Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in ein Angebot zum Abschluß eines (Miet-)Aufhebungsvertrages.

Auch im Mietrecht gilt Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung zu einem Vertragsangebot.

 

Normenkette

BGB §§ 140, 133

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 21.09.1979)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. September 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte mietete am 27. Oktober 1972 von der Firma C.-Bau KG ein ca. 45 qm großes Ladenlokal im L. C.-Bazar zu einem Mietzins von 1.300 DM zuzüglich Mehrwertsteuer und Nebenkosten. Das Mietverhältnis begann am 1. November 1972 mit einer Laufzeit von zunächst einem Jahr und verlängerte sich dann um drei Jahre, weil es nicht sechs Monate vor Ablauf der Jahresfrist gekündigt wurde.

Unter § 8 Abs. 3 des Mietvertrages ist bestimmt:

„Um die absatzpolitischen Interessen aller im Bazar untergebrachten Betriebe zu wahren, ist der Vermieter berechtigt, die Mieträume selbst unentgeltlich zu Ausstellungen und dergl. zu verwenden, wenn der Mieter seinen Geschäftsbetrieb in den Mieträumen vor Beendigung der Mietzeit einstellt. Der Vermieter kann dieses Recht auch Dritten übertragen.”

Im Jahre 1973 erwarb die Klägerin das Mietobjekt. Die Verwaltung verblieb noch bis zum 31. Mai 1974 bei der Firma C.-Bau KG; am 1. Juni 1974 übernahm die Firma Barbara T. die Verwaltung.

Die Beklagte stellte die Mietzinszahlungen ab Januar 1974 ein und berief sich zur Begründung auf Bau- und Gestaltungsmängel, die schon im Schreiben der Mietergemeinschaft vom 1. Dezember 1972 beanstandet worden waren. Am 6. März 1974 richtete sie an die Firma C.-Bau KG ein Schreiben, erinnerte darin an die Beantwortung eines früheren Schreibens, insbesondere an die Abstellung von Mängeln und betonte, im Bereich ihres Ladenlokals befänden sich nur noch drei weitere Geschäfte; außerdem sei der Bazar nicht mehr von außen einsehbar. Das Schreiben schließt mit folgendem Absatz:

„Wir setzen Ihnen hiermit eine letzte Frist, uns innerhalb 10 Tagen unsere Schreiben zu beantworten mit einem für uns akzeptablen Vorschlag. Sollten Sie unserer Aufforderung wiederum nicht nachkommen, so werden wir bis zum Ende des Monats unseren Stand räumen und betrachten zu diesem Zeitpunkt auch das Mietverhältnis als erloschen.”

Das inhaltlich nicht bekannte Antwortschreiben der Klägerin vom 15. März 1974 stellte die Beklagte nicht zufrieden. Sie kündigte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 10. April 1974 das Mietverhältnis fristlos und teilte mit, daß das Ladenlokal zum Monatsende geräumt werde. Unter Bezugnahme auf dieses Kündigungsschreiben übersandte die Beklagte der Klägerin am 25. April 1974 die Schlüssel für das Mietobjekt. In dem Begleitbrief heißt es u.a.:

„Bei der Gelegenheit möchten wir Sie davon in Kenntnis setzen, daß der Stand geräumt und gereinigt Ihnen zur Verfügung steht.

Wir bitten um Kenntnisnahme und zeichnen …”

Ob die Klägerin der Kündigung alsbald widersprochen hat, wie sie behauptet, ist zwischen den Parteien streitig.

Die neue Verwalterin zeigte der Beklagten am 20. August 1974 die Übernahme der Verwaltung an und forderte sie zu weiteren Mietzinszahlungen bis zur Weitervermietung auf. Das Ladenlokal wurde gemäß § 8 Abs. 3 des Mietvertrages zu Ausstellungszwecken an zwei Firmen überlassen, wobei umstritten ist, von welchem Zeitpunkt ab dies geschah und ob die Überlassung, wie die Klägerin behauptet, unentgeltlich erfolgte.

In einem im Dezember 1975 eingeleiteten Vorprozeß hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete für die Monate Januar bis einschließlich März 1974 (3 × 1.821,33 DM – 5.463,99 DM) in Anspruch genommen. In der Klagebegründung vom 14. Oktober 1976 hat sie u.a. vortragen lassen:

„Streit besteht zwischen den Parteien allein bezüglich der Mietzinszahlung für Januar, Februar und März 1974. Dies ergibt einen Betrag von 5.463,99 DM, der mit der Klage geltend gemacht wird.”

Später hat die Klägerin diesen Vortrag als auf einem Informationsirrtum beruhend widerrufen. Die Beklagte ist im Vorprozeß antragsgemäß verurteilt worden.

Die Klägerin macht nunmehr den Mietzins für die Zeit vom 1. April 1974 bis zum 31. Oktober 1976 geltend. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Mietzinses für April 1974 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageantrag, soweit ihm nicht entsprochen ist, weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht führt aus, das Mietverhältnis sei nicht durch die fristlose Kündigung vom 10. April 1974 beendet worden, weil sich Gründe gemäß §§ 542, 554 a BGB nicht feststellen ließen. Gleichwohl habe es zum 30. April 1974 sein Ende gefunden. Die Kündigungserklärung der Beklagten sei in einen Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages umzudeuten, weil sie wegen der ungünstigen Geschäftsentwicklung unter allen Umständen aus dem Vertragsverhältnis habe ausscheiden wollen. Dieses Angebot habe die Klägerin durch Schweigen angenommen.

II. Das angefochtene Urteil hält den Revisionsangriffen nicht stand.

1. Die Auffassung der Vorinstanz, der Mietvertrag sei nicht wirksam gekündigt worden, nimmt die Klägerin als ihr günstig hin. Sie ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Mietverhältnis sei durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden, ist in der Begründung nicht frei von Rechtsirrtum. Sie läßt sich auch mit anderer Begründung nicht halten.

a) Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 6. März 1974 ist ein Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen; denn das inhaltlich nicht näher bekannte Antwortschreiben der Klägerin ist unstreitig in einem für die Beklagten ungünstigen Sinne ausgefallen.

b) Es begegnet durchgreifenden Bedenken, die von der Beklagten am 10. April 1974 ausgesprochene fristlose Kündigung in ein Angebot zur Aufhebung des Mietvertrages umzudeuten.

Die Umdeutung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist, wie deren Auslegung, Aufgabe des Tatrichters und deshalb in der Revisionsinstanz nur begrenzt nachprüfbar. Das Berufungsgericht hat jedoch anerkannte Regeln, insbesondere die Grenzen einer Umdeutung verkannt.

Nach § 140 BGB kann ein nichtiges Rechtsgeschäft in ein anderes Rechtsgeschäft umgedeutet werden, wenn es dessen Erfordernissen entspricht und angenommen werden kann, daß es bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. So liegt hier der Sachverhalt nicht, denn die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist nicht nichtig, sondern hat mangels hinreichender Kündigungsgründe ihre einseitig-rechtsgestaltende Wirkung der Vertragsbeendigung nicht entfaltet. Eine Umdeutung einer – noch dazu von einem Anwalt mit eingehender Begründung ausgesprochenen – einseitig rechtsgestaltenden Willenserklärung in ein annahmebedürftiges Vertragsangebot ist nur dann zulässig, wenn sich der Erklärende bei Abgabe der außerordentlichen Kündigung bewußt gewesen ist, daß sie als einseitige Erklärung nicht wirksam werden könnte, und es für diesen Fall zur Herbeiführung des rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolges der Vertragsbeendigung, gewissermaßen hilfsweise, der Zustimmung des Erklärungsempfängers bedürfe (vgl. RGZ 143, 124, 126). Das Berufungsgericht hat gemeint, dafür reiche die Feststellung aus, die Beklagte habe „unter allen Umständen” vom Mietvertrage loskommen wollen.

Im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht hat die Erwägung in Literatur und Rechtsprechung Zustimmung gefunden, wenn der Arbeitnehmer erkennbar unter allen Umständen vom Vertrage loskommen wolle, dann entspreche es seinem mutmaßlichen Willen, dies – wenn nicht im Wege der erklärten Kündigung – auch über einen Aufhebungsvertrag erreichen zu wollen (Mayer-Maly, Münchner Kommentar, BGB, § 140 Rdn.3 Palandt/Putzo, BGB, 39. Aufl., § 564 Rdn. 3 g; Soergel/Hefermehl, BGB, 11. Aufl. § 140 Rdn. 14; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 564 Rdn. 41; BAG in AP Nr. 64 zu § 626 BGB; LAG Baden-Württemberg BB 1975, 1254). Diese Wertung mag für Schuldverhältnisse geboten sein, in denen vom kündigenden Vertragspartner persönliche Arbeits- und Dienstleistungen geschuldet werden. Ob sie sich auf andere Schuldverhältnisse übertragen läßt, ist äußerst zweifelhaft (vgl. RGZ 143, 124). Zu berücksichtigen ist nämlich, daß eine Umdeutung ihrer Natur nach Unsicherheit gerade dort brächte, wo Gesetz und Rechtsprechung Klarheit und Eindeutigkeit im Interesse der Rechtssicherheit verlangen, nämlich bei der Ausübung von Gestaltungsrechten. Die Unsicherheit wird dadurch verursacht, daß der Vermieter, wäre der Standpunkt des Berufungsgerichts richtig, gezwungen würde, einer Kündigung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen stets zu widersprechen.

Weiterhin spricht der objektive Erklärungsinhalt des Kündigungsschreibens gegen eine Umdeutung. Zu ermitteln ist der Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers, hier der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin. Diese konnte aber dem Kündigungsschreiben nicht entnehmen, daß sie zu einer Entschließung über eine vorzeitige Vertragsbeendigung aufgefordert werden sollte (vgl. RGZ 143, 124). Sie durfte, entsprechend der tatsächlichen Rechtslage, die Kündigung für unwirksam halten und dementsprechend reagieren. Es mögen zwar Fallgestaltungen denkbar sein, in denen ein Kündigungsschreiben in einen Antrag auf Abschluß eines Auflösungsvertrages umgedeutet werden kann, etwa wenn der Erklärung des Kündigenden zu entnehmen ist, daß er mit einer Stellungnahme des Erklärungsgegners rechnet oder wenn eine Umdeutung den beiderseitigen Interessen entspricht; ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Abschließend braucht diese Frage jedoch aus den unten (vgl. 3 b) dargelegten Gründen nicht entschieden zu werden.

c) Auch im Schreiben der Beklagten vom 25. April 1974, dem die Schlüssel beigefügt waren, ist ein Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages nicht enthalten. Selbst unter Berücksichtigung der vorangegangenen Korrespondenz kann diesem Schreiben eine Willenserklärung, gerichtet auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages, nicht entnommen werden. Vielmehr läßt es erkennen, daß die Beklagte das Mietverhältnis schon durch die Kündigungserklärung als beendet ansah. Die Gegenseite wird dementsprechend im letzten Satz des Schreibens lediglich um Kenntnisnahme gebeten, ohne daß Anzeichen dafür ersichtlich sind, daß die Beklagte nunmehr eine Antwort auf ihr Schreiben erwartete.

3. Die Revision erweist sich letztlich deshalb als begründet, weil die Beklagte ein – unterstelltes – Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages jedenfalls nicht angenommen hat.

a) Das Schreiben der Beklagten vom 10. April 1974 stellt kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar, denn unstreitig haben sich die Parteien über eine Vertragsaufhebung, die der schriftlichen Bestätigung bedurft hätte, niemals geeinigt. Folglich greifen auch die Rechtsfolgen, die für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gelten, hier nicht ein.

b) Geht man, dem Vortrag der Beklagten folgend, davon aus, daß seitens der Klägerin auf die Kündigung vor dem 20. August 1974 keine Reaktion erfolgte, so ist gleichwohl in diesem Verhalten der Klägerin keine Zustimmung zu einer Vertragsauflösung zu sehen.

aa) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Klägerin und die Firma C.-Bau hätten das Angebot stillschweigend angenommen. Sie seien der Kündigung vom 10. April 1974 nicht entgegengetreten und hätten es widerspruchslos hingenommen, daß die Beklagte ihnen den geräumten und gereinigten Verkaufsstand zurückgab und ihnen die Schlüssel mit Schreiben vom 25. April 1974 übersandt habe. Beide Vertragsparteien seien kaufmännisch geführte Unternehmen, bei denen das Schweigen im Geschäftsverkehr regelmäßig als Annahme eines Angebots angesehen werde. Das Schreiben vom 20. August 1974 liege viel zu spät, als daß es das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages noch hätte verhindern können.

bb) Die Erwägungen der Vorinstanz zur Bedeutung des Schweigens im kaufmännischen Geschäftsverkehr treffen nicht zu. Sie sind mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 1, 353, 355; 21, 282, 285), insbesondere auch des erkennenden Senats (BGHZ 61, 282) nicht vereinbar.

Schweigen gilt, auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr grundsätzlich nicht als Zustimmung, sondern als Ablehnung. Nur ausnahmsweise kann es als Zustimmung gewertet werden, nämlich dann, wenn nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs der Erklärungsempfänger eine konkrete Rechtspflicht zu widersprechen, jedenfalls zur Anmeldung von Vorbehalten hat, so daß der Erklärende bei deren Ausbleiben darauf vertrauen darf, sein Geschäftspartner sei mit seiner Offerte einverstanden. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Eine unwirksame Kündigung erzeugt keine Rechtswirkung, kann folglich auch keine Äußerungspflicht des Erklärungsempfängers begründen. Auch auf ein Vertragsangebot braucht der Adressat nicht zu antworten. Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen eines Mietverhältnisses. Es begründet keine besonders enge oder gar personenbezogene Verbindung zwischen den Parteien, so daß sich daraus keine Pflicht zur Beantwortung von Schreiben der Gegenseite herleiten läßt.

Für den Standpunkt der Beklagten spricht allenfalls der Umstand, daß ein sorgfältiger Vertragspartner auch auf die beiden Schreiben vom 10. und 25. April 1974 geantwortet hätte. Dies reicht jedoch zur Begründung einer Rechtspflicht zur Äußerung nicht aus, nachdem die Klägerin auf das Schreiben der Beklagten vom 6. März 1974 in einem für sie negativen Sinne geantwortet hatte.

Bei der Prüfung, ob ein Vertragsangebot stillschweigend angenommen wurde, muß weiterhin die Interessenlage des schweigenden Vertragsgegners beachtet werden. Bringt der angebotene Vertragsschluß für ihn rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile, so ist bei der Wertung des Schweigens als Annahme größte Zurückhaltung geboten, denn gerade dann wird die Bereitschaft zur Annahme besonders gering sein, so daß der Antragende nicht mit einer Annahme rechnen kann, solange sie ihm nicht ausdrücklich erklärt ist. Daß ein Mietaufhebungsvertrag für die Klägerin nachteilig gewesen wäre, ist offensichtlich.

Das Schweigen der Klägerin kann schließlich auch nicht mit Rücksicht auf ihr Verhalten in dem vorangegangenen Prozeß zwischen den Parteien als Zustimmung angesehen werden. Selbst wenn in jenem Rechtsstreit ein Geständnis des Inhalts, daß der Mietvertrag einvernehmlich aufgehoben worden sei, abgegeben worden sein sollte, wäre dies für das vorliegende Verfahren ohne Belang.

c) Auch die Entgegennahme der Schlüssel vermag nicht als konkludentes Verhalten eine Annahmeerklärung der Klägerin zu ersetzen.

Der Entgegennahme der unverlangt zugesandten Schlüssel kann nämlich ein Erklärungsinhalt nicht beigemessen werden. Besteht beim Zugang einer unbegründeten Kündigung für den Vermieter keine Pflicht zur Gegenäußerung, so kann dies auch nicht bei der unaufgeforderten Übersendung der Schlüssel angenommen werden. Dem Vermieter bleibt nämlich nichts anderes übrig, als sie anzunehmen.

Ein Einverständnis mit einer Vertragsaufhebung liegt auch nicht darin, daß die neue Verwalterin am Schluß ihres Schreibens vom 20. August 1974 vorsorglich um Schlüsselrückgabe gebeten hat. Dieses Schreiben läßt nämlich im übrigen klar erkennen, daß die Klägerin das Mietverhältnis als fortbestehend ansah.

d) Daß die Klägerin das Mietobjekt nach Räumung durch die Beklagten Dritten zu Ausstellungszwecken überließ, ihrem Vortrag zufolge unentgeltlich, ist gleichfalls unerheblich. Hierzu war sie nach § 8 Abs. 3 des Mietvertrages berechtigt.

e) Schließlich kann auch der Umstand, daß die Klägerin vor der Weiterüberlassung der Mieträume nicht das Einvernehmen mit der Beklagten herbeigeführt hat, nicht als Zustimmung zu einer Vertragsaufhebung gewertet werden. Nachdem die Beklagte definitiv die weitere Benutzung des Mietobjekts abgelehnt und ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, konnte nicht zweifelhaft sein, daß sie das Mietobjekt nicht mehr nutzen würde, zumal ihr eine Untervermietung ohnehin nicht gestattet war. Daß die Beklagte bemüht gewesen sei, einen Nachfolgemieter zu finden und durch die eigenmächtige Belegung des Mietobjekts hieran möglicherweise gehindert worden sei, trägt sie selbst nicht vor. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts beruhen auf Vermutungen.

4. Somit steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Mietzinszahlung bis zum 31. Oktober 1976 zu.

a) Der Anspruch entfällt dann, wenn sie es arglistig unterlassen hätte, das Ladenlokal vor diesem Termin weiterzuvermieten, etwa indem sie einen akzeptablen, von der Beklagten beigebrachten Nachfolgemieter abgelehnt hätte (vgl. Staudinger/Emmerich, a.a.O. § 552 Rdn. 33). Hierzu ist indessen nichts vorgetragen.

Daß die Klägerin sich selbst nicht um eine vorzeitige Weitervermietung bemüht hat, beeinträchtigt ihren Mietzinsanspruch nicht. Dies ergibt die entsprechende Anwendung des § 552 Abs. 1 BGB, der an sich nur für unfreiwillige Behinderungen des Mieters in der Verwendung gedacht ist. Die Vorschrift ist jedoch auch dann anzuwenden, wenn der Mieter nach Gebrauchsüberlassung freiwillig auf die weitere Nutzung verzichtet. Entscheidend ist, daß er das Verwendungsrisiko trägt (vgl. BGHZ 38, 295, 298; Schmidt-Futterer NJW 1970, 917, 916) Aus dieser Risikoverteilung ergibt sich auch, daß es allein Sache des Mieters ist, seinen Schaden, der ihm durch die Nichtnutzung des Mietobjektes entsteht, dadurch gering zu halten, daß er sich bemüht, dem Vermieter einen Nachfolgemieter zu vermitteln. Dem Vermieter die Verpflichtung aufzuerlegen, sich selbst um die Weitervermietung zu bemühen, würde bedeuten, daß dem vertragsuntreuen Mieter aus seinem vertragswidrigen Verhalten ein Vorteil zuflösse.

b) Auch der Rechtsgedanke des § 254 BGB trifft nicht zu. Die Klägerin macht einen Erfüllungsanspruch geltend, so daß aus diesem Grund schon die Bestimmungen zum Schadensersatzrecht nicht eingreifen können. Im übrigen ist die Risikoverteilung bei Nichtnutzung der Mietsache durch § 552 BGB abschließend geregelt, so daß neben dieser Vorschrift § 254 ZPO nicht eingreifen kann (vgl. Staudinger/Emmerich, a.a.O. § 552 Rdn. 10).

c) Der Anspruch auf Mietzinszahlung entfällt weiterhin dann – zumindest in Höhe des durch die Weiterüberlassung erzielten Entgelts (§ 552 Satz 2 BGB) – wenn, wie die Beklagte behauptet, die Klägerin das Mietobjekt entgeltlich Dritten überlassen, also weitervermietet hat. Zu dieser Frage haben beide Parteien Beweise angeboten, denen das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht nachgegangen ist.

III. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.

In der Sache selbst kann der Senat nicht entscheiden, da noch die von beiden Parteien angebotenen Beweise zu der Frage, ob die Überlassung des Mietobjekts an Dritte entgeltlich erfolgte und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an, zu erheben sind.

IV. Da der endgültige Erfolg oder Mißerfolg der Revision vom Ergebnis der anderweiten Verhandlung und Entscheidung abhängt, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels vorzubehalten.

 

Unterschriften

Braxmaier, Wolf, Merz, Treier, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 542369

NJW 1981, 43

Nachschlagewerk BGH

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge