Leitsatz (amtlich)

Kommt der Käufer eines Grundstücks (hier: bei der Rückabwicklung eines Vertrages) mit der Verpflichtung in Verzug, eine zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung im Grundbuch löschen zu lassen, und erleidet der Gläubiger hierdurch einen Schaden, so kann eine während des Schuldnerverzuges eingetretene Wertsteigerung des Grundstücks im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sein. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Verkäufer geltend macht, bei rechtzeitiger Löschung hätte er das Grundstück sogleich anderweitig verkauft, mit dem Erlös einen Kredit abgelöst und hierdurch Kreditzinsen erspart.

Entsprechendes gilt für einen Schadensersatzanspruch nach §945 ZPO, wenn der Käufer des Grundstücks die Löschung der Auflassungsvormerkung durch eine einstweilige Verfügung verzögert.

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 23.03.1979)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. März 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Durch notariellen Vertrag vom 20. September 1972 "kaufte" der Kläger vom Beklagten für 130.600 DM ein Grundstück in G. mit einem noch zu errichtenden Haus nebst Garage sowie 1/12 Anteil an einer Wegeparzelle; zu seinen Gunsten wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten, u.a. über die Wirksamkeit zweier Rücktrittserklärungen des Beklagten vom 3. Januar 1974 und vom 23. Mai 1975 sowie über die Verpflichtung des Klägers, die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen. Am 1. August 1975 erwirkte der Kläger eine einstweilige Verfügung, durch die dem Beklagten untersagt wurde, den hierzu bevollmächtigten Bürovorsteher anzuweisen, Löschungsbewilligung zu erteilen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger auf Vertragserfüllung geklagt; der Beklagte hat im Wege der Widerklage u.a. Erteilung der Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung verlangt.

Durch Teilurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage auf Löschung stattgegeben. Nach Eintritt der Rechtskraft hat der Beklagte am 26. Juli 1978 die Löschung der Auflassungsvormerkung erwirkt. Mit dem jetzt noch rechtshängigen Teil der Widerklage verlangt er Schadensersatz dafür, daß er das Hausgrundstück wegen der verspäteten Löschung der Auflassungsvormerkung nicht habe anderweitig verkaufen und deshalb einen Kredit in Höhe von 175.000 DM aus dem erzielbaren Kaufpreis (185.000 DM) nicht habe tilgen können. Der Beklagte errechnet seinen Schaden (Belastung mit 10 % Zinsen) für die Zeit vom 23. Mai bis zum 31. Juli 1975 nach einer Kreditsumme von 104.500 DM und beziffert ihn insoweit auf 2.068,04 DM; für die Zeit vom 1. August 1975 bis zum 26. Juli 1978 geht er von einer Kreditsumme von 175.000 DM aus und errechnet eine Zinsbelastung von insgesamt 50.906,28 DM. Während des Rechtsstreits hat er die Widerklageforderung an die R. bank e.G. in K. abgetreten.

Der Kläger leugnet ein Rücktrittsrecht und einen Schaden des Beklagten. Er behauptet, das Hausgrundstück sei inzwischen mindestens 200.000 DM wert, und meint, der Beklagte müsse sich außer dieser Wertsteigerung auch die Gebrauchsvorteile anrechnen lassen, die er durch die Verwendung des Hauses als Musterhaus erlangt habe.

Das Landgericht hat der (im ersten Rechtszuge auf Zahlung von nur 24.211,39 DM nebst Zinsen gerichteten) Widerklage in Höhe von 19.687,45 DM nebst 10 v.H. Zinsen seit dem 16. September 1976 stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat den (nunmehr auf 50.906,28 DM bezifferten) Zahlungsanspruch des Beklagten in vollem Umfange abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Widerklageantrag in Höhe von 50.906,28 DM weiter. Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht anwaltlich vertreten lassen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Beklagte durch Schreiben vom 23. Mai 1975 wirksam vom Vertrage zurückgetreten sei. Es unterstellt, daß der Kläger mit der Rückgewährpflicht in Verzug geraten und daher verpflichtet sei, den Verzugsschaden zu ersetzen. Es unterstellt weiterhin, daß dem Beklagten durch Zinsaufwendungen zunächst rechnerisch ein Schaden in Höhe von 52.974,32 DM entstanden sei. Es meint jedoch, dem Schaden stünden aufgrund der Wertsteigerung des Grundstücks und der Benutzung des Hauses als Musterhaus mindestens gleich hoch zu bewertende Vorteile gegenüber, die den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung entlasteten.

II.

Die Revision hat Erfolg,

1.

Soweit es um den Wertersatz für die gezogenen Nutzungen (Musterhaus) geht, stellt sich allerdings nicht die vom Berufungsgericht angeschnittene (und bejahte) Frage einer Vorteilsausgleichung. Insoweit steht dem Kläger nämlich ein selbständiger Zahlungsanspruch zu, mit dem er in schlüssiger Weise aufgerechnet hat. Gemäß § 347 BGB bestimmt sich für die Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages im - hier gegebenen - Falle vorbehaltenen Rücktritts, daß sich die Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen von dem Empfange der "Leistung" an nach den Vorschriften bestimmt, die für das Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem (unrechtmäßigen) Besitzer vom Eintritt der Rechtshängigkeit des Eigentumsherausgabeanspruchs an gelten. Nach § 987 Abs. 1 BGB hat der Besitzer von diesem Zeitpunkt an die von ihm gezogenen Nutzungen herauszugeben. Da eine Herausgabe in Natur hier nicht möglich ist, hat der Beklagte dem Kläger den Wert der Nutzungen zu erstatten (vgl. BGH Urteil vom 5. Juli 1978, VIII ZR 180/77, WM 1978, 1208; vgl. auch § 818 Abs. 2 BGB). Sofern der vom Berufungsgericht unterstellte Schadensersatzanspruch besteht, ist er mithin in Höhe von 2.000 DM durch Aufrechnung erloschen.

2.

Für den Wertzuwachs des Grundstücks stellt sich dagegen in der Tat das Problem der Vorteilsausgleichung.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Vorteilsausgleichung zu einer Schadensminderung führt, wenn der Vorteil mit dem Schadensereignis in adäquat kausalem Zusammenhang steht, der Zweck des Schadensersatzes eine Anrechnung gebietet und keine ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers eintritt (Hinweis auf BGHZ 8, 325; 10, 108; 30, 29; 49, 56; 55, 329; 58, 15; BGH LM BGB § 249 (Cb) Nr. 3). Dieser Standpunkt entspricht - mit noch zu erörternden Einschränkungen - auch der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 74, 103, 113/114 m.w.N.).

Im Schrifttum wird das Kriterium der Adäquanz - auch in nur ergänzender Funktion - als sachfremd und ungeeignet angesehen (grundlegend Cantzler, AcP 156, 29 ff, 48 ff; ihm insoweit folgend die ganz n.M., vgl. nur Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 232; Thiele, AcP 167, 193, 196; Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 12. Aufl. § 30 II a, S. 431; Hermann Lange, Schadensersatz, § 9 III 2, S. 305/306; MünchKomm-Grunsky Rdn. 95 vor § 249; neuestens wiederum Rudioff, VersR 1979, 1153 m.w.N.). Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat das Bedenken der Rechtslehre neuerdings als berechtigt anerkannt, allerdings ohne die Frage abschließend zu entscheiden (Urteil vom 19. Dezember 1978, VI ZR 218/76, NJW 1979, 760 - insoweit in BGHZ 73, 109 nicht mit abgedruckt). Auch der erkennende Senat braucht diesen Zweifeln nicht weiter nachzugehen, weil die hier in Betracht kommenden Vermögensvorteile, soweit sie überhaupt durch ein dem Kläger zurechenbares Ereignis bedingt sind (dazu näher unten unter Nr. 2), auch "adäquat" verursacht sind.

Es besteht heute Einigkeit darüber, daß der Problemkreis der Vorteilsausgleichung nach Maßgabe rechtlicher Wertungen differenzierend zu beurteilen ist (vgl. etwa das vorgenannte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. Dezember 1978 sowie die erwähnten Autoren und die dort angeführten weiteren Nachweise).

Die Rechtsprechung ist dementsprechend seit langem darum bemüht, Fallgruppen zu bilden und ihrer jeweiligen Eigenart durch möglichst spezielle rechtliche Wertungsmaßstäbe Rechnung zu tragen. Auch der Senat hält nur dieses Verfahren für geeignet, die Probleme der Vorteilsausgleichung zu bewältigen.

Der Wertzuwachs des Grundstücks während des Schuldnerverzuges gehört zur Fallgruppe solcher Vorteile, die weder auf Leistungen Dritter noch auf eigenen Maßnahmen des Geschädigten beruhen. Sie zeigt "weiche Übergänge zu reinen Berechnungsfaktoren, die den Schaden von vornherein als überhaupt nicht oder doch nicht in der sich sonst ergebenden Höhe entstanden erscheinen lassen" (Lange a.a.O. S. 311; ders. JuS 1978, 649, 652; vgl. auch Larenz a.a.O. S. 431). Dies könnte von vornherein für die Vorteilsausgleichung sprechen.

Als Einschränkung für die Vorteilsanrechnung ist jedoch - mindestens für bestimmte Anspruchsarten - in der neueren Rechtsprechung (im Anschluß an Thiele, AcP 167, 193, 202 sowie in Anlehnung an versicherungsrechtliche Überlegungen) der Gedanke entwickelt worden, daß nur solche Vorteile als anrechenbar in Betracht zu ziehen sind, die gerade mit dem geltend gemachten Nachteil in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, der beide, Vorteil und Nachteil, "gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbindet" (vgl. BGH NJW 1979, 760 mit Anm. Rudioff in VersR 1979, 1152; vgl. ferner BGH Urteil vom 3. Februar 1970, VI ZR 245/67, WM 1970, 633, 637). Für den - hier gegebenen - Fall einer Wertsteigerung des Grundstücks während des Schuldnerverzuges mit der Rückgabe ist auch ein solcher, die Vorteilsanrechnung rechtfertigender innerer Zusammenhang zwischen dem Nachteil (Vermögensminderung durch Zinsbelastung) und dem Vorteil (Vermögensmehrung durch Wertzuwachs eines Vermögensgegenstandes) zu bejahen. Dafür spricht zunächst der zeitliche Zusammenhang beider Vermögensänderungen (auf ihn wird u.a. abgestellt in der erwähnten Entscheidung BGH WM 1970, 633, 637 sowie im BGH Urteil vom 13. Dezember 1966, VI ZR 59/65, VersR 1967, 187 - keine Berücksichtigung der nach Ersteigerung eines Grundstücks eingetretenen Werterhöhung; vgl. auch RGZ 100, 255): Der Zinsbelastungsschaden und der Wertzuwachs entwickeln sich gleichzeitig. Hinzu kommt der Gesichtspunkt einer Wertung nach Risikosphären. Macht der Gläubiger geltend, daß er das Grundstück alsbald nach rechtzeitigem Erhalt günstig weiterveräußert hätte, so ist hiernach das Risiko einer Wertverminderung während des Rückgabeverzuges dem Schuldner zugewiesen; er muß dem Gläubiger die Differenz zwischen dem hypothetischen Verkaufserlös und dem tatsächlichen Wert (im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung) ersetzen (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Januar 1980, V ZR 110/76, WM 1980, 466). Muß der Schuldner aber die Gefahr einer Entwertung während des Verzuges tragen, so erscheint es billig, ihm auch die Chance einer Wertsteigerung während dieses Zeitraums jedenfalls dann zu belassen, wenn der Gläubiger seinen Schaden - wie hier - gerade unter Berücksichtigung seiner hypothetischen Vermögensdisposition (alsbaldiger Weiterverkauf nach Erhalt des Grundstücks) berechnet; dann läßt sich nicht sagen, daß den Schuldner eben jene Disposition im Falle einer Wertminderung des Grundstücks "nichts angegangen" wäre (vgl. zu dieser Wertung etwa das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des BGH vom 22. Januar 1980, VI ZR 198/78). Jedenfalls bei solcher Sachlage ist davon auszugehen, daß der Gläubiger sich der Chance eines späteren Wertzuwachses begeben hätte. Dann aber ist sie nicht mehr seiner Vermögenssphäre zuzuordnen.

Entsprechendes gilt unter solchen Umständen für einen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO, wenn der Käufer des Grundstücks - wie hier - die Löschung der Auflassungsvormerkung durch eine einstweilige Verfügung verzögert.

3.

Dennoch kann die vom Berufungsgericht vollzogene Vorteilsausgleichung auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht aufrechterhalten werden, da es teilweise am Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und den angerechneten Vorteilen fehlt. Als haftungsbegründendes Ereignis sieht das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers, das zur Rückabwicklung geführt hat, sowie den Verzug bei der Rückabwicklung des gekündigten Vertrages als "Einheit" an. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Zu berücksichtigen ist nur die Wertsteigerung während des Zeitraums, für den der Kläger Schadensersatz schuldet (§ 286 BGB, § 945 ZPO).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 13. Dezember 1966, VI ZR 59/65, VersR 1967, 187. Dort ist lediglich als weitere Voraussetzung für die Vorteilsausgleichung angenommen worden, daß "ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen dem schädigenden und dem vorteilhaften Ereignis" gewahrt sein müsse, wenn beide einem einheitlichen Ursprung zugerechnet werden sollen; eine spätere unvorhergesehene Änderung der Verhältnisse müsse außer Betracht bleiben. Das besagt aber nicht, daß - worum es hier geht - etwa auch Vorteile, die vor dem haftungsbegründenden Ereignis eingetreten sind, dem Schädiger zugute kommen dürften.

Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Hätte der Kläger die Löschung der Auflassungsvormerkung fristgerecht bewilligt und nicht die einstweilige Verfügung vom 1. August 1975 erwirkt, so hätte der Beklagte nach seinem (vom Berufungsgericht als richtig unterstellten) Vortrag das Grundstück im Jahre 1975 für 185.000 DM veräußert. Er hätte dann (durch Ablösung seiner Darlehensschuld in Höhe von 175.000 DM) nicht nur im folgenden Zinsen erspart, sondern auch seine Darlehensverbindlichkeit getilgt und sein Vermögen damit um 175.000 DM (nebst Ersparnis von Zinsen) vermehrt. Der Wertzuwachs des Grundstücks in der Zeit vom Kaufabschluß (20. September 1972) bis zum hypothetischen Verkauf des Grundstücks (August 1975) wäre dem Beklagten mithin auch bei ordnungsmäßiger Rückabwicklung des gekündigten Vertrages zugute gekommen; er beruht folglich nicht auf dem haftungsbegründenden Ereignis (Schuldnerverzug mit der Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung, Erwirkung der einstweiligen Verfügung vom 1. August 1975).

Als anrechenbarer Vorteil Kommt daher nur die Wertsteigerung in der Zeit ab Entstehung der Schadensersatzpflicht bis zum 26. Juli 1978 in Frage. Daß sie (in Verbindung mit den erlangten Nutzungsvorteilen im Werte von 2.000 DM) den Betrag des vom Berufungsgericht unterstellten Schadens des Beklagten erreicht, ist nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018792

BGHZ 77, 151 - 157

BGHZ, 151

NJW 1980, 2187

NJW 1980, 2187-2188 (Volltext mit amtl. LS)

ZIP 1980, 883

ZIP 1980, 883-886

JZ 1980, 613

JZ 1980, 613-614 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1980, 919-920 (Volltext mit amtl. LS)

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