Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Verbrauchers nach Widerruf seiner auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.

Mittels der Wendung:

"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen - ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung, - die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses." unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehens, das nicht aufgrund eines im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrags gewährt wird, unzureichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 495 Abs. 1, § 355 Fassung: 2002-07-23

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 01.12.2015; Aktenzeichen 6 U 107/15)

LG Stuttgart (Entscheidung vom 12.05.2015; Aktenzeichen 25 O 221/14)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 1.12.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Beklagten aus dem im April 2008 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. 54 über nominal 190.000 EUR sowie den im Juli 2008 geschlossenen Darlehensverträgen Nr. 89 über nominal 44.000 EUR und Nr. 36 über nominal 120.000 EUR ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 11.9.2014 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs dreier Darlehensverträge.

Rz. 2

Sie schlossen - der Kläger als Verbraucher - im April 2008 einen Darlehensvertrag über 190.000 EUR und im Juli 2008 zwei weitere Darlehensverträge über 44.000 EUR und 120.000 EUR. Dabei belehrte die Beklagte den Kläger dreimal gleichlautend über sein Widerrufsrecht wie folgt:

Rz. 3

Der Kläger erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Mit Schreiben vom 11.9.2014 widerrief er seine auf Abschluss der drei Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Rz. 4

Der Kläger hat zunächst eine Klage des Inhalts anhängig gemacht festzustellen, dass die näher bezeichneten Darlehensverträge "wirksam widerrufen" worden seien "und der Kläger der Beklagten nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen und Kosten" schulde. Noch vor Zustellung hat das LG den Kläger darauf hingewiesen, die Klärung einer Vorfrage - die wirksame Ausübung des Widerrufs - könne nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Es hat den Kläger dazu aufgefordert, den "Leistungsantrag zu beziffern". Daraufhin hat der Kläger seinen Antrag dahin umgestellt festzustellen, dass der Beklagten bis zum 11.9.2014 keine höhere Forderung als die nach seinen Berechnungen noch nicht getilgte restliche Darlehensvaluta zustehe. Schließlich hat er, nachdem er auf einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungsersatz verzichtet hat, in erster Instanz beantragt festzustellen, dass der Beklagten aus den drei näher bezeichneten Darlehensverträgen nur noch die bis zur mündlichen Verhandlung verbleibende Nettodarlehenssumme i.H.v. insgesamt 278.886,38 EUR zustehe. Diesem Antrag hat das LG entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach einer von ihm so bewerteten Teilrücknahme der Klage mit der Maßgabe zurückgewiesen, es werde festgestellt, dass der Beklagten aus den näher bezeichneten Darlehensverträgen "bis zum 11.9.2014 keine höhere Forderung als 282.105,22 EUR" zustehe. Über in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Hilfsanträge des Klägers u.a. darauf festzustellen, dass "die Darlehen" durch die Widerrufserklärung vom 11.9.2014 "aufgelöst" seien "und die Beklagte hieraus keine Leistungen mehr verlangen" könne, hatte das Berufungsgericht nicht mehr zu entscheiden. Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Die Feststellungsklage sei zulässig. Sie sei auch in der Sache gerechtfertigt. Der Kläger habe noch im September 2014 wirksam widerrufen können. Die Beklagte habe den Kläger nicht hinreichend deutlich über die Voraussetzungen seines Widerrufsrechts aufgeklärt. Die Belehrung über die Länge der Widerrufsfrist sei zweideutig. Überdies habe die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die konkreten Umstände des Vertragsschlusses seien für die Bewertung der Widerrufsbelehrung unmaßgeblich. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen. Die Ausübung des Widerrufsrechts habe nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.

II.

Rz. 8

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 9

1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, die negative Feststellungsklage sei zulässig. Der Antrag des Klägers ist dahin auszulegen, er begehre die Feststellung, die Beklagte habe aufgrund des Widerrufs keinen Anspruch mehr auf Leistung des Vertragszinses und die vertragsgemäße Tilgung. Dafür besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers.

Rz. 10

a) Der Feststellungsantrag ist im konkreten Fall dahin auszulegen, der Kläger leugne Ansprüche der Beklagten nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses.

Rz. 11

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rz. 45). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 1.8.2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rz. 30; v. 2.2.2017 - VII ZR 261/14, juris Rz. 17).

Rz. 12

bb) Der Kläger hat die nach seinen Berechnungen verbliebene Darlehensvaluta beziffert, sie der Beklagten im Ganzen sofort zugestanden und zugleich zum Ausdruck gebracht, mehr als die Darlehensvaluta außerhalb der vertraglichen Absprachen über deren Fälligkeit nicht zahlen zu wollen. Damit hat er im Umkehrschluss deutlich gemacht, dass er der Beklagten ab dem Wirksamwerden des Widerrufs die Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB abspreche. Mit seinem so verstandenen Begehren im Einklang hat er sowohl mit der Klageschrift in ihrer ursprünglichen Fassung ("und der Kläger der Beklagten nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen und Kosten" schuldet) als auch mit dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag (dass "die Darlehen" durch die Widerrufserklärung vom 11.9.2014 "aufgelöst" seien "und die Beklagte hieraus keine Leistungen mehr verlangen" könne) zum Ausdruck gebracht, es gehe ihm um die Feststellung, ab dem Widerruf nicht mehr zur Zahlung des Vertragszinses und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß den Vertragsregelungen über deren Fälligkeit verpflichtet zu sein. Wenn auch die Vorinstanzen über Anträge in dieser Form nicht zu entscheiden hatten, geben sie hier doch zusätzlich Aufschluss über das vom Kläger tatsächlich Gewollte.

Rz. 13

Die Auslegung des Klageantrags in diesem Sinne ist auch nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig und entspricht der wohlverstandenen Interessenlage. Wäre der Antrag des Klägers dagegen dahin zu verstehen, er leugne nicht Ansprüche der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern einen über die zuletzt eingeführte Summe von 282.105,22 EUR hinausgehenden Anspruch der Beklagten aus den nach Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnissen gem. § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) i.V.m. §§ 346 ff. BGB, fehlte das erforderliche Feststellungsinteresse. Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungsinteresse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmen") der vom Kläger verneinten Rechtslage (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2010 - VIII ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rz. 19; v. 12.7.2011 - VI ZR 214/10, NJW 2011, 3657 Rz. 11 m.w.N.). Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines Rückgewährschuldverhältnisses bestreitet, berühmt sie sich keines Anspruchs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB.

Rz. 14

b) Für die vom Kläger gestellte Feststellungsklage fehlt das Feststellungsinteresse hingegen nicht.

Rz. 15

Wie oben ausgeführt, ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in der Regel gegeben, wenn der Beklagte sich eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte behauptet, bereits jetzt eine durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kläger zu besitzen. Die Rechtsstellung des Klägers ist schutzwürdig betroffen, wenn der Beklagte geltend macht, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Kläger ergeben. § 256 ZPO ermöglicht sogar die Feststellung eines betagten oder bedingten Rechtsverhältnisses (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - IX ZR 38/91, WM 1992, 276, 277 m.w.N.). Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs bestreitet, zielt ihre Bestandsbehauptung auf das Fortbestehen vertraglicher Erfüllungsansprüche gegen den Kläger aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Rz. 16

c) Der Kläger muss sich auch nicht vorrangig darauf verweisen lassen, gegen die Beklagte im Wege der Leistungsklage nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB vorzugehen. Insoweit liegt der hier zu entscheidende Fall anders als die Fälle, in denen der Klageantrag auf die positive Feststellung gerichtet ist, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs der auf seinen Abschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, juris Rz. 13 ff.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 19). Der Vorrang der Leistungsklage gilt unter den vom Senat näher ausgeführten Umständen für das Begehren auf positive Feststellung, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, das sich wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen deckt (Senat, Urt. v. 21.2.2017, a.a.O., Rz. 21) und ohne entsprechenden Zusatz nicht als negative Feststellungsklage im Sinne der vom Kläger hier erhobenen ausgelegt werden kann. Das hier zur Entscheidung gestellte Begehren festzustellen, dass die Beklagte gegen den Kläger aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB hat, lässt sich dagegen mit einer Klage auf Leistung aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. §§ 346 ff. BGB nicht abbilden.

Rz. 17

d) Weil das Begehren des Klägers sowohl in erster als auch in zweiter Instanz durchgängig dahin auszulegen ist, er leugne Ansprüche der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Wirksamwerden des Widerrufs, kommt es nicht darauf an, dass der Kläger den Antrag in seiner vom Berufungsgericht in die Entscheidungsformel des Berufungsurteils übernommenen Form nach Ablauf der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO formuliert hat.

Rz. 18

2. Außerdem im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass bei Ausübung des Widerrufsrechts am 11.9.2014 die Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 22 Abs. 2, 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1.8.2002 und dem 10.6.2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) noch nicht abgelaufen war, weil die Beklagte den Kläger nicht hinreichend deutlich über die Voraussetzungen des ihm zukommenden Widerrufsrechts belehrt hatte.

Rz. 19

a) Zwar genügten, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils klargestellt hat, entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts die Angaben der Beklagten zur Länge der Widerrufsfrist den Vorgaben des inhaltlichen Deutlichkeitsgebots (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 23).

Rz. 20

b) Die Angaben zu den Voraussetzungen für den Fristbeginn waren aber, was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht hinreichend deutlich.

Rz. 21

aa) Die Beklagte belehrte den Kläger, wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat, mittels der Wendung "die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags" unklar über die Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. (BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 13 m.w.N.).

Rz. 22

bb) Diese Unklarheit räumte die Beklagte nicht durch den Zusatz "aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses" hinter den Worten "zur Verfügung gestellt wurden" aus.

Rz. 23

Zwar ist dieser Zusatz hinreichend deutlich, soweit der Gesetzgeber selbst gem. § 312d Abs. 2 BGB in der für im Fernabsatz geschlossene Verbraucherdarlehensverträge bis zum 10.6.2010 relevanten Fassung (künftig: a.F.) an den "Tage des Vertragsschlusses" angeknüpft hat und sich die Widerrufsfrist nach dieser Vorschrift richtet (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 26; v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, juris Rz. 47). Insoweit gilt, dass sich der Unternehmer bei der Gestaltung einer Widerrufsbelehrung am Wortlaut des Gesetzes orientieren darf und nicht genauer formulieren muss als der Gesetzgeber selbst (BGH, Urt. v. 22.11.2016 - XI ZR 434/15, WM 2017, 427 Rz. 17, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 14; BGH v. 27.9.2016 - XI ZR 309/15, WM 2016, 2215 Rz. 8).

Rz. 24

Außerhalb des - hier nicht eröffneten - Anwendungsbereichs des § 312d Abs. 2 BGB a.F. kann mit dieser Wendung indessen nicht der von der Beklagten im vorangegangenen Halbsatz gemachte Belehrungsfehler ("der schriftliche Vertragsantrag") ausgeglichen werden. Das wäre außerhalb des Anwendungsbereichs des § 312d Abs. 2 BGB a.F. nur der Fall, wenn die Beklagte durch den Zusatz - wie zu ihren Lasten zulässig (BGH, Urt. v. 22.11.2016 - XI ZR 434/15, WM 2017, 427 Rz. 29 ff. m.w.N.) - den Beginn der Widerrufsfrist für den Darlehensnehmer klar bestimmbar auf einen Tag hinausgeschoben hätte, an dem die Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. erfüllt waren. Daran fehlt es. Der Tag des Vertragsschlusses musste nicht notwendig mit dem Zugang der Annahme des Vertragsantrags durch den Darlehensgeber beim Darlehensnehmer zusammenfallen. Je nach der Reihenfolge der Vertragserklärungen der Parteien konnte der Vertrag auch (erst) am Tag des Zugangs der Annahmeerklärung des Darlehensnehmers beim Darlehensgeber zustande kommen. Wann dies der Fall war, entzog sich in dieser Konstellation der Kenntnis des Darlehensnehmers, der über interne Abläufe bei dem Darlehensgeber nicht informiert war (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rz. 14) und deshalb den für das Anlaufen der Widerrufsfrist maßgeblichen Zeitpunkt nicht sicher bestimmen konnte.

Rz. 25

cc) Der durch objektive Auslegung ermittelte Belehrungsfehler konnte, was das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht durch die konkreten, aber nicht in Textform dokumentierten Umstände der Erteilung der Widerrufsbelehrung ausgeräumt werden (BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 16 ff.).

Rz. 26

c) Schließlich hat das Berufungsgericht richtig erkannt, die Beklagte sei so erheblich sowohl von dem Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 1.4.2008 und dem 3.8.2009 geltenden Fassung als auch von dem bis zum 30.9.2008 gem. § 16 BGB-InfoV noch verwendungsfähigen Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der zwischen dem 8.12.2004 und dem 31.3.2008 geltenden Fassung abgewichen, dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung - ggf. i.V.m. § 16 BGB-InfoV - nicht berufen könne (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 22 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

Rz. 27

3. Auch mit der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rz. 39 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, und - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rz. 34 ff. sowie v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rz. 30) in Einklang stehen schließlich die Überlegungen, die das Berufungsgericht dazu veranlasst haben, den Widerruf des Klägers nicht an § 242 BGB scheitern zu lassen. Insbesondere hat das Berufungsgericht erkannt, dass bei der Entscheidung darüber, ob das Widerrufsrecht des Klägers verwirkt sei, die besonderen Umstände des Falles tatrichterlich zu würdigen seien. Erhebliche, vom Berufungsgericht übersehene Umstände trägt die Revision nicht vor. Die Ausführungen des Berufungsgerichts beruhen auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, berücksichtigen alle erheblichen Gesichtspunkte, verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und gehen nicht von einem falschen Wertungsmaßstab aus (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15, a.a.O., Rz. 18 sowie - XI ZR 564/15, a.a.O., Rz. 43; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 27).

III.

Rz. 28

Um das durch Auslegung ermittelte und in der Sache gerechtfertigte Begehren des Klägers deutlich zu machen, stellt der Senat den Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts klar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10899320

BB 2017, 1154

BB 2017, 1473

DStR 2017, 15

NJW 2017, 2340

NJW 2017, 9

EWiR 2017, 549

NZG 2017, 6

WM 2017, 1258

WuB 2017, 540

ZIP 2017, 1264

ZIP 2017, 40

JZ 2017, 513

JZ 2017, 514

MDR 2017, 16

MDR 2017, 887

VuR 2017, 315

BKR 2017, 412

ZBB 2017, 259

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