Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer gegen ihn verhängten Maßnahme der Dienstaufsicht durch Rechtspfleger. Dienstgericht für Richter. Unzulässige Disziplinarmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtspfleger ist nicht befugt, eine Maßnahme der Dienstaufsicht nach § 62 Nr. 4e DRiG i.V.m. § 26 Abs. 3 DRiG anzufechten.
Normenkette
DRiG § 6 Abs. 3, § 62 Nr. 4e
Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 16.11.2007; Aktenzeichen 1 DGH 4/06) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.07.2006; Aktenzeichen DG 1/2006) |
Tenor
Die Revision des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Antragsteller, ein Justizamtmann, ist als Rechtspfleger am AG W. tätig. Er wendet sich mit vor dem Dienstgericht für Richter erhobenen Anträgen gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht.
[2] Mit Schreiben vom 1.3.2005 teilte die Direktorin des AG dem Antragsteller unter dem Betreff "Prüfung von Betreuungen, Vormundschaften pp., in denen ein Vermögen von mehr als 200.000 EUR verwaltet wird" mit, sie habe in verschiedenen Verfahren zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Antragsteller die Verfahrensbeteiligten um Zustimmung zur Einsicht durch den Präsidenten des LG D. ersuche. Dieser Zustimmung bedürfe es nicht. Sie forderte den Antragsteller auf, derartige Zustimmungsanfragen an die Verfahrensbeteiligten umgehend zu unterlassen und etwaige zur Prüfung anstehende Betreuungsakten ungeachtet einer nachgefragten, aber nicht erteilten Zustimmung unverzüglich weiterzuleiten.
[3] Mit Disziplinarverfügung vom 24.8.2005 erteilte der Präsident des LG D. in anderem Zusammenhang einen Verweis.
[4] Mit Schriftsatz vom 18.3.2006 hat sich der Antragsteller an das Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf mit den Anträgen gewandt,
gemäß § 26 Abs. 3 DRiG festzustellen, dass
[5] a) die Disziplinarverfügung der Direktorin des AG W. nach Maßgabe des Beamten- und Disziplinarrechts des Landes NRW unvereinbar mit der sachlichen Unabhängigkeit - Art. 97 Abs. 1 GG/§ 9 RPflG - des als nicht hauptamtlich und planmäßig angestellten Einzelrichters im richterlichen Verwendungsamt tätigen Klägers ist, und zwar als eine mit der sachlichen Unabhängigkeit unvereinbare Maßnahme an sich und als unzulässige Disziplinarmaßnahme nach § 26 Abs. 2 DRiG insb.,
[6] b) die unter dem 1.3.2005 auf Aufforderung des Vizepräsidenten des LG D. unter Androhung der Einleitung von disziplinarischen Maßnahmen erlassene dienstliche Anweisung, ab sofort in Betreuungs- und vormundschaftsgerichtlichen Angelegenheiten es zu unterlassen, den Beteiligten nach Maßgabe des Gesetzes und der Verfassung rechtliches Gehör und ein faires Verfahren zu gewähren, unvereinbar mit der sachlichen Unabhängigkeit des Klägers ist.
[7] Das Dienstgericht für Richter hat den Antrag mit Gerichtsbescheid vom 19.7.2006 als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller fehle für einen Antrag nach § 26 Abs. 3 DRiG die Befugnis, denn die Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes gälten nur für Berufsrichter. Zu diesem Personenkreis gehöre der Antragsteller nicht.
[8] Die dagegen gerichtete Berufung des Antragstellers hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem OLG Hamm mit Beschluss vom 16.11.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Dienstgerichtshof auf den Bescheid des Dienstgerichts Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Antragsteller könne durch die angefochtenen Maßnahmen schon deshalb nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt sein, weil ihm diese in seiner Eigenschaft als Rechtspfleger nicht zustehe. Der Gesetzgeber habe zwar deutlich gemacht, dass dem Rechtspfleger eine besondere, der des Richters in gewissem Umfang vergleichbare Rechtsstellung zukomme. Es fehle ihm aber die für die Rechtsstellung des Richters charakteristische persönliche Unabhängigkeit, da er dienstrechtlich auch bei der Wahrnehmung richterlicher Geschäfte Beamter des gehobenen Dienstes bleibe.
[9] Mit der Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, der Rechtspfleger sei in der Gesetzgebung wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung einem sachlich unabhängigen Richter gleichgestellt. Auf ihn fänden alle zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit vom einfachen Gesetzgeber geschaffenen Schutzvorschriften unmittelbar Anwendung.
[10] Der Antragsteller beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden oder die Sache an den Dienstgerichtshof für Richter zurückzuverweisen.
[11] Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Revisionsschrift vom 10.3.2008 Bezug genommen.
[12] Der Antragsgegner beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[13] Wegen seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 22.4.2008 verwiesen.
[14] Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
[15] Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG) ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Prüfungsantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil ihm die Antragsbefugnis fehlt. Ein Rechtspfleger ist nicht befugt, eine Maßnahme der Dienstaufsicht nach § 62 Nr. 4e DRiG, § 37 Nr. 4e LRiG NW i.V.m. § 26 Abs. 3 DRiG anzufechten.
I.
[16] Das Dienstgericht für Richter ist nach Maßgabe des § 62 Nr. 4e DRiG, § 37 Nr. 4e LRiG NW zuständig für Anfechtungen einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG. Der Anfechtung nach § 26 Abs. 3 DRiG liegt die Behauptung eines Richters zugrunde, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige. Die Vorschriften des Gesetzes gelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur für Berufsrichter, § 2 DRiG, vgl. auch § 1 LRiG NW. Berufsrichter im Sinne des Deutschen Richtergesetzes kann nur derjenige sein, der in einem öffentlich-rechtlichen Richterverhältnis auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder kraft Auftrags zum Bund oder zu einem Land steht, § 3 und § 8 DRiG. Berufsrichter werden durch Aushändigung einer Urkunde ernannt, § 17 DRiG. Dazu gehören Rechtspfleger nicht. Das Deutsche Richtergesetz trifft keine Bestimmung, dass Rechtspfleger Maßnahmen der Dienstaufsicht nach § 26 Abs. 3 DRiG anfechten können. Dass Rechtspfleger sachlich unabhängig und nur an das Gesetz gebunden sind, § 9 RPflG, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht die Anwendung des § 26 Abs. 3 DRiG.
[17] Auf die Erwägungen des Antragstellers zur sachlichen Unabhängigkeit des Rechtspflegers (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 15.2.1991 - 2 B 19/91, zitiert nach juris) kommt es, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, für die Zulässigkeit des Antrags vor dem Dienstgericht für Richter nicht an.
[18] Der vom Dienstgericht für Richter angeregten Verweisung an das VG hat sich der Antragsteller widersetzt.
II.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 154 VwGO.
[20] Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 2082669 |
BGHR 2009, 428 |