Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaubnispflichtiges Geschäft. Gesamtumstände. Verfolgte Ziele. Mietwagenunternehmen. Schadensersatzanspruch. Unwirksame Rückabtretung an Inkassobüro. Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

a) Für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Geschäft als Teil einer nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtigen Tätigkeit darstellt, kommt es nicht auf die äußere, formale Gestaltung der Rechtsbeziehung der Beteiligten an, sondern auf die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der von den Beteiligten dabei verfolgten Ziele.

b) Zur Wirksamkeit der auf Veranlassung eines Mietwagenunternehmens erfolgten Abtretung eines Schadensersatzanspruchs an ein zur Rechtsberatung zugelassenes Inkassobüro.

 

Normenkette

RBerG Art. 1; RBerG § 1; BGB § 134

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 18.07.2003; Aktenzeichen 20 S 31/03)

AG Düsseldorf

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des LG Düsseldorf v. 18.7.2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein zur Rechtsberatung zugelassenes Inkassobüro, macht gegen die Beklagte, einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten geltend, die Unfallgeschädigte an sie zur Einziehung auf eigene Rechnung abgetreten haben. Die Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit.

Die unfallgeschädigten Zedenten hatten bei der Q.-Autovermietung jeweils ein Fahrzeug zum so genannten Unfallersatztarif angemietet. Zur Sicherheit hatten sie ihre Ansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten an Q. abgetreten. Q. forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Diese rechnete nach dem (niedrigeren) Normaltarif ab und erstattete deshalb jeweils nur einen Teil der Mietwagenkosten. Daraufhin schlug Q. den Zedenten vor, die Klägerin einzuschalten. Für diesen Fall erklärte sie die Rückabtretung der ihr zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche. Den an die Zedenten gerichteten Schreiben waren jeweils eine vorformulierte Abtretungserklärung zu Gunsten der Klägerin und ein an diese adressierter Freiumschlag beigefügt. Die Zedenten unterschrieben die Erklärung und sandten sie an die Klägerin.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Abtretungen zu Gunsten der Klägerin verstießen gegen das Rechtsberatungsgesetz und seien deshalb unwirksam. Den Unfallersatztarif hält sie für überhöht.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Abtretungen an die Klägerin seien wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG gem. § 134 BGB nichtig. Die Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen sei erlaubnispflichtig. Zwar verfüge die Klägerin über die hiernach erforderliche Erlaubnis, doch stelle sich die im Streitfall gewählte Vertragskonstruktion, deren Bestandteil die Abtretungen an die Klägerin seien, als eine Umgehung des Rechtsberatungsgesetzes dar; sie diene nämlich dazu, der Q.-Autovermietung unter Ausschluss der Geschädigten maßgeblichen Einfluss auf die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche einzuräumen. Über die Abtretung an die Klägerin und deren Beauftragung hinaus sei eine Mitwirkung der Geschädigten nicht mehr beabsichtigt gewesen. Diese hätten die Schadensregulierung aus der Hand gegeben. Wie die Vielzahl der Abtretungen zeige, arbeite die Klägerin ständig mit Q. zusammen. Sie befinde sich in einem Interessenwiderstreit. Da ersichtlich das Interesse von Q. an der Durchsetzung der von ihr verlangten Unfallersatztarife im Vordergrund stehe, sei es nicht gewährleistet, dass die Klägerin allein die Interessen der Geschädigten wahrnehme. Dass die Einschaltung der Klägerin allein den Interessen von Q. diene, ergebe sich auch aus den Anschreiben, mit denen Q. die Geschädigten zur Abtretung ihrer Forderungen an die Klägerin bewogen habe. Q. habe die Geschädigten darin nämlich vor die Wahl gestellt, entweder ihre Ansprüche an die Klägerin abzutreten oder den noch ausstehenden Mietzins zu zahlen und selbst von dem jeweiligen Unfallgegner Ersatz zu verlangen. Hierdurch habe Q. zum Ausdruck gebracht, dass sie sich durch eine Abtretung der Forderung an die Klägerin in gleichem Maße gesichert fühle wie durch eine Zahlung des Mietzinses. Daraus werde deutlich, dass die Klägerin in erster Linie nicht die Interessen der Unfallgeschädigten, sondern diejenigen von Q. wahrnehmen solle. Dafür spreche auch, dass ihre Tätigkeit für die Zedenten mit keinerlei Kosten verbunden sein sollte.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt: BGH v. 18.3.2003 - VI ZR 152/02, BGHReport 2003, 712 = MDR 2003, 958 = VersR 2003, 656) bedarf der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, der es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG, und zwar auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderungen erfüllungshalber abtreten lässt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an die Kunden verrechnet (BGH BGHZ 47, 364 [366]; BGHZ 61, 317 [319]; v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, MDR 1994, 1148 = VersR 1994, 950); die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG kommt ihm nicht zugute (BGH BGHZ 47, 364 [368]; v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, MDR 1994, 1148 = VersR 1994, 950 [952]). Bei der Beurteilung, ob die Abtretung einer solchen Kundenforderung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen, sondern die gesamten diesen zu Grunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, dass Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (BGH BGHZ 61, 317 [320 f.]; v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, MDR 1994, 1148 = VersR 1994, 950 [952]). Deshalb kommt es darauf an, wie sämtliche Teilstücke der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich ineinander greifen, ob sie sich also wirtschaftlich als Teilstücke eines Verfahrens zur Entlastung des Geschädigten von der Schadensabwicklung einschließlich der Besorgung damit verbundener rechtlicher Angelegenheiten darstellen; insb. ist von maßgebender Bedeutung, in welcher Eigenschaft und in welchem Verhältnis zueinander die Beteiligten an der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche mitwirken sollen (BGH BGHZ 61, 317 [321]).

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht im Streitfall einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz in revisionsrechtlich nicht zu beanstandener Weise bejaht. Danach hat die Q.-Autovermietung vornehmlich zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen den Weg gewählt, die Klägerin als Inkassobüro einzuschalten und den Geschädigten auf diese Weise die Geltendmachung ihrer (restlichen) Schadensersatzansprüche abgenommen. Insofern ist unerheblich, dass die Beauftragung der Klägerin nicht von Q., sondern von den Geschädigten vorgenommen wurde und auch die Abtretung der Schadensersatzansprüche an die Klägerin nicht unmittelbar durch Q., sondern über den Weg einer Rückabtretung von Q. an die Geschädigten durch diese selbst erfolgte. Für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Geschäft als Teil einer nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtigen Tätigkeit darstellt, kommt es nicht auf die äußere, formale Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten an, sondern auf die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der von den Beteiligten dabei verfolgten Ziele. So kann die Abtretung der Forderung eines Unfallgeschädigten an ein Inkassounternehmen als Umgehung einer an sich gem. Art. 1 § 1 RBerG erlaubnispflichtigen Tätigkeit gem. § 134 BGB nichtig sein, wenn sie auf Veranlassung eines Mietwagenunternehmers erfolgt und das Vorgehen wirtschaftlich betrachtet die Schadensregulierung durch diesen bezweckt (BGH v. 18.3.2003 - VI ZR 152/02, BGHReport 2003, 712 = MDR 2003, 958 = VersR 2003, 657). Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht im Streitfall unter tatrichterlicher Würdigung seiner vefahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Recht bejaht.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf Grund der von ihm vorzunehmenden Bewertung der Geschäftsabläufe vorliegend die Überzeugung gewonnen hat, dass die Abtretung der Forderungen an die Klägerin dazu diente, der Q.-Autovermietung maßgeblichen Einfluss auf die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu verschaffen. Dafür spricht zum einen, dass die Vorgehensweise von Q. vorgeschlagen und den Unfallgeschädigten durch Zurverfügungstellung dafür geeigneter Unterlagen (vorformulierte Abtretungserklärung sowie ein an die Klägerin adressierter Freiumschlag) nahe gebracht wurde. Zum anderen wurden die Geschädigten in dem Anschreiben vor die Wahl gestellt, entweder den jeweiligen Restbetrag an Q. zu zahlen (und einen etwaigen Ersatzanspruch selbst ggü. dem betreffenden Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer durchzusetzen) oder aber - für sie kostenfrei - die Klägerin zu beauftragen. Diese wahlweise Gestaltung legte es nahe, dass die Geschädigten den für sie bequemeren Weg bevorzugten und sich jeweils für eine Beauftragung der Klägerin entschieden. Auf diese Weise haben sie die Schadensabwicklung, also eine Rechtsbesorgung, um die sie sich eigentlich selbst kümmern müssten, aus der Hand gegeben. Dass dies aus ihrer Sicht (auch) im eigenen Interesse erfolgte, schließt nicht aus, dass dieser Geschäftsablauf bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in erster Linie im Interesse von Q. geschah und der Durchsetzung von deren Interessen diente. So wären etwaige von der Klägerin eingezogene Beträge der Q.-Autovermietung zugute gekommen. Für deren maßgebliches Interesse spricht auch, dass ausweislich ihres Anschreibens die mit der Einschaltung der Klägerin verbundenen Inkassokosten für den Fall, dass die Geltendmachung der jeweiligen Forderung ohne Erfolg bleiben würde, von Q. getragen werden sollten. Hinzu kommt, dass es in der Sache jeweils nur noch um die Geltendmachung der Differenzbeträge zu den von Q. verlangten, von der Beklagten aber als unberechtigt angesehenen höheren Unfallersatztarifen ging. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch diesen Umstand maßgeblich in seine Erwägungen einbezogen hat (vgl. BGH v. 18.3.2003 - VI ZR 152/02, BGHReport 2003, 712 = MDR 2003, 958 = VersR 2003, 657).

Lage des Falles ist hier entgegen der Auffassung der Revision gerade nicht gewährleistet, dass die Klägerin als zugelassenes Inkassounternehmen die Rechtsbelange der Unfallgeschädigten interessenneutral wahrnimmt und diese nicht in überflüssige und kostenträchtige Auseinandersetzungen um einen möglicherweise unangemessen hohen Unfallersatztarif verwickelt (vgl. dazu BGH v. 18.3.2003 - VI ZR 152/02, BGHReport 2003, 712 = MDR 2003, 958 = VersR 2003, 657). Es darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass die Geschädigten für den Fall, dass sich die Geltendmachung ihrer Schadensersatzforderungen durch die Klägerin als erfolglos erweisen sollte, selbst doch noch von der Q.-Autovermietung auf Erfüllung etwaiger restlicher Mietzinsansprüche in Anspruch genommen werden können (vgl. BGH BGHZ 47, 364 [366]). Die Gefahr, der Art. 1 § 1 RBerG vorbeugen will, nämlich dass die Rechtsbelange der Unfallgeschädigten durch den ohne Erlaubnis handelnden Rechtsberater nicht mit der nötigen Sachkunde und Zuverlässigkeit vertreten werden, besteht, weil Q. mit der Einschaltung der Klägerin in erster Linie ihre eigenen Interessen weiterverfolgt, mithin auch im Streitfall. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass es vorliegend im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil v. 18.3.2003 (BGH v. 18.3.2003 - VI ZR 152/02, BGHReport 2003, 712 = MDR 2003, 958 = VersR 2003, 656) zu Grunde lag, an einer "Sicherungsabtretung" des Inkassobüros an die Autovermietung fehlt.

Nach alledem ist es auch bei der gebotenen zurückhaltenden Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes (vgl. BVerfG v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [27]; v. 20.2.2002 - 1 BvR 423/99, VersR 2002, 1123 [1124]; Urt. v. 30.3.2000 - I ZR 289/97, MDR 2000, 1447 = VersR 2001, 80) aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die im Streitfall von der Q.-Autovermietung gewählte formale Vertragskonstruktion als Teil des Versuchs gewertet hat, ihr unter Umgehung der Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes maßgeblichen Einfluss auf die Durchsetzung der Forderungen zu geben. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass § 1 Abs. 1 der 5. AVO RBerG nach einer neueren Entscheidung des BVerwG (BVerwG v. 16.7.2003 - 6 C 27/02, NJW 2003, 2767) nicht mehr anzuwenden ist. Entgegen der Auffassung der Revision geht es im vorliegenden Fall nämlich nicht um den - nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erlaubnispflichtigen - Erwerb von Forderungen, sondern vielmehr um die von einem Dritten (dem Mietwagenunternehmer) veranlasste Abtretung von Kundenforderungen, um diese im vornehmlich eigenen Interesse durch ein dazu eingeschaltetes Inkassounternehmen durchzusetzen. Eben das soll nach Sinn und Zweck des Rechtsberatungsgesetzes verhindert werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1193374

BB 2004, 1705

DStZ 2004, 847

NJW 2004, 2516

BGHR 2004, 1397

DWW 2004, 234

EBE/BGH 2004, 2

WM 2004, 1974

DAR 2004, 642

MDR 2004, 1266

VersR 2004, 1062

WRP 2004, 1170

ZfS 2004, 457

GuT 2004, 187

NJW-Spezial 2004, 256

RÜ 2004, 452

SVR 2004, 457

ZGS 2004, 324

r+s 2005, 177

KammerForum 2004, 316

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