Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsbedürftigkeit von Grundstücksgeschäften für Minderjährige oder Mündel

 

Leitsatz (amtlich)

§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB schützt nur bereits vorhandenes Grundvermögen und findet auf Belastungen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb keine Anwendung. Das gilt auch für Grundschuldbestellungen, durch die Mittel für andere Zwecke als die Kaufpreisfinanzierung beschafft werden sollen.

 

Normenkette

BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1643 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr.1

 

Verfahrensgang

OLG Zweibrücken

LG Frankenthal (Pfalz)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23. April 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal vom 31. August 1993 wird vollem Umfang zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Grundschuld. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Jahre 1981 erwarb der alleinsorgeberechtigte Vater des damals noch minderjährigen Beklagten für diesen mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung ein Hausgrundstück in A. Der Vater schenkte dem Beklagten den Kaufpreis von 330.000 DM und nahm seinerseits bei der Klägerin zwei Darlehen von 297.000 DM sowie von 18.000 DM auf, von denen das erste zur Teilfinanzierung des Kaufpreises und das zweite zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten an dem Grundstück bestimmt war. Beide Darlehensverträge sahen die Mithaftung des Beklagten vor, der die Verträge bereits im Jahre 1981 mit unterschrieb und nach Eintritt seiner Volljährigkeit erneut unterzeichnen sollte. Zur Absicherung der beiden Darlehen bestellte der Vater des Beklagten als dessen gesetzlicher Vertreter zugunsten der Klägerin eine Grundschuld in Höhe von 317.000 DM an dem Grundstück. Weder für die Darlehensverträge noch für die Grundschuldbestellung wurde eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt. Nach Eintritt seiner Volljährigkeit unterschrieb der Beklagte im Jahre 1984 Kopien der Annahmeerklärungen beider Darlehensverträge.

Nachdem die Klägerin die Darlehen im Jahre 1987 wegen erheblicher Zinsrückstände zur sofortigen Rückzahlung gekündigt hatte, ging sie aus der Grundschuld gegen den Beklagten vor. Sie erstritt gegen ihn drei rechtskräftige Urteile, in denen er zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld in Höhe von insgesamt 75.000 DM verurteilt wurde. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt sie die Duldung der Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags von 242.000 DM nebst Zinsen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat widerklagend beantragt, die Klägerin zur Einwilligung in die Löschung der Grundschuld zu verurteilen. Er ist der Ansicht, die Grundschuldbestellung sei mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam gewesen und auch durch seine Unterzeichnung der Kopien der Annahmeerklärungen beider Darlehen im Jahre 1984 nicht wirksam geworden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin unter Abweisung der Widerklage im übrigen verurteilt, in Höhe eines Teilbetrages von 242.000 DM nebst Zinsen die Löschung der Grundschuld zu bewilligen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Die Bestellung der Grundschuld sei mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam gewesen; sie sei auch nicht später wirksam geworden, da die Unterzeichnung der beiden Darlehensannahmeerklärungen seitens des volljährig gewordenen Beklagten keine nachträgliche Genehmigung der Grundschuldbestellung enthalten habe. Da es somit an einer wirksam zustande gekommenen Grundschuld fehle, sei die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung ab zuweisen und der Widerklage auf Einwilligung in die Grundbuchberichtigung – soweit ihr nicht die Rechtskraft der von der Klägerin bereits erstrittenen Urteile entgegenstehe – stattzugeben. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sei für die Bestellung der Grundschuld nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderlich gewesen, weil die Grundschuld nicht nur zur Sicherung und Finanzierung der Kaufpreisforderung, sondern auch zur Sicherung eines Darlehens bestellt worden sei, das zur Renovierung des gekauften Hauses habe verwendet werden sollen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

Einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1643 Abs. 1 in Verbindung mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedurfte die Bestellung der Grundschuld, wie die Revision mit Recht rügt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht. Die Grundschuld ist daher von Anfang an wirksam zustande gekommen, weshalb es auf die Frage einer nachträglichen Genehmigung durch den Beklagten nicht ankommt.

Es ist seit der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 108, 356, 363 ff. allgemein anerkannt, daß die Nummern 1 bis 4 des § 1821 Abs. 1 BGB nur das dem Mündel bzw. Minderjährigen bereits gehörende Grundvermögen schützen und auf Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks erfolgen, keine Anwendung finden. Das gilt nicht nur für die Bestellung eines Grundpfandrechts zur Finanzierung des Grundstückskaufpreises, sondern auch für alle anderen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb vorgenommenen Belastungen wie zum Beispiel Nießbrauchsbestellungen (BGHZ 24, 372, 374 f.; Staudinger/Engler, 12. Aufl., § 1821 Rdn. 44, 45; Erman/Holzhauer, 9. Aufl., § 1821 Rdn. 9; jeweils m.w.N.). Bei einer Grundschuldbestellung, die im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb geschieht, kann es daher – jedenfalls dann, wenn die Grundschuld den Erwerbspreis nicht übersteigt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf ankommen, ob dadurch Mittel für die Kaufpreisfinanzierung oder für andere Zwecke beschafft werden sollen.

Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Grundschuldbestellung zu bejahen, weil der Vater des Beklagten von Anfang an beabsichtigt hatte, für diesen ein mit der Grundschuld zu belastendes Grundstück zu erwerben, und weil die Grundschuld auch in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb bestellt wurde.

III.

Das Berufungsurteil mußte daher, soweit es angefochten ist, aufgehoben werden. Insoweit war, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 07.10.1997 durch Wrede Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 609818

DStR 1998, 176

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