Leitsatz (amtlich)

Der Darlehensnehmer, dem nach Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung als Rückgewährgläubiger die widerlegliche Vermutung zugutekommt, die Bank als Rückgewährschuldner habe aus Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen, hat daneben aus § 242 BGB keinen Anspruch auf Auskunft über die von der Bank konkret gezogenen Nutzungen (Bestätigung von BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 24).

 

Normenkette

BGB § 495 Abs. 1, § 357 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2001-11-26, § 346 Abs. 1, § 242

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 01.08.2016; Aktenzeichen 14 U 1780/15)

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 04.08.2015; Aktenzeichen 10 O 9199/14)

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 1.8.2016 wird, soweit die Kläger die Zurückweisung der Berufung betreffend den in dem Teil-Endurteil der 10. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth vom 4.8.2015 vorbehaltenen Teil angegriffen haben, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen wird.

Die Revision der Kläger gegen das vorbezeichnete Urteil wird weiter zurückgewiesen, soweit die Berufung der Kläger betreffend die in dem Teil-Endurteil der 10. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth vom 4.8.2015 abgewiesenen Anträge auf Auskunft und Versicherung an Eides Statt zu den Darlehensverträgen mit den Nr. 047, 057 und 067 zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 1.8.2016 auf die Revision der Kläger - soweit vorstehend nicht zurückgewiesen - und auf die Revision der Beklagten aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Endurteil der 10. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth vom 4.8.2015 teilweise abgeändert. Die Klage betreffend den Darlehensvertrag mit der Nr. 077 wird abgewiesen.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss verschiedener Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Rz. 2

Die Parteien schlossen am 3.4.2003 einen Darlehensvertrag über 39.000 EUR mit der Anfangsnummer 027 - zu einem zunächst bis zum 30.3.2013 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 4,5 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 4,594 %. Anlässlich des Abschlusses dieses Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht.

Rz. 3

Am 30.1.2007 schlossen die Parteien zwei weitere Darlehensverträge über jeweils 50.000 EUR, zum einen zu der Anfangsnummer 047 - zu einem bis zum 30.1.2017 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 4,25 % p.a. und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 4,33 %, zum anderen zu der Anfangsnummer 057 - zu einem bis zum 30.8.2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 4,3 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 4,39 %. Die Parteien erklärten Angebot und Annahme zeitgleich in einer Filiale der Beklagten. Die Beklagte belehrte die Kläger zum einen und zum anderen über ihr Widerrufsrecht wie folgt, wobei sie die Widerrufsbelehrungen bei Vertragsschluss den Klägern mit den Vertragserklärungen aushändigte:

Rz. 4

Die Parteien schlossen außerdem am 12.5.2008 zu der Anfangsnummer 067 - einen Darlehensvertrag über 40.000 EUR zu einem bis zum 30.4.2011 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 5,05 % p.a. und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 5,17 %. Die Parteien erklärten Angebot und Annahme zeitgleich in einer Filiale der Beklagten. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt, wobei sie die Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss den Klägern mit den Vertragserklärungen aushändigte:

Rz. 5

Schließlich schlossen die Parteien am 18.11.2010 zu der Anfangsnummer 077 - einen Darlehensvertrag über 90.000 EUR mit einem bis zum 30.5.2024 festgeschriebenen Nominalzinssatz von 3,6 % p.a. und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 3,66 %. In den Darlehensvertrag war unter Nr. 11 folgende Widerrufsinformation eingefügt:

Rz. 6

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 22.7.2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss aller fünf Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und forderten die Beklagte auf, ihnen "die Beträge zur Ablösung der Darlehen" bis zum 31.7.2014 mitzuteilen. Weiter verlangten sie, die Beklagte solle bis zum 31.7.2014 ihre Bereitschaft erklären, "die für die Kredite gestellten Sicherheiten Zug um Zug gegen Zahlung der Beträge aufzugeben" oder nach Weisung der Kläger zu übertragen. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 24.7.2014 zurück. Mit Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 1.9.2014 bekräftigten die Kläger den Widerruf und boten "die Rückzahlung der Darlehen im Hinblick auf die durch den Widerruf erforderliche Rückabwicklung an". Die Beklagte wies den Widerruf neuerlich zurück.

Rz. 7

Die Kläger haben Klage erhoben mit dem Ziel festzustellen, "dass die Darlehensverträge [...] durch die Widerrufserklärung" mit Schreiben vom 22.7.2014 "gegenstandslos geworden" seien, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, Auskunft über die Höhe der Nutzungen zu erteilen, die die Beklagte aus den auf die fünf Darlehensverträge von den Klägern geleisteten Zins- und Tilgungsraten gezogen habe, die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt zu versichern und die so ermittelten Nutzungen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz herauszugeben, sowie die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu erstatten. Das LG, das den Feststellungsantrag als Zwischenfeststellungsklage behandelt hat, hat der Klage durch "Teil-Endurteil" insoweit entsprochen, als es festgestellt hat, die Darlehensverträge mit der Anfangsnummer 027 - und mit der Anfangsnummer 077 - hätten sich durch den Widerruf der Kläger vom 22.7.2014 "in ein Rückgewährschuldverhältnis" umgewandelt, und die Beklagte betreffend diese beiden Darlehensverträge zur Auskunft über die Höhe der von ihr aus Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen verurteilt hat. Im Übrigen hat es betreffend diese Darlehensverträge die Entscheidung über die zweite und dritte Stufe und über die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten vorbehalten. Die die Darlehensverträge mit den Anfangsnummern 047-, 057 - und 067 - betreffende Klage hat es insgesamt abgewiesen. Die dagegen gerichteten Berufungen beider Parteien, mit der die Kläger ihre Anträge erster Instanz - soweit nicht zuerkannt und auch, soweit das LG eine Entscheidung vorbehalten hat - weiterverfolgt haben und die Beklagte ihre Verurteilung betreffend den Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 077-, nicht aber ihre Verurteilung betreffend den Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 027 - mit dem Ziel einer vollständigen Abweisung der Klage angegriffen hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Parteien eine Entscheidung gemäß ihren Schlussanträgen in zweiter Instanz.

 

Entscheidungsgründe

A. Revision der Beklagten

Rz. 8

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Rz. 9

Das Berufungsgericht (OLG Nürnberg, Urt. v. 1.8.2016 - 14 U 1780/15, juris) hat - soweit für die Revision der Beklagten relevant - ausgeführt:

Rz. 10

Die Feststellungsklage betreffend den Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 077 - sei zulässig. Die Kläger verfügten über das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Den Klägern sei eine Leistungsklage nicht zumutbar. Die aus einem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche der Beklagten überstiegen die der Kläger. Da der Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in dieser Konstellation nach einer zu erwartenden Aufrechnung des Darlehensgebers wirtschaftlich regelmäßig zu einem um die Ansprüche des Darlehensnehmers verringerten Zahlungsanspruch der Bank führe, könne dem Darlehensnehmer nicht zugemutet werden, die Last der weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht gänzlich unproblematischen Berechnung eigener Ansprüche zu übernehmen und einen Rechtsstreit zu beginnen, an dessen Ende mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht die beantragte Verurteilung der Bank zu einer Leistung stehe.

Rz. 11

Der Widerruf sei auch rechtzeitig erklärt worden, da die Beklagte die Kläger bei Vertragsschluss nicht zutreffend über das ihnen zukommende Widerrufsrecht informiert habe. Die dem Verbraucher mitgeteilte Information, die Frist beginne nach Abschluss des Vertrags, aber erst nach Erhalt aller "Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB", ermögliche es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand zu ermitteln. Denn ihm werde - von den beispielhaft genannten drei Pflichtangaben abgesehen - nicht aufgezeigt, wie viele und welche Pflichtangaben auf seinen konkreten Vertrag bezogen existierten und welche weiteren Pflichtangaben er ggf. noch erhalten müsse. Damit sei nicht klar, wann die Widerrufsfrist beginne. Da die Widerrufsinformation nicht hervorgehoben und deutlich gestaltet sei, könne sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge berufen. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben stehe ihnen ein Anspruch auf Auskunft über die Höhe der von der Beklagten aus Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen zu.

II.

Rz. 12

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 13

1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen.

Rz. 14

a) Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 077 - habe sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (BGH, Urt. v. 24.1.2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 11 ff.; v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 13 ff.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 19; v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 16; v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 16 f.), das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24.1.2017 (a.a.O., Rz. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt.

Rz. 15

b) Die mangels Feststellungsinteresses unzulässige Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO kann nicht in eine zulässige Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO umgedeutet werden.

Rz. 16

Allerdings ist die Umdeutung einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO in eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO grundsätzlich möglich (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1990 - VIII ZR 165/89, WM 1990, 2128, 2131; Beschl. v. 11.10.2012 - IX ZR 130/10, juris Rz. 2).

Rz. 17

Eine Umdeutung widerstreitet aber den Grundsätzen, die der Senat für das prozessuale Verfahren nach Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen aufgestellt hat. In den Fällen, in denen - wie hier - nicht gesichert ist, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt, verneint der Senat für Feststellungsklagen nach § 256 Abs. 1 ZPO wie der von den Klägern anhängig gemachten das Feststellungsinteresse und verweist die Kläger auf die Leistungsklage. Nur so wird das Ziel erreicht, im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den wesentlichen Streitstoff in einem Prozess zu klären. Wäre die Umdeutung einer mangels Feststellungsinteresses unzulässigen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO in eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden zulässig, könnten die Anforderungen, die der Senat im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit an die Begründung des Feststellungsinteresses gestellt hat (BGH, Urt. v. 24.1.2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rz. 11 ff.; v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 13 ff.; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 19; v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 16; v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 16 f.), durch eine Kombination einer (für sich unzulässigen) Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO mit einer Leistungsklage auf Herausgabe gezogener Nutzungen umgangen werden. Mittels der betragsmäßigen Auseinandersetzung über die Nebenforderung könnte so eine Prozesslage geschaffen werden, bei der - entgegen dem Zweck des § 256 Abs. 1 ZPO - der Streit über Bestehen und Umfang der Hauptforderung auf zwei Prozesse aufgespalten würde.

Rz. 18

2. Rechtsfehlerhaft ist überdies die Annahme des Berufungsgerichts, der Darlehensvertrag habe die nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der zwischen dem 30.7.2010 und dem 3.8.2011 geltenden Fassung erforderlichen Angaben zum Widerrufsrecht nicht enthalten, so dass die vierzehntägige Widerrufsfrist nicht angelaufen sei.

Rz. 19

Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, ist die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB [...] erhalten hat", klar und verständlich. Die Information zum Beginn der Widerrufsfrist leidet in ihrer Klarheit und Verständlichkeit nicht aufgrund des Umstands, dass die Beklagte den Regelungsgehalt des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen erläutert hat (BGH, Urt. v. 22.11.2016 - XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52 Rz. 16 ff.). Desgleichen genügen die weiteren Angaben der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 23).

Rz. 20

Einer besonderen Hervorhebung der klaren und verständlichen Widerrufsinformation bedurfte es, da die Beklagte die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge - hier: gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der zwischen dem 30.7.2010 und dem 3.8.2011 geltenden Fassung - nicht für sich in Anspruch nimmt, nicht (BGH, Urt. v. 23.2.2016 - XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 Rz. 24 ff. und - XI ZR 549/14, juris Rz. 21 ff.).

Rz. 21

Dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei, weil die Beklagte tatsächlich nicht alle Pflichtangaben erteilt habe, haben die Kläger in den Vorinstanzen nicht vorgetragen. Soweit die Revisionserwiderung in den Raum stellt, den Klägern seien möglicherweise nicht alle Pflichtangaben erteilt worden, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 ZPO in der Revisionsinstanz unzulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2011 - XI ZR 326/08, WM 2011, 397 Rz. 15; v. 30.10.2012 - XI ZR 324/11, WM 2012, 2322 Rz. 16).

Rz. 22

3. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung überdies nicht stand hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kläger könnten die Beklagte auf Auskunft über die von der Beklagten aus Zins- und Tilgungsleistungen mutmaßlich gezogenen Nutzungen in Anspruch nehmen.

Rz. 23

Der Darlehensnehmer, der vom Darlehensgeber nach Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung gem. § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Herausgabe der auf Zins- und Tilgungsleistungen mutmaßlich gezogenen Nutzungen verlangt, hat nach allgemeinen Grundsätzen die Nutzungsziehung als solche und die Höhe der erzielten Nutzungen darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1991 - V ZR 160/90, WM 1992, 442, 443; Baumgärtel/Eyinck, Beweislast, 3. Aufl., § 346 BGB Rz. 5). Da zur Nutzung der konkret überlassenen Mittel vorzutragen ist (BGH, Urt. v. 25.4.2017 - XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rz. 18), der Darlehensnehmer indessen keinen Einblick in die Betriebsabläufe des Darlehensgebers hat, befindet er sich insoweit in Beweisschwierigkeiten.

Rz. 24

Das rechtfertigt einen Anspruch des Darlehensnehmers auf Auskunft indessen nicht. Mit einem Auskunftsanspruch mit dem Ziel der Ausforschung des Beweisgegners dürfen nicht die allgemeinen Beweisgrundsätze unterlaufen werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1989 - VI ZR 63/89, WM 1990, 445, 446). Das gilt umso mehr, als Beweisschwierigkeiten auch durch Beweiserleichterungen in Gestalt widerleglicher Vermutungen gemildert werden können (vgl. etwa zu § 252 Satz 2 BGB Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 252 Rz. 4 ff.), was im Verhältnis von Darlehensnehmer und Darlehensgeber der Fall ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats wird zugunsten des Darlehensnehmers (widerleglich) vermutet, die Bank als Darlehensgeber habe Nutzungen auf vom Darlehensnehmer vereinnahmte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe der von ihr spiegelbildlich beanspruchbaren Verzugszinsen gezogen (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rz. 58; v. 25.4.2017 - XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rz. 15). § 242 BGB erfordert es nicht, dem Darlehensnehmer neben dieser, dem gesetzlichen Leitbild entlehnten und im Allgemeinen auskömmlichen Vermutung auch noch einen Auskunftsanspruch zuzugestehen.

Rz. 25

Im Übrigen hat der Senat die Widerleglichkeit der Vermutung, die Bank als Darlehensgeberin habe Nutzungen in Höhe eines von ihr zu beanspruchenden Verzugszinses gezogen, an § 497 Abs. 1 BGB (ursprünglich: § 11 Abs. 1 VerbrKrG) angeknüpft. Auch im Falle des § 497 Abs. 1 BGB steht dem Darlehensnehmer, der den konkreten Nachweis eines niedrigeren Schadens erbringen will, ein Anspruch auf Auskunft gegen den Darlehensgeber nicht zu (vgl. Schürnbrand in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 497 Rz. 17; Soergel/Seifert, BGB, 13. Aufl., § 497 Rz. 19; zu § 11 VerbrKrG vgl. noch MünchKomm/BGB/Habersack, 3. Aufl., § 11 VerbrKrG Rz. 21).

III.

Rz. 26

Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten den Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 077 - betreffend zurückgewiesen hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO).

Rz. 27

Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Senat kann selbst auf die Unbegründetheit des Feststellungsbegehrens erkennen. Denn das Feststellungsinteresse, das hier fehlt, ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rz. 41; v. 14.3.2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rz. 33; v. 4.7.2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rz. 31).

Rz. 28

Abweisungsreif ist auch die den Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 077 - betreffende Stufenklage. Zwar haben die Vorinstanzen über die zweite und dritte Stufe noch nicht entschieden. Das steht der beantragten Abweisung aber nicht entgegen. Denn mit der Abweisung der Feststellungsklage steht rechtskräftig fest, dass den Klägern ein Anspruch auf Rückgewähr erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen nicht zusteht und sie folglich auch die Herausgabe mutmaßlich auf solche Zins- und Tilgungsleistungen gezogener Nutzungen nicht beanspruchen können (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - XI ZR 10/95, WM 1996, 251, 253).

B. Revision der Kläger

Rz. 29

Die Revision der Kläger ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang erfolgreich. Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen.

I.

Rz. 30

Die Revision der Kläger führt nur insoweit zu einer sachlichen Überprüfung des Berufungsurteils, als das Berufungsgericht die Berufung der Kläger zurückgewiesen hat, soweit sie sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die in der Sache getroffenen - und nicht bloß vorbehaltenen - Entscheidungen des LG gewandt haben. Soweit die Kläger die vom LG vorbehaltenen Entscheidungen zum Gegenstand ihres Berufungsangriffs gemacht haben, ist die Berufung unzulässig. Im Falle des Erlasses eines Teilurteils besteht grundsätzlich keine Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts für den beim unteren Gericht anhängig gebliebenen Teil des Streitgegenstands. Ein auf diesen Teil bezogener Berufungsantrag ist zu verwerfen (BGH, Urt. v. 8.11.1978 - VIII ZR 199/77, WM 1979, 170, 171).

II.

Rz. 31

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - die Revision der Kläger im Übrigen betreffend - ausgeführt:

Rz. 32

Der Widerruf der Kläger sei ins Leere gegangen, weil die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs am 22.7.2014 längstens abgelaufen gewesen sei. Darauf, ob die Widerrufsbelehrungen den Fristbeginn missverständlich darstellten, komme es nicht an, weil die Darlehensverträge mit den Anfangsnummern 047-, 057 - und 067 - als Präsenzgeschäfte zustande gekommen seien. Die Kläger hätten mithin über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht im Unklaren sein können. Der Fußnotenzusatz in der am 12.8.2008 erteilten Widerrufsbelehrung habe die Angabe zur Länge der Frist nicht verunklart. Gleiches gelte für die alle drei Darlehensverträge betreffenden (entbehrlichen) Angaben zu den Widerrufsfolgen und zu finanzierten Geschäften.

III.

Rz. 33

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 34

1. Das Berufungsgericht ist aus den oben genannten Gründen unrichtig davon ausgegangen, die Klage auf Feststellung, die Darlehensverträge mit den Anfangsnummern 047-, 057 - und 067 - hätten sich in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt, sei zulässig. Das trifft, weil die Kläger vorrangig auf Leistung hätten klagen müssen, nicht zu.

Rz. 35

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht weiter angenommen, die Beklagte habe die Kläger aufgrund der konkreten Umstände der Erteilung der Widerrufsbelehrungen hinreichend deutlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist belehrt.

Rz. 36

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 16; v. 6.12.2011 - XI ZR 401/10, WM 2012, 262 Rz. 25 sowie - XI ZR 442/10, juris Rz. 32; v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 13; BGH v. 15.2.2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rz. 13), dass eine Widerrufsbelehrung den Vorgaben des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB in der bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung nicht genügt, wenn der Fristbeginn mit der Wendung "eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages" oder mit der Wendung "die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags" bezeichnet wird. Dadurch wird das unrichtige Verständnis nahegelegt, die Widerrufsfrist beginne einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Vertragsantrags des Unternehmers ohne Rücksicht darauf, ob der Verbraucher bereits seine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben habe. Diese Unklarheit räumte die Beklagte bei der am 12.8.2008 zu dem Darlehensvertrag mit der Anfangsnummer 067 - erteilten Widerrufsbelehrung nicht durch den Zusatz "aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses" hinter den Worten "zur Verfügung gestellt wurden" aus (BGH, Urt. v. 16.5.2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rz. 22 ff.).

Rz. 37

Der durch objektive Auslegung ermittelte Belehrungsfehler kann, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und näher ausgeführt hat, entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht anhand des nicht in der Widerrufsbelehrung selbst in Textform dokumentierten gemeinsamen Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der besonderen Umstände ihrer Erteilung korrigiert werden (BGH, Urt. v. 21.2.2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rz. 16 f.; v. 21.11.2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rz. 14).

IV.

Rz. 38

Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich nur insoweit als richtig erweist, als das Berufungsgericht die Berufung der Kläger gegen die Abweisung ihrer Anträge auf der ersten und zweiten Stufe zurückgewiesen hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1957 - I ZR 192/56, LM Nr. 3 zu § 254 ZPO). Insoweit hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig gesehen, dass den Klägern aus den oben genannten Gründen ein Auskunftsanspruch und damit auch ein Anspruch auf Versicherung der erteilten Auskunft an Eides Statt nicht zusteht. Soweit die Berufung der Kläger unzulässig ist, entscheidet der Senat im Sinne ihrer Verwerfung in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Rz. 39

Im Übrigen verweist der Senat aus den oben genannten Gründen die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird den Klägern Gelegenheit zu geben haben, anstelle des Feststellungsantrags einen zulässigen Antrag zu stellen und ihr Begehren auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen zu beziffern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11837661

BB 2018, 1601

DB 2018, 7

NJW 2018, 9

NWB 2018, 2309

NJW-RR 2018, 1067

JurBüro 2018, 499

WM 2018, 1358

WuB 2018, 546

ZAP 2018, 769

ZIP 2018, 1535

ZIP 2018, 54

DZWir 2018, 400

JZ 2018, 586

MDR 2018, 1010

BKR 2018, 373

NWB direkt 2018, 802

ZBB 2018, 338

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