Leitsatz (amtlich)

›a) Zur Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO.

b) Nimmt ein Geschädigter einen Haftpflichtversicherer im Wege der "Direktklage" nach § 3 Nr. 1 PflVG auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch und wendet dieser ein, er sei gegenüber seinem Versicherungsnehmer leistungsfrei geworden, weil dieser eine Gefahrerhöhung an dem Fahrzeug vorgenommen habe, so trägt der Geschädigte die Beweislast dafür, daß die Gefahrerhöhung auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers keinen Einfluß hatte.

c) Soweit einem Geschädigten, der in der österreichischen gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, von seinem österreichischen Arbeitgeber nach § 2 des österr. Entgeltfortzahlungsgesetzes der Lohn fortgezahlt wird, ist er im Sinne des § 158c Abs. 4 VVG in der Lage, Ersatz seines Schadens von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen, da der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet ist, dem Arbeitgeber das fortgezahlte Entgelt in voller Höhe zu erstatten.‹

 

Verfahrensgang

KG Berlin

LG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein österreichischer Sozialversicherungsträger, macht aufgrund der §§ 332 ff. des österr. ASVG und des § 10 des österr. Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) auf sie übergangene Schadensersatzansprüche des bei ihr versicherten Matthias H. aus einem Verkehrsunfall gegen die Beklagten geltend.

H. befuhr am 1. Dezember 1975 als Fahrer eines Reisebusses, in dem sich eine amerikanische Besuchergruppe befand, die 11,40 m breite und regennasse O.-Straße in Berlin-K. Der mittlere Teil der Fahrbahn war mit Blaubasaltsteinen gepflastert, an den Fahrbahnrändern (3 m auf der von dem Reisebus befahrenen und 2,30 m auf der anderen Fahrbahnseite) befand sich ein Schwarzdeckenstreifen.

Am Straßenrand standen in der Fahrtrichtung des Reisebusses mehrere Pkw, darunter der von dem Erstbeklagten gefahrene und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherte VW-Variant. Dem Reisebus kam ein von dem früheren Viertbeklagten gefahrener und bei der Beklagten zu 5 haftpflichtversicherter LKW mit Anhänger entgegen. Auch für den LKW-Fahrer war die Fahrbahn verengt, weil in seiner Fahrtrichtung an dem für ihn rechten Straßenrand ein Linienbus der B.-Verkehrs-Gesellschaft an einer Haltestelle hielt.

Bevor der LKW den Linienbus erreicht hatte, stieß der Reisebus zunächst gegen den linken hinteren Kastenaufbau des LKW und dann gegen die vordere linke Ecke des Anhängers, wobei dieser vorne links aufgerissen wurde und die Auflage des Kastenaufbaus brach. An dem Reisebus wurde die linke Seite vom Fahrerhaus bis zur Hinterachse aufgerissen. Der Fahrer des Reisebusses erlitt ein schweres Schädel-Hirntrauma. Auch zehn Angehörige der amerikanischen Reisegruppe wurden, zum Teil erheblich verletzt.

Die technische Überprüfung des Lastzuges ergab, daß sowohl die Betriebs- als auch die Hilfsbremsanlage am Motorwagen und am Anhänger völlig unzulänglich wirkten und deshalb der Lastzug im Zeitpunkt des Unfalles nicht verkehrssicher war. Der Viertbeklagte führte den Lastzug, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein.

Die Klägerin hat die Beklagten zu 1 und 3 bis 5 für verpflichtet gehalten, als Gesamtschuldner ihr die ihrem Versicherten erbrachten Aufwendungen zu ersetzen. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten verpflichtet seien, ihr sämtliche in Zukunft noch erwachsenden Aufwendungen zu ersetzen. Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagten zu 4 und 5 stattgegeben und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und der Beklagten zu 5 hat das Kammergericht die Klage gegen die Beklagte zu 5 abgewiesen und der Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 stattgegeben. Mit ihren (zugelassenen) Revisionen erstreben die Klägerin die Verurteilung auch der Beklagten zu 5 und die Beklagten zu 1 und 3 die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteil.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Überzeugung gewonnen, der Erstbeklagten habe die Fahrertür seines am Straßenrand abgestellten VW-Variant kurz vor dem Herannahen des Reisebusses, den er nicht bemerkt habe, geöffnet, sei ausgestiegen und habe, als er den Bus schließlich wahrgenommen habe, die Tür so an sich gezogen, daß er zwischen derselben und dem Wagen gestanden habe. Er hat sich ferner - sachverständig beraten - davon überzeugt, daß der Fahrer des Reisebusses nicht wegen des Türöffnens des Erstbeklagten nach links zur Fahrbahnmitte ausgeschert sei. Er habe vielmehr gesehen, daß es wegen der beiderseits haltenden Fahrzeuge, des im Gegenverkehr herannahenden Lastzuges und der geöffneten Fahrertür des Fahrzeuges des Erstbeklagten für ein ungehindertes Passieren der Fahrzeuge zu eng werden würde und habe deshalb den Bus abgebremst. Wegen des an der Unfallstelle vorhandenen unterschiedlichen Fahrbahnbelages sei der Reisebus in eine schleudernde Drehbewegung gekommen, so daß er nur leicht die Zugmaschine des Lastzuges gestreift und dann mit der linken vorderen Seite gegen den Anhänger gestoßen sei.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Erstbeklagte habe durch das Öffnen der Fahrertür entgegen § 14 Abs. 1 StVO sich schuldhaft nicht so verhalten, daß eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen war. Die Haftung der Beklagten zu 5 entfalle gemäß § 158 c Abs. 4 VVG, § 3 Nr. 6 PflVG, weil sie gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, dem früheren Beklagten zu 4, nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG von der Leistungspflicht befreit sei und für die Klägerin eine anderweitige Ersatzmöglichkeit durch Inanspruchnahme eines anderen Schadensversicherers, nämlich der Drittbeklagten, besteht.

II. Das Berufungsurteil hält zwar den Angriffen der Revision der Klägerin, nicht aber denen der Revision der Beklagten zu 1 und 3 stand.

1. Revision der Beklagten zu 1 und 3

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dieser Beklagten allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht ihre Haftung aus § 7 StVG bejaht.

aa) Der Umstand, daß sich der Reisebus und der am rechten Straßenrand abgestellte Pkw des Erstbeklagten nicht berührt haben, steht, wovon auch die Revision ausgeht, der Haftung aus § 7 StVG nicht entgegen, wenn festgestellt werden kann, daß das Fahrzeug zur Entstehung des Unfalles beigetragen hat (Senatsurteil vom 4. Mai 1976 - VI ZR 193/74 - VersR 1976, 927 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei diese Feststellung getroffen.

Es stellt fest, der bei der Klägerin versicherte Fahrer H. des Reisebusses habe gesehen, daß es wegen des im Gegenverkehr herannahenden Lastzuges und angesichts der geöffneten Fahrertür des Fahrzeuges des Erstbeklagten für ein ungehindertes Passieren der Fahrzeuge "zu eng" werden würde. Deshalb habe er den Bus abgebremst, sei dadurch wegen des unterschiedlichen Fahrbahnbelages leicht ins Schleudern gekommen und so gegen den entgegenkommenden Lastzug geraten.

Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision sind nicht begründet. Der Senat sieht gemäß § 565a ZPO davon ab, dies näher zu begründen.

Mit den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch die weitere Annahme der Revision nicht zu vereinbaren, zu einer Kollision wäre es auch gekommen, wenn der Erstbeklagte die Tür seines Fahrzeuges nicht geöffnet haben würde. Da der 1,64 m breite VW-Variant (BU S. 5) an der Bordsteinkante hielt (BU S. 4) und sich der entgegenkommende Lastzug allenfalls 1 m auf der 5,70 m breiten Fahrbahnhälfte des Reisebusses befand (BU S. 40), hätte der 2,50 m breite Bus (BU S. 5) bei geschlossener PKW-Tür noch Platz gehabt, um ohne Kollision an dem Lastzug vorbeizukommen.

Das Berufungsgericht mußte aufgrund des Beweisergebnisses auch nicht davon ausgehen, wegen einer Schleuderbewegung des Anhängers des entgegenkommenden Lastzuges habe es in jedem Fall zu einer Kollision mit dem Reisebus kommen müssen. Es hat festgestellt, der Anhänger habe nicht geschleudert. Auch die hiergegen gerichteten Rügen der Revision sind nicht begründet. Der Senat sieht auch insoweit gemäß § 565 a ZPO davon ab, dies näher zu begründen.

bb) Den Entlastungsbeweis aus § 7 Abs. 2 StVG haben die Beklagten zu 1 und 3 nicht geführt.

b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht demgegenüber ein Verschulden des Erstbeklagten.

Aus den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen läßt sich ein Schuldvorwurf gegen ihn nicht herleiten.

Der Erstbeklagte hatte zwar sinngemäß § 14 Abs. 1 StVO gesteigerte Sorgfaltspflichten zu erfüllen: Er mußte sich so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Daraus folgte, daß er die linke Wagentür nur öffnen durfte, wenn er sicher sein konnte, daß er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdete. Dabei hatte er grundsätzlich auch auf Fahrzeuge zu achten, die aus der Gegenrichtung kamen (Senatsurteil vom 24. Februar 1981 - VI ZR 297/79 - VersR 1981, 533, 534). Es fehlen aber schon genaue Feststellungen dazu, wann der Erstbeklagte die Tür geöffnet hat und wie weit zu diesem Zeitpunkt der Reisebus und der Lastzug noch von ihm entfernt waren. Aufgrund der Aussage des Zeugen H. stellt das Berufungsgericht nur fest, der Erstbeklagte habe die Fahrertür seines Fahrzeuges "kurz vor dem Herannahen des Reisebusses", den er nicht bemerkt habe, geöffnet und sei ausgestiegen. Erst als den Bus "schließlich" wahrgenommen habe, habe er die Tür an sich herangezogen. Der Revision muß zugegeben werden, daß dieser Formulierungen dafür sprechen können, daß vom Beginn des Türöffnens bis zum Eintritt der kritischen Verkehrslage für den bei der Klägerin versicherten Fahrer H. bereits einige Zeit verstrichen war.

Vor allem fehlt es aber an Feststellungen, aus denen sich ergeben könnte, daß der Erstbeklagte damit rechnen mußte, für den Fahrer des Reisebusses würde die Durchfahrt wegen des entgegenkommenden Lastzuges zu eng werden. Abgesehen davon, daß § 14 Abs. 1 StVO das Öffnen der linken Tür nicht grundsätzlich verbietet (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1981 - aaO. - m.w.N.), könnte gegen den Erstbeklagten kaum ein Schuldvorwurf erhoben werden, wenn er davon ausgehen durfte, der entgegenkommende Lastzug werde hinter dem Linienbus der B.-Verkehrs-Gesellschaft anhalten und dem Reisebus freie Durchfahrt gewähren. Um dies verläßlich beurteilen zu können, sind jedoch nähere Feststellungen über die dem Erstbeklagten erkennbare Fahrweise des Lastzuges (Geschwindigkeit und Beginn des Fahrens zur Mitte der Straße, um an dem Linienbus vorbeifahren zu können) erforderlich.

c) Mit Recht wendet sich die Revision des Erst- und der Drittbeklagten schließlich dagegen, daß das Berufungsgericht eine Mithaftung der Klägerin verneint.

Die Annahme des Berufungsgerichts, dem bei der Klägerin versicherten Fahrer des Reisebusses könne ein Mitverschulden an dem Unfall nicht angelastet werden, beruht, wie die Revision zutreffend rügt, auf nicht nachprüfbaren Erwägungen.

Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß, wie der Sachverständige Prof. A. ausgeführt hat (BU S. 31), der Reisebus noch unmittelbar vor dem Zusammenstoß eine Geschwindigkeit von 45 km/h eingehalten hat und daß die normalerweise bei regennasser Fahrbahn bestehende Schleudergefahr wegen des unterschiedlichen Straßenbelages erhöht war. Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht das Verschulden des Busfahrers H. auch unter dem Gesichtspunkt prüfen müssen, ob die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit den Anforderungen von § 3 StVO entsprach. Der Busfahrer mußte ferner von vornherein einen solchen Abstand von dem PKW des Erstbeklagten einhalten, daß dieser die linke Tür ein wenig öffnen konnte (Senatsurteil vom 24. Februar 1981 - aaO.). Auch mit diesem Gesichtspunkt hat sich das Berufungsgericht bisher nicht auseinandergesetzt.

d) Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil, soweit es zum Nachteil des Erst- und der Drittbeklagten erkannt hat, aufgehoben werden.

2. Zur Revision der Klägerin

a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, daß die Beklagte zu 5 gegenüber dem früheren Viertbeklagten gemäß § 25 Abs. 1 VVG ohne Kündigung leistungsfrei geworden ist.

aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß sowohl die Betriebs- als auch die Hilfsbremsanlage am Lastzug des Viertbeklagten unzulänglich wirkten, so daß das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalles nicht verkehrssicher war. Dies war, wie auch die Revision nicht beanstandet, eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 24 VVG, die die Beklagte zu 5 zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt hätte.

bb) Da der Versicherungsfall erst nach der Gefahrerhöhung eingetreten ist und die Beklagte zu 5 auch erst danach von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat, bedurfte es, wie das Berufungsgericht weiterhin zutreffend ausführt, gemäß § 25 Abs. 1 VVG grundsätzlich keiner Kündigung (BGHZ 4, 369, 376 f.; BGH, Urteile vom 8. März 1962 - II ZR 70/60 - VersR 1962, 368, 370, vom 2. Juli 1964 - II ZR 92/62 - VersR 1964, 841, 842 und vom 28. Juni 1965 - II ZR 31/63 - VersR 1965, 846, 848). Den Ausnahmefall des § 25 Abs. 2 Satz 1 VVG (fehlendes Verschulden des Versicherungsnehmers) hat das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei verneint. Es besteht kein Anhalt für die Annahme der Revision, das Berufungsgericht sei sich möglicherweise nicht bewußt gewesen, daß eine positive Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem mangelhaften Zustand des Kraftfahrzeuges Voraussetzung dafür ist, daß der Versicherer ohne Kündigung leistungsfrei werden kann. Der Revisionserwiderung der Beklagten zu 5 ist vielmehr dahingehend zu folgen, daß die Feststellungen des Berufungsgerichts nur dahin verstanden werden können, der Viertbeklagte habe die Mängel positiv gekannt.

Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß die Beklagte zu 5 dann nicht leistungsfrei geworden wäre, wenn die Gefahrerhöhung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hätte (§ 25 Abs. 3 VVG). Den negativen Beweis dafür muß im Deckungsprozeß der Versicherungsnehmers erbringen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 1965 - II ZR 14/63 - VersR 1965, 430, 431 und vom 26. Oktober 1967 - II ZR 6 /65 -. VersR 1967, 1169, 1171). Bei der Direktklage trägt der Geschädigte diese Beweislast. Denn er kann nach § 3 Nr. 1 PflVG seinen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherer nur "im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag" geltend machen. Durch diese Bezugnahme auf den vertraglichen Deckungsrahmen sollte verhindert werden, daß der selbst nicht schadensersatzpflichtige Versicherer mit einer Leistungspflicht belastet wird, die den Rahmen des versicherungsvertraglich übernommenen Risikos überschreitet (vgl. Deiters, ZVersWiss 1967, 329, 330). Anspruchsvoraussetzung ist damit u. a. auch die Leistungspflicht des Versicherers. Die tatsächlichen Grundlagen für die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen hat aber nach deutschem Recht immer der Kläger zu beweisen.

Nichts anderes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Direktanspruchs. Durch ihn sollte zwar dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ersatzansprüche gegen den Haftpflichtversicherer erleichtert, nicht aber die Haftung des Versicherers gegenüber dem früheren Rechtszustand verschärft werden, nach dem der Geschädigte nur den Freistellungsanspruch des Schädigers gegen dessen Versicherer pfänden und dann als dessen Rechtsnachfolger (vgl. BGHZ 7, 244, 246) gegen diesen vorgehen konnte (vgl. amtl. Begründung zum PflVG 1965, BT-Drucks, IV/2252 vom 16. Mai 1964, S. 17). Als Rechtsnachfolger des Schädigers hatte er aber die gleiche Darlegungs- und Beweislast wie dieser im Deckungsprozeß. Einen entsprechenden Beweis hat die Klägerin jedoch nicht erbracht.

Etwaige Schwierigkeiten für die Klägerin, den Beweis der Nichtursächlichkeit der Gefahrerhöhung für den Unfall zu führen, können nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen, sondern allenfalls zu einer gewissen Erleichterung der Darlegungslast (vgl. BGH, Urt. vom 26. September 1979 - IV ZR 94/78 - VersR 1979, 1120). Dies würde der Klägerin im Streitfalle jedoch nicht weiterhelfen, da sie bezüglich der etwa fehlenden Kausalität überhaupt keine Tatsachen vorgetragen hat.

b) Wie das Berufungsgericht weiterhin zutreffend erkannt hat, bleibt die Leistungspflicht des Versicherers gegenüber Dritten trotz seiner Leistungsfreiheit (gegenüber dem Versicherungsnehmer) gemäß § 3 Nr. 4 PflVG grundsätzlich bestehen. Er haftet nur dann nicht, wenn und soweit der Dritte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen (§ 3 Nr. 6 PflVG i.V. mit § 158 c Abs. 4 VVG). Soweit der Busfahrer daher von seinem Sozialversicherungsträger, der Klägerin, Leistungen beanspruchen kann, steht ihm kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 5 zu. Daraus ergibt sich, daß sich auch die Klägerin nicht im Regreßwege nach § 332 ff. ASVG bei dem leistungsfreien Haftpflichtversicherer erholen kann (vgl. Johannsen in: Bruck/Möller/Sieg, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., Bd. V, Lfg 1 a Anm. B 52).

Dasselbe gilt für die nach § 10 EFZG auf die Klägerin übergangenen Schadensersatzansprüche ihres Versicherten. Es handelt sich hierbei zwar nicht um Sozialversicherungsleistungen, welche die Klägerin unmittelbar dem Fahrer des Reisebusses erbracht hat, sondern um den Betrag, den sie dessen Arbeitgeber nach § 8 EFZG deswegen erstatten mußte, weil dieser während der in § 2 EFZG bestimmten Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Fahrers dessen Lohn fortgezahlt hat. Der verletzte Fahrer war aber auch bei dieser gesetzlichen Konstruktion in der Lage, mittelbar (über seinen Arbeitgeber) von einem Sozialversicherungsträger Ersatz seines Verdienstausfallschadens zu erlangen. Soweit Prölss/Martin (Versicherungsvertragsgesetz, 23. Aufl., § 158 c Anm. 10 c), die Anwendung von § 158 c Abs. 4 VVG in Fällen der Lohnfortzahlung schon damit rechtfertigen wollen, es handele sich dabei trotz der Entstehung des Schadensersatzanspruches in der Person des Arbeitnehmers von vornherein um einen - auf den Sozialversicherungsträger zu verlagernden - Schaden des Arbeitgebers, kann ihnen allerdings nicht gefolgt werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob § 158 c Abs. 4 VVG angewendet werden kann, wenn ein Arbeitgeber nach deutschem Recht gemäß § 4 LFZG des Lohn weiterzahlt (so Denk, VersR 1980, 9, 11; a.A. AG Nürnberg, VersR 1973, 516; Johannsen aaO.) oder wenn und soweit ein Sozialversicherungsträger ihm nach § 10 LFZG Lohnfortzahlungsbeträge erstattet (so Denk, aaO.; Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 16. Aufl., Rdn. 1175; a.A. AG Nürnberg und Johannsen, aaO.). Nach österreichischem Recht haben die Träger der Sozialversicherung dem Arbeitgeber ausnahmslos das gesamte an die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmer fortgezahlte Entgelt zu erstatten (§ 8 Abs. 1 Buchst. a) EFZG). Es handelt sich deshalb wirtschaftlich um eine Leistung des Sozialversicherungsträgers an den Geschädigten als Sozialversicherten, die nur technisch über den Arbeitgeber abgewickelt wird. Vom Sinn und Zweck der in den §§ 158 c Abs. 4 VVG, 3 Nr. 6 PflVG getroffenen Regelung her ist es geboten, diese Vorschriften auch auf ein derartiges Zusammentreffen von Sozialversicherungsträger und Haftpflichtversicherer anzuwenden.

III. Bei dieser Sachlage muß die Revision der Klägerin zurückgewiesen und auf die Revision des Erst- und des Zweitbeklagten das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben werden, als darin zu deren Nachteil erkannt wurde. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da insoweit noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind. Der erkennende Senat hat dem Berufungsgericht gleichzeitig auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993633

BGHR PflVG (1965) § 3 Nr. 1 Leistungspflicht 1

BGHR StVG § 7 Abs. 1 Betrieb 1

BGHR StVO (1970) § 14 Abs. 1 Aussteigen 1

BGHR VVG § 158c Abs. 4 Sozialversicherungsträger 1

DRsp II(229)236e

IPRax 1988, 233

MDR 1987, 224

IPRspr. 1986, 45

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