft bis 5. Juli 1979 mehrheitlich beteiligt und einer ihrer drei Geschäftsführer. Die Gesellschaft zahlte ihm vom 10. Januar 1979 bis 26. März 1979 Tantiemen für die Jahre 1977 bis 1979 in Höhe von insgesamt 340.000 DM, ohne von diesen Beträgen Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Die Gesellschaft hat deshalb, als das Finanzamt sie als haftende Arbeitgeberin in Anspruch nahm, im Juli 1979 die vom Beklagten geschuldete Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 192.454,90 DM aus eigenem Vermögen an das Finanzamt gezahlt. Das Konkursverfahren wurde am 30. November 1979 eröffnet.

Der Kläger verlangt mit der Klage Erstattung der Tantiemen und der Lohnsteuer, weil die Gesellschaft keine Gewinne erzielt, vielmehr aus haftendem Vermögen gezahlt habe. Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil in Höhe von 192.454,90 DM (Lohnsteuer) nebst Zinsen stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie insoweit als unzulässig abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Landgericht Hamburg international nicht zuständig gewesen sei, den in den Niederlanden wohnenden Beklagten zu verurteilen. Das Landgericht habe nach Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (GuGVÜ) nur dann in der Sache entscheiden dürfen, wenn die vertragliche Verpflichtung des Beklagten, der Gesellschaft die Aufwendungen für die Lohnsteuer zu erstatten, in Hamburg zu erfüllen wäre; das sei nach dem – aufgrund deutschen Kollisionsrechts – für die Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und dem Beklagten maßgebenden deutschen Recht nicht der Fall; denn nach § 269 BGB sei Erfüllungsort der Wohnsitz des Beklagten. Diese Ausführungen greift die Revision mit Recht an.

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß für das Rechtsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer nicht niederländisches, sondern deutsches Recht maßgebend ist. Der Geschäftsführer verpflichtet sich im Anstellungsvertrage, Organpflichten zu erfüllen, die sich bei einer deutschen GmbH aus deutschem Recht ergeben, so daß das Schwergewicht des Vertragsverhältnisses ohne weiteres auf die deutsche Rechtsordnung verweist, der damit die Organstellung und das Dienstverhältnis des Geschäftsführers insgesamt unterstehen.

Das Berufungsgericht ist ferner der zutreffenden Ansicht, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der dem Finanzamt gezahlten Lohnsteuer vertraglicher Art ist. Nach § 38 Abs. 3, § 41 a Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung, indem er den Lohn in voller Höhe an den Arbeitnehmer auszahlt, und leistet er nunmehr die Lohnsteuer als Haftender (§ 42 d EStG) für Rechnung des Steuerschuldners aus eigenem Vermögen, so hat dieser ihm die Aufwendungen gemäß §§ 670, 611, 675 BGB zu erstatten (vgl. Sen.Urt. v. 23.5.1977 – II ZR 1/76, WM 1977, 1007, 1008).

Auch nach deutschem Recht hat der Schuldner grundsätzlich an seinem Wohnsitz zu erfüllen (§ 269 BGB). Etwas anderes kann sich aber aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, ergeben. Das ist hier der Fall. Grundsätzlich ist Erfüllungsort für Arbeitsvergütungen der Betriebssitz des Arbeitgebers, und zwar auch dann, wenn es der Arbeitgeber übernimmt, bargeldlos zu überweisen, oder der Arbeitnehmer auswärts beschäftigt ist. Umgekehrt hat der Arbeitnehmer am Betriebssitz zurückzuzahlen, wenn Überzahlungen vorgekommen sind oder, wie hier, etwas für den Arbeitnehmer gezahlt worden ist. Dieser gemeinsame Erfüllungsort ergibt sich aus der durch den Anstellungsvertrag begründeten personenrechtlichen Bindung, die – anders als bei reinen Austauschgeschäften – den Arbeitnehmer verpflichtet, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß sich am Betriebssitz die gesamte betriebliche Einrichtung für die Abwicklung von Zahlungen befindet und die Bücher geführt werden. Für die Zahlungsverpflichtungen des Geschäftsführers der GmbH gilt dasselbe.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist unerheblich, ob der Geschäftsführer seine Tätigkeit, die er der GmbH schuldet, an derem Sitz oder ganz oder teilweise woanders – im vorliegenden Falle sogar im Ausland – zu erbringen hat. Dieser Umstand könnte allenfalls Bedeutung erlangen, wenn außerhalb der Hauptbetriebsstätte ein selbständig organisierter Geschäftsbetrieb mit eigener Rechnungs- und Kassenführung eingerichtet wird. Das war hier jedoch nicht der Fall.

Da die deutschen Gerichte somit zuständig sind, wird das Berufungsgericht nunmehr in der Sache zu entscheiden haben

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Bauer, Bundschuh, Brandes

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502385

NJW 1985, 1286

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1985, 157

IPRspr. 1984, 149

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