Entscheidungsstichwort (Thema)

Provisionsschinderei durch Kick-Back-Vereinbarung. Deliktshaftung des Brokers als Mittäter des Anlageberaters

 

Leitsatz (amtlich)

Nutzt ein Anlageberater und -vermittler das Kapital eines Anlegers, um Provisionen zu "schinden" (churning), so kommt eine deliktische Haftung des Brokers für die Verluste des Anlegers wegen Beteiligung an dem sittenwidrigen Verhalten des Anlageberaters und -vermittlers in Betracht. Der Tatrichter kann den Mittäter- oder Gehilfenvorsatz des Brokers auf Grund geeigneter Indizien wie etwa einer zwischen ihm und dem Anlageberater und -vermittler bestehenden Rückvergütungsvereinbarung (kick-back) unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles feststellen.

 

Normenkette

BGB §§ 826, 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.04.2003; Aktenzeichen 16 U 81/97)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Frankfurt/M. v. 3.4.2003 wird auf Kosten der Beklagten zu 2) zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte zu 2) (im Folgenden: die Beklagte), eine Brokerfirma mit Sitz in New York, auf Ersatz von Verlusten aus Options- und Termindirektgeschäften in Anspruch.

Beide Kläger eröffneten im Oktober 1986 bei der Beklagten jeweils ein in US$ geführtes Konto für den Handel mit Wertpapieren, Optionen und Terminkontrakten. Dafür erteilten sie einem Mitarbeiter der M-GmbH, der früheren Beklagten zu 1), einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft, auf deren Veranlassung die Kontoeröffnung geschah, eine Vollmacht. Die Kläger erklärten sich jeweils damit einverstanden, dass die M-GmbH als Vergütung für ihre Akquisitions- und Kundenbetreuungsleistungen eine Rückvergütung ("kick-back") aus den der Beklagten zustehenden Kommissionen erhielt; die Rückvergütung betrug 40 %. Beide Kläger erbrachten jeweils Einzahlungen in erheblichem Umfang (201.728 DM und 82.000 DM). Die Beklagte handelte für sie eine Vielzahl an Futures- bzw. Optionskontrakten. Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung erhielten der Kläger zu 1) im Juli 1987 ein restliches Kontoguthaben von 2.068 DM, der Kläger zu 2) im Juni 1987 ein solches von 13.410,78 US$ ausbezahlt. Die Parteien haben u.a. darüber gestritten, ob die - inzwischen rechtskräftig zur Zahlung eines Teilbetrages verurteilte - M-GmbH und die Beklagte zusammengewirkt haben, um aus den Geldern auf den Konten der Kläger Provisionen zu "schinden" (sog. churning).

Der Rechtsstreit war bereits Gegenstand des Urteils des BGH v. 22.11.1994 (BGH, Urt. v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, MDR 1995, 519 = NJW 1995, 1225 = ZIP 1995, 18 = VersR 1995, 482), auf dessen tatbestandliche Ausführungen ergänzend verwiesen wird. Das LG hat nach der Zurückverweisung der Sache durch den BGH Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und sodann der Klage gegen die Beklagte stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach der Einholung von Sachverständigengutachten im Wesentlichen zurückgewiesen. Mit der im Berufungsurteil zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Abweisung der gegen sie gerichteten Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht bejaht eine Haftung der Beklagten aus den §§ 826, 830 BGB, weil es den Vorwurf einer von der M-GmbH und der Beklagten gemeinsam betriebenen Provisionsschinderei (churning) als berechtigt ansieht.

Diese Würdigung ergebe sich im Wesentlichen aus dem Vorliegen der Kick-Back-Vereinbarung. Dadurch sei die Gefahr begründet worden, dass die M-GmbH als Bevollmächtigte im eigenen Interesse möglichst häufig Positionen wechselte, um immer wieder neu an Provisionen zu verdienen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Ö. seien weitere Indizien für eine Provisionsschinderei zu erkennen. Die Anzahl der vorgenommenen Geschäfte sei ungerechtfertigt hoch gewesen. Dadurch habe das Verhältnis zwischen den monatlich dem Kläger zu 1) belasteten Provisionen und seinem durchschnittlichen Kontowert in fünf von sieben Monaten über 17 % gelegen, womit ein Grenzwert überschritten sei. Beim Kläger zu 2) habe dieses Verhältnis im ersten Monat bei 47 % und im zweiten Monat bei 13,24 % gelegen. Weiterhin hätten die Beklagten einen hohen Anteil an wirtschaftlich sinnlosen Geschäften für den Kläger zu 1) vorgenommen. Schließlich sei dem Anlageverhalten auch keine schlüssige Handelsstrategie zu entnehmen.

Die Beklagte habe mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt. Sie habe die extreme Häufigkeit der Transaktionen leicht erkennen können. Sie sei mit dem Verhalten der M-GmbH, die die Aufträge auf Grund der ihr erteilten Vollmacht erteilt habe, einverstanden gewesen, was sie durch den Abschluss der Kick-Back-Vereinbarung, das Unterlassen einer Überprüfung der Seriosität der M-GmbH, eine unzureichende Kontrolle der Kontobewegungen sowie die durch Zeugen bewiesene, bei der deutschen Repräsentanz der Beklagten früher einmal ausgesprochene Anweisung, so viele Kommissionen wie möglich zu verdienen, zum Ausdruck gebracht habe.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

1. Soweit das Berufungsgericht eine die Haftung aus § 826 BGB begründende Provisionsschinderei (churning) durch Mitarbeiter der M-GmbH, insb. durch Herrn F., bejaht, sind seine Ausführungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass ein churning der M-GmbH vorliege, hat auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt.

a) Unter churning im engeren, hier in Betracht kommenden Sinne mit der möglichen Folge einer Haftung aus § 826 BGB versteht man den durch das Interesse des Kunden nicht gerechtfertigten häufigen Umschlag eines Anlagekontos, durch den der Broker oder der Vermittler oder beide sich zu Lasten der Gewinnchancen des Kunden Provisionseinnahmen verschaffen (BGH, Urt. v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, MDR 1995, 519 = VersR 1995, 482 [483]; v. 23.9.1999 - III ZR 214/98, MDR 1999, 1518 = VersR 2000, 1375 [1377]; Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986, Rz. 462, 481 m.w.N.; Bröker, Strafrechtliche Probleme bei Warentermin- und -optionsgeschäften, S. 38 ff.). Ein Anlageverwalter oder -berater wie die M-GmbH, der beim Kapitalanleger über eine hinreichende Vertrauensstellung verfügt, kann in diesem Sinne - vom Interesse des Anlegers her nicht gerechtfertigte - Provisionen durch Ausnutzung einer ihm erteilten Vollmacht ebenso "schinden" wie durch Empfehlungen und Ratschläge (vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 32 WpHG, Rz. 8 m.w.N.; Bankrechts-Handbuch/Eisele, Bd. III, § 109, Rz. 46; Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl., D., Rz. 419).

Davon geht das Berufungsgericht bei der Würdigung des Beweisergebnisses und der vorliegenden Indizien ersichtlich aus. Die in der schriftlichen Revisionsbegründung vertretene Auffassung, das Berufungsurteil sei in Bezug auf die Subsumtion des Sachverhaltes unter die gesetzlichen Voraussetzungen des § 826 BGB nicht mit Gründen versehen (§ 547 Nr. 6 ZPO), ist deshalb unrichtig. Eine weitere Konkretisierung der Anspruchsmerkmale war nicht erforderlich.

b) Soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Haftung wegen sittenwidriger Provisionsschinderei, nämlich die Einflussnahme auf das Kapitalvermögen des Anlegers, die entsprechende Motivation und Zielrichtung seitens des Schädigers und die Feststellung, dass diese Zielrichtung über die Einflussnahme auf das Kapitalvermögen tatsächlich Erfolg hatte, hinsichtlich der M-GmbH bejaht, greifen die in der schriftlichen Revisionsbegründung erhobenen Rügen nicht durch.

aa) Für den Kläger zu 1) stellt das Berufungsgericht - insoweit von der Revision nicht angegriffen - das Handeln von 316 Terminkontrakten und den Kauf von 113 Optionen im Zeitraum von Oktober 1986 bis Mai 1987 fest, ferner, dass in fünf von diesen sieben Monaten jeweils Kommissionen zu Gunsten der Beklagten i.H.v. mehr als 17 % des jeweiligen durchschnittlichen Konto- und Depotvermögens anfielen. Es geht dabei ohne Rechtsfehler davon aus, dass Mitarbeiter der M-GmbH auf sämtliche Geschäfte des Klägers zu 1) Einfluss nahmen. Den Vortrag der Beklagten, der Kläger zu 1) habe ab April 1987 alle Aufträge selbst erteilt und zuvor nur gelegentlich telefonisch Anordnungen erteilt, während die Anweisungen im Übrigen von Herrn F. übermittelt worden seien, hat es rechtsfehlerfrei als nicht ausreichend substanziiert angesehen. Welche Aufträge wann, wie und von wem erteilt wurden, war Gegenstand eigener Wahrnehmung sowohl der M-GmbH als auch der Beklagten. Im Hinblick auf die Darlegungen des Klägers, jedenfalls aber auf die Ausführungen in dem Urteil des LG v. 10.3.1997, die Beklagte habe insoweit nicht ausreichend substanziiert vorgetragen, wäre daher ein konkreter Gegenvortrag zu erwarten gewesen; einen solchen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler vermisst.

bb) Nicht angegriffen sind auch die Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach für den Kläger zu 2) im Zeitraum v. 22.10.bis 22.11.1986 Kommissionen i.H.v. 47 % und im Zeitraum v. 22.11.bis 22.12.1986i.H.v. 13,24 % des durchschnittlichen Kontowerts anfielen und in diesem letzten Monat das Konto kaum noch ein Guthaben auswies, das ausreichte, um in größerem Umfang Handel treiben zu können. Auch hier sind die Feststellung, dass Mitarbeiter der M-GmbH auf sämtliche für den Kläger zu 2) vorgenommenen Geschäfte Einfluss nahmen, und die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der entgegenstehende Vortrag der Beklagten zu 2) nicht hinreichend substanziiert sei, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

cc) Das Berufungsgericht geht weiter ohne Rechtsfehler davon aus, die Einflussnahme von Mitarbeitern der M-GmbH, insb. von Herrn F., auf das Kapitalvermögen der Kläger sei entscheidend von dem Willen motiviert gewesen, Provisionen ohne Rücksicht auf die Gewinninteressen der Kläger zu verursachen, dieses Ziel sei vordringlich verfolgt worden. Da ein unmittelbarer Beweis insoweit nicht möglich ist und auch ein Anscheinsbeweis ausscheidet, stützt sich das Berufungsgericht für seine Feststellungen zutreffend auf die sich aus den Umständen des Falles und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergebenden Indizien. Die Würdigung der konkret vorliegenden Indizien lässt keine revisionsrechtlich relevanten Fehler erkennen.

(1) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte seine Beweiswürdigung nicht (auch) auf die Bekundungen des im Wege der Rechtshilfe vernommenen Zeugen C. stützen dürfen. Ungeachtet dessen, ob der Verfahrensfehler der unterlassenen Benachrichtigung vom Vernehmungstermin nach § 295 ZPO geheilt worden ist, lässt jedenfalls die Revisionsrüge nicht erkennen, inwieweit der Fehler für die Entscheidung des Berufungsgerichts ursächlich geworden sein könnte. Dass der Zeuge C. zu den konkreten Vorfällen des Streitfalls keine Aussage machen konnte, weil er nie bei der Beklagten beschäftigt war und seine Beschäftigung bei der D.W.R. GmbH, der damaligen Repräsentanz der Beklagten in Deutschland, bereits vor dem Jahre 1986 beendet hatte, ergibt sich aus seiner Aussage, die insoweit keiner weiteren Klärung durch eine zusätzliche Befragung bedurfte, und ist auch vom Berufungsgericht erkannt worden. Dieses hat deshalb die Indizwirkung der Aussage auch nur als schwach eingestuft.

(2) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Ausführungen des von ihm zunächst bestellten Sachverständigen H. seiner Entscheidung zu Unrecht nicht zu Grunde gelegt und sich auf die Ausführungen des sodann bestellten Sachverständigen Ö. (und des Privatgutachters S.) gestützt. Das Berufungsgericht legt in dem angefochtenen Urteil im Einzelnen dar, aus welchen Gründen es die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen H. unberücksichtigt gelassen hat. Diese Ausführungen lassen weder einen Verstoß gegen § 412 ZPO noch sonst eine Überschreitung der dem Tatrichter bei der Beweiserhebung eingeräumten Befugnisse erkennen.

(3) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind die Schlussfolgerungen, die das Berufungsgericht im Hinblick auf die M-GmbH zieht.

(3.1) Der Tatrichter ist bei einem auf Indizien gestützten Beweis grundsätzlich frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1991 - VI ZR 97/90, MDR 1991, 993 = VersR 1991, 566; Urt. v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, MDR 1993, 1239 = NJW 1993, 935, v. 15.10.1993 - V ZR 19/92, MDR 1994, 1242 = NJW 1994, 586 [588] m.w.N.; v. 23.1.1997 - I ZR 29/94, MDR 1997, 1146 = NJW 1997, 2757 [2759]; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 546 Rz. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 546 Rz. 13). Er stellt die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen fest. Er unterliegt dabei - abgesehen von den allgemeinen Beweisverwertungsverboten - keinen rechtlichen Einschränkungen für die Berücksichtigung von Tatsachen, die eine häufigere Wahrscheinlichkeit für die eigentlich zu beweisende Haupttatsache aufweisen und damit eine Indizwirkung entfalten können (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 284 Rz. 19). Revisionsrechtlich ist seine Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO nur darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1991 - VI ZR 97/90, MDR 1991, 993 = VersR 1991, 566; Urt. v. 15.10.1993 - V ZR 19/92, MDR 1994, 1242 = NJW 1994, 586 [588]; v. 23.1.1997 - I ZR 29/94, MDR 1997, 1146 = NJW 1997, 2757 [2759]; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 546 Rz. 9). Dabei hat er die für seine Überzeugungsbildung wesentlichen Gesichtspunkte nachvollziehbar darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1991 - VI ZR 97/90, MDR 1991, 993 = VersR 1991, 566).

(3.2) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil.

Sachverständig beraten sieht es als ein wesentliches Indiz für eine beabsichtigte Provisionsschinderei den Umstand an, dass die Kommissionen beim Kläger zu 1) in fünf von sieben Monaten, beim Kläger zu 2) im Ersten der beiden Monate mehr als 17 % des jeweiligen durchschnittlichen Kontowerts (commission-to-equity-ratio) ausmachten. Die vom Berufungsgericht unter Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Sachverständigen gezogene Folgerung, hier liege ein gewichtiges Indiz für ein churning vor, erscheint nahe liegend, ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Entgegen der in der schriftlichen Revisionsbegründung vertretenen Auffassung besteht keine Veranlassung, verbindlich feste Werte vorzugeben, bei deren Überschreitung eine Provisionsschinderei zu bejahen und bei deren Unterschreiten sie zu verneinen ist. Die Sittenwidrigkeit einer vom Provisionsinteresse motivierten schädigenden Einflussnahme auf das Anlageverhalten eines Kapitalanlegers ergibt sich allein aus der Motivation des Anlageberaters oder -verwalters, der die Gewinninteressen des Anlegers außer Acht lässt, nicht aus dem Überschreiten von Grenzwerten. Das Verhältnis zwischen Provisionen und durchschnittlichem Kontowert hat nur die Bedeutung eines Indizes, das der Tatrichter unter Berücksichtigung sonstiger Umstände des jeweiligen Falles zu werten hat. Auch Grenzwerte und weitere Bedingungen in Richtlinien wie die der amerikanischen National Futures Association für die Annahme von Provisionsschinderei haben nur diese indizielle Bedeutung, wenn sie auch hilfreich für die Beurteilung des Parteivortrags und der Ausführungen der eventuell hinzugezogenen Sachverständigen sein können.

Rechtsfehlerfrei bezieht das Berufungsgericht neben der commission-to-equity-ratio weitere Indizien in seine Überlegungen ein. Seine Annahme, für die Kläger sei ein hoher Anteil an wirtschaftlich sinnlosen, kurzfristigen Geschäften vorgenommen worden, auch sei keine Handelsstrategie erkennbar und daraus ergäben sich zusätzliche Indizien, beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts, insb. der Ausführungen der Sachverständigen, die weder einen Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze noch sonst revisionsrechtlich relevante Fehler erkennen lässt. Das gilt auch, soweit es der Aussage des Zeugen C. eine wenngleich schwache Indizwirkung für eine Motivation zur Provisionsschinderei beimisst.

Daraus, dass die vorgenommenen Kapitalanlagegeschäfte zum Teil Gewinn abwarfen, zum Teil aber gewöhnliche Marktverluste entstanden, musste das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision kein Indiz gegen eine gezielte Provisionsschinderei herleiten. Dass Erfolg und Misserfolg auch der hier vorgenommenen Kapitalanlagegeschäfte (auch) vom Marktgeschehen abhingen, bedarf keiner besonderen Betonung. Für oder gegen die indiziell zu beweisende Absicht der M-GmbH zum churning besagt dies nichts.

Darauf, dass die Beklagte den Sachverhalt und das Beweisergebnis anders würdigt als das Berufungsgericht, kann die Revision nicht mit Erfolg gestützt werden. Die von der Revision zu den vorstehend erörterten Punkten erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat insgesamt geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 ZPO).

2. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht annimmt, es stehe fest, dass der Beklagten eine Beteiligung an dem churning der M-GmbH vorzuwerfen sei. Dies beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des konkreten Sachverhalts, welche die Revision ohne Erfolg bekämpft.

a) Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer unerlaubten Handlung i.S.d. § 830 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die Teilnahme verlangt demgemäß neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. Objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in das fremde Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (vgl. BGH, Urt. v. 4.11.1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89 [102 f.] = MDR 1998, 103 m.w.N.). Ob sich das Verhalten der Beklagten letztlich, wie das Berufungsgericht meint, als Mittäterschaft oder im Hinblick darauf, dass - wie die Beklagte ausgeführt hat - ein churning nur von der M-GmbH habe begangen werden können, als Beihilfe darstellt, ist für die zivilrechtliche Haftung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 4.11.1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89 [103] = MDR 1998, 103).

b) In Fällen der vorliegenden Art wird sich nur ausnahmsweise eine ausdrückliche Verabredung der Beteiligten zur Vornahme der sittenwidrigen Handlungen oder eine ausdrückliche Zusage eines Beteiligten zur Hilfeleistung feststellen lassen. Es ergibt sich dann die Notwendigkeit, die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls, die möglicherweise auch Grundzüge bestimmter zu missbilligender branchentypischer Handlungsweisen aufzeigen, daraufhin zu untersuchen, ob sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten ergeben.

Ob ein Verhalten als sittenwidrig anzusehen ist und ob das Berufungsgericht die Gesamtumstände des Falles insoweit in erforderlichem Umfang gewürdigt hat, kann das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.2003 - VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269 [274 f.] = MDR 2003, 740 = BGHReport 2003, 805; Urt. v. 20.5.2003 - VI ZR 312/02, MDR 2003, 1180 = BGHReport 2003, 996 = VersR 2003, 1049 [1050] jeweils m.w.N.). Sofern ein sittenwidriges Verhalten festgestellt ist, unterliegt die tatrichterliche Würdigung, ein Dritter habe daran mitgewirkt, im Revisionsverfahren jedoch nur der Überprüfung dahin, ob die Voraussetzungen für eine Teilnahme verkannt und bei der Würdigung der Tatumstände die Regeln einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung, insb. Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind.

c) Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler sowohl die objektiven als auch die subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB haftungsrechtlich relevanten Teilnahmehandlung bejaht.

aa) Die objektiven Merkmale liegen zweifellos vor. Nach den getroffenen Feststellungen flossen der M-GmbH die auf Grund des sittenwidrigen Vorgehens erzielten Provisionen in Ausführung der zwischen ihr und der Beklagten getroffenen Kick-Back-Vereinbarung zu. Der Gesamtvorgang war also durch die Mitwirkung der Beklagten mitgeprägt.

bb) Auch das Vorliegen der subjektiven Merkmale für eine Teilnahmehandlung der Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.

(1) Es geht beanstandungsfrei davon aus, dass der Beklagten die mit der Kick-Back-Vereinbarung verbundene Gefahr, dass die M-GmbH unter Außerachtlassung des Anlegerinteresses im eigenen Provisionsinteresse möglichst häufig Positionen wechselte, bekannt war. Die Beklagte macht selbst nicht geltend, dieser Gefahr in irgendeiner Weise durch geeignete Schutzmaßnahmen entgegengewirkt zu haben. Dies konkretisiert das Berufungsgericht dahin, dass weder die Seriosität der M-GmbH überprüft noch die Kontenbewegungen kontrolliert worden seien. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts, für eine haftungsrechtlich relevante Mitwirkungshandlung sei auch in subjektiver Hinsicht eine tragfähige Grundlage festgestellt, rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Brokerbank, die unter den vorliegend in Betracht zu ziehenden Umständen die nahe liegende Gefahr der von einem Beratungsunternehmen praktizierten Kick-Back-Vereinbarung für den Anleger kennt und sie gleichwohl ohne jedwede Schutzmaßnahme praktiziert, nimmt die Verwirklichung der Gefahr in Kauf und leistet damit zumindest bedingt vorsätzlich Hilfe zu dem sittenwidrigen Handeln des Beraters. Ob die Hilfeleistung der eigentliche oder einzige Beweggrund des Brokers ist, ob er andere Absichten und Ziele als der Berater verfolgt oder ob er dessen Handeln möglicherweise sogar innerlich ablehnt, ist für die Haftung unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 31.1.1978 - VI ZR 32/77, BGHZ 70, 277 [286]).

(2) Diese Wertung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kick-Back-Vereinbarung offen gelegt war und - worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - aufgedeckte mehrstufige Provisionsabreden absolut üblich sein mögen. Die Gefahr, dass die vorliegend getroffene Vereinbarung dem Berater die vom Anleger nicht zu kontrollierende Möglichkeit eines churning bot, bestand, wie der Fall zeigt und auch nahe liegt, gleichwohl. Das seitens der Beklagten vorgetragene Argument, es sei nicht festgestellt, dass der Beklagten konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der M-GmbH vorgelegen hätten, geht deshalb fehl. Die bestehende Vertragskonstruktion war bereits ein solcher Anhaltspunkt, den die Beklagte nicht ohne weiteres unbeachtet lassen durfte.

Entsprechendes gilt für das Argument, die Beklagte habe nicht erkennen können, dass hier wirtschaftlich sinnlose Geschäfte für einen nicht professionellen Anleger getätigt worden seien. Es mag sein, dass im Eigenhandel oder daytrading seinerzeit ähnliche Geschäfte von deutschen Banken mit Gewinn betrieben wurden. Die für die Bejahung der Haftung maßgebliche Betrachtung stellt nicht auf eine stetige Beobachtung sämtlicher durchlaufender Geschäfte, sondern darauf ab, dass die für die Kläger betriebenen Geschäfte wegen der der Beklagten bekannten gefahrenträchtigen Vertragssituation nicht bedenkenlos ohne jedwede Vorsorge gegen einen Missbrauch durchgeführt werden durften.

(3) Die vorstehende Betrachtungsweise ist nicht nur für die vertragliche, sondern auch für die deliktische Haftung gerechtfertigt. Entgegen der in der Verhandlung vor dem Senat vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten geäußerten Ansicht muss für die Haftung gem. den §§ 826, 830 BGB nicht der gesamte vertragliche Hintergrund ausgeblendet werden. Zwar dürfen die deutschen Gerichte im vorliegenden Fall nur eine deliktische Haftung prüfen. Für die Frage, ob diese Haftung zu bejahen ist, ob insb. nach Kenntnisstand und Willensrichtung der Beklagten von ihrer Teilnahme am haftungsrechtlich relevanten Handeln der M-GmbH ausgegangen werden kann, sind aber sämtliche Umstände, insb. auch die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen in Betracht zu ziehen. So sind auch die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zu verstehen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte nicht wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, etwa einer Beratungspflicht, verurteilt, sondern weil die auf dem Hintergrund der vertraglichen Vereinbarungen zu beurteilende Gesamtsituation die Bejahung einer Teilnahmehandlung als gerechtfertigt erscheinen lässt.

(4) Bei dieser Sach- und Rechtslage können die Verfahrensrügen, die der erkennende Senat insgesamt geprüft hat, der Revision nicht zum Erfolg verhelfen (§ 564 ZPO). Insoweit sei lediglich noch ausgeführt, dass dahinstehen kann, ob das Berufungsurteil die Beweiskraft der Aussage des Zeugen C. auf den S. 15 und 19 unterschiedlich stark bewertet. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung auch dann stand, wenn man der Aussage des Zeugen C. auch bei der zusammenfassenden Würdigung auf S. 19 des Urteils eine nicht sonderlich starke Indizwirkung zumisst.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe. Dabei kann dahinstehen, ob das Berufungsurteil, in dem die Schadenshöhe als in zweiter Instanz unstreitig bezeichnet wird, trotz unterlassenen Tatbestandsberichtigungsantrags insoweit noch angegriffen werden kann. Jedenfalls geht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass den Klägern unter den Umständen des Streitfalls der Gesamtschaden zu ersetzen ist. Der Auffassung der Beklagten, Spekulationsverluste und Aufwendungen, die auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters entstanden wären, seien herauszurechnen, weil sie nicht vom Schutzzweck der verletzten Pflicht umfasst seien und die Kläger hätten im Einzelnen darzulegen, welcher Schaden dann noch verbleibe, kann nicht gefolgt werden. Es steht fest, dass die M-GmbH die mit den Klägern getroffenen Vereinbarungen von vornherein dazu benutzt hat, um Provisionen zu schinden. Jedes einzelne Geschäft war von dieser Motivation getragen. Die sittenwidrige Schädigung besteht demnach nicht allein in einer überhöhten Provisionsbelastung, sondern auch darin, dass die Geschäfte überhaupt ohne Berücksichtigung der Gewinninteressen der Anleger getätigt wurden. Der Schutzzweck des § 826 BGB erfasst in einem solchen Fall alle entstandenen Verluste, sofern nicht der Schädiger darlegt und beweist, in welchem Umfang sich das Vermögen des Geschädigten völlig unabhängig von den getätigten Geschäften verringert hätte. Diese schadensrechtliche Betrachtung ist auch deshalb geboten, weil bei einem insgesamt von einer sittenwidrigen Motivation getragenen Geschäftsgebaren, wie es hier vorlag, eine Belastung des Geschädigten mit dem Beweis, wie sich seine Vermögenslage bei ordnungsgemäßem Verhalten des Schädigers oder anderweiter Anlage entwickelt hätte, als i.d.R. unzumutbar erscheint (vgl. auch BGH, Urt. v. 28.2.1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047 [1048 f.]). Die Beklagte haftet demnach für den vom Berufungsgericht festgestellten Gesamtschaden neben der M-GmbH als Gesamtschuldner (§ 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 840 Abs. 1 BGB).

III.

Die Revision ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1209795

BB 2004, 2038

DB 2004, 2526

DStZ 2004, 695

NJW 2004, 3423

NWB 2004, 3630

BGHR 2004, 1561

EWiR 2004, 963

WM 2004, 1768

WuB 2004, 961

ZAP 2005, 8

ZIP 2004, 1699

AG 2004, 552

VersR 2004, 1273

VuR 2005, 38

ZBB 2004, 414

ZGS 2004, 364

BBV 2004, 39

FB 2005, 216

LMK 2005, 39

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