Leitsatz (amtlich)

›Zur Abgrenzung von Diebstahl und unbefugtem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs.‹

 

Tatbestand

Das Landgericht hat den Angeklagten Hu wegen Diebstahls in acht Fällen je in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten Er wegen Diebstahls in zwei Fällen je in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrügen können unerörtert bleiben, da in beiden Fällen die Sachbeschwerde durchdringt.

Nach den Feststellungen entwendete der Angeklagte Hu in der Zeit vom 20. Dezember 1984 bis 13. März 1985 jedesmal, wenn er wieder Lust zum Fahren verspürte, ein Kraftfahrzeug und fuhr damit auf öffentlichen Straßen, obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war; das geschah in acht Fällen. In zwei Fällen davon handelte er gemeinsam mit dem Angeklagten Er, der jeweils ebenfalls ein Kraftfahrzeug entwendete und damit auf öffentlichen Straßen fuhr, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Die aus Tiefgaragen im Stadtgebiet von München entwendeten Personenkraftwagen wurden "meistens in der Nähe der Tatorte am Straßenrand unversperrt" wieder abgestellt, "so daß sie dem Zugriff Dritter preisgegeben waren, was den Angeklagten bewußt war und sie auch wollten."

Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Diebstahls nicht. Sie lassen vielmehr die Möglichkeit offen, daß lediglich unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248 b StGB) vorlag.

Die Frage, ob die Benutzung eines fremden Kraftfahrzeugs gegen den Willen des Berechtigten als Diebstahl oder als bloße unbefugte Ingebrauchnahme zu beurteilen ist, beantwortet sich danach, ob der Täter über das fremde Fahrzeug selbstherrlich wie ein Eigentümer unter dauerndem Ausschluß des Berechtigten verfügen und zu diesem Zweck von vornherein den fremden Gewahrsam zugunsten des eigenen endgültig brechen will (Diebstahl) oder ob er sich von Beginn an mit der vorübergehenden eigenmächtigen Benutzung des Fahrzeugs und deshalb, soweit erforderlich, mit nur zeitweiliger Brechung des fremden Gewahrsams begnügen, diesen also nach Beendigung des Gebrauchs wiederherstellen will (unbefugte Ingebrauchnahme). Danach unterscheiden sich beide Straftatbestände u.a. durch den für die unbefugte Ingebrauchnahme wesentlichen Willen zur Rückführung des Fahrzeugs in den Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers. Mithin muß, soll lediglich unbefugter Gebrauch vorliegen, der Wille des Täters im Zeitpunkt der Wegnahme dahin gehen, den Berechtigten in eine solche Lage zu versetzen, daß er seine ursprüngliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug ohne besondere Mühe wieder ausüben kann (BGHSt 22, 45, 46; BGH NStZ 1982, 420; ständige Rechtsprechung).

Mit diesen Kriterien setzt sich die Strafkammer im angefochtenen Urteil nicht hinreichend auseinander. Zwar kann die Zueignungsabsicht im Sinne des § 242 StGB daraus hergeleitet werden, daß der Täter das Kraftfahrzeug mit dem Willen wegnimmt, es nach Gebrauch an einer Stelle stehenzulassen, an der es dem Zugriff Dritter preisgegeben ist (RGSt 64, 259, 260; BGHSt 5, 205, 206; 13, 43, 44; vgl. ferner BGH GA 1960, 82/83 sowie BGH VRS 22, 206, 207). Doch handelt es sich hierbei und bei sonstigen Umständen, wie sie die Rechtsprechung hervorgehoben hat, lediglich um Beweisanzeichen, die im Einzelfall eine umfassende Prüfung der inneren Tatseite nicht entbehrlich machen (BGHSt 22, 45, 46/47; BGH VRS 51, 210/21l; vgl. auch BGH NStZ 1981, 63).

Im vorliegenden Fall bestand dazu um so mehr Anlaß, als der Angeklagte Hu die Fahrzeuge jeweils aus Fahrleidenschaft entwendete und sie meistens in der Nähe der Entwendungsorte wieder abstellte, wo sie dann von den Geschädigten selbst oder der Polizei aufgefunden wurden. Gerade bei Wegnahme eines Kraftfahrzeugs für eine Spazierfahrt ist aber nicht ohne weiteres auszuschließen, daß der Täter es nur unbefugt in Gebrauch nehmen will (BGH, Urt. vom 12. Juni 1985 - 3 StR 71/85; vgl. Schaff stein GA 1964, 97 ff.).

Bei dem Angeklagten Er, der in beiden Fällen das entwendete Fahrzeug so lange fuhr, bis er durch die Polizei gestellt wurde, liegt die Annahme eines Rückführungswillens nach den

Feststellungen zwar ferner. Da das Landgericht diesem Gesichtspunkt bisher jedoch keine Bedeutung beigemessen hat, kann der Senat nicht ausschließen, daß es bei Anlegung des richtigen Maßstabs zu anderen Ergebnissen gelangt wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992864

NJW 1987, 266

DRsp III(329)89a

JR 1987, 342

NStZ 1987, 71

EzSt StGB § 242 Nr. 4

JZ 1986, 1123

MDR 1987, 68

NStE StGB § 248b Nr. 2

StV 1987, 66

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